In Meldorf an der Westküste Schleswig-Holsteins befindet sich zwischen dem Landwirtschaftsmuseum und dem zugehörigen Bauernhaus ein Historischer Rosengarten, der bei Rosenfreunden weit über die Region hinaus bekannt ist. Durch die intensive Recherche-, Bestimmungs-, Sammel- und Pflegetätigkeit der Rosenkennerin, Journalistin und Fachbuchautorin Gerda Nissen wurde die inzwischen weit über 50 Sorten historischer Rosen aus Dithmarschen umfassende Sammlung begründet. Vom Mai bis in den Juli erwartet den Besucher nicht nur ein faszinierendes Farbspektakel blühender Rosen, sondern auch ein ebenso intensives Dufterlebnis.
Auf dem Weg vom Vorplatz des Landwirtschaftsmuseums zum etwas zurückliegenden 300 Jahre alten Bauernhaus passiert man den Museumsgarten mit den historischen Rosen, deren Sorten und Pflanzungen mit Nummern versehen sind. Die Zuordnung zu den Sorten können Besucher dem im Museum erhältlichen Infoblatt oder dem aufgestellten Infokasten entnehmen.
Als alte oder historische Rosen werden in der Regel diejenigen bezeichnet, die vor 1867 entstanden sind. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ist die moderne Rosenzucht mit der Einkreuzung chinesischer Rosen entstanden. Die Vorteile waren eine mehrmalige und längere Blütezeit und eine größere Blütenfarbenpalette, vor allem der Rottöne. Erkennen kann man die alten Sorten meist an den mattfarbigen Laubblättern, die bei den modernen Sorten eher glänzend, fast wie lackiert erscheinen. Die alten Sorten, die zum Teil bereits aus der Antike bekannt waren oder die im 16. bis 19. Jahrhundert entstanden sind, waren damit aus der Mode gekommen und in Vergessenheit geraten, aber erfreuen sich mittlerweile wieder einer gewissen Renaissance.
Unbestrittene Vorteile der alten Rosen sind ihre Anspruchslosigkeit und die gute Angepasstheit an die lokalen Boden- und Klimabedingungen. Allerdings blühen die alten Rosen meist nur einmal und über einen kürzeren Zeitraum, weshalb sie allerdings geringerer Pflege bedürfen. Einen weiteren Vorteil betont Gerda Nissen in ihrem Buch über alte Rosen: „Das Faszinierende an alten Rosen ist nämlich, dass sie beides vereinen: den Sinnenreiz betörender Schönheit und den intellektuellen Reiz ihrer geschichtsträchtigen Vergangenheit.“
Bei ihrer systematischen Suche nach alten Sorten im Kreis Dithmarschen ab der Mitte der 1970er Jahre wurde Gerda Nissen in alten Dorfgärten, verlassen Siedlungen, auf Friedhöfen, aber auch in Knicks fündig. Bereits 1976 erschienen in der Zeitschrift „Dithmarschen“ unter dem Titel „Alte Rosen aus Dithmarschen“ erste Ergebnisse ihrer Bemühungen. 23 Sorten wurden dargestellt und bald darauf im Jahre 1984 folgte das Buch „Alte Rosen“, das zu einem Standardwerk der regionalen Rosenforschung wurde. Es erschienen diverse Auflagen und inzwischen liegt eine von der langjährigen Mitarbeiterin des Museums Dr. Jutta Müller behutsam überarbeitete und herausgegebene Version mit den Texten von Nissen vor – ergänzt durch zeitgemäße neue Fotografien der einzelnen Rosensorten von der Fotografin Melitta Kolberg.
Neben der Sammlung und Publikation kümmerte sich Gerda Nissen auch um die Entwicklung eines Gartens der alten Rosen, zunächst im Innenhof des Dithmarscher Landesmuseums und später Ende der 1980er Jahre beim Neubau des Schleswig-Holsteinischen Landwirtschaftsmuseums am heutigen Standort.
So werden heute über 50 in Dithmarschen gefundene und wiederentdeckte Sorten alter Rosen im Museumsgarten präsentiert. Sie gehören zu den bekannten Rosenklassen, in die die dornigen Blütenschönheiten wie Gallica-, Alba-, Damaszener-, Spinosissima, Zentifolia-, Bourbon und Francofurtana-Rosen einsortiert werden.
Da ist beispielsweise die Gallicarose ‚Officinalis‘, die bereits die Römer kannten und die Plinius der Ältere im ersten Jahrhundert unserer Zeitrechnung eingehend beschrieben hat. „Sie hat seitdem an allem teilgehabt, was wir heute europäische Kultur nennen“, sagt Gerda Nissen in ihrem Buch und erwähnt die Verwendung in der Medizin als Rosenwasser oder Rosenöl, in der Kunstdarstellung, als Heil- und Blütenpflanze in den mittelalterlichen Klostergärten und als eines der Madonnensymbole in der christlichen Religion. Weitere dithmarscher Gallicarosen sind die ‚Versicolor‘ mit rot-weiß gestreiften Blüten, ‚Tuscany‘ mit schwärzlich roten Blüten, oder ‚Conditorum‘, die auch als Zuckerröslein benannt wurde und zu allerlei süßen Leckereien, wie kandierten Blütenblättern verarbeitet wurde. Hierzu gehört auch ‚Royale Marbrée‘, deren Blütenfarbe sich verschiedentlich etwas im Laufe der Blütenentwicklung verändert und bei anderen Boden- und Sonnenscheinverhältnissen leichte Farbveränderungen der Blüte besitzt. Ihre Blüten lassen sich sogar für die Vase schneiden, was ansonsten bei den alten Sorten eher selten der Fall ist.
Sehr beliebt sind die weiß blühenden Rosen der „Alba-Gruppe“ mit der halbgefüllten ‚Semiplena“, die wohl die älteste und jahrhundertelang einzige reinweiß blühende Gartenrose Europas war. Die ebenfalls weiß blühende ‚Maxima‘, die Rose unserer Märchen und Sagen und der Dichtungen, die mit ihren gefüllten Blüten über zwei Meter hohe und ausladende Sträucher ausbildet, war als haus- und stallnahe Hofrose beliebt. Ihre Blüten überdeckten früher an Ställen und Haustüren mit ihrem Rosenduft den Geruch von Vieh und Mist.
Die Damaszenerrosen sind vertreten mit der Sorte ‚Celsiana‘, die der berühmte Rosenmaler Redouté Anfang des 19. Jahrhunderts porträtierte und die auch in den Blumenbildern Van Huysums schon früher dargestellt worden war. Die ‚Rose de Resht‘ mit ihren leuchtendroten Blütenpompons ist sogar die einzige öfterblühende oder sogar dauerblühende Damaszenerrose. Sie gilt trotz der Mehrfachblüte als robust und frosthart und weist den typischen schweren Ölrosenduft der Damaszenerrosen auf.
Mit vielen kleinen Dornen versehen sind die Spinosissima-Sorten, deren Wildformen an den Küsten Nordeuropas bis nach Sibirien beheimatet sind. ‚Staffa‘ ist der Name einer schottischen Insel und aus der nördlichen Region könnte die weiß blühende Sorte auch kommen, die bereits frühzeitig im Mai ihre Blütenpracht im Meldorfer Rosengarten entfaltet.
Die Farbe gelb war unter den alten Sorten eine seltene und begehrte Farbe, die in Meldorf durch Rosa harisonii vertreten ist, die auch als ‚gelbe Rose von Texas‘ bekannt ist. Sie kam 1930 nach Europa und war im Garten des New Yorker Rosenzüchters Georg Harison entstanden. Sie erwies sich als robust und für das raue nördliche Klima geeignet.
Die Rosenblütezeit im Meldorfer Rosengarten beginnt alljährlich im späten Mai und zieht sich bis Mitte Juli, so dass man Gelegenheit hat sich vielleicht eine geeignete Rosensorte für den eigenen Garten auszusuchen. Im Herbst gibt es dann die Möglichkeit, diese Sorte zu erwerben, wenn von einigen Rosensorten Ausläufer zum Verkauf stehen.
Zudem gibt es im Museumsgarten neben den Rosen auch andere Blumen in den Beeten wie Funkie, Frauenmantel, Telekia, Astilbe, Taglilie, Iris, Kronenlichtnelke, Sonnenbraut und andere sowie einige Sträucher mit Johannisbeeren und Flieder, ein Birnenspalierobst an der Mauer des Museumsgebäudes oder auch Gräser, wie Horste von Rohr-Glanzgras. Im herbstlichen Garten bieten die Rosen nochmals ein schönes Schauspiel, wenn sie die verschiedenfarbigen und unterschiedlich geformten Früchte (Hagebutten) zur Schau tragen.