Sechs Archäologinnen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, sechs spannende Porträts und Biografien von Wissenschaftlerinnen aus einer Zeit, als es für Frauen noch lange nicht selbstverständlich war, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Sechs Frauen, die trotz aller Widerstände „ihren Mann standen“ – das zeigt die Wanderausstellung „Die Vergangenheit aufdecken: Frühe Archäologinnen aus Schleswig-Holstein“ der Johanna-Mestorf-Akademie in Zusammenarbeit mit dem Sonderforschungsbereich (SFB) 1266: TransformationsDimensionen der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Zu sehen ist die Ausstellung aktuell im Museum Steinzeithaus in Albersdorf bis zum 28. Januar 2024.
Das Gewinnen der tönernden Gefäße ist ja nicht der Endzweck mühevoller Grabarbeiten, sondern das Lesen der ungeschriebenen Geschichte, die die Erde uns erhalten hat“ – dieses richtungsweisende Zitat stammt von Käte Rieken, einer der sechs Archäologinnen, die in der Ausstellung porträtiert werden. Gleichzeitig ist es das Lieblingszitat von Dr. Julia Katharina Koch, Archäologin und Kuratorin der Ausstellung.
Diese sei das Resultat eines Ideenwettbewerbs von 2019 zur Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern, „den wir gewonnen haben“, erzählte Koch in ihrem Einführungsvortrag im Rahmen der Ausstellungseröffnung vergangene Woche. „Wichtig war uns vom Ausstellungsansatz her die Auseinandersetzung mit den Biografien der Frauen und inwieweit sie und deren Kolleginnen Vorbild für heutige Generationen sein können“, so Koch.
Prof. Dr. h. c. Johanna Mestorf (1828-1909), Käte Rieken, geborene von Preen (1865-1917), Dr. Gertrud Dorka (1893-1976), Dr. Hertha Sauer (1896-1975), Dr. Gisela Asmus (1905-?) und Dr. Johanna Brandt, geborene Peters (1922-1996) stehen beispielhaft für den Kampf von Frauen um Bildung und Berufstätigkeit im 19. und 20. Jahrhundert, gegen den Mangel an Selbstbestimmtheit und dafür, wie sie trotz der Widerstände ihren Weg in die Wissenschaft fanden.
Um diese weiblichen Vorbilder besser sichtbar zu machen, werden ihre Leistungen und ihre Lebenswege sowie ihre wissenschaftlichen Erfolge in den Fokus gestellt. Gleichzeitig wird auf die Widerstände eingegangen, die zu Anpassung, Umwegen und Brüchen in den Biografien führten. Alle sechs Frauen haben entweder in Kiel promoviert oder an der Chistian-Albrechts-Universität gearbeitet. Ein Einführungstext erläutert vornweg die Rahmenbedingungen der Frauenbildung im 19. und 20. Jahrhundert.
Zu den bekanntesten Archäologinnen gehört Johanna Mestorf, erste Museumsdirektorin im Deutschen Kaiserreich. Ihre Ausbildung entsprach zunächst den Konventionen des Bürgertums: Besuch der Höheren Töchterschule in Itzehoe mit Vorbereitung auf ein Leben als Hausfrau – im Falle Mestorfs (als unverheirateter Bürgerstochter) mit Ausbildung zur Gouvernante und Gesellschafterin. Sie ging für zehn Jahre ins Ausland nach Schweden, Südfrankreich und Italien. Nach der Rückkehr arbeitete sie als Übersetzerin und Fremdsprachensekretärin. Ihr in Schweden erwachtes Interesse für europäische Vorgeschichte und Archäologie entwickelte sie weiter und eignete sich autodidaktisch Fachwissen über Literatur, Katalogisierung der Hamburger Sammlung und durch Besuch internationaler Fachkongresse an. Zielstrebig und unbeirrt ging sie ihren Weg durch die von Männern dominierte akademische Welt. 1873 wurde sie Kustodin am Museum vaterländischer Alterthümer der CAU Kiel, 1891 Direktorin des Museums.
In ihren Dienst-Tagebüchern dokumentierte sie auch ihre Verbindungen zu Dithmarschen und zum forschungsgeschichtlich ältesten Fundplatz des Landes in Eddelak. Dort stand sie vor allem mit den Gebrüdern Hartmann im Austausch, die ihre Expertise zu schätzen wussten. Anke Schroeder, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Museum Steinzeithaus in Albersdorf, hat ergänzend zu den Bannern der Wanderausstellung Objekte und Exponate aus der museumseigenen Sammlung sowie Leihgaben herausgesucht. Sie zeigen Grabfunde aus Eddelak und Immenstedt, bei deren Fund und Katalogisierung Johanna Mestorf mitgewirkt hat. Zu der Ausstellung gibt es ein Begleitheft, in dem ausführlich die Biografien der Frauen aufgeführt sind samt Einordnung in den historischen Kontext. Weitere Informationen unter steinzeitpark-dithmarschen.de