Getreidehähnchen, Sattel- und Weizengallmücke gehören zu den bedeutendsten Schädlingen im Sommer- und Wintergetreide. Diese Aussage kann aber durchaus infrage gestellt werden, denn die angesprochenen Schaderreger tummeln sich im Frühjahr und Sommer nahezu in jedem Jahr in unseren Getreidebeständen. Einen ertragswirksamen Schaden haben sie aber nur in wenigen Fällen verursacht. Haben Mücken und Hähnchen also im Frühjahr an Bedeutung verloren?
Betrachtet man die vergangenen Anbaujahre, so muss man diese Frage mit Sicherheit mit Ja beantworten. Dafür rücken Getreideschädlinge, welche vorrangig im Herbst nach der Aussaat auftreten (zum Beispiel Gelbe Getreidehalmfliege, Fritfliege, Getreidelaufkäfer), immer mehr ins Rampenlicht. Diese Schädlinge werden dann in einem weiteren Artikel zur Herbstaussaat ausführlich thematisiert.
Sattelmücke
Einige Landwirte in den Fluss- und Küstenmarschen können sich mit Sicherheit noch an Jahre mit massivem Befall durch die Sattelmücke erinnern. Wurde er zu spät erkannt, waren Ertragseinbußen von über 50 % keine Seltenheit. „Sattelmückenjahre“ mit massivem Larvenbefall an den Getreidehalmen sind in den meisten Fällen bereits über ein Jahrzehnt her. Auch wenn auf altbekannten Befallsflächen (meist schwere, tonhaltige Böden) das Potenzial an Sattelmückenlarven im Boden über die Jahre spürbar geschrumpft ist, sollte dem Schädling im Rahmen von Bestandeskontrollen im Mai jedoch weiterhin Aufmerksamkeit geschenkt werden. Die diesjährige mildnasse Frühjahrswitterung kann eine Verpuppung der Larven im Boden begünstigen. Werden in der ersten Maihälfte nahe der Bodenoberfläche bereits orangerote, verpuppte Larven wahrgenommen, so ist dies ein erstes Warnzeichen für ein stärkeres Auftreten der Sattelmücke. Nach einiger Zeit, meistens in der zweiten Maihälfte unter warmfeuchten Bodenbedingungen, schlüpfen die Sattelmücken aus dem Boden und die begatteten Weibchen setzen ihre schnurförmigen Eigelege auf Ober- und Unterseiten der Blätter ab. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven wandern in die Blattscheiden ab und verursachen durch ihre Saugtätigkeit die typischen Sattelgallen an den Getreidehalmen. Winter- und Sommerweizen, aber auch die Sommergerste sind besonders gefährdet. Auf speziellen Flächen mit Verdacht auf das Vorkommen von Sattelmücken sollte im Schlag auf den Flugbeginn der Sattelmücke mittels Gelbschale geachtet werden. Des Weiteren gilt es, die Pflanzen spätestens ab Mitte Mai auf mögliche Eigelege an den Blättern zu untersuchen. Bei Überschreitungen der Bekämpfungsschwelle (20 bis 30 % Getreidehalme mit Eigelegen oder fünf Eiern je Halm) sollte ein zugelassenes Pyrethroid mit Indikation Sattelmücke beziehungsweise Zweiflügler zum Einsatz kommen. Der Einsatz muss allerdings erfolgen, ehe die schlüpfenden Larven unter die Blattscheide abgewandert sind, also spätestens innerhalb einer Woche nach dem Auffinden erster Eigelege.
Getreidehähnchen
Zu unterscheiden sind das Rothalsige und das Blaue Getreidehähnchen. In Schleswig-Holstein sind die Rothalsigen Getreidehähnchen etwas stärker vertreten. Diese verlassen ihre Winterquartiere meist im April bei ausreichender Erwärmung. Zunächst erfolgt ein Reifungsfraß auf anderen Gräsern, aber auch in Getreidekulturen fressen die erwachsenen Käfer zunächst noch einige Zeit. Die Fraßschäden der Käfer sind zu vernachlässigen. Sie fressen lang gestreckte Löcher zwischen den Blattrippen. Nach der Paarung legen die Weibchen einzelne gelbliche Eier in der Mitte der Blattoberfläche der Getreidekulturen ab, bevorzugt an den oberen Blättern. Nach einigen Tagen schlüpfen die Larven aus den Eiern. Diese verursachen den eigentlichen Schaden durch ihren typischen Fensterfraß als Streifen entlang der Blattadern. Erfahrungsgemäß begünstigt eine warme und trockene Frühjahrs- beziehungsweise Sommerwitterung eine intensivere Vermehrung und Eiablage. Durch den kühlen und wechselhaften April besteht in diesem Jahr im Wintergetreide ein etwas geringeres Gefährdungspotenzial. Ein bisschen mehr Aufmerksamkeit verlangen aber Sommerweizen, -gerste und Hafer, welche von Getreidehähnchen besonders gern angeflogen werden. Bei Überschreitung der Bekämpfungsschwelle (Wintergetreide: ein Ei/ eine Larve je Fahnenblatt; Sommergetreide: ein Ei/eine Larve auf jedem zweiten Fahnenblatt) sollte eine Behandlung mit einem zugelassenen Pyrethroid mit Indikation Getreidehähnchen oder beißende Insekten erfolgen.
Weizengallmücke
Bei stärkerem Auftreten der Weizengallmücke ist diese durchaus in der Lage, Ertrags- und Qualitätseinbußen im Winter- und Sommerweizen zu verursachen. Dies gelang ihr in den vergangenen Jahren aber eher selten, da das Schadpotenzial von vielen Faktoren abhängig ist. Optimale Bedingungen für den Schlupf der Mücken und für die Eiablage müssen mit dem empfindlichen Weizenstadium (Ährenschieben ES 51-59) zusammentreffen. In den vergangenen Jahren fand der Hauptzuflug meist erst ab der Vollblüte des Winterweizens statt und hielt teils deutlich bis nach der Blüte an. Zu diesem Zeitpunkt kann sich allerdings der Sommerweizen im empfindlichen Stadium des Ährenschiebens befinden, daher ist hier größere Vorsicht geboten. Selbst wenn der Hauptzuflug der Weizengallmücken zum Ährenschieben des Sommer- oder Winterweizens erfolgt, spielen die Witterungsbedingungen noch eine entscheidende Rolle für die Vermehrung und Eiablage. Da die nur 2 mm großen Weizengallmücken zur Eiablage die Ähre aufsuchen müssen, sind sie sehr anfällig gegenüber Wind und Regen. Für eine intensive Eiablage benötigen die Weibchen über mehrere Tage trockenes und windstilles Wetter. Selbst bei vermehrtem Auftreten der Mücken muss es also nicht notwendigerweise zu stärkeren Schäden kommen.
Das Auftreten der Orangeroten Weizengallmücke lässt sich gut mittels Pheromonfallen überwachen. In der Falle hängt ein Sexuallockstoff, welcher zirka sechs Wochen lang die paarungsbereiten männlichen Weizengallmücken anlockt. Wenn sich während des Ährenschiebens in drei Tagen über 100 Mücken auf dem Klebeboden befinden, ist die Bekämpfungsschwelle erreicht. Auch durch das Aufschlagen des Weizens an windstillen und warmen Abenden kann die Aktivität der Mücken überprüft werden. Das Ausmaß des Auftretens lässt sich dadurch aber deutlich schwerer abschätzen. Schäden durch Weizengallmücken lassen sich am sichersten durch eine einmalige Insektizid-Behandlung mit zugelassenen Pyrethroiden vermeiden. Gute Wirkungen werden zu Beginn des Auftretens der Mücken erreicht. Außerdem sollte die Behandlung unbedingt in warmen und windstillen Abendstunden erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aktivität der Mücken besonders hoch, sodass diese besser von der Spritzbrühe direkt getroffen werden oder den insektiziden Wirkstoff auf dem frisch benetzten Blatt aufnehmen. Ziel ist es, die Eiablage an der Ähre zu verhindern. Erfolgt der Einsatz von Insektiziden zu spät und ist die Eiablage bereits erfolgt, ist eine Bekämpfung der Larven in der Ähre nicht mehr möglich.
Sorten
Mittlerweile gibt es einige Winter- (zum Beispiel ‚Aksaha, ‚Debian‘, ‚Knut‘, ‚KWS Donovan‘, ‚KWS Keitum‘, ‚Lemmy‘, ‚LG Character‘, ‚LG Initial‘, ‚LG Vertikal‘, ‚Revolver‘, ‚Sinatra‘) und Sommerweizensorten (zum Beispiel ‚KWS Baltrum‘, ‚KWS Jordum‘, ‚KWS Starlight‘, ‚Lennox‘, ‚Scenic‘, ‚SU Ahab‘), welche eine Resistenz gegenüber der Orangeroten Weizengallmücke besitzen. In resistenten Sorten können die Larven der Weizengallmücke keine Schäden an den Ertragsanlagen anrichten. Auf Flächen mit regelmäßigem Auftreten der Weizengallmücke sollten daher vorrangig der Anbau resistenter Sorten erfolgen.
Auflagen
Eine aktualisierte Übersichtstabelle der derzeit zugelassenen Insektizide für eine mögliche Anwendung in den Getreidekulturen ist auf der Internetseite der Landwirtschaftskammer unter lksh.de hinterlegt. Die Übersichten werden regelmäßig aktualisiert und beinhalten die einzuhaltenden Auflagen. Neben Abstandsauflagen zu Oberflächengewässern und Bienenschutzauflagen sollte auch ein besonderer Blick auf die NT-Auflagen geworfen werden, die aufgrund des überarbeiteten Verzeichnisses regionalisierter Kleinstrukturanteile in vielen Gemeinden ab diesem Jahr zu berücksichtigen sind. Des Weiteren ist auch eine vom Fachausschuss Pflanzenschutzmittelresistenz – Insektizide, Akarizide erarbeitete Anti-Resistenzstrategie bei tierischen Schaderregern im Getreide hinterlegt. Über folgenden Pfad sind die Dokumente auf der Internetseite lksh.de zu finden: Startseite > Landwirtschaft > Ackerbaukulturen > einzelne gewünschte Kultur anklicken > Pflanzenschutz unter „Insektizide“
Fazit
Sattel- und Weizengallmücken sowie Getreidehähnchen stellen nur in wenigen Jahren ein Risiko für mögliche Ertragsverluste im Sommer- und Wintergetreide dar. Durch regelmäßige Bestandeskontrollen in den jeweiligen kritischen Phasen des Getreides und die Beachtung der Bekämpfungsschwellen lassen sich ihr Auftreten rechtzeitig erkennen und das Befallsausmaß abschätzen. Durch die richtige Terminierung geeigneter Insektizide lassen sich ein übermäßiges Auftreten wirkungsvoll dezimieren und mögliche Ertrags- und Qualitätseinbußen verhindern.