Die von der Bundesregierung beabsichtigte Streichung der Agrardiesel- und der Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge hat die Bauern in Rage gebracht. Es sind umfangreiche Aktionen geplant, um gegen diese Vorhaben zu protestieren und ihre Zurücknahme zu erreichen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) muss 60 Mrd. € aus dem Klima- und Transformationsfonds streichen. So haben es die Richter des Bundesverfassungsgerichts am 15. November entschieden – ein Urteil, das den Haushalt, die Umwelt- und Klimapolitik sowie die Ampel-Koalition unter Druck setzt. Im Bundeshaushalt 2024 müssen noch 17 Mrd. € gespart werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) haben sich zur Lösung darauf geeinigt, in diesem Zuge 3 Mrd. € bei „klimaschädlichen Subventionen“ zu streichen. Dazu zählen sie die Befreiung von der Agrardieselsteuer und der Kfz-Steuer für die Land- und Forstwirtschaft. Damit würden allein auf den landwirtschaftlichen Berufsstand 1 Mrd. € entfallen, und die Landwirtschaft würde überproportional an den Kürzungen beteiligt.
„Spielball liegt beim Kabinett“
Der Deutsche Bauernverband (DBV) wendet sich strikt gegen die Sparpläne der Bundesregierung. Die erste Reaktion war neben regionalen Demonstrationen die spontane Kundgebung von Tausenden Landwirtinnen und Landwirten mit 2.000 Traktoren vor dem Brandenburger Tor in Berlin am 18. Dezember.
DBV-Präsident Joachim Rukwied hat die Bundesregierung aufgefordert, in der anstehenden Entscheidung zum Bundeshaushalt 2024 die Vorschläge zur Streichung des sogenannten Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung zurückzunehmen: „Diese Bundesregierung hat die Tragweite ihrer Entscheidungen offenbar noch immer nicht erkannt“, so Rukwied. „Wir haben mit einer sehr kurzfristig angesetzten Großdemonstration in Berlin ein erstes Signal gesetzt.“
Der „Spielball“ liege derzeit beim Bundeskabinett, so der DBV. Ab dem 8. Januar werden die parlamentarischen Beratungen fortgesetzt, dann werden regionale Aktionen der Landwirte starten, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Zudem laufen Plakataktionen, die auf die Anliegen der Landwirtinnen und Landwirte hinweisen. Der Bauernverband Schleswig-Holstein (BVSH) hat neben den bereits erfolgten Ansprachen an die Landespolitik die Parteispitzen der im Landtag vertretenen Parteien kurzfristig zu einem Gespräch eingeladen.
Ab dem 8. Januar soll es dann auch in Schleswig-Holstein zu weiteren Aktionen kommen, die der BVSH organisiert. Für alle Aktionen ist schon große Unterstützung aus dem vor- und nachgelagerten Bereich, dem Transportgewerbe, dem Handwerk und anderen zugesagt worden. Der BVSH ist im Austausch mit dem erweiterten Verbandsrat des DBV, um Aktionen zu koordinieren.
Alle Landwirtschaftsminister gegen Sparpläne
Die Agrarminister des Bundes und der Länder lehnen die Sparpläne der Bundesregierung zu Lasten der Landwirtschaft einmütig ab. Nach ihrer einhelligen Auffassung muss sowohl die Streichung der Agrardieselvergünstigung als auch die Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung für land- und forstwirtschaftliche Fahrzeuge vom Tisch. Bereits in der ersten Januarwoche will man sich erneut zusammenschalten, um das weitere Vorgehen zu beraten.
Weiterhin umstritten ist die Rolle von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) bei dem Zustandekommen der Sparbeschlüsse. Bei der Demonstration, auf der Özdemir als einziger Politiker redete, sagte der Minister zu, er werde sich „mit aller Kraft“ dafür einsetzen, dass die Kürzungen so nicht kommen. „Ich kämpfe dafür, dass es in der Härte nicht kommt“, versicherte der Grünen-Politiker. Özdemir bekommt in seinen Bemühungen um eine Abmilderung der Sparbeschlüsse zur Landwirtschaft Rückenwind aus der Heimat. In einem Positionspapier übt die Landtagsfraktion der Grünen in Baden-Württemberg scharfe Kritik an der geplanten Abschaffung der Agrardieselvergünstigung und der Kfz-Steuerbefreiung für die Land- und Forstwirtschaft. Die Union hält ungeachtet der Aussagen an ihrer Kritik an Özdemir fest.
Die Brisanz der Sparbeschlüsse sei auch im Bundeslandwirtschaftsministerium angekommen, stellte der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister und bis Jahresende 2023 Vorsitzender der Agrarministerkonferenz (AMK), Werner Schwarz (CDU), nach einer Unterredung mit Minister Özdemir fest. Konkrete Lösungsvorschläge seitens des Bundes habe es allerdings noch nicht gegeben. Schwarz wies zudem darauf hin, dass geplante Kürzungen des Bundes nicht dazu führen dürften, dass der politisch und gesellschaftlich begonnene Umbau der Tierhaltung und die Anpassung der Landwirtschaft gefährdet würden. Er reagierte damit auf Vorschläge aus den Reihen der FDP-Bundestagsfraktion, die bereitgestellten Bundesmittel für den Umbau der Tierhaltung zu kürzen. Schwarz forderte die Ampel-Koalition auf, „sich endlich zur heimischen Urproduktion zu bekennen und die aktuellen Streichungsvorschläge zurückzunehmen“.
Forderung nach Sonder-AMK
Unterdessen meldeten die Bundesländer ihren Anspruch an, bei den Verhandlungen um die Kürzungspläne des Bundes mitzureden. Sachsen-Anhalts CDU-Landwirtschaftsminister Sven Schulze und sein SPD-Amtskollege aus Mecklenburg-Vorpommern, Dr. Till Backhaus, forderten eine Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK). Laut Schulze muss eine Sonder-AMK spätestens in der zweiten Januarwoche erfolgen, um Einfluss auf die Beschlüsse des Haushaltsausschusses nehmen zu können. „Ansonsten sind die Messen gesungen“, mahnte der Minister.
Eine Sonder-AMK muss von mindestens neun der 16 Länder befürwortet werden. Die AMK ist allerdings nur ein politisches Beratungs-, jedoch kein Entscheidungsgremium.
Zukunftskommission meldet sich zu Wort
Überraschend hat sich die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) zu Wort gemeldet, die sich bislang bewusst aus tagespolitischen Fragen herausgehalten hatte. Das Expertengremium kritisiert eine überproportionale Belastung der Land- und Forstwirtschaft sowie des Gartenbaus durch die geplante Streichung der Agrardieselbeihilfe sowie der Kfz-Steuerbefreiung. Die jetzt vorgesehenen Kürzungen verursachten Einkommensminderungen, die in keinem Verhältnis zu den zu erwartenden positiven Umwelteffekten stehen, teilte die ZKL mit.
Bereits in ihrem Abschlussbericht vom Sommer 2021 hatte sich die ZLK dafür ausgesprochen, dass eine Streichung von umweltschädlichen Subventionen mit der Förderung umweltpositiver Fortschritte verbunden werden müsse. Angesichts der aktuellen Sparpläne ließe sich daraus beispielsweise ableiten, dass im Gegenzug zu den vorgesehenen Kürzungen alternative Antriebe und umweltfreundliche Kraftstoffe entsprechend begünstigt werden. Die Einsparungen dürften nicht zu Lasten des globalen Südens und wichtiger sozialer Fragen gehen.
Was sagen Bio-Verbände und Umweltschützer?
Während Agrarverbände ihren Ton gegenüber der Bundesregierung und der Ampel-Koalition verschärften, ging mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) ein „Schützerverband“ auf Distanz zu den Beschlüssen der Bundesregierung, die mit dem Abbau klimaschädlicher Subventionen begründet werden.
Greenpeace hält die Abschaffung der Agrardieselvergünstigung hingegen für gerechtfertigt. Angesichts „milliardenschwerer Subventionen für die Landwirtschaft“ sei der geplante Wegfall der Dieselsubvention durchaus zu verkraften, meint Greenpeace-Agrarreferent Martin Hofstetter. Auch die Landwirtschaft müsse ihren Teil zum Erreichen der Klimaziele beitragen und auf spritsparende und klimafreundliche Antriebssysteme umschalten. Die Technik dafür sei vorhanden, erste E-Trecker bereits im Einsatz.
Demgegenüber hält Bioland-Präsident Jan Plagge Vorstellungen für reine Utopie, „dass alle Landwirte innerhalb kürzester Zeit auf alternative Antriebe oder Treibstoffe umsteigen“. Der Diesel werde sich durch die steigende CO2-Abgabe ohnehin deutlich verteuern. Auch Pflanzenöl werde als Alternative zusätzlich besteuert. Die Landwirtschaft könne nicht von heute auf morgen auf 1 Mrd. € verzichten.
Laut Demeter-Vorstand Dr. Alexander Gerber ist die geplante Abschaffung der Beihilfe für Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung ein inakzeptabler Nackenschlag und muss umgehend korrigiert werden. Reale Einkommensverluste von mehreren Tausend Euro seien für die Betriebe angesichts gestiegener Energiepreise und eines enormen Preisdrucks nicht zu stemmen.
Aktionen in Schleswig-Holstein
In Schleswig-Holstein plant der BVSH folgende Kolonnenfahrten:
Montag, 8. Januar: Kreise Steinburg und Pinneberg und Stadt Hamburg, Kreis Segeberg, Kreis Dithmarschen
Mittwoch, 10. Januar: Kreise Nordfriesland und Schleswig-Flensburg, Kreise Herzogtum Lauenburg, Stormarn und Ostholstein-Lübeck
Freitag, 12. Januar: Kreise Plön und Rendsburg-Eckernförde nach und durch Kiel
Die genauen Routen, Ziele und Uhrzeiten gibt der BVSH noch bekannt.
Am Montag, 15. Januar, wird es zu einer erneuten Großdemonstration in Berlin kommen.