Anlässlich der am vergangenen Freitag in Kraft getretenen Absenkung des Schutzstatus von Wölfen durch die Berner Konvention sind im landwirtschaftlichen Berufsstand und der Politik Rufe nach einer kurzfristigen Änderung der Fauna-Flora-Habitat (FFH)-Richtlinie laut geworden. So appellierte der Deutsche Bauernverband (DBV) an die Europäische Kommission, den abgesenkten Schutzstatus zügig auf europäischer Ebene umsetzen. Diese hat nun auch offiziell einen Änderungsvorschlag zur FFH-Richtlinie gemacht.
Für den DBV ist dies mehr als überfällig, zumal der Erhaltungszustand des Wolfsbestandes mehr als günstig sei. Zudem seien die Weidetierhalter auf ein aktives Bestandsmanagement für den Wolf angewiesen. Die Weidetierhaltung dürfe nicht länger der ungebremsten Ausbreitung des Wolfes preisgegeben werden. An die künftige Bundesregierung appellierte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken, auf europäischer Ebene die Änderung der FFH-Richtlinie im Sinne einer Regulierung des Wolfs aktiv mitzugestalten. Gleichzeitig müssten die bereits bestehenden Möglichkeiten im EU-Recht für eine Problemwolfentnahme und für ein aktives Bestandsmanagement genutzt werden.
„Keine schlechte Nachricht für den Artenschutz“
Laut Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) ist die Senkung des Schutzstatus eine gute Nachricht für alle Weidetierhaltenden und „auch keine schlechte für den Artenschutz, denn Schafe, Ziegen und Rinder auf der Weide stärken die Artenvielfalt und den Erhalt wertvoller Kulturlandschaften“. Mit einem angepassten Schutzstatus könnten Wolfsbestände reguliert und dadurch Weidetiere geschützt werden. Schließlich brauche es klare, fundierte Regeln für den Umgang mit auffälligen Wölfen, ohne den Artenschutz zu gefährden.
Die parlamentarische Geschäftsführerin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Christine Schneider, und der stellvertretende Vorsitzende des Landwirtschaftsausschusses, Norbert Lins (CDU), sehen die EU-Kommission in der Pflicht, rasch zu handeln und die Herabstufung in einem schnellen Verfahren zu beschließen. Die Bundesregierung müsse danach gemeinsam mit den Bundesländern die nationale Umsetzung vorantreiben, um die Weidetierhaltung zu stärken, den Artenschutz praktikabel zu gestalten und die neuen Regelungen schnell in die Praxis zu überführen.
Die Vertragsstaaten der Berner Konvention hatten im Dezember beschlossen, den Schutzstatus des Wolfes von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabzustufen. Diese Änderung ist nicht unmittelbar in der EU gültig. Mit Inkrafttreten der Änderungen der Berner Konvention hat die EU nun die Möglichkeit, die FFH-Richtlinie anzupassen. Gemäß dem nun vorgelegten Kommissionsvorschlag soll der große Beutegreifer von „streng geschützt“ auf „geschützt“ herabgestuft werden. Sollten Europaparlament und Rat zustimmen, würde der Wolf von Annex 4 in Annex 5 der FFH-Richtlinie verschoben.
Weiterhin einegeschützte Art
Den Mitgliedstaaten soll gemäß dem Gesetzesvorschlag zusätzliche Flexibilität beim Management lokaler Wolfspopulationen gegeben werden. Entsprechende Maßnahmen dürfen künftig an die regionalen Gegebenheiten angepasst sein. Unterstrichen wird von der Kommission, dass die Erhaltungs- und Managementmaßnahmen der EU-Länder weiterhin einen günstigen Erhaltungszustand erreichen beziehungsweise aufrechterhalten müssen. Schließlich bleibe der Wolf eine geschützte Art, ruft man in Erinnerung. Des Weiteren solle den nationalen Regierungen die Möglichkeit gegeben werden, ein höheres Schutzniveau des Wolfs beizubehalten.
Zudem betont die Brüsseler Behörde, dass Investitionen in geeignete Maßnahmen zur Schadensverhütung bei Weidetieren unerlässlich seien. Sie kündigte an, Mitgliedstaaten und Interessenvertretern bei der Konzeption und Umsetzung solcher Maßnahmen „weiterhin mit finanziellen Mitteln und anderweitiger Unterstützung zur Seite zu stehen“.
Lob aus derJägerschaft
Bei der Europäischen Föderation der Verbände für Jagd und Naturschutz (Face) sind die Kommissionsvorschläge auf ein positives Echo getroffen. Face-Präsident Laurens Hoedemaker erhofft sich nun „einen flexibleren und pragmatischeren Ansatz für das Wolfsmanagement in Europa“. Die Mitgliedstaaten würden in die Lage versetzt, zielgerichtet auf lokale Herausforderungen zu reagieren. Hoedemaker hält es für zwingend erforderlich, jetzt auf lokaler und regionaler Ebene bürokratische und rechtliche Hürden abzubauen.
Die größte Gefahr für den Wolf sieht der Deutsche Jagdverband (DJV) im drohenden Verlust der Akzeptanz durch einen nicht mehr zeitgemäßen Schutz. Deshalb sieht der DJV die künftige Bundesregierung gefordert, die Kommissionspläne zu unterstützen. Zugleich müssten auf Bundesebene die rechtlichen Voraussetzungen für ein effektives Bestandsmanagement geschaffen werden. Mit der Aufnahme des Wolfes ins Jagdrecht hätten Sachsen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein sowie zuletzt Hessen und Mecklenburg-Vorpommern bereits die jagdrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Laut DJV könne damit im Nachgang zu den Brüsseler Beschlüssen zur FFH-Richtlinie unmittelbar in ein regional differenziertes Bestandsmanagement eingestiegen werden.
Unterdessen warnt die Programmleiterin für Wildtiere Deutschland und Europa beim World Wide Fund For Nature Deutschland, Sybille Klenzendorf, vor einem „gefährlichen Präzedenzfall“. Der Kommission wirft sie vor, dass die Entscheidung nicht wissenschaftlich gedeckt sei: „Artenschutz wird damit zum politischen Spielball und droht in den Strudel populistischer Strömungen zu geraten.“