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Alt und schön zugleich

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In Meldorf an der Westküste Schleswig-Holsteins befindet sich zwischen dem Landwirtschaftsmuseum und dem zugehörigen Bauernhaus ein Historischer Rosengarten, der bei Rosenfreunden weit über die Region hinaus bekannt ist. Durch die intensive Recherche-, Bestimmungs-, Sammel- und Pflegetätigkeit der Rosenkennerin, Journalistin und Fachbuchautorin Gerda Nissen wurde die inzwischen weit über 50 Sorten historischer Rosen aus Dithmarschen umfassende Sammlung begründet. Vom Mai bis in den Juli erwartet den Besucher nicht nur ein faszinierendes Farbspektakel blühender Rosen, sondern auch ein ebenso intensives Dufterlebnis.

Halbgefüllte rosa Blüten besitzt die Rosa spinosissima ‚William III‘.

Auf dem Weg vom Vorplatz des Landwirtschaftsmuseums zum etwas zurückliegenden 300 Jahre alten Bauernhaus passiert man den Museumsgarten mit den historischen Rosen, deren Sorten und Pflanzungen mit Nummern versehen sind. Die Zuordnung zu den Sorten können Besucher dem im Museum erhältlichen Infoblatt oder dem aufgestellten Infokasten entnehmen.

Als alte oder historische Rosen werden in der Regel diejenigen bezeichnet, die vor 1867 entstanden sind. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die moderne Rosenzucht mit der Einkreuzung chinesischer Rosen entstanden. Die Vorteile waren eine mehrmalige und längere Blütezeit und eine größere Blütenfarbenpalette, vor allem der Rottöne. Erkennen kann man die alten Sorten meist an den mattfarbigen Laubblättern, die bei den modernen Sorten eher glänzend, fast wie lackiert erscheinen. Die alten Sorten, die zum Teil bereits aus der Antike bekannt waren oder die im 16. bis 19. Jahrhundert entstanden sind, waren damit aus der Mode gekommen und in Vergessenheit geraten, aber erfreuen sich mittlerweile wieder einer gewissen Renaissance.

Die Alba-Rose ‚Maxima‘ war früher in vielfacher Hinsicht eng mit dem dörflichen Leben verbunden.

Unbestrittene Vorteile der alten Rosen sind ihre Anspruchslosigkeit und die gute Angepasstheit an die lokalen Boden- und Klimabedingungen. Allerdings blühen die alten Rosen meist nur einmal und über einen kürzeren Zeitraum, weshalb sie allerdings geringerer Pflege bedürfen. Einen weiteren Vorteil betont Gerda Nissen in ihrem Buch über alte Rosen: „Das Faszinierende an alten Rosen ist nämlich, dass sie beides vereinen: den Sinnenreiz betörender Schönheit und den intellektuellen Reiz ihrer geschichtsträchtigen Vergangenheit.“

Die oft gemalte Damaszenerrose ‚Celsiana‘ besitzt durchscheinende rosa Blüten, die etwas verknittert wirken. Fotos: Hans-Dieter Reinke

Bei ihrer systematischen Suche nach alten Sorten im Kreis Dithmarschen ab der Mitte der 1970er Jahre wurde Gerda Nissen in alten Dorfgärten, verlassen Siedlungen, auf Friedhöfen, aber auch in Knicks fündig. Bereits 1976 erschienen in der Zeitschrift „Dithmarschen“ unter dem Titel „Alte Rosen aus Dithmarschen“ erste Ergebnisse ihrer Bemühungen. 23 Sorten wurden dargestellt und bald darauf im Jahre 1984 folgte das Buch „Alte Rosen“, das zu einem Standardwerk der regionalen Rosenforschung wurde. Es erschienen diverse Auflagen und inzwischen liegt eine von der langjährigen Mitarbeiterin des Museums Dr. Jutta Müller behutsam überarbeitete und herausgegebene Version mit den Texten von Nissen vor – ergänzt durch zeitgemäße neue Fotografien der einzelnen Rosensorten von der Fotografin Melitta Kolberg.

Die ‚Rose de Resht‘ ist mit ihren leuchtendroten Blütenpompons die einzige mehrfach blühende Damaszenerrose.

Neben der Sammlung und Publikation kümmerte sich Gerda Nissen auch um die Entwicklung eines Gartens der alten Rosen, zunächst im Innenhof des Dithmarscher Landesmuseums und später Ende der 1980er Jahre beim Neubau des Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftsmuseums am heutigen Standort.

So werden heute über 50 in Dithmarschen gefundene und wiederentdeckte Sorten alter Rosen im Museumsgarten präsentiert. Sie gehören zu den bekannten Rosenklassen, in die die dornigen Blütenschönheiten wie Gallica-, Alba-, Damaszener-, Spinosissima, Zentifolia-, Bourbon und Francofurtana-Rosen einsortiert werden.

Die Rosa damascena ‚Duke of Cambridge‘ besitzt gefüllte kräftig rosa farbene Blüten, die relativ schnell verblassen.

Da ist beispielsweise die Gallicarose ‚Officinalis‘, die bereits die Römer kannten und die Plinius der Ältere im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung eingehend beschrieben hat. „Sie hat seitdem an allem teilgehabt, was wir heute europäische Kultur nennen“, sagt Gerda Nissen in ihrem Buch und erwähnt die Verwendung in der Medizin als Rosenwasser oder Rosenöl, in der Kunstdarstellung, als Heil- und Blütenpflanze in den mittelalterlichen Klostergärten und als eines der Madonnensymbole in der christlichen Religion. Weitere dithmarscher Gallicarosen sind die ‚Versicolor‘ mit rot-weiß gestreiften Blüten, ‚Tuscany‘ mit schwärzlich roten Blüten, oder ‚Conditorum‘, die auch als Zuckerröslein benannt wurde und zu allerlei süßen Leckereien, wie kandierten Blütenblättern verarbeitet wurde. Hierzu gehört auch ‚Royale Marbrée‘, deren Blütenfarbe sich verschiedentlich etwas im Laufe der Blütenentwicklung verändert und bei anderen Boden- und Sonnenscheinverhältnissen leichte Farbveränderungen der Blüte besitzt. Ihre Blüten lassen sich sogar für die Vase schneiden, was ansonsten bei den alten Sorten eher selten der Fall ist.

Sehr beliebt sind die weiß blühenden Rosen der „Alba-Gruppe“ mit der halbgefüllten ‚Semiplena“, die wohl die älteste und jahrhundertelang einzige reinweiß blühende Gartenrose Europas war. Die ebenfalls weiß blühende ‚Maxima‘, die Rose unserer Märchen und Sagen und der Dichtungen, die mit ihren gefüllten Blüten über zwei Meter hohe und ausladende Sträucher ausbildet, war als haus- und stallnahe Hofrose beliebt. Ihre Blüten überdeckten früher an Ställen und Haustüren mit ihrem Rosenduft den Geruch von Vieh und Mist.

Die als ‚Gelbe Rose von Texas‘ bezeichnete Rosa harisonii stammt aus den USA und ist eine der wenigen gelb blühenden alten Rosen.

Die Damaszenerrosen sind vertreten mit der Sorte ‚Celsiana‘, die der berühmte Rosenmaler Redouté Anfang des 19. Jahrhunderts porträtierte und die auch in den Blumenbildern Van Huysums schon früher dargestellt worden war. Die ‚Rose de Resht‘ mit ihren leuchtend­roten Blütenpompons ist sogar die einzige öfterblühende oder sogar dauerblühende Damaszenerrose. Sie gilt trotz der Mehrfachblüte als robust und frosthart und weist den typischen schweren Ölrosenduft der Damaszenerrosen auf.

Mit vielen kleinen Dornen versehen sind die Spinosissima-Sorten, deren Wildformen an den Küsten Nordeuropas bis nach Sibirien beheimatet sind. ‚Staffa‘ ist der Name einer schottischen Insel und aus der nördlichen Region könnte die weiß blühende Sorte auch kommen, die bereits frühzeitig im Mai ihre Blütenpracht im Meldorfer Rosengarten entfaltet.

Die Farbe gelb war unter den alten Sorten eine seltene und begehrte Farbe, die in Meldorf durch Rosa harisonii vertreten ist, die auch als ‚gelbe Rose von Texas‘ bekannt ist. Sie kam 1930 nach Europa und war im Garten des New Yorker Rosenzüchters Georg Harison entstanden. Sie erwies sich als robust und für das raue nördliche Klima geeignet.

Die Rosa centifolia ‚Robert le Diable‘ kann in verschiedenen Blütenfarben, wie rosa, rot, purpur oder lila auftreten.

Die Rosenblütezeit im Meldorfer Rosengarten beginnt alljährlich im späten Mai und zieht sich bis Mitte Juli, so dass man Gelegenheit hat sich vielleicht eine geeignete Rosensorte für den eigenen Garten auszusuchen. Im Herbst gibt es dann die Möglichkeit, diese Sorte zu erwerben, wenn von einigen Rosensorten Ausläufer zum Verkauf stehen.

Zudem gibt es im Museumsgarten neben den Rosen auch andere Blumen in den Beeten wie Funkie, Frauenmantel, Telekia, Astilbe, Taglilie, Iris, Kronenlichtnelke, Sonnenbraut und andere sowie einige Sträucher mit Johannisbeeren und Flieder, ein Birnenspalierobst an der Mauer des Museumsgebäudes oder auch Gräser, wie Horste von Rohr-Glanzgras. Im herbstlichen Garten bieten die Rosen nochmals ein schönes Schauspiel, wenn sie die verschiedenfarbigen und unterschiedlich geformten Früchte (Hagebutten) zur Schau tragen.

Rapsextraktionsschrot weiterhin beliebt

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Der Winterrapsanbau zur Ernte 2023 wurde erneut ausgedehnt. Mit 1,10 bis 1,13 Mio. ha Hektar liegt die Aussaatfläche ein weiteres Mal oberhalb der Erntefläche. Der scharfe Anstieg der Rapserzeugerpreise im Frühjahr/Sommer nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine dürfte nach den Experten der Union zur Förderung von Oel- und Proteinpflanzen (Ufop) viele Landwirte bewogen haben, ihren Anbau auszudehnen.

Anbauausdehnungen sind in erster Linie im Norden (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen) und in Süddeutschland (Bayern, Baden-Württemberg) beobachtet worden, berichtet die Ufop in ihrer Prognose zur Anbauentwicklung für das Jahr 2023. Damit steht auch in diesem Jahr den deutschen Ölmühlen ein wichtiger Rohstoff gleich vor der Tür zur Verfügung.

Dass Rapsextraktionsschrot (RES) aus den deutschen Ölmühlen in der Tierfütterung weiterhin sehr beliebt ist, zeigen die Einsatzzahlen, die der Verband der Ölmühlen und der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) jährlich herausgeben. Wie in Abbildung 1 dargestellt, übersteigt in den vergangenen fünf Jahren der Verbrauch an RES den des Sojaextraktionsschrotes (SES) deutlich. Gedeckt wird dieser Bedarf zum größten Teil aus deutschen Ölmühlen, die mittlerweile eine Verarbeitungskapazität von 9,5 Mio. t Rapssaat im Jahr aufweisen.

Der leichte Rückgang seit dem Jahr 2017, der das SES stärker getroffen hat als das RES, lässt sich möglicherweise auf geringere Tierzahlen, aber auch auf eine Reduzierung des Proteingehaltes in den Futtermischungen aufgrund der neuen Düngerichtlinien zurückführen. Aufgrund der extremen Rückgänge der Tierzahlen in 2022 werden weiter sinkende Einsatzmengen prognostiziert.

Der hohe Anteil an RES ist Ausdruck dafür, dass vor allem Rinderhalter dieses Futtermittel schon seit Längerem als Alternative zum SES akzeptieren. Eine wesentliche Grundlage dafür haben umfassende Fütterungsversuche gelegt, die in Koordination zwischen mehreren Landesversuchseinrichtungen und mit maßgeblicher Unterstützung der Ufop durchgeführt worden sind. Die Versuche zeigen, dass Milchkuhrationen auch im Hochleistungsbereich ganz ohne SES machbar sind und so die mittlerweile nahezu als Standard geforderte Gentechnikfreiheit der Futtermittel gewährleisten können.

Rapsextraktionsschrot kann im Futter für Milchkühe alleine die benötigte Proteinfuttermenge ausmachen.

Aber auch im Bereich der Schweinefütterung beginnt unter den momentanen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ein Umdenken. Nachdem auch hier Untersuchungen der vergangenen Jahre (Tabelle 1) deutlich gezeigt haben, dass bei Einhaltung der Empfehlungen für die Gesamtration ohne Probleme bis zu 15 % RES in der Mastschweineration eingesetzt werden können, hat sich der Einsatz im Schweinefutter ebenfalls deutlich erhöht. Interessant ist es immer dann, wenn sich eine Preisrelation von unter 65 bis 68 % zum Preis von SES ergibt.

Von den in Deutschland verarbeiteten 9,5 Mio. t Rapssaat kommen gute 40 % aus Deutschland selbst. Die übrigen 60 % werden importiert. Daher lag auch in diesem Jahr ein Schwerpunkt auf der Analyse der antinutriven Glucosinolate.

Zahlreiche Proben untersucht

Unter dieser Maßgabe konnten durch die Landesfütterungsreferenten knapp 40 RES-Proben gezogen und bei der Landwirtschaftlichen Kommunikations- und Servicegesellschaft (LKS) Lichtenwalde auf Inhaltsstoffe untersucht. Damit schließt das Monitoring auch an die Untersuchungen von 2018 bis 2021 an.

Beim Schwein können bis zu 15 % RES im Futter eingesetzt werden.

Ähnlich den Ergebnissen der vergangenen Jahre zeigte das RES auch in 2022 eine durchgehend gleichmäßig hohe Qualität. Mit einer mittleren Trockenmasse von 89,1 % waren optimale Voraussetzungen für die Lagerung gegeben. Der Rohfasergehalt bewegt sich etwas höher als in den Vorjahren bei 13,2 %. Der Fettgehalt liegt mit 3,8 % auf gleichem Niveau wie in den vergangenen Jahren. Der Eiweißgehalt lag mit 32,4 % knapp unter dem Vorjahresniveau.

Alles dies hat keine Auswirkungen auf den Energiegehalt, der im Jahr 2021 mit 6,3 MJ NEL für das Rind und 9,8 MJ ME für das Schwein im Mittel der Jahre zuvor lag. Der Energiewert für das Geflügel liegt mit durchschnittlich 7,5 MJ ME im Bereich der Tabellenwerte. Sowohl die nXP-Werte (215 g) (nutzbares Rohprotein) als auch die RNB (Ruminale Stickstoffbilanz)-Werte (17 g) trafen die Werte der vergangenen Jahre ziemlich genau.

Der Lysingehalt lag im Jahr 2022 mit 18,0 g/kg etwas niedriger als 2020 und 2021. Bei der Untersuchung auf Mengen- und Spurenelemente zeigte sich auch in 2022, dass die tabellierten Werte in etwa erreicht wurden (Tabelle 2). Der besonders interessante P-Gehalt lag in 2022 Jahr mit 10,6 g/kg RES ähnlich dem Mittelwert des Jahres 2020. Man erkennt eine Streuung der Werte, die Abweichungen von rund 20 % nach oben und unten ausweisen. Da wir aber dabei noch im Bereich des Analysenfehlers bleiben, kann man von einer recht niedrigen Streuung sprechen.

Berechnet man aus den Werten für K, Na, Cl und S das Kationen-Anionen-Verhältnis (DCAB), das für die Beurteilung einer eventuell bestehenden Milchfiebergefahr in der Vorbereitungsfütterung bei Milchkühen von Bedeutung ist, erhält man hier Werte von durchschnittlich –78 meq/kg. Damit liegt der Wert etwas tiefer als der des Vorjahres.

Der Glucosinolatwert liegt im Mittel mit 9,1 mmol in gleicher Größenordnung wie in den vergangenen Jahren. Dabei schwanken die Werte zwischen 1,3 und 15 mmol. Ausreißer über 15 mmol/kg waren in diesem Jahr nicht zu beobachten.

Deklarationen wurden eingehalten

Im Zuge des Monitorings wurden weiterhin die Angaben der Hersteller/Verkäufer von RES in Bezug auf die Rohproteinwerte der verkauften Ware überprüft. Dazu galt es, die Abweichungen der Analysewerte von den deklarierten Werten festzustellen. In Abbildung 2 sind diese Abweichungen für jede einzelne Partie dargestellt.

Abweichungen nach oben sagen aus, dass bei den Analysen mehr Rohprotein gefunden wurde, als deklariert war. Bei nach unten abweichenden Werten lagen die Analysenwerte unter den deklarierten Werten. Bezieht man die Toleranzen mit ein, haben im Jahr 2022 mit Ausnahme eines der untersuchten RES alle die deklarierten Rohproteinwerte eingehalten. Die Auswertung belegt also, dass bei Rationsberechnungen der vom Verkäufer deklarierte Rohproteinwert angesetzt werden kann und sollte.

IGC senkt Körnermaisprognose für die EU

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Getreidesilos in Kansas, im Mittleren Westen der USA. Hier soll in diesem Jahr mehr Mais geerntet werden. Foto: Imago

Die wochenlange Trockenheit in Teilen Europas macht sich nun auch in den Ernteprognosen für 2023 bemerkbar. Der Internationale Getreiderat (IGC) macht in seiner jüngsten Prognose Abschläge für das voraussichtliche Weizenaufkommen in Spanien und Deutschland. Bessere Aussichten werden für Frankreich und die südosteuropäischen Mitgliedstaaten der EU gesehen. Die globale Weizenerzeugung wird wohl kleiner als 2022/23 ausfallen. Das Weizen- und Maisareal in der Ukraine ist größer als bislang angenommen. 

Am vergangenen Donnerstag hat der Internationale Getreiderat (IGC) seine Schätzung für die EU-Weizenernte gegenüber seinem Mai-Bericht nach unten revidiert, wenn auch nur um 700.000 t auf 136,1 Mio. t. Damit würde die Vorjahresmenge noch um 2,3 Mio. t Weizen übertroffen. Die Londoner Fachleute begründen ihre etwas weniger optimistische Einschätzung vor allem mit der anhaltenden Dürre in verschiedenen EU-Ländern. Zwar habe es in den südlichen Regionen zuletzt teils kräftig geregnet, heißt es im aktuellen IGC-Bericht. Die Niederschläge seien jedoch zu spät gekommen, um Trockenschäden in Spanien noch zu verhindern. Damit im Einklang korrigierte der Getreiderat seine Prognose für das spanische Weizenaufkommen um 1,9 Mio. t auf nur noch 3,7 Mio. t nach unten. Im vergangenen Jahr hatten die Landwirte dort noch 6 Mio. t Weizen gedroschen. Die deutsche Weizenernte veranschlagt der IGC aktuell auf 21,9 Mio. t, was im Vergleich zur Voraussage vom Mai einem Minus von 700.000 t entspricht. Zum Vergleich: Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) rechnete zuletzt mit einer Winterweizenproduktion von 21,56 Mio. t. Andererseits setzte der Getreiderat seine Prognose für die französische Weizenerzeugung 2023 um 1 Mio. t auf 36,6 Mio. t herauf. Damit würde die Vorjahresmenge um 1,6 Mio. t übertroffen. Optimistischer waren die Markt­experten auch für Rumänien, Bulgarien, Ungarn, und Griechenland.

Satellitenbilder zum Anbau in der Ukraine

Die globale Weizenerzeugung 2023/24 veranschlagt der IGC nun auf 786,1 Mio. t, was im Vergleich zur Maiprognose einem Aufschlag von 3,4 Mio. t entspricht. Im vorherigen Wirtschaftsjahr war allerdings noch ein Aufkommen von 803,2 Mio. t Weizen verzeichnet worden. Deutlich zuversichtlicher als noch im Mai sind die Fachleute vor allem mit Blick auf die Ukraine, wo die Landwirte in diesem Jahr 22,5 Mio. t Weizen einbringen könnten. Die vorige Einschätzung lag bei nur 20,2 Mio. t. Als Begründung für den optimistischere Prognose wird angeführt, dass die Anbaufläche größer sei als zuvor angenommen. Dies habe die Auswertung von Satellitenbildern in dem kriegsgeplagten Land ergeben. Im vergangenen Jahr hatte die ukrainische Weizenernte allerdings noch bei 26,3 Mio. t gelegen.

Niedrige französische Maisernte

Derweil taxiert der Getreiderat die diesjährige EU-Maisernte jetzt auf voraussichtlich 62,8 Mio. t; im Mai waren noch 2,3 Mio. t mehr erwartet worden. Dennoch würde damit das schlechte Vorjahresergebnis von nur 52,8 Mio. t Mais noch deutlich übertroffen. Als Grund für die jetzige Abwärtskorrektur wird unter anderem die Dürre in einigen Teilen Europas angeführt – wie beim Weizen. Außerdem sei in Frankreich, Italien und Spanien vermutlich weniger Mais ausgesät worden als bislang angenommen. Vor allem die Ernteprognose für Frankreich fiel schlechter aus: Hier nahmen die Fachleute einen Abschlag von 800.000 t auf 11,1 Mio. t Mais vor. Das italienische Maisaufkommen wird jetzt bei 5 Mio. t gesehen; zuvor war noch mit 500.000 t mehr gerechnet worden. Auch für die Ernte in Deutschland ist der IGC pessimistischer; das hiesige Maisaufkommen wird jetzt auf 3,8 Mio. t veranschlagt, was einem Abschlag von 400.000 t entspricht. Damit würde wieder nur das enttäuschende Vorjahresniveau erreicht. Auch die spanische Maiserzeugung soll mit 2,5 Mio. t um 400.000 t kleiner ausfallen als bislang angenommen.

Trockenheit auch im Mittleren Westen

Derweil rechnet der IGC mit einer ukrainischen Maisernte von 24 Mio. t, was einem Aufschlag von 3 Mio. t entspricht. Die Aussaatfläche sei größer ausgefallen als zunächst erwartet, heißt es zur Begründung. Das betreffende Areal wird jetzt auf 4 Mio. ha taxiert; das wären aber noch 13 % weniger als die Aussaat zur Ernte 2022, die sich auf schätzungsweise 27 Mio. t belief. Dagegen dürften die US-Farmer in diesem Jahr deutlich mehr Mais als im vorigen Jahr ernten, nämlich 373,4 Mio. t; das wäre ein Zuwachs von 24,6 Mio. t. Im Mai hatte der Getreiderat aber noch mit 381,8 Mio. t Mais gerechnet. Als Argument für den Abschlag werden voraussichtliche Ertragseinbußen durch Trockenheit im Mittleren Westen der USA angeführt. Seine Prognose für die globale Maisernte 2023/24 setzte der IGC um gut 6 Mio. t auf 1,211 Mrd. t herab. Damit würde das Vorjahresergebnis um fast 56 Mio. t oder 4,9 % verfehlt. age

Den Kalkbedarf der Flächen im Blick

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Die Bodenfruchtbarkeit legt den Grundstein für das Ertragspotenzial eines Standortes. Um eben diese zu fördern lohnt sich ein Blick auf den pH-Wert und eine darauf ausgelegte Kalkdüngeplanung. Denn die Haupt- und Spurennährstoffe liegen in Abhängigkeit der Bodenart zu einem spezifischen pH-Wert in pflanzenverfügbarer Form vor und können bei einem ungünstigen pH-Wert in einen Mangelzustand geraten.

Der pH-Wert wird im Rahmen der Standardbodenanalyse auf Basis der VDLUFA-Methode (Verband deutscher landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten) über eine Kalzium-Chlorid-Lösung bestimmt. Der aus diesem Wert abzuleitende Kalkbedarf ist maßgeblich von der Bodenart und insbesondere vom Humus- und Tongehalt abhängig. Mit steigendem Tongehalt ist der optimale pH-Wert höher anzusetzen, während ein hoher Humusgehalt wiederum einen niedrigeren pH-Wert als Optimum aufweist (Tabelle 1). Insbesondere bei tonhaltigen Böden empfiehlt sich daher eine präzise Bestimmung der Bodenart mittels Schlämmanalyse.

Kalkbedarf der Böden ermitteln

Die Ableitung des Kalkbedarfs (Ca) anhand der Bodenanalyse und entsprechend der Bodenart, des pH-Wertes und des Tongehalts erfolgt auf Basis der Gehaltsklassen A bis E (Tabelle 2). Anzustreben ist stets die Gehaltsklasse C, die eine optimale Kalkversorgung definiert. Zur Absicherung der optimalen Versorgung ist auch in Stufe C eine Kalkdüngung notwendig (Erhaltungskalkung). In den Klassen A und B ist die Kalkversorgung der Böden vergleichsweise niedrig, sodass zur Durchführung der Gesundungskalkung höhere Kalkmengen notwendig sind. Die höchste Klasse E weist keinen Kalkbedarf auf.

Aufgrund kontinuierlicher Zersetzung von organischer Substanz und der Ca-Auswaschung über die Abfuhr durch Ernteprodukte, sowie über den Einsatz von kalkzehrenden Mineraldüngern sinkt im Laufe der Jahre der Ca-Gehalt im Boden und der pH-Wert fällt dementsprechend ab. Laut den jüngsten Bodenzustandserhebung der landwirtschaftlich genutzten Böden in Deutschland aus dem Jahr 2018 sind gut 42 % der mineralischen Ackerböden und rund 57 % der Böden unter Dauergrünland in die Klassen A und B, also unterhalb des pH-Wert-Optimums, einzustufen (Thünen-Report Nr. 64).

Demnach ist auf etwa der Hälfte der landwirtschaftlichen Flächen innerhalb der Bundesrepublik eine Gesundungskalkung notwendig, um das volle Ertragspotenzial auszuschöpfen beziehungsweise die weiteren Vorteile einer guten Kalkversorgung zu nutzen.

Neben der chemischen Eigenschaft, den pH-Wert anzuheben, hat eine Kalkung auch positive Effekte auf das Bodenleben und die Bodenphysik. Ca bildet zwischen den Tonteilchen Brücken aus, woraus sich eine stabile Krümelstruktur des Bodens ergibt. Der Boden wird tragfähiger. Dieser Vorgang ist besonders auf schweren Böden bedeutend, um den Luft-, Wasser- und Wärmehaushalt des Bodens zu verbessern. Dies bestätigte sich in Versuchen zur Kalkdüngung, die von der Landwirtschaftskammer an der Westküste durchgeführt wurden. Bei sandigen Böden, deren Tonanteil deutlich geringer ist, ist dieser Effekt weniger ausgeprägt. Hier ist die Nährstoffmobilisierung anhand der Steuerung des pH-Wertes das Ziel der Kalkung.

Nährstoffeffizienz abhängig vom pH-Wert

Die höchste Verfügbarkeit der Nährstoffe ergibt sich in einem Bereich der pH-Werte von 5,5 bis 7,0. Unter diesen Umständen liegen die Haupt- und Spurennährstoffe in hohem Maße pflanzenverfügbar vor. Während die Hauptnährstoffe Stickstoff, Kalium, Magnesium, Schwefel und Kalzium mit steigendem pH-Wert besser pflanzenverfügbar werden, zeigen die Spurenelemente Eisen, Mangan, Kupfer und Zink eine höhere Festlegung je höher der pH-Wert ist. Der stärkste Effekt ist hier bei Mangan festzustellen, sodass ein möglicher Mangel mit einer Spurennährstoffdüngung unbedingt ausgeglichen werden sollte. Auch Phosphor ist in nur einem engen pH-Wert-Bereich verfügbar, weshalb der pH-Wert im Blick zu behalten ist (siehe Übersicht).

Zielgerichtet Kalk düngen

Die Wirkung der in der Praxis eingesetzten Kalkdünger ist sehr verschieden. Die Bodenart und der Zweck der Kalkung ist entscheidend für die Wahl des Kalkdüngers. In den Versorgungsstufen A und B ist das Aufkalken das Ziel, bei dem eine zügige Kalkwirkung das schnellste Ergebnis liefert.

Auch bei Böden mit hohen Ziel-pH-Werten ist eine hohe Reaktivität für eine schnelle Anhebung des pH-Wertes gewünscht. Für diese Anwendungsbereiche sind Branntkalke (CaO) oder Mischkalke mit einem hohen Anteil an Branntkalk geeignet. Für leichte Böden und für die Erhaltungskalkung in der Versorgungsstufe C sind kohlensaure Kalke (CaCO3) mit einer langsameren und länger anhaltenden Kalkwirkung besser geeignet (Tabelle 3). Auf diesen Böden würde eine zu schnelle Kalkwirkung leicht zu einer Überschreitung des Ziel-pH-Wertes führen, welcher dann wiederum die Festlegung einzelner Nährstoffe wie Phosphor und Mangan mit sich zieht.

Die auf der Bodenanalyse ausgewiesene ­CaO-Bedarfsmenge darf nicht mit der notwendigen Produktmenge des Kalkdüngers verwechselt werden, da die am Markt befindlichen Kalkdünger meist nicht zu 100 % CaO enthalten. Auch ist oftmals der Neutralisationswert in % CaO für das Produkt angegeben, um auch weitere pH-Wert-wirksame Bestandteile wie beispielsweise Magnesiumoxid (MgO) mit zu berücksichtigen. Zudem liegen die meisten Kalkdüngemittel in der CaCO3-Form vor. Daher sind die Bedarfsmengen von CaO mit dem Faktor 1,78 zu multiplizieren.

Das Düngeplanungsprogramm der Landwirtschaftskammer gibt hier Hilfestellung, da diese Angaben bereits berücksichtigt werden. Dennoch kann anhand des produktspezifischen Neutralisationswertes die benötigte Produktmenge auch manuell errechnet werden: Kalkbedarf (dt CaO/ha) / CaO-Anteil-Neutralisationswert (t CaO/t Produkt) = Produktmenge (dt/ha). Soll zum Beispiel ein Kalkbedarf von 10 dt CaO/ha gedeckt werden, und der Neutralisationswert des eingesetzten Kalkes beträgt 50 % CaO, muss eine Gesamtproduktmenge von 20 dt/ha ausgebracht werden.

Mit besonderem Blick auf die Gesundungskalkung in den Gehaltsklassen A und B sollten maximale Kalkgaben für die gesamte Krume nicht überschritten werden. Diese sind bei leichten Böden (S, hS) 30 dt CaO/ha, bei mittleren Böden (l’S, lS) 60 dt CaO/ha und bei schweren Böden (sL, L) 80 dt CaO/ ha. Weitere Düngeempfehlungen und Mengen sind den Richtwerten für die Düngung 2022 der Landwirtschaftskammer zu entnehmen.

Fazit

Über die Kalkversorgung werden der pH-Wert und damit auch die Verfügbarkeit von Nährstoffen direkt beeinflusst. Eine auf die nach Ergebnissen der Bodenanalyse abgestimmte Kalkung hält die Böden gesund und fruchtbar.

Delfter Fliesen nach alter Handwerkskunst

Vom Klumpen Ton bis zur handgefertigten Fliese ist es ein weiter Weg, weiß Claudia van Hees. Seit mehr als 30 Jahren stellt die Keramikerin in Seestermühe im Kreis Pinneberg nach überlieferter Handwerkstradition kunstvolle Unikate her. Unter ihren Händen entstehen Reproduktionen alter holländischer Fliesen in Fayencetechnik.

Ursprünglich waren es die Eltern, die ihr nach dem Schulabschluss vorschlugen, Keramikerin zu werden. Das ist nun schon über 45 Jahre her. Claudia van Hees hat nie bereut, sich dieser Profession gewidmet zu haben. „Hier fand ich schließlich meine Nische, die Delfter Fliesen, die mich jeden Tag inspirieren und glücklich machen“, bekennt die 64-Jährige. Auch jenseits des nahen Rentenalters, so versichert sie, werde sie weiterhin mit Unterstützung zweier Mitarbeiterinnen keramische Fliesen fertigen. In Seestermühe, einem Dorf in den Elbmarschen, hat sie dafür den idealen Ort gefunden. 

Blick in die Werkstatt von Claudia van Hees

Neben einem Ausstellungsraum und einem zum Fliesenbemalen, befindet sich dort ihre Atelierwerkstatt, das Herzstück der Fliesenmanufaktur.  Hier entstehen in Fayencetechnik kleine und große Kostbarkeiten. „Fayence nennt sich die Dekortechnik, mit der diese Fliesen mit einem Pinsel dekoriert oder bemalt werden. Der Ausgangspunkt dieser Technik liegt in Ägypten und Persien und wurde mit den Mauren im 13. Jahrhundert nach Europa gebracht“, informiert sie, während sie mit Leidenschaft und Knowhow durch ihr Reich führt. Dabei demonstriert sie anschaulich, warum unzählige Arbeitsschritte und jede Menge Zeit erforderlich sind, um Ton in hübsche Fliesen zu verwandeln. 

Den Rundgang beginnt sie vorn beim Lagerplatz des Werkstoffes, ohne den ihr kreatives Schaffen undenkbar wäre. „Mein Ton wird aus Mitteldeutschland geliefert und extra nach einem speziellen Rezept für mich hergestellt. Wir verbrauchen davon zehn Tonnen pro Jahr“, verrät sie und steuert ihre einzige Maschine an. „Das ist eine Vakuum-Strangpresse, die den zu verarbeitenden Ton entlüftet. Blieben in ihm Lufteinschlüsse zurück, könnte die Fliesenoberfläche durch Hitze und Ausdehnung beim Brennen brechen oder abplatzen“, erklärt sie. Plattenstränge gleichmäßiger Stärke kämen aus der Presse und würden danach grob vorgeschnitten. Die vorgezogenen Tonplatten müssten sechs bis zwölf Stunden zwischen Brettern trocknen, bis sie die gewünschte Restfeuchte hätten und lederhart seien. Bis zur Weiterverarbeitung würden sie dann in Folie verpackt, damit sie nicht austrocknen.

Nach dem Schrühbrand wird die Fliese mit einer wassergebundenen Glasur benetzt.

Um den nächsten Arbeitsschritt zu zeigen, nimmt die Keramikerin eine lederharte Fliese zur Hand. Sie legt diese auf eine Holzschablone und schneidet mit einem Schneidebrett eine quadratische Platte mit einer Kantenlänge von je 13,4 cm zu. Im gebrannten Zustand wird diese nachher das historisch überlieferte Maß von 13 cm x 13 cm bei einer Stärke von zirka 6 mm haben. Damit die Fliese beim Schneiden nicht wegrutscht, hat die Schablone zwei Nägelchen in den Ecken, die sich in die noch weiche Tonplatte drücken. „Dadurch entstehen auf der Fliesenoberfläche zwei kleine Löcher, die Gaatjes. Diese sind ein untrügliches Zeichen dafür, dass die Fliese in Qualitätsarbeit von Hand gefertigt wurde“, stellt sie heraus. Und auf noch etwas weist sie hin: „Den Schnitt der Fliese führe ich konisch, leicht nach innen geneigt. Das hat den Vorteil, dass sich bei Motiven, die über mehrere Fliesen gehen, störende Fugen vermeiden lassen.“

Alle Zuschnitte werden gestapelt und etwa drei bis vier Wochen durchgetrocknet. Danach stellt Claudia van Hees sie in den Brennofen und glüht sie im ersten Brand, dem Schrüh- oder Bisquitbrand, neun Stunden bei etwa 900 °C aus. Nach fünf Tagen ist der Brennofen so weit abgekühlt, dass sie die Schrühfliesen herausnehmen und glasieren kann. Im Anschluss erfolgt die Bemalung. „Mit einer Sponse, einer Durchstaubschablone aus Pergament, und einem Beutel gefüllt mit Kohlenstaub, markiere ich die Konturen meines Motivs auf der ungebrannten Glasur. Zum Nachziehen der Umrisse verwende ich einen Kuhhaarpinsel. Die weitere Ausmalung führe ich frei aus“, so die Künstlerin. Auch dieses demonstriert sie eindrucksvoll. 

Mit ruhiger Hand werden die Fliesen bemalt.

Mit ruhiger, geübter Hand, konzentriert jeden einzelnen Pinselstrich setzend, entsteht das Motiv „kleine Streublume“, angelehnt an eine historische Vorlage von um 1770. „Ich reproduziere die Delfter Fliesen exakt nach holländischem Vorbild. Tausend verschiedene Motive habe ich zusammengetragen, aus denen Kunden ihre Wunschfliesen wählen können. Die Mischung des Tons, die Farben, die Art der Glasuren und der Malstil entsprechen dabei der alten Handwerkstradition.“ Ihre Fliesen müssen später für den zweiten Glattbrand bei 1.000°C in einen anderen Ofen. Jetzt schmelzt die Malerei in die weiß glänzende Glasur ein. Nach drei Tagen kann sie die abgekühlten Fliesen entnehmen. „Während des Glattbrandes verbrennt auch der Kohlenstaub und ist nicht mehr sichtbar“, bemerkt sie. Danach folge im letzten Schritt das Patinieren der Fliese, wodurch die Haarrisse, die sich in der Abkühlphase gebildet haben, sichtbar werden. Die Keramikerin ist stolz, mit den sorgfältig ausgeführten Handarbeiten dazu beizutragen, eine fast vergessene, uralte Tradition wieder in historische Gebäude oder eine zeitgemäße, anspruchsvolle Architektur einzubringen. „Der schönste und spannendste Auftrag ist der, wenn Hausbesitzer bei mir anfragen, die noch eine ganze zu restaurierende Fliesenstube haben. Fliesen herzustellen, die sich hier harmonisch einfügen und beschädigte Exemplare ersetzen können, ist für mich immer wieder eine Freude.“ Besonders bei solchen Aufträgen kommt Claudia van Hees ihr profundes kunstgeschichtliches Fachwissen zugute. Ihre Expertise hat sich herumgesprochen. Mittlerweile verschickt sie Fliesen nicht nur innerhalb Deutschlands, sondern auch nach Dänemark oder der Schweiz. Sie finden sich in privaten Landhausküchen, Bädern und Esszimmern genauso wieder wie in Hotels oder Restaurants. 

Zum Abschluss führt sie in den Ausstellungsraum. Hier stehen auf Wandregalen dicht aneinandergereiht historische Originalfliesen aus mehreren Jahrhunderten. „Jedes Jahrhundert hatte seine Lieblingsmotive. Deshalb kann ich eine antike Fliese durch ihr Motiv zeitlich genau zuordnen.“ Maritime oder religiöse Motive, Blüten und Früchte, Landschaften, Bauernhäuser, Tiere, Ornamente und Alltagsszenen wurden anno dazumal detailreich auf Fliesen gebannt. Claudia van Hees entwirft aber auch eigene, moderne Motive. „Selbst nach so vielen Jahren im Beruf, kann ich immer noch etwas Neues ausprobieren und entdecken und dabei wunderbar kreativ sein.“ Weitere Infos unter ­fliesenmanufaktur.de

Im Ausstellungsraum zeigt die Keramikerin historische Fliesen und die Bandbreite ihres kreativen Schaffens.
Bauernhaus auf Fliese nach einer historischen Vorlage
Claudia van Hees hat historische Originalfliesen aus mehreren Jahrhunderten zusammengetragen. Sie dienen ihr als Vorlagen.
Die Keramikerin möchte Kunden mit ihrer alten Handwerkskunst verzaubern.
Claudia van Hees gestaltet auch große Tableaus, die sich über mehrere Fliesen erstrecken.
Claudia van Hees markiert mit einer aufgelegten Sponse aus Pergament und einem Kohlenstaubbeutel die Konturen ihres ausgewählten Motivs.
Eine Idee der Künstlerin: Reproduzierte Delfter Fliesen schmücken einen Wandkerzenhalter aus Messing.


Regierungsinterne Streitigkeiten um Agrardiesel

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) plant für 2024 keine Kürzung der Agrardieselbeihilfe. Das hat ein Ministeriumssprecher am Montag bestätigt. Allerdings steht die Steuervergünstigung für die Zeit danach auf dem Prüfstand.

Der Sprecher räumte ein, dass vor dem Hintergrund der angespannten Lage des Bundeshaushalts die Ausgestaltung der Agrardieselbeihilfe „evaluiert“ werde. Dabei komme man einem Hinweis des Bundesfinanzministeriums nach. Eine Streichung schloss der Sprecher von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) aus.

Damit widerspricht das Agrarressort Finanzminister Christian Lindner (FDP). Dieser sagte am Montag gegenüber dem „Handelsblatt“, das BMEL habe ihm mitgeteilt, dass es „die Streichung der Agrardieselbeihilfe für die Deckung langfristiger Ausgaben“ prüfe. Der FDP-Politiker distanziert sich in dem Interview von diesem Vorgehen. Özdemir sollte seinen Angaben zufolge „genau erwägen, ob man die Haushalte der Länder dadurch entlasten sollte, dass man die landwirtschaftlichen Betriebe belastet.“ Das sei „auch eine Frage der Wettbewerbsfähigkeit“. Wer nun zuerst den Agrardiesel im Zusammenhang mit Haushaltseinsparungen in die Diskussion gebracht hat, lässt sich im Nachhinein kaum mehr feststellen. Allerdings hatte Lindner bereits vor einigen Monaten die Abschaffung der steuerlichen Vergünstigung des Agrardiesels ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Die Regierung überprüfe regelmäßig Subventionstatbestände hinsichtlich ihrer ökologischen und sozialen Lenkungswirkung. In diesem Zusammenhang werde man den Agrardiesel „noch einmal einer Bewertung unterziehen“, sagte der Finanzminister am 1. März dieses Jahres bei der Regierungsbefragung im Bundestag. Laut Subventionsbericht seines Hauses betrugen die Steuermindereinnahmen durch die Agrardieselregelung für das Jahr 2022 etwa 440 Mio. €.

Partnerschaft mit Schweden in der Forstwirtausbildung

Die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein ist eine akkreditierte Einrichtung der beruflichen Bildung im Programm Erasmus+ der Europäischen Union. Auf dieser Grundlage fand auch in diesem Frühling wieder ein Austausch schwedischer und deutscher Berufsschüler und Lehrkräfte im Bereich Forstwirtschaft statt. Besondere Dynamik gewinnt die Partnerschaft zwischen der Lehranstalt für Forstwirtschaft in Bad Segeberg und dem Naturbruksgymnasium Svenljunga dadurch, dass nun auch die Verwaltung der „Grünen Berufe“ in Westergötland Erasmus+-akkreditiert ist.

Bereits im Herbst 2022 fand eine Schulung deutscher Forstwirtauszubildender durch schwedische Lehrkräfte in Bad Segeberg statt. Über diese Grundlagenschulung am neuen Forstmaschinensimulator der Landwirtschaftskammer war bereits im Bauernblatt zu lesen. Im März kamen dann einige schwedische Forstwirtschaftslehrer mit einer Auswahl ihrer Schüler zurück nach Bad Segeberg. Zusammen mit den Auszubildenden aus Schleswig-Holstein und Hamburg nahmen die jungen Schweden drei Wochen am praktischen und teilweise auch am theoretischen Unterricht teil und lernten dadurch die Forstwirtschaft in Deutschland kennen.

Beide Länder haben eine lange forstwirtschaftliche Tradition auf wissenschaftlicher Grundlage, unterscheiden sich aber dennoch in vielen Fragen des Waldbaus und der Forsttechnik. Einzelbaumnutzung und kahlschlagsfreie Waldbewirtschaftung sowie die Grenzen des Großmaschineneinsatzes konnten auf diese Weise durch die schwedischen Gäste erlebt werden. Und es wurde deutlich, welche Bedeutung die gesellschaftlichen Anforderungen an die Bewirtschaftung des Waldes haben.

Gegenbesuch in Schweden

Einen ähnlichen Lernprozess konnten einige Wochen später auch die deutschen Forstwirtauszubildenden in Schweden machen. Wie sind die Herangehensweisen im borealen Wald? Wie wird Forstwirtschaft betrieben, wenn die Landschaft fast nur aus Fichten- und Kiefernwäldern besteht? Spätestens im Rahmen
der abschließenden Fachexkursion wurden die Unterschiede mehr als deutlich. So besuchte die Gruppe eine Mitarbeiterin des schwedischen Staatsforstbetriebes „Sveaskog“ im Norden Dalarnas, die alleine für 100.000 ha Wald zuständig ist, in dem 120-jährige, als erntereif definierte Kiefern einen Durchmesser von 20 cm und eine Höhe von 16 m haben. Und während bei uns Nutzungssätze von 4 oder 5 fm Holz pro Jahr und Hektar möglich sind, liegt der Nutzungssatz in der dortigen Region bei 0,2 fm. Hinzu kommen noch spezielle Rechte der Sami als indigene Volksgruppe, auf die besondere Rücksicht genommen werden muss. Für deutsche Forstwirte eine ganz neue Welt!

Stück erlebtes Europa

Insgesamt waren die sieben Wochen in Schweden für die fünf Auszubildenden aus Schleswig-Holstein und die begleitenden Lehrkräfte aus den bewährten Lerninhalten zusammengesetzt. Während der ersten Woche war, begleitet durch drei Forstlehrer aus Deutschland, die ganze Berufsschul-Abschlussklasse der Lehranstalt für Forstwirtschaft in Svenljunga und genoss dort ein abwechslungsreiches Unterrichts- und Exkursionsprogramm.

In den darauffolgenden vier Wochen lernten die sechs Erasmus+-Teilnehmenden viel zur Arbeit mit dem Forwarder oder Kurzholz-Rückezug, und arbeiteten damit selbst im schwedischen Wald. Auch dort gab es gemeinsame Unterrichtseinheiten mit den schwedischen Schülern in Svenljunga.

In den zwei letzten Wochen wurden verschiedene schwedische Landschaften und deren Wälder, aber auch Stockholm und die Berge besucht. Ein unerwartetes Highlight war der spontane Besuch der Forst-Maschinen-Expo in Stockholm Anfang Juni.

Ob die Tatsache, dass in der gesamten Austauschzeit nur zwei Tage mit Regen zu verzeichnen waren, als persönliches Glück oder böse Folge des Klimawandels empfunden wurde, sei dahingestellt. Auf jeden Fall spielten die Themen Trockenheit, Borkenkäfer und Waldbrand eine ständige Rolle während des Schwedenaufenthaltes. Praktische Arbeiten und Fachexkursionen, Freizeitgestaltung in der Natur, englische Kommunikation und vieles mehr ergaben eine Fülle von neuen Eindrücken und einen großen Gewinn an Wissen und Können. Es war ein Stück erlebtes Europa, von dem allelange zehren werden.

Neue Pläne

Unter den Leitmotiven Nachhaltigkeit und Digitalisierung sollen auch in Zukunft die Projekte der Forstschulpartner aus Schleswig-Holstein und Svenljunga fortgesetzt werden. Dabei spielt zunehmend auch der Austausch von Unterrichtsmethoden eine wichtige Rolle – angefangen mit der Nutzung des Forstmaschinensimulators.

Über ein standardisiertes System des Self-Assessments, also der Einschätzung des eigenen Lernfortschrittes, konnten bereits in Schweden, aber auch bei der Auszubildendengruppe 2023 aus Deutschland deutliche Fortschritte in der Maschinenbedienung durch ein spezielles Lernprogramm am Simulator nachgewiesen werden. Für die schwedischen Lehrkräfte und Schüler werden zunehmend auch Aspekte der Einzelbaumnutzung und Motorsägenarbeit sowie einer kahlschlagsfreien Waldbewirtschaftung interessant. Hier zeichnen sich auch in Schweden gesellschaftliche Wünsche ab, die Einfluss auf die derzeitige hocheffiziente, aber auch sehr massenorientiert und hochtechnische Nutzung des Waldes in Skandinavien Einfluss nehmen können.

Mehr Auslandsaufenthalte

Die deutschen Auszubildenden vor der schwedischen Partnerschule (v. li.): Moritz Löser, Michel Mortag, Malin Brauer, Milan Kellermann und Adrian Röhrig. Foto: Oliver Gooß von dem Borne

Die Erasmus+-Akkreditierung beider Partner bietet über den Beruf Forstwirt/Forstwirtin hinaus auch anderen Grünen Berufen hervorragende Möglichkeiten eines Austausches. Erste Kontakte im Bereich der Landwirtschaft und des Gartenbaus konnten bereits vermittelt werden, und es wäre sehr wünschenswert, wenn daraus vorbereitende Besuche mit dem Ziel entstehen könnten, dass auch jungen Menschen oder Ausbildern dieser Berufszweige Zeiten im Ausland ermöglicht werden würden. EU-Mittel zu deren Unterstützung stehen bereit.

Biopreise unter Druck

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Weltweit steigt der Anbau von biologisch bewirtschaftete Flächen. Ende 2021 waren es rund 76 Mio. ha. 23 % der Hektare liegen in Europa. Der größte Anteil mit 47 % fällt auf Ozeanien. Obwohl in Nordamerika gerade mal 5 % der Anbauflächen liegen, generieren diese den zweitgrößten Umsatz im weltweiten Vergleich. Insgesamt wurden global betrachtet in 2021 124 Mrd. € Bio-Umsatz generiert. Auf Platz 1 mit einem Anteil von 44 % steht der Umsatz in Europa. Die beiden Jahren 2020 und 2021 waren geprägt von der Coronakrise. In dieser Zeit haben die Ausgaben der Konsumenten in Deutschland für Bioprodukte um 25 % zugelegt. Viele Betriebszweige der Bio-Betriebe wurden als Gewinner der Krise gesehen. Nach diesem besonderen Hype hat sich die Situation geändert. Absatzprobleme und hohe Produktionskosten sowie zu geringe Erlöse prägen den Biosektor. Die gestiegenen Energiekosten und die hohe Inflation führen beim Verbraucher dazu, weniger oder günstigere Bioprodukte zu kaufen. Die mit der Coronazeit gestiegene Bio-Nachfrage konnte auch im vergangenen Jahr in etwa gehalten werden.

Bio wird vermehrt im Discounter gekauft

Wenn Bioprodukte lange Zeit Nischenprodukte waren, so ist dies mittlerweile anders. Etwa zwei Drittel des Bioumsatzes (insgesamt rund 15 Mrd. €) wurden in Deutschland 2022 im Discounter und Supermärkte gemacht, die mittlerweile auch Bio-Verbandsware anbieten. 30 % der landwirtschaftlichen Fläche sollen laut Koalitionsvertrag bis 2030 ökologisch bewirtschaftet werden. Doch die Anzahl der Umstellungsinteressierten ging zuletzt zurück. Zudem liebäugeln Biolandwirte aus ökonomischen Gründen zum Teil damit, wieder auf konventionelle Bewirtschaftung umzustellen. 30 % Ökofläche – ein hoch gestecktes Ziel für die nächsten sieben Jahre. Insgesamt sind 2022 11,2 % der Fläche ökologisch bewirtschaftet. Rund 280.000 ha müssten jedes Jahr dazu kommen. Mit einer langsameren Flächenausdehnung, wie zuletzt in 2022 mit 67.000 ha, gebe es die Chance, dass sich Preisgleichgewichte am Markt schneller wiedereinstellen.

Blick auf den Bio-Getreidemarkt

Mit der Ernte 2022 schien die Bio-Getreideernte knapp. Die Preise lagen auf einem vergleichsweise hohen Niveau, ähnlich wie beim konventionellen Getreide nach dem Beginn des Ukrainekrieges. Viele Verarbeiter haben Verträge abgeschlossen. Doch der Absatz fiel geringer aus als erwartet. Kontrakte wurden nachverhandelt oder nicht in voller Menge abgerufen. So sind einige Lager noch nicht geräumt und führen bei Erzeugern zu Sorge, denn die neue Ernte steht vor der Tür. Ende Juni rechnen Marktteilnehmer damit, dass bei den Sommerungen, speziell Hafer, Mais und Leguminosen unter der Trockenheit besonders leiden und Erträge geringer ausfallen werden. Beim Dinkel wird von einer deutlich geringeren Anbaufläche berichtet, die wiederum zu einer geringeren Produktion führen wird. Überlagerte Bestände könnten somit auch Vorteile mit sich bringen. Seitens des Öko-Getreidehandels gibt es Stimmen, die 2024 einen Rohstoffmangel erwarten. Sich mit der Umstellung des eigenen Betriebes auf die ökologische Bewirtschaftung auseinander zusetzten kann auch in diesen Zeiten sinnvoll sein.

Özdemir verteidigt Strategie der kleinen Schritte

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bezeichnete das kürzlich vom Bundestag beschlossene Tierhaltungskennzeichnungsgesetz sowie baurechtliche Erleichterungen beim Deutschen Bauerntag in Münster als ersten Schritt für einen krisenfesten Umbau der Tierhaltung.

Nach Özdemirs Überzeugung ist der Umbau der Tierhaltung in Deutschland alternativlos. Auch die Spanier, die aktuell die Schweinebestände aufstocken, die in Deutschland abgebaut werden, müssten sich mittelfristig den Fragen zum Tierwohl und zur Nachhaltigkeit stellen.

Label für Herkunft

„Mit dem Tierhaltungskennzeichnungsgesetz setzen wir die Voraussetzungen, dass die Haltungsbedingungen für Verbraucher an der Ladentheke sichtbar werden“, erklärte Özdemir. Als nächste Schritte wolle er die Haltungskennzeichnung auf Außerhausverpflegung, verarbeitete Produkte, den gesamten Lebenszyklus beim Schwein sowie andere Tierarten ausweiten.

Özdemir kündigte zudem an, eine nationale Herkunftskennzeichnung auf den Weg zu bringen. Der Gesetzesentwurf dafür solle noch im Sommer verabschiedet werden. Er setze sich parallel für eine Herkunftskennzeichnung auf EU-Ebene ein.

Der Minister erinnerte, dass das Bundesprogramm zum Umbau der Schweinehaltung zum Start mit 1 Mrd. € ausgestattet ist. „Wir haben nicht nur die Investitionskosten, sondern auch die Arbeitskosten aufgenommen“, betonte Özdemir. Er wolle sich bei der Bundesregierung für eine Ausweitung der Mittel stark machen.

Ökolandbau ausbauen

Landwirtschaft ist nach den Worten des Ministers immer Teil der Lösung, wenn es um Naturschutzvorhaben geht. Wichtig sei, dass man sich über die Ziele verständige. Mit Blick auf die Gesetzesvorlage der EU-Kommission zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (SUR) erklärte er: „Wir brauchen praxistaugliche Lösungen. Wir wollen zwar alle 50 Prozent weniger Pflanzenschutzmitteleinsatz, aber wir können nicht pauschale Verbote in sensiblen Gebieten in Deutschland machen.“ Özdemir unterstützt den aktuellen SUR-Vorschlag nach eigenen Worten nicht und mahnte in diesem Zusammenhang, dass die Bürokratielast auf den landwirtschaftlichen Betrieben nicht weiter steigen dürfe.

Kritisch sieht er das ebenfalls von der EU-Kommission vorgeschlagene Naturwiederherstellungsgesetz (NRL). Dieses würde in aktueller Fassung mehr Schaden als Nutzen bringen. Eine Blaupause für das NRL seien kooperative Regelungen, wie sie mit dem Biodiversitätsstärkungsgesetz von Baden-Württemberg gefunden worden seien.

Er betonte das selbstgesteckte Ziel der Bundesregierung, den Ökolandbauanteil auf 30 % auszuweiten. Er wolle daher Bauern verstärkt dabei unterstützen, sich für „Öko“ zu entscheiden. Özdemir stellte aber auch klar: „Ich bin der Landwirtschaftsminister für alle Bauern. Lassen sie uns alte Gräben überwinden.“ Er sehe in der Landwirtschaft selbst ohnehin kaum Konflikte. Alle Betriebe betrachten sich nach seiner Einschätzung als gleichwertige Berufskollegen.

Klimaschutz und Nutzung

Mit Blick auf die Wiedervernässung von Mooren, die intensiv bewirtschaftet werden, erklärte der Minister: „Wir müssen beides schaffen: Klimaschutz und Nutzung.“ Chancen dafür bieten aus seiner Sicht Paludikulturen. Kritisch sieht Özdemir Freiflächen-­Photovoltaik (PV) auf landwirtschaftlichen Gunstflächen. Das treibe unter anderem Landpreise in die Höhe. „PV gehört auf Parkplätze, Dächer, an die Bahntrassen und auf versiegelte Flächen, aber nicht auf gute Ackerstandorte“, untermauerte er und betonte, dass für ihn auch Biogas zu einem zukünftigen Erneuerbare-Energien-Mix gehöre und nannte die Grundlastfähigkeit von Energie aus Biogas als großen Vorteil. rq

Info: GAK-Kürzungen halbiert

Cem Özdemir (Grüne) hat in den Verhandlungen mit seinem Kabinettskollegen Christian Lindner (FDP) über den Regierungsentwurf zum Haushalt 2024 offenbar einen Teilerfolg erringen können. Wie der Grünen-Politiker auf dem Deutschen Bauerntag mitteilte, soll die Kürzung der Bundesmittel in der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) deutlich geringer ausfallen als zunächst vorgesehen. Es sei gelungen, die ursprünglich geplante Kürzung von 300 Mio. € zu halbieren. Özdemir bekräftigte zugleich, dass der Bundeszuschuss zur Landwirtschaftlichen Unfallversicherung von 100 Mio. € nicht angerührt werde. Eine Kürzung der Agrardieselbeihilfe sei nach wie vor nicht im Gespräch.

Kritisch verfolgten die rund 500 Delegierten die Rede des Landwirtschaftsministers. Zwischendurch gab es verhaltenen Applaus. Fotos: rq

Jomsburg – Sommerbaustelle der freireisenden Gesellen 

Die Sommerbaustelle auf der Jomsburg in Dänisch-Nienhof, Kreis Rendsburg-Eckernförde, ist in vollem Gange. Freireisende Gesellen helfen den Jomsburg-Pfadfindern bei der Sanierung des in die Jahre gekommenen Gebäudes. 

Die Dachstühle auf dem Wehrgang und den beiden Burgtürmen der Jomsburg stehen. Immer wieder halten Autofahrer an, um den Baufortschritt auf der Burg zu fotografieren. Denn die beiden Türme und der Wehrgang sind gut von der Straße aus einzusehen. 

Nebenan liegen 10.000 Dachpfannen und warten darauf, auf die Dachlatten gehängt zu werden. Die Dachpfannen sind eine Spende der Firma Braas. 20 Jahre muss ein Unternehmen nach Einstellung der Produktion einer bestimmten Partie Ersatz vorhalten. Diese 20 Jahre sind verstrichen, wovon die Jomsburg-Pfadfinder jetzt profitieren. Gespendet wurden aber nicht nur Dachpfannen, sondern auch Dachlatten, Transportleistungen, Lebensmittel für die Verpflegung der Gesellen, Zahnpasta und Zahnbürsten. Eine Großbäckerei aus der Nähe liefert Brötchen, Brot und Kuchen ohne Rechnung. Ein Hühnerhof liefert Eier und Suppenhühner, ebenfalls ohne Rechnung. 

Das Gut Birkenmoor stellte kostenfrei Land für den Gemüseanbau zur Verfügung (siehe Ausgabe 18 vom 6. Mai 2023). Ein örtlicher Bäckermeister half einer Lehmbauerin auf der Walz beim Bau eines Lehmbackofens. Benachbarte Pfadfindergruppen liehen Zelte aus. Pfadfindereltern und Ehemalige spendeten 40.000 €. Überall stießen die Pfadfinder und die Gesellen auf Offenheit und Großzügigkeit. Die Aktivregion Eckernförder Bucht fördert das Projekt mit 71.000 €. Darin enthalten sind unter anderem Projekt- und Architektenkosten, Kosten für das Brandschutzkonzept, sowie Minijobs. Materialkosten werden nicht gefördert.

Die alte Burg war inzwischen in die Jahre gekommen. Der Sanierungsstau war groß und von einem so kleinen Verein nur schwer zu wuppen. Dann gab es den berühmten Sechser im Lotto. Die freireisenden Gesellen entschieden sich dafür, ihre Sommerbaustelle auf der Jomsburg einzurichten. Hier arbeiten die Gesellen vier Wochen lang nur für Kost und Logis, im Durchschnitt 80 junge Frauen und Männer, insgesamt mehr als 100, denn nicht alle können vier Wochen bleiben. Und: Es wird nicht nur saniert, sondern auch eine Freiluftküche und ein Lehmbackofen neu gebaut. 

Zwei Gesellen des Orga-Teams: der fremde und freie Tischler-Geselle Locke (li.) und die fremde und freie Zimmerergesellin Anna-Lena

Seit September 2022 liefen die Vorbereitungen durch ein fünfköpfiges Orga-Team der Gesellen und durch die Pfadfinder. Mit dabei ist der fremde und freie Tischlergeselle Locke. Seit dreieinhalb Jahren ist er auf der Walz und will die fünf Jahre noch unbedingt voll machen. Die fremde und freie Zimmerin Anna-Lena ist seit 2020 auf der Walz. Die Mindestzeit von drei Jahren und einem Tag hat sie bereits geschafft, doch auch sie wird wohl länger unterwegs bleiben. „Es macht einfach unheimlich viel Spaß.“ Sowohl für Locke als auch für Anna-Lena ist es die erste Sommerbaustelle, die sie selbst mit organisieren.

Zum Tag der offenen Burg am 24. Juni, an dem gleichzeitig auch das Bergfest der vierwöchigen Sommerbaustelle und das Richtfest für die neuen Dächer gefeiert wurde, hatten die Jomsburger Pfadfinder einen prominenten Ehemaligen eingeladen: Vizeadmiral Jan C. Kaack, Inspekteur der Marine, verzierte seine Uniform mit einem Pfadfinderhalstuch und plauderte in seiner kurzweiligen Festrede aus dem Nähkästchen: „Im Grunde habe ich die ganze Kindheit auf der Burg verbracht”, verriet der 1962 geborene Jomsburger der ersten Stunde. „Was habt ihr aus der Burg gemacht! Da bekommt man Lust, wieder anzufangen.“ Bei den Jomsburg-Pfadfindern habe er Begeisterung erlebt und gelernt, Verantwortung zu übernehmen sowie bei Rückschlägen nicht gleich aufzugeben. Auch seine Frau habe er hier auf der Burg kennengelernt. 

Der fremde Goldschmied Arne weiß auch mit echtem Schmiedefeuer umzugehen.

Nicht für jeden Gesellen gibt es die passende Arbeit auf der Burg. Aber so eine Sommerbaustelle ist auch dazu da, um über den eigenen Tellerrand zu schauen und von anderen zu lernen. Auch Arbeit außerhalb der Baustelle ist im Einzelfall möglich. So arbeiteten Gesellen vorübergehend auf einem Bauernhof in der Nähe und ließen sich den Lohn in Rindfleisch auszahlen. Eine Metzgerin bot einen Zerlegekurs für die fachfremden Gesellen an. 

Bei der Sommerbaustelle treffen unterschiedliche Gewerke und Menschen aufeinander. In Doppelfunktion mit dabei ist Lasse. Er ist Jomsburg-Pfadfinder und Handwerker. Eine Tischlerlehre hat er erfolgreich abgeschlossen. Jetzt ist er im ersten Lehrjahr als Zimmerer. Bei der Sommerbaustelle hat er das neue Burgtor gebaut. Arne, fremder Goldschmied hat auf der Walz auch das „richtige“ Schmiedehandwerk kennengelernt und steht am Tag der offenen Tür am Schmiedefeuer, um den Gästen das alte Handwerk zu zeigen. Er wird die Beschläge für das Burgtor fertigen.

Charlie, fremde und freie Holzbildhauerin und seit mehr als vier Jahren auf der Walz, bearbeitet einen Balken, der nicht nur gut hält sondern auch gut aussieht.

Charlie ist fremde und freie Holzbildhauerin und seit mehr als vier Jahren auf der Walz. Auf der Jomsburg sorgt sie dafür, dass die neu verbauten Balken nicht nur halten, sondern schön aussehen. Sie ist seit Pfingsten dabei und will bis zum Schluss bleiben. Der 16-jährige Jesse ist seit zehn Jahren bei dem Jomsburgern, allerdings beim Kieler Stamm. Dort ist er zusammen mit seinem Bruder für die Zelte und das übrige Material verantwortlich, das Pfadfinder für Zeltlager so brauchen. Am Tag der offenen Tür ist er zum ersten Mal auf der Sommerbaustelle. „Ich bin überrascht, wieviel in so kurzer Zeit schon entstanden ist.“ 

Info:

Der „Jomsburg – Freier Pfadfinderbund e.V.“ ist ein kleiner freier Pfadfinderverband – parteipolitisch neutral und konfessionell nicht gebunden – mit derzeit 60 aktiven Mitgliedern an den Standorten Eckernförde, Kiel und der Jomsburg. Mitmachen können Kinder ab sechs Jahren. Geleitet wird der Verein seit Dezember 2022 erstmals von einem Vorstand, der ausschließlich aus Frauen besteht. Vorsitzende ist die 20-jährige Studentin Jule Lüthje. 

In der Regel endet die aktive Zeit bei den Jomsburgern wie bei allen Pfadfindern mit Mitte 20, denn bei den Pfadfindern gilt das Prinzip „Jugend führt Jugend“. Gruppenleiter sollen vom Alter her möglichst dicht am Alter der Gruppenmitglieder sein. Auch ehrenamtliche Vorstandspositionen werden in aller Regel mit jungen Menschen besetzt. Wer die 26 überschritten hat, verliert sein aktives Wahlrecht. So soll sichergestellt werden, dass junge Menschen lernen, früh Verantwortung zu übernehmen und dass die Ideen der jungen Leute im Verein zum Zuge kommen. 

Der Sitz der Jomsburg-Pfadfinder ist die Jomsburg am Rande von Dänisch Nienhof. Sie wurde von 1975 bis 1988 von den Jomsburg-Pfadfindern in Eigenleistung erbaut. Während der „Jomsburg – Freier Pfadfinderbund e.V.“ für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zuständig ist, unterstützt der später gegründete „Jugendburg Jomsdorf e.V.“ den Pfadfinderbund, insbesondere bei burgbaulichen Fragen und Verpflichtungen. 

Die Jomsburger Pfadfinder gehören zum Deutsche Pfadfinderverband (DPV) mit Sitz in Köln. Er vertritt die Interessen von zirka 29.000 Kindern und Jugendlichen, die in zwölf Mitgliedsverbänden organisiert sind. Die Jomsburger gehören innerhalb des DPV zu den kleineren Verbänden. Der DPV wiederum gehört zu den kleineren Pfadfinderdachverbänden in Deutschland. Er ist Mitglied im Deutschen Bundesjugendring. Die Jomsburg trägt den Namen einer historischen Wikingerburg aus dem 10. Jahrhundert n. Chr.