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Lichtfirst im Kälberstall

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Der Holsteiner Kälberstall am Lehr- und Versuchszentrum ­Futterkamp der Landwirtschaftskammer wurde mit einem Licht- und Lüftungsfirst ausgestattet. Viel Licht und eine gute Luftqualität sind entscheidende Faktoren für die Gesundheit und Entwicklung von Kälbern. Sie sind aber auch essenziell für ein angenehmes Arbeitsumfeld.

Das Kalb von heute ist die Kuh von morgen. Also ist zu hinterfragen: Wie halte ich meine Tiere und wie ist das aktuelle Wissen dazu? Welche Standards gelten momentan? Diese Themen sollten immer auf dem neusten Stand gehalten und nicht außer Acht gelassen werden. Nicht nur die laktierende Milchkuh benötigt ein optimales Umfeld, um ihre Leistung voll ausschöpfen zu können. Auch schon die Kleinen benötigen optimale Bedingungen. So können diese Haltungs- und Fütterungsbedingungen zu den täglichen Zunahmen führen und auch die Stressresistenz zum Absetzen verbessern. Bei der Wahl des Haltungssystems handelt es sich immer um betriebsindividuelle Entscheidungen. Gegebenheiten, Arbeitsabläufe, Standort und innerbetriebliche Einflüsse spielen hier als Faktoren maßgeblich mit hinein. Techniken wie Tränkeautomaten oder Klimasensoren können die Arbeit und Abläufe oftmals erleichtern oder effizienter gestalten.

Förderung von mehr Tierwohl

Laut Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) sind mindestens 80 lx Lichtstärke über zehn Stunden täglich im gesamten Buchtenbereich von Kälbern vorgeschrieben. Da ein Kälberstall aber auch einen Arbeitsplatz darstellt, sind entsprechende Verordnungen ebenfalls zu beachten, welche 150 lx vorschreiben. Diese Vorgaben stellen das Mindestmaß dar. Für eine gute Tierkontrolle sollte mehr Licht zur Verfügung stehen. Zudem fördert natürliches Tageslicht das Tierwohl.

Zu Beginn musste der alte First geöffnet und teilweise entfernt werden. Foto: Reiner Thomas

Warum Licht so wichtig ist

Für eine optimale Entwicklung bieten sich in den ersten drei Lebenswochen 16 Stunden Lichtdauer pro Tag an. Danach kann auf 14 Stunden täglich reduziert werden. Die Hellphasen regen unter anderem die Futteraufnahme an. So wichtig wie eine gute Beleuchtung über Tag ist die Dunkelphase in der Nacht. Hier sollte man sich auch gern an den natürlichen Rhythmen orientieren. Dies fördert den Tag-Nacht-Rhythmus der Tiere und unterstützt die Hormonbildung. Daraus resultieren besserer Schlaf in der Nacht, weniger Stress für die Tiere und ein verbessertes Wachstum.

Bei der Wahl und Gestaltung des Lichtes ist darauf zu achten, dass die Tiere nicht geblendet werden und keine zu abrupten Wechsel der Beleuchtungsintensität entstehen. Das Auge von Rindern braucht fünf- bis sechsmal länger als das des Menschen, um sich an neue Lichtverhältnisse zu gewöhnen. Außerdem sollte ein Aufheizen des Stalls durch die Wahl des Leuchtmittels oder direkte Sonneneinstrahlung vermieden werden. Trotz der Gefahr des Aufheizens sollte immer das Tageslicht die erste Wahl sein, da es nachweislich das Wohlbefinden von Tier und Mensch fördert.    

Wichtige Umgebungsfaktoren

Neben dem Licht gehört die Luft zu den wichtigen Umgebungsfaktoren im Stall. Sie sollte frei von Schadgasen sein. Insbesondere Ammoniak liegt dabei im Fokus. In der TierSchNutztV liegt der Grenzwert für Ammoniak bei 20 cm³/m³ Luft. Jedoch sollte es für eine gute Kälbergesundheit ausdrücklich weniger sein. Dazu bietet es sich an, einmal selbst mit der Nase über die Strohmatratze zu gehen. Dieser Bereich ist es, in dem die Tiere während der Ruhephase atmen. Ist dabei bereits ein Ammoniakgeruch wahrnehmbar, sollte zum Wohl der Tiere gehandelt werden.  

Neugierig beobachten die Kälber, was über ihren ­Köpfen geschieht. Foto: Reiner Thomas

Die Frischluftzufuhr sollte jedoch immer gut bedacht sein. Die größte Gefahr lauert dabei in der Zugluft. Sie kommt meist durch schmale Spalten und Lücken in der Gebäudehülle oder der Verkleidung des Kälbernestes. Zugluft trifft definitionsgemäß punktuell aufs Tier und hat dabei deutlich niedrigere Temperaturen als die restliche Umgebung. So kommt es zu einer vom Tier nicht direkt bemerkten Auskühlung. Dies fördert eine Schwächung des Immunsystems und das vermehrte Auftreten von Erkrankungen. Gerade im Bereich des Kälbernestes, wo Kälber als Fluchttiere Schutz und Geborgenheit suchen, führt dies schnell zu Problemen.

Maßnahmen in Futterkamp

Zur Verbesserung der Lichtverhältnisse und für mehr Einfall von Tageslicht wurde im Holsteiner Kälberstall Futterkamp ein Licht- und Lüftungsfirst nachträglich eingebaut. Dafür wurde das ursprüngliche Dach aus dem Jahr 2007 am First auf gesamter Dachlänge geöffnet und der vorhandene Giebel durch die Installation des Lichtfirstes ersetzt. Die neue Lichtkuppel verläuft nun über die gesamte Länge des Futtertisches und fördert so den Lichteinfall in die Buchten auf beiden Seiten. Die Lichthaube wurde in der diffusen Ausführung gewählt, wodurch das eintretende Licht gebrochen wird und keine Blendung und Schlagschatten im Stall entstehen sollen. Dies soll zudem das Aufheizen des Stallinneren reduzieren. Des Weiteren wurden die in die Jahre gekommenen Lichtplatten auf der Nordseite des Daches ausgewechselt. Somit wurde auch hier der Lichteinfall noch einmal gesteigert. Diese Maßnahme erfolgte nicht auf der Südseite des Daches, um im Sommer die Temperaturen im Stall nicht unnötig zu erhöhen.  

Die Umbaumaßnahmen sollen durch den Einfall von mehr Tageslicht und eine bessere Luftabfuhr und Lüftungssteuerung mehr Tierwohl und positive Einflüsse auf die Kälbergesundheit erreichen. Aber auch für die täglichen Arbeiten und die Tierkontrolle bringen das hellere Umfeld und das angenehmere Klima einige Vorteile mit sich.

Frischluft ist förderlich

Der neu verbaute Licht- und Lüftungsfirst verfügt über steuerbare Lüftungsklappen. So kann mittels Seilzug elektrisch oder manuell der Luftstrom nach oben aus dem Gebäude beeinflusst werden. Dies ergänzt die bereits vorhandenen Rollos an den Längsseiten des Stalles und die Lüftungsschläuche über dem offenen Strohbereich im Lüftungskonzept des Stalls. Zur Vermeidung von Verwirbelungen im Stall schützt ein Windabweiser auf jeder Seite die Öffnungen zwischen Lichthaube und Dach. An den Giebelseiten ist die Öffnung geschlossen. Diese Ausführung wurde gewählt, um auf verschiedene Witterungsbedingungen reagieren zu können. In Kombination mit dem 14-tägigen Mistungsintervall der Tiefstreubuchten soll ein bestmögliches Klima für die Kälber geschaffen werden, das frei von Zugluft und Schadgasen ist.

Fazit

Auch für Kälber sind viel Licht und frische Luft wichtig. In Futterkamp wurden mithilfe eines neuen Licht- und Lüftungsfirstes die Bedingungen für Mensch und Tier verbessert. Durch solch simple Umbaumaßnahmen können große positive Veränderungen und Effekte geschaffen werden. Das Management der Kälbergesundheit, Haltung und Fütterung hat maßgebliche Einflüsse auf die Entwicklung des Kalbes und auch auf die spätere Kuh.

Niederlande: Immer weniger Schweine

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In den Niederlanden standen am Stichtag 1. April 2025 nur noch 9,96 Millionen Schweine in den Ställen. Das ist ein Rückgang von 5,1 % innerhalb eines Jahres und der niedrigste Bestand seit mehr als 45 Jahren. Der Sauenbestand ging sogar um 6,7 % auf 790.000 Tiere zurück. Auch die Zahl der niederländischen Schweinehalter sank um 7,1 % auf rund 1.900 Betriebe. Mit diesem Bestandsabbau verringern sich auch die Lieferungen ins benachbarte Deutschland, das in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 6,2 Millionen Schweine importiert hat, zum größten Teil Ferkel aus den beiden Hauptlieferländern Dänemark und Niederlande. Während die Stückzahlen aus Dänemark in etwa stabil blieben, sind die Transporte aus den Niederlanden um fast ein Viertel zurückgegangen. Der Grund sind der oben beschriebene rückläufige niederländische Schweinebestand, aber auch Liefersperren zu Beginn des Jahres wegen Maul- und Klauenseuche (MKS) in Deutschland sowie eine Verschiebung der Lieferungen von Deutschland, wohin 1,42 Millionen Ferkel im ersten Halbjahr 2025 gingen, nach Spanien, das im gleichen Zeitraum insgesamt 1,5 Millionen Ferkel erhielt.

Gülleexporte als Ausweg?

Die Niederlande haben mit ihrer sehr intensiven Landwirtschaft auf relativ kleiner Fläche seit Jahren ein Problem mit Brüssel und der EU-weit gültigen Nitratrichtlinie. Denn die Stickstoffemissionen der Veredlungswirtschaft übersteigen die entsprechenden Vorgaben und Ziele der EU. Auch die in der ersten Jahreshälfte 2025 um 27,4 % auf 1,91 Mio. t gestiegenen Wirtschaftsdüngerexporte, die zu 40 % nach Deutschland gingen, weisen auf eine gewisse Überschusssituation hin. Der Anreiz, Wirtschaftsdünger zu exportieren, dürfte sich weiter erhöhen, denn die Niederlande verschärfen das Düngerecht schrittweise. In diesem Jahr sinkt die erlaubte Stickstoffmenge in nitratbelasteten Regionen auf 190 kg N/ ha und in anderen Gebieten auf 200 kg N/ ha. Eine befristete Ausnahmeregelung von der EU-Nitratrichtlinie hatte Obergrenzen von 210 beziehungsweise 240 kg N/ha zugelassen. Ab 2026 werden einheitlich nur noch 170 kg N/ha erlaubt sein, denn Landwirtschaftsministerin Femke Wiersma von der Bauern-Bürger-Bewegung dringt in Brüssel mit ihrem Ansinnen, die Ausnahmeregelung zu verlängern, bisher nicht durch.

EU-Nitratrichtlinie zwingt zum Bestandsabbau

Ende Januar 2025 hat das Bezirksgericht Den Haag festgestellt, dass das im Umweltgesetz vereinbarte Stickstoff-Ziel für 2030 zwingend eingehalten werden müsse. Damit ist die Diskussion über den Stickstoffüberschuss, die in der Vergangenheit zu heftigen Bauerndemonstrationen in den Niederlanden geführt hatte, wieder da. Die wirksamste Option ist wahrscheinlich nach wie vor eine Verkleinerung der Viehbestände. Folgerichtig hat der Staat das Herauskaufprogramm neu aufgelegt, dessen Konditionen so attraktiv sind, dass auch Zukunftsbetriebe aussteigen. Die EU hat zugestimmt, dass weiter direkte Zuschüsse an Nutztierhalter als Entschädigung für den Verlust der Produktionskapazität sowie die Kosten für den Rückbau und die Entsorgung gezahlt werden dürfen, die bis zu 120 % der beihilfefähigen Kosten abdecken. Die Regelung soll bis Oktober 2029 gelten und ist Teil einer ganzen Reihe von Paketen, mit denen der Abbau der Tierbestände in den Niederlanden abgefedert werden soll.

Es ist also absehbar, dass zukünftig immer weniger Schweine in den Niederlanden gehalten und geschlachtet werden. Insofern könnte der Rückzug von Vion aus Deutschland, wo der Schweinebestand stabil scheint, nach Benelux, wo sicher ist, dass er deutlich zurückgehen wird, durchaus verwundern. Schon jetzt wird berichtet, dass die niederländischen Schlachtunternehmen um Schlachtschweine preislich konkurrieren.

Lust auf Landwirtschaft

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Dass Bauerneltern ihrem neugeborenen Kind einen Stein auf den Bauch legten, damit es früh das Jammern und Klagen lerne, ist eine weit verbreitete Erzählung. Und ja: Es gibt unzählige Probleme und Herausforderungen für die Branche, wie überbordende Bürokratie, hohe Flächenkonkurrenz, steigende Betriebsmittelkosten, immer mehr Tierschutz- und Umweltauflagen, die Folgen des Klimawandels, schlechte Erzeugerpreise, den Strukturwandel und Imageprobleme.

Aber die Landwirtschaft hat mindestens ebenso viele positive Geschichten zu erzählen. Wenn ich Landwirtinnen oder Landwirte nach der Motivation für ihre Arbeit frage, antworten sie fast immer: „Ich habe doch den schönsten Beruf der Welt.“ Mit dieser Grundeinstellung, gepaart mit ihrem liebevollen Familiensinn und pragmatischer Bodenständigkeit, kann einem um die Bauernfamilien im Lande nicht bange sein. Einige Berichte, die Mut machen, finden sich auch in dieser Ausgabe:

Junglandwirt Felix Schwartz aus Sörup beweist, dass es nicht nur ausscheidende Betriebe gibt, sondern auch jene, die die Produktion wiederaufnehmen.

Matthes Rauert und Fabian Schlademann wollen mit ihrem Agrardrohnen-Start-up die Pflanzenproduktion effizienter und bodenschonender machen.

Die Diskussion des Agrarjournalistenkongresses zeigt, wie Landwirte und Agrarindustrie versuchen, Bezahlsysteme für Nachhaltigkeitsleistungen zu entwickeln.

Auch Politik kann Motivation und Innovationskraft fördern, indem sie das regulatorische Korsett nicht zu eng schnürt. Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) und der Landesbauernverband haben sich bereits auf den Weg gemacht, bürokratische Regelungen zu vereinfachen. Große Teile des Neun-Punkte-Entlastungsplans, den Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) auf dem Landesbauerntag 2024 angekündigt hat, sind entweder in Arbeit oder bereits umgesetzt. Günther sucht gern den persönlichen Austausch mit Bäuerinnen und Bauern, so auch auf seiner diesjährigen Sommerbereisung. Es wirkt authentisch, wenn Günther sagt, dass ihm die Landwirtschaft am Herzen liege und mehr Wertschätzung verdiene. Auch ein Norla-Besuch gehört für den Ministerpräsidenten zum Pflichtprogramm – in diesem Jahr im Rahmen der Eröffnungsfeier.

Die Leistungsschau der Landwirtschaft findet zum 75. Mal statt. Schon im Vorfeld der Messe war bei den Ausstellern und der gesamten Agrarbranche eine besondere Vorfreude zu spüren. Die Messe ist mit 584 Ausstellern ausgebucht – darunter 60 neue. Zu den Themen-Schwerpunkten zählen Digitalisierung, Automatisierung und Erneuerbare Energien. Zu sehen sind unter anderem Fütterungssysteme, Feldroboter, Drohnen und natürlich die Landestierschau mit täglichen Tierparaden und der Aktionsfläche im Zelt.

Die Norla bietet die großartige Möglichkeit, die gesamte Breite der Landwirtschaft mit allen Sinnen zu erleben. Entscheidend ist dabei der persönliche Austausch, aus dem die Besucher mit Sicherheit neue positive Energie, innovative Ideen und Motivation schöpfen.

Dr. Robert Quakernack, Foto: bb

40 Jahre Konzertgenuss

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Das Schleswig-Holstein Musik Festival (SHMF) feierte in diesem Sommer seinen 40. Geburtstag. Das Flächenfestival war mit 205 Konzerten an 125 Spielstätten im ganzen Land vertreten und begeisterte erneut das Publikum im Kuhstall, unter freiem Himmel, in Kirchen, Werfthallen und Museen.

Herbert Grönemeyer überzeugte als Dirigent in Neumünster.
Foto: Sabine Kolz

Ganz ungewohnt war Herbert Grönemeyer in Neumünster zu sehen. Er dirigierte die Bochumer Symphoniker, die von Anna Vinnitskaya am Klavier unterstützt wurden. Grönemeyer ließ Tschaikowsky, Rachmaninoff und eine eigene Komposition spielen und die ausverkaufte Holstenhalle bei den Zugaben „Halt mich“, „Der Weg“ und natürlich „Bochum“ mitsingen.

Die Autorin Dörte Hansen ist durch ihren Roman „Altes Land“ und die Verfilmung mit Iris Berben in der Hauptrolle bekannt geworden. Im Colosseum Wilster las sie aus ihrem dritten Buch „Zur See“. Mit auf der Bühne war Carolina Bigge, die mit Gesang und instrumental die Geschichte von Familie Sander, die auf einer Nordsee-Insel lebt, veranschaulichte. Der Schauspieler Thomas Niehaus rezitierte dabei die Texte der Protagonisten Rykmer und Jens Sander oder stellte die Fische im Nordseewasser dar.

Die schottische Folkband Breabach brachte Schwung in das Westhof-Gewächshaus in Wöhrden.

Rhythmisch mit Reels und Jiggs brachte die Gruppe Breabach die Paprikapflanzen im Westhof Biogewächshaus in Wöhrden zum Schwingen. Mit Fiddle, Pipe und Dudelsack brachten die fünf Musiker schottische Atmosphäre nach Dithmarschen. Der diesjährige Porträtkünstler Fazil Say kam mit guten Freunden in die St. Bartholomäus-Kirche in Wesselburen. Sabine Meyer (Klarinette) und Asya Fateyeva (Saxofon) spielten mit dem Goldmund-Quartett neben Mozart und Schumann auch Kompositionen von Say. Der Pianist war schon öfter Festivalgast und mag das norddeutsche Wetter. „Es ist nicht so heiß“, erklärte der in Istanbul lebende Musiker.

Einen kurzweiligen Kurt-Weill-Abend präsentierten Vladimir ­Kor­néev und Markus Syperek am Klavier. Der in Georgien geborene Kornéev sang unter anderem Lieder aus der „Dreigroschenoper“ und fesselte sein Publikum. Als Filmkonzert präsentierte das SHMF in diesem Jahr den dritten Harry-Potter-Teil „Der Gefangene von Askaban“. In den Holstenhallen auf einer Großbildleinwand erlebten die Zuschauer die Abenteuer des jungen Magiers, während das Schleswig-Holstein Festival Orchester und der Landesjugendchor Schleswig-Holstein den Soundtrack unter der Leitung von Ludwig Wicki spielten. Dass zwölf­Violinen, drei Celli und ein Bass mit einem Akkordeon harmonieren, zeigte Martynas Levickis im Dom zu Meldorf. Der 35-Jährige aus Litauen faszinierte mit seinem schnellen Spiel und den Tönen, die er seinem 20 kg schweren Instrument entlockte.

Ulrich Tukur las Mark Twain in Bad Bramstedt
Foto: Sabine Kolz

Das Musikfestival geht immer neue Wege und präsentiert sich an immer wieder neuen Spielstätten. In diesem Jahr gehörte das Kurhaustheater in Bad Bramstedt dazu. Ulrich Tukur schlüpfte hier in die Rolle von Schriftsteller Mark Twain und las aus Briefen und Texten des Autors. Dazu spielte der Allrounder Ragtime und erklärte, das sei die Popmusik des ausklingenden 19. Jahrhunderts gewesen. Tukur gab Kommentare zum Leben von Mark Twain und illustrierte dessen Abneigung gegen Stubenfliegen anschaulich.

SHMF-Intendant Christian Kuhnt arbeitete Anfang der 1990er Jahre bei der Firma Teldec in Hamburg. Etwa 80 km entfernt in Nortorf war damals die Schallplatten-Produktion der Firma angesiedelt. Heute befindet sich in Nortorf das Deutsche Schallplattenmuseum, das jetzt zum Spielort wurde. Das Trio Wellcaru und Lubomír Gašpar nahmen das Publikum mit auf eine Reise im Orient-Express. Der Zug startete in Paris und fuhr über Straßbourg, München, Wien, Budapest, Bukarest und einen Abstecher nach Nortorf bis nach Konstantinopel. Die Geschwister Maria (Cello) und Matthias Well (Violine) sowie Vladislav Cojocaru (Akkordeon) waren bereits in den Pandemiejahren mit dem SH-Festival-Trecker unterwegs. Lubomír Gašpar war erstmalig beim SHMF dabei und spielte ein traditionelles Cimbalom von 1890.

Anne-Sophie Mutter spielte in Neumünster Filmmusiken.
Foto: Sabine Kolz

Anne-Sophie Mutter trat bereits im ersten Festivalsommer, damals als 22-Jährige, auf. Jetzt spielte sie gemeinsam mit dem Royal Philharmonic Orchestra unter der Leitung von Vasily Petrenko in Neumünster Filmmusiken und das von John Williams für sie komponierte Violinkonzert Nummer 2. Viele Künstler mischten sich nach ihrem Auftritt unter ihre Zuhörer und lobten die Organisation und die Menschen vor Ort. „Das macht einfach Spaß“, lautete auch das Fazit der Geschwister Well und Fazil Says. Das fanden auch insgesamt 202.000 Konzertbesucher in diesem Jahr. Der nächste Städteschwerpunkt für das kommende Jahr steht auch schon fest: Im Festivalsommer 2026 stellt das Schleswig-Holstein Musik Festival die schwedische Hauptstadt Stockholm als kulturelles Herz Skandinaviens ins Zentrum seines Programms.

Thomas Niehaus als Fisch mit Dörte Hansen in Wilster
Foto: Sabine Kolz
Fazil Say mit dem Goldmund Quartett in Wesselburen
Foto: Sabine Kolz
Vladimir Kornéev spielte in Büsum Kurt Weill
Foto: Sabine Kolz
Martynas Levickis mit dem Dogma Chamber Orchestra
Foto: Sabine Kolz
Das Schleswig-Holstein Festival Orchester
Foto: Sabine Kolz


Wenn Teller und Tassen ihre Geschichte erzählen

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Für mehr als 40 Personen reicht das Porzellanservice von Ingrid Weilandt. Da heutzutage aber keine oder nur noch sehr selten so große Feiern stattfinden, zu denen das komplette Service gebraucht wird, überlegt sie, es zwischen Familienangehörigen aufzuteilen. Doch vorher ließ sie es noch von Dr. Sophie Borges, Kuratorin im Schloss Eutin, bei einem Porzellangespräch in Augenschein nehmen.

Zum vierten Mal fand diese Veranstaltung statt, die Sophie Borges einmal jährlich anbietet. Dafür können Interessierte, die gern wissen möchten, woher und aus welchem Jahr ihr Porzellan stammt, was es wert sein könnte oder was es kunsthistorisch damit auf sich hat, es einige Wochen vorher bei der Kuratorin anmelden, die sich dann auf Recherche begibt.

Dr. Sophie Borges erklärt, was es mit dieser Jardinière als Erfindung des späten 19. Jahrhunderts auf sich hat. Sie ist eine Keramik und kein Porzellan.
Foto: Iris Jaeger

Bei dem diesjährigen Porzellangespräch im Rittersaal des Eutiner Schlosses gab es wieder einige interessante und spannende Hintergrundinformationen zu Manufakturen, in denen die vorgestellten Stücke entstanden sind, zur Entstehungszeit, zu Herstellungsarten, Materialien oder zu der einen oder anderen weiteren Besonderheit. Spannend war es somit nicht nur für die 16 Porzellanbesitzenden, sondern auch für die teilnehmenden Gäste ohne Geschirr.

Für das Service von Ingrid Weilandt konnte die Kuratorin keine gesicherte konkrete zeitliche oder regionale Zuordnung vornehmen, „da keine Prägemarken oder Herstellerkennzeichen auf den Stücken zu finden sind, lediglich Form-, Dekor- und Malernummern. Die Herstellerkennzeichen sind aber für eine klare zeitliche Einordnung unabdingbar“, so Borges. Und doch konnte sie Ingrid Weilandt anhand anderer Merkmale einiges zu ihrem Service erzählen. Da war zum einen das auffällige Dekor, dass neben den bunten „Manierblumen“ auch Reliefelemente enthält. „Diese sind fein und scharfgradig. Auch fühlt sich das Porzellan an sich anders an“, so Borges. Das lasse den Schluss zu, dass es sich um das sogenannte Weichporzellan handele.

Unterschied zwischen Porzellan und Keramik

Porzellan besteht aus ­Kaolin (auch Porzellanerde, ­Porzellanton, weiße Tonerde oder China Clay genannt) sowie Feldspat und Quarz. Die Anteile variieren je nach Art des Porzellans. Das Verhältnis der Rohstoffe sowie die Brenntemperatur bestimmen die Härte. Hartporzellan wird bei Temperaturen von 1.400 °C bis zu 1.460 °C gebrannt, Weichporzellan ist ein bei geringer Temperatur – bis maximal 1.350 °C – gebranntes Porzellan von geringerer Festigkeit (also „weich“). Der Unterschied zu Keramik liegt in den verwendeten Rohstoffen und der Brenntemperatur. Keramik wird hauptsächlich aus Ton hergestellt.

Dieser Teller fällt durch die Bänder in Chromgrün mit Glanzgold auf und stammt aus der Porzellanfabrik Christian Fischer in Zwickau.
Foto: Iris Jaeger

„Diese Art des Porzellans hatte lange Tradition in Frankreich und England im 19. Jahrhundert“, erfuhr das Publikum. „Insgesamt ergibt sich ein geometrisch und symmetrisch aus klaren Formen aufgebauter Eindruck, der an den Klassizismus, also die Zeit um 1800, erinnert“, so Borges‘ Zeiteinordnung. Es könne sein, dass die Urgroßeltern von Ingrid Weilandt ein altes Service gekauft hätten oder es sich um eine Re-Edition des Biedermeier handele. Neben Reliefelementen, Bemalung oder der Porzellanzusammensetzung können auch Merkmale wie Tassenhenkel einen Hinweis auf die Herkunft und das ungefähre Alter geben, wie bei dem Kaffee- und Teeservice der Familie Giesler. Das verfügt ebenfalls über keine Marke, aber: „Anhand der charakteristisch gestalteten Henkel lässt sich das Service der Porzellanfabrik Christian Fischer in Zwickau zuordnen, tätig ab 1845“, so die Kuratorin. Diese Fabrik sei bekannt für eine solide Produktpalette ab den 1850er Jahren. Laut der „Deutschen Gewerbezeitung“ von 1852 wurden die Produkte für die verwendeten Glasurfarben und deren Auftragstechnik sowie für die Serviceformen mit französischen Vorbildern gelobt.

Gerettete Tassen und tanzende Figuren

Eine von zwei Mokkatassen, die aus der Zeit um 1900 stammen.
Foto: Iris Jaeger

Konkrete Angaben gab es für die zwei Mokkatassen von Manuela Gola, die sie aus dem Sperrmüll und somit vor der Zerstörung rettete. Laut Marke stammen sie aus der Heinrich Baensch Porzellanmanufaktur in Lettin, nahe der Stadt Halle an der Saale. Gegründet 1858 entwickelte sich die Manufaktur langsam, erst ab 1868 konnte dort farbiges Porzellan hergestellt werden, ab 1900 wurde man dort international erfolgreich. 1990 wurde die Produktion stillgelegt. 2008 wurden die Markenrechte an Lettiner Porzellan von der Galerie Nord in Halle an der Saale übernommen. Die beiden Tassen stammen aus der Zeit zwischen 1900 und 1930.

Etwas Besonderes stellte auch die Figur „Tanzendes Paar“ von Monika Grindt dar. Vor allem die widersprüchlich anmutende Kleidung der beiden Tanzenden, die nicht zu der Zeit passt, sowie die stilisierten Körper mit gelängten Gliedmaßen fielen auf. Die orangerote Stempelmarke auf Glasur mit „RP“ unter einer siebengezackten Freiherren-Krone verriet der Kuratorin und Porzellanliebhaberin Sophie Borges, dass die Figur aus der Porzellanfabrik Reichsmannsdorf in Thüringen stammt, ab 1946 VEB Porzellanfigurenwerk Gräfenthal.

Die Figur des tanzenden Paares im Stil des Art déco geht auf einen großen Trend der 1930er zurück.
Foto: Iris Jaeger

Die Figur gehe auf einen großen Trend der 1930er Jahre zurück, als im Stil des Art déco Figuren von tanzenden Damen und Paaren mit eben diesen hochgradig stilisierten Körpern und gelängten Gliedmaßen entstanden. Vergleichbare Objekte der Zeit waren die Figuren des österreichischen Bildhauers und Keramikers Josef Lorenzl, der unter anderem für die Wiener Manufaktur Friedrich Goldscheider tätig war. Noch heute hätten diese Figuren Sammlerwert, allerdings wurden sie mit der Demokratisierung von Waren und Trends 1930 kopiert und massenhaft vertrieben.

Des Weiteren erfuhr das Publikum, was es mit Schleifstrichen auf sich hat, dass Böhmen zwar keine Porzellanhochburg wie Meißen war, aber ein bedeutendes Zentrum für Porzellan- und Glasproduktion mit einem Netzwerk historisch bedeutender Manufakturen und wichtiger Porzellanfabriken in Gießhübel, Pirkenhammer oder Schlaggenwald darstellte. Oder auch dass es sich bei der Marke Königlich privilegierte Tettau (T.) um eine vom preußischen König priviligierte Manufaktur handelte. Seit 1957 gehört Königlich Tettau (Jena) zur bekannten Unternehmensgruppe Seltmann Weiden in der Stadt Weiden in der Oberpfalz. 

Landjugend packt für die 72-Stunden-Aktion

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Auf dem Messegelände in Rendsburg herrschte am vergangenen Mittwoch geschäftiges Treiben. Knapp 20 Landjugendliche aus dem Vorstand, den Projektgruppen „72-Stunden-Aktion“ und „Norla“ sowie Mitarbeitende der Geschäftsstelle packten dort die Aktionspakete für die teilnehmenden Ortsgruppen. Parallel wurden im Pavillon die letzten Arbeiten für die Norla-Messe erledigt.

Worum handelt es sich bei den Aktionspaketen eigentlich? Alle vier Jahre findet die bundesweit bekannte 72-Stunden-Aktion statt. Vom 18. bis 21. September stellen sich rund 40 Ortsgruppen in Schleswig-Holstein einer geheimen Aufgabe, die erst zum Startschuss bekannt gegeben wird. Damit die Jugendlichen sofort loslegen können, stellt der Landesverband zentrale Unterstützung bereit: die Aktionspakete. Diese enthalten neben Dingen wie T-Shirts, Bechern, Bannern, Schildern oder Erste-Hilfe-Sets zahlreiche Sachspenden regionaler Unternehmen – vom Zollstock über Eimer und Sonnencreme bis hin zu Absperrband. Verpackt in große, ebenfalls gesponserte Tüten, bilden sie eine wertvolle Grundlage für die Aktionstage in den Dörfern und Gemeinden.

Packstraße auf dem Messe-Gelände

Bei angenehmem Spätsommerwetter entstand vor dem Pavillon eine regelrechte Packstraße. Während drinnen noch geputzt und ausgeräumt wurde und am neuen Tresen die letzten Handgriffe erfolgten, sortierten die Helfer draußen T-Shirts, beschrifteten Tüten und kontrollierten Inhalte. Jeder fand schnell seine Aufgabe, und Hand in Hand wuchs die Zahl der fertigen Pakete stetig an.

Der Transport und das Verpacken der Aktionspakete entpuppten sich als logistische Meisterleistung. Foto: Thore Groth
Ob Zollstock, Erste-Hilfe-Set oder Eimer: Mit dem Aktionspaket kann die Aktion direkt starten. Foto: Thore Groth
Parallel zum Packen der Aktionspakete wurden letzte Handgriffe am Pavillon erledigt. Foto: Thore Groth


In der wohlverdienten Pause gab es Hotdogs – deren köstlicher Duft offenbar auch Scharen von blutrünstigen Mücken anzulocken schien. Schon wurde es dunkel, ein Hinweis auf das nahende Arbeitsende. Doch bevor wirklich Schluss war, mussten alle Pakete noch in die Geschäftsstelle gebracht werden. Mit Handwagen, zu Fuß und per Auto glich dies einer kleinen logistischen Meisterleistung. Am Ende sahen die Büros des Verbandes eher wie ein Warenlager aus – doch das Ziel war erreicht. Schon am folgenden Sonnabend nahmen die ersten Kreislandjugendverbände nach der Landesausschusssitzung ihre Pakete in Empfang und gaben sie an die teilnehmenden Ortsgruppen weiter.

„Ohne die vielen Unterstützer und Sponsoren wäre eine Aktion in diesem Umfang nicht möglich“, betonte ein Mitarbeiter des Verbands. Zahlreiche Firmen aus Schleswig-Holstein trugen mit Sach- und Geldspenden dazu bei, dass die 72-Stunden-Aktion gelingt.

Eröffnungs­veranstaltung

Alle Sponsoren sind herzlich zur Eröffnungsveranstaltung am Donnerstag, 18. September, um 17.30 Uhr im Gemeindehaus Bargum, Bensmoor 9, 25842 Bargum eingeladen. Soll eine Ortsgruppe gesondert besucht werden, vermittelt der Landjugendverband gern den Kontakt zwischen Interessierten, Sponsoren oder Presse.

Mit einer Abschlussrunde im Pavillon endete der Abend – erschöpft, aber zufrieden. Nun ist alles bereit für die große Mitmachaktion im September und für den Auftritt auf der Norla.

Der Landjugendverband freut sich auf eine gut besuchte Eröffnungsveranstaltung in Bargum und natürlich auch über viele Besucher im Pavillon während der Norla-Messe.

Ausschreibung steht Spitz auf Knopf

Die Oktober-Ausschreibung für Biomasseanlagen dürfte, wie von der Branche bereits befürchtet, zur Zitterpartie werden. Denn noch ist unklar, ob das im Februar verabschiedete Biomassepaket tatsächlich zur Anwendung kommen wird. Grund dafür ist, dass die EU-Kommission im Zuge der beihilferechtlichen Prüfung des Biomassepakets bislang kein grünes Licht gegeben hat. Laut einer Mitteilung der Bundesnetzagentur (BNetzA) vom Mittwoch vergangener Woche könnten daher für die anstehende Ausschreibung noch die Regelungen des alten Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zur Anwendung kommen.

Damit würden auch die im Biomassepaket beschlossenen Regelungen, etwa ein höheres Ausschreibevolumen sowie ein Flexibilitätszuschlag, wie schon in der ersten Ausschreibungsrunde dieses Jahres erneut nicht greifen. Für Biogasanlagenbetreiber gibt es trotzdem Hoffnung: Denn sollte die Brüsseler Behörde das Biomassepaket bis zum 30. September abgesegnet haben, kämen auch die vorteilhafteren Ausschreibebedingungen des Biomassepakets zum Zuge, so die BNetzA.

Bieter haben zwei Möglichkeiten

Für die Oktober-Ausschreibung hätten Anlagenbetreiber daher zwei Optionen, heißt es in der Mitteilung der BNetzA. Bieter könnten entweder von vornherein zwei Gebote für dieselbe Anlage abgeben, wobei jeweils ein Gebot für die neue und die alte Rechtslage eingereicht würde. Abhängig davon, ob die Kommission bis zum 30. September das Biomassepaket genehmigt oder nicht, müssen die Bieter dann am 1. Oktober eines der beiden Gebote zurückziehen. Oder sie geben zunächst nur ein Gebot für die alte Rechtslage ab. Auch dann hätten die Bieter die Möglichkeit, im Falle einer Genehmigung das Gebot bis zum Stichtag zurückzunehmen und ein neues Gebot einzureichen.

Laut der Behörde ist noch nicht absehbar, ob die Genehmigung durch die EU-Kommission rechtzeitig vorliegen wird. „Eine Aussage dazu, wann genau die Genehmigung vorliegen wird, kann die Bundesregierung nicht treffen, schon weil die Europäische Kommission Herrin des Verfahrens ist“, heißt es dazu knapp.

Branche befürchtet Massenstilllegungen

Auf einer vom Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) anberaumten Pressekonferenz warnten Vertreter der Branche am Mittwoch vergangener Woche vor den etwaigen Folgen der andauernden Hängepartie (siehe Ausgabe 35).

Mit Mut und Jerseys gegen den Trend

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Entgegen dem allgemeinen Trend, dass auch mittelständische Milchviehbetriebe in Schleswig-Holstein aufgeben, gibt es sie noch: junge Landwirte, die voller Elan und mit klaren Ideen den Einstieg wagen. Sie knüpfen an das Wissen der älteren Generation an, nutzen bestehende Strukturen und verbinden Altbewährtes mit neuen Wegen. Einer von ihnen ist Felix Schwartz aus Hardesby bei Sörup, Kreis Schleswig-Flensburg.

An einem ruhigen Sommermorgen liegt der Hof still zwischen sattgrünen Weiden. Es ist 9.30 Uhr, die Sonne steht am wolkenlosen Himmel, die Kühe grasen friedlich. Felix Schwartz begrüßt mich freundlich mit festem Händedruck und beginnt zu erzählen – von einem Weg, der in nur wenigen Monaten vom leeren Stall zum gut laufenden Milchviehbetrieb führte. Ohne Fördergelder, aber mit einer klaren Vorstellung, wohin es gehen soll.

Vom Stillstand zum Neustart

Seit dem Jahr 2000 ist der Hof in Familienbesitz. Vater Hans führte ihn lange als Milchviehbetrieb, stellte später auf Mutterkühe um. Von 2017 bis 2020 gab es nur noch die – gemolken wurde nicht mehr. „Für mich war das kein Dauerzustand“, erinnert sich der Junior. Ende September verließ die Mutterkuhherde den Hof mit Abschluss der Weidesaison. Kurz darauf, am 1. Oktober, zogen die ersten Milchkühe ein – mit finanziert durch den Verkauf der Mutterkühe. So gab es für den Hof nur etwa ein bis zwei Wochen im Leerstand.

Ideen für Modernisierungen des alten Stalles gibt es bereits.

Der heute 25-Jährige hatte 2019 seine Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen und war für ein halbes Jahr nach Australien gereist, um den eigenen Horizont zu erweitern. Wieder zu Hause stand eigentlich der Beginn der HöLa, der höheren Landbauschule, auf dem Plan. Doch kurz vor deren Start kam ihm die Idee, den Milchviehbetrieb wiederzubeleben – und er setzte sie sofort um. So kamen mit dem Beginn der HöLa im Jahr 2020 auch die ersten 80 Kühe auf den Hof – eine Doppelbelastung, die er bewusst in Kauf nahm. „Das war schon sportlich, aber ich wollte beides: die Ausbildung abschließen und den Betrieb in Schwung bringen“, schildert Schwartz.

Vom Entschluss bis zur Milch

Der Vater reagierte zunächst zurückhaltend. Schließlich wusste er, wie arbeitsintensiv und risikobehaftet Milchviehhaltung ist. Doch die nötige Infrastruktur war noch vorhanden – sogar die Milchtanks und die Melkanlage standen ungenutzt bereit. „Wir wollten erst einmal abwarten – wie sich herausstellte, aus gutem Grund“, sagt Hans Schwartz heute.

Die Gelegenheit ließ nicht lange auf sich warten: In Dänemark gab ein Hof 80 Jersey-Kühe ab. Die Tierzahl passte, der Zeitpunkt auch, und Felix griff zu. „Man muss am Anfang mutig sein. Wer nichts wagt, der nicht gewinnt“, sagt er mit einem Lächeln.

Ohne Fördergelder oder sonstige Unterstützung ging es los. Die Jerseys kannten nur Melkroboter und mussten sich umstellen. In den ersten Wochen hakte es hier und da: kleinere technische Ausfälle, Kühe, die sich noch orientierten, viel Improvisation. Doch nach kurzer Zeit spielte sich der Ablauf ein. Nur der Milchpreis trübte den Start – mit 32 ct/l war er denkbar niedrig. „Heute sind es 50 Cent, das ist ein ganz anderes Arbeiten“, so Schwartz.

Warum Jerseys?

Die Wahl fiel nicht zufällig auf diese Rasse. Der alte Stall hat kleinere Maße, perfekt für Jerseys. Die Tiere sind robust, weidegängig und liefern eine Milch mit besonders hohem Fett- und Eiweißgehalt – daraus resultierten rund 20 ct/l mehr im Vergleich zur Standardmilch. „In Dänemark sind Jerseys gang und gäbe, bei uns in Schleswig-Holstein werden es mehr, aber es ist immer noch eine Nische mit Potenzial“, erklärt der Junglandwirt.

Im neuen Freiluftbereich sollen die Kühe mehr Komfort genießen.

Auf der Weide zeigten sie ihren Charakter: neugierig, aufgeweckt, verschmust. Schwartz zeigt sich überzeugt: „Nur gesunde Kühe geben gute Milch. Deshalb gehören Kraulen und ein gutes Miteinander genauso dazu wie Füttern und Melken.“ Beim Rundgang stupsen einige Tiere sanft mit der Nase und beäugen interessiert die Weidebesucher.

Futter, Stall und Arbeit

Der Nachwuchs stammt aus der eigenen Jersey-Zucht.

Heute stehen 100 Milchkühe im Stall, bald werden es dank eines neuen, luftigen Stallabschnitts 120 sein. Dazu kommen 80 Jungtiere aus eigener Zucht, nur gelegentlich werden Färsen zugekauft. Die Weiden rund um den Hof bieten reichlich frisches Grün.

Gefüttert wird mit selbst produzierter Gras- und Maissilage, im Sommer grasen die Kühe tagsüber draußen. Ergänzt wird das Futter durch zugekauftes Schrot aus Raps und Mais. Der Tagesrhythmus ist klar strukturiert: Melken um fünf, Frühstück um halb acht, Kühe um sieben auf die Weide, zweiter Melkgang um 16.30 Uhr. „Wenn alles läuft, ist um 18.30 Uhr Feierabend – zumindest, wenn keine Kuh kalbt“, sagt Schwartz und grinst. „Das passiert übrigens gern mal an Sonntagen.“

Der Jersey-Fan arbeitet zusammen mit seinem Vater Hans, der als Angestellter voll im Betrieb eingebunden ist. Unterstützung gibt es von Felix’ Freundin, die ein Herz für Landwirtschaft hat und anpackt, wo sie gebraucht wird.

Vorerst keine Feriengäste

Früher bildeten Ferienwohnungen ein weiteres Standbein. Doch der laufende Hofbetrieb und die vielen Gäste waren auf Dauer zu anstrengend. „Das passte irgendwann nicht mehr“, beschreibt Felix Schwartz. Die Wohnungen sind jedoch noch vorhanden. Mit etwas Aufwand könnten sie wieder aktiviert werden – vielleicht, wenn seine Partnerin Lust habe, diese Aufgabe zu übernehmen. „Wir schauen einfach, was sich ergibt.“

Ein starkes Team

Während sich Felix Schwartz mit Vater Hans die Arbeit auf dem Hof teilt, ist Mutter Michaela vor allem außerhalb des Betriebs aktiv. Sie arbeitet als Friseurin – sorgt nebenbei aber auch dafür, dass ihre Männer nicht mit leerem Magen arbeiten müssen. „Für die Verpflegung zuständig“, nennt Felix das augenzwinkernd. Ein laufender landwirtschaftlicher Familienbetrieb funktioniere eben nur, wenn man als starkes Team zusammenarbeite.

Der Neustart war kostspielig – Kühe, Futter, Technik. Dazu kamen Formalitäten: Stallabnahmen, Genehmigungen, Auflagen. Mit laufendem Betrieb wächst auch die Bürokratie. Dokumentationspflichten zu Düngung, Gülle und Medikamenten müssen digital erfasst werden. „Vergisst man zum Beispiel, zweimal im Jahr die Tierzahl online zu bestätigen, kommt sofort Post mit hoher Strafandrohung – ohne Erinnerung. Das hilft keinem“, kritisiert er.

Auch technische Vorgaben seien nicht immer praxisnah. Etwa die Pflicht, Gülle streifenförmig mit Schleppschläuchen auszubringen. Bleibe der Regen aus, verschlechtere das die Qualität des Futters und verschmutze es unnötig.

Perspektiven vorhanden

Die Milch liefert er an das Deutsche Milchkontor. Dort würden der hohe Eiweiß- und Fettgehalt der Jersey-Milch besonders honoriert. Direktvermarktung sei aktuell kein Thema, Produktveredelung nur in Kooperation. „Jersey-Eis, das es andernorts schon gibt, wäre natürlich spannend“, überlegt Schwartz.

Im Juli ging der Hof offiziell in seinen Besitz über. Größer werden soll er vorerst nicht – lieber will er optimieren und modernisieren: neue Liegeboxen, verbesserte Abläufe, zeitgemäße Technik. Haltungsform 4 sei langfristig denkbar, wenn Abnehmer und Rahmenbedingungen passten.

Sein Rat an junge Landwirte: „Ziele fest im Blick behalten, dranbleiben, sich nicht entmutigen lassen – und bestehende Strukturen nutzen.“ Für die Politik hat er klare Worte: „Regeln müssen praktikabel sein und die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigen. Einfach über die Köpfe hinweg zu entscheiden bringt nichts. Der Austausch mit dem Bauernverband ist wichtig.“

Privat findet Schwartz Ausgleich am Strand, beim Spaziergang mit Freundin und Hund oder beim Eisessen in der Region. Wirklich frei hat er selten – und braucht es auch nicht. „Die Arbeit mit den Tieren ist genau das, was ich machen will.“

Und so fasst er seinen Weg zusammen: „Wer seine Kühe gut behandelt, bekommt viel zurück – in Milch, Freude und im Gefühl, das Richtige zu tun.“

Felix Schwartz mit vierbeiniger Unterstützung an seinem Traktor

Säen, Spritzen, Düngen

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Matthes Rauert und Fabian Schlademann sind technikbegeistert. Während ihres Agrarstudiums haben sie das Start-up Farmetrics gegründet und in verschiedene Agrardrohnen investiert, um als Dienstleister für die Landwirtschaft Fuß zu fassen. Welche Anwendungsbereiche aus ihrer Sicht besonders geeignet und welche Hürden bei der Nutzung von Agrardrohnen zu überwinden sind, schildern sie im Interview.

Wie ist Ihr Bezug zur Landwirtschaft und was motiviert Sie, im Bereich der Agrardrohnen Pionierarbeit zu leisten?

Matthes Rauert: Wir kommen beide vom Landwirtschaftsbetrieb, haben beide eine Ausbildung gemacht und uns dann im Studium in Kiel angefreundet. Wir teilen unsere Begeisterung für die Technik und sehen im Einsatz von Drohnen viele ackerbauliche Vorteile im Vergleich zu bisherigen Verfahren. Da der Markt für den Einsatz von Agrardrohnen noch sehr wenig entwickelt ist, sehen wir Chancen, uns dort zu etablieren.

In welchen Arbeitsbereichen sehen Sie das größte Potenzial für Agrardrohnen?

Rauert: Ein Bereich ist das Precision-Farming. Dort nutzen wir eine Drohne mit Multispektral­kamera für hochauflösende Flächenkartierung. Dabei erstellen wir Biomassekarten und können die Flächen gleichzeitig einmessen. Der große Vorteil der Drohne im Vergleich zum Satelliten ist, dass wir eine vielfach bessere Auflösung haben. Zudem hat die Drohne keine Probleme mit Wolken. Ein weiterer Einsatzzweck sind Spotspraying-Anwendungen. Wir können mit der Drohne die Fläche vorher abfliegen und erkennen, wo Unkräuter sind. Aus diesen Daten erstellen wir eine Applikationskarte, die wir an das Schlepperterminal übertragen.

Fabian Schlademann: Wir verfolgen den Ansatz, mit marktüblicher Technik von den Kosten und der Komplexität her einen einfachen Einstieg in die Umsetzung von Precision-Farming-Anwendungen zu ermöglichen. Bei Unkräutern im Keimblattstadium reicht diese Technik nicht mehr aus, dafür gibt es dann andere Systeme. Aber für Unkrautteppiche oder für größere Flächen mit starker Verunkrautung funktioniert das sehr gut.

Welche Einsatzgebiete sind noch denkbar?

Schlademann: Auch das Sachverständigenwesen in der Landwirtschaft kann durch solche Drohnen einen deutlichen Schub in Richtung Genauigkeit und auch Einfachheit bekommen. Denn bei einem großen Schlag ist es natürlich schwierig, Schäden zu schätzen. Eine Drohne kann das deutlich genauer und man hat belastbare Daten, die Landwirte beispielsweise im Rahmen der Nachweise für Versicherungen nutzen können.

Wie funktioniert im Vergleich der Einsatz von großen Drohnen?

Schlademann: Unsere große Drohne wiegt leer 38 kg. Inklusive Akku und 50 kg Zuladung sind wir bei einem Abfluggewicht von etwas mehr als 100 kg. Sie hat einen Durchmesser von gut 3,5 m, wenn sie ganz ausgeklappt ist. Für den mobilen Einsatz dieser Drohne brauchen wir Stromgeneratoren, um im Feldeinsatz die Akkus nach dem Austausch wieder schnell laden zu können. Die halten im Flug je nach Belastung, Beladung und Wetterbedingungen 7 bis 10 min. Etwa genauso lange dauert der Aufladeprozess. Zwei Akkus sind also im Feldeinsatz das Minimum.

Für welche Arbeiten soll die große Drohne schwerpunktmäßig zum Einsatz kommen?

Rauert: Bereiche, in denen wir Potenzial für die großen Drohnen sehen, sind die Ausbringung von Zwischenfrüchten und Untersaaten sowie Düngern und perspektivisch auch von Pflanzenschutzmitteln. In Deutschland ist die Ausbringung chemischer Pflanzenschutzmittel mit Drohnen bisher nur im Weinbau erlaubt. Kurzfristig könnte man bereits Spurennährstoffe oder Biostimulanzien ausbringen. Das ist bereits jetzt ein wachsender Markt.

Mit welchen Argumenten wollen Sie Landwirte von der Technologie überzeugen?

Rauert: Ein Vorteil ist, dass wir schon vor der Ernte Zwischenfrüchte im Bestand ausbringen können, ohne Schäden zu verursachen. Unten im Getreidebestand herrscht ein gutes Mikroklima. Da ist es immer ein bisschen feuchter als über dem Bestand. Auch wenn es relativ trocken wirkt, ist dort in der Regel ausreichend Feuchtigkeit zur Keimung vorhanden. Damit können wir also der Zwischenfrucht einen Startvorteil von bis zu 14 Tagen gegenüber der Direktsaat geben, was dazu führt, dass sie nach der Ernte einen Konkurrenzvorteil gegen die Unkrautsamen hat, die nach der Ernte auflaufen.

Schlademann: Zwischenfrüchte dienen auch dem Erosionsschutz. Wir sehen immer häufiger, dass Flächen nach der Ernte, wenn wir starke Regenfälle haben, teilweise wegfließen, wenn der Boden ungeschützt ist. Alle üblichen Vorteile von Zwischenfrüchten kommen natürlich dazu, also Humusaufbau, Wasserhaltefähigkeit und Nährstofffixierung. Außerdem ist es dank der Drohne möglich, Untersaaten im Raps oder Mais früher im Jahr auszubringen, die dann begleitend zur eigentlichen Kultur schon wachsen können.

Welche Perspektiven sehen Sie?

Rauert: Wir können grundsätzlich den Bodenschutz verbessern, weil wir auch dann fliegen können, wenn die Befahrbarkeit kritisch ist. Erfahrungsgemäß gibt es häufiger Situationen, in denen eine Pflanzenschutzmaßnahme sinnvoll wäre, aber das Fahren mit schwerem Gerät auf dem Acker den Boden schädigen würde. Gleiches gilt für die Ausbringung von Dünger auf sehr nassen Flächen.

In welcher Flughöhe arbeiten die Drohnen?

Rauert: Wir fliegen im Feldeinsatz beim Streuen und Sprühen mit der großen Drohne ungefähr 4 m über dem Bestand. Nur wenn man zum Starten und Landen fliegt, ist man in bis zu 10 m Höhe unterwegs. Mit der kleinen Drohne – das ist die mit der Multispektralkamera – gehen wir auch bis an die erlaubten 120 m Höhe. Das reizen wir aus, um die Flächenleistung zu erhöhen. Je nach Anwendungszweck sind wir aber häufig auch nur in einer Flughöhe von 30 bis 60 m unterwegs. Grundsätzlich fliegen die Drohnen automatisch auf vordefinierten Flugrouten, ähnlich wie Schlepper mit GPS-Systemen. Man arbeitet also mit wenig manuellem Input. Im automatischen Modus fliegt die Drohne einfach ruhig und exakt. Das bekommt man mit der manuellen Steuerung nicht so gut hin.

Wie hoch ist die Sicherheit für Anwender und Unbeteiligte?

Schlademann: Sicherheit spielt eine große Rolle und ist der Hauptgrund, warum man so eine große Drohne nicht einfach so fliegen darf. Wir fliegen nur in genehmigten Gebieten und müssen Maßnahmen zur Risikominderung umsetzen. Straßen und sonstige Infrastruktur sind dabei tabu. Die Befliegung der Routen geschieht dank GPS- und RTK-Technik sehr genau. Die Drohne bleibt also auf Kurs. Sie verfügt über verschiedene Sensoren, die die Umgebung abscannen, und besitzt eine Hinderniserkennung, wodurch sie im Fall der Fälle sofort stoppt. Außerdem nutzen wir die Funktion, dass die Drohne entweder in der Luft stehen bleibt oder zum Ausgangsort zurückfliegt, sofern sie den Kontakt zur Fernbedienung verliert. Für die Passanten stellen wir Warnschilder auf, um unsere Präsenz kundzutun. Wir sind schließlich generell in Bereichen unterwegs, wo wir damit rechnen müssen, dass Menschen unsere Drohne sehen und potenzielle Risiken schwer einschätzen können. Je nach Einsatzort informieren wir im Vorfeld von Einsätzen die örtlichen Behörden und die Polizei. Ein gutes Miteinander und eine große Akzeptanz für den Einsatz von Agrardrohnen sind uns sehr wichtig.

Im Feldeinsatz arbeitet die Drohne zirka 4 m über dem Bestand.

Haben Sie für Ihr Start-up Fördermittel erhalten?

Schlademann: Wir haben zwar grundlegend danach Ausschau gehalten, aber nichts gefunden, was uns unkompliziert weitergeholfen hätte. Drohnen sind – außer zur Kitzrettung – in Förderprogrammen noch ziemlich außen vor, vielleicht, weil sie noch nicht so weit verbreitet sind. Aus unserer Erfahrung in der Beratung wissen wir zudem, dass einem Förderanträge jeden Spaß am Investieren rauben können. Wir wollten direkt loslegen und so schnell wie möglich bestellen. Das hat auch rasch funktioniert. Aber leider stand die Drohne trotzdem ziemlich genau ein Jahr, ohne dass wir sie im Feldeinsatz fliegen durften.

Woran lag das?

Rauert: Wir haben leider die Rechnung ohne die Genehmigungsbehörden gemacht. Zum Glück haben wir mit GDDC (siehe Kasten) einen Partner an der Seite, der uns in rechtlichen Fragen berät. Aber die derzeitige Genehmigungspraxis ist für landwirtschaftliche Zwecke nicht praktikabel. Dass man eine grundsätzliche Betriebsgenehmigung einholt, finde ich zwar fair. Wir fliegen schließlich mit einem Gewicht von 100 kg über die Flächen. Das stellt grundsätzlich ein reelles Risiko für Mensch und Tier dar. Aber wenn die Erlaubnis einmal vorliegt, müsste man unkompliziert jede Fläche befliegen dürfen. Wir fliegen nur über Ackerflächen, wo sich keine Menschen aufhalten, und wir bewegen uns in Flughöhen, die den Rest der Luftfahrt überhaupt nicht interessieren.

Schlademann: Es sollte doch auch im politischen Interesse sein, diese Technologie zu unterstützen, im Sinne der Elektrifizierung, des Boden- und Erosionsschutzes sowie grundsätzlich der Ernährungssicherheit. Die Drohne wird zwar den Trecker nicht ersetzen. Sie kann ihn aber ergänzen und Feldüberfahrten reduzieren. Im Steillagen-Weinbau in Süddeutschland hat es angefangen. Wir wollen das nun in die Fläche nach Norddeutschland bringen.

GDDC unterstützt bei Genehmigungen

Horst Zell, Foto: GDDC

Horst Zell vom German Dynamic Drone Center (GDDC) in Eckernförde kooperiert mit Fabian Schlademann und Mat­thes Rauert und unterstützt die Jungunternehmer beim Einstieg in das Geschäft der Drohnen-Dienstleistungen in der Landwirtschaft. Die Hauptursache für zähe Genehmigungprozesse ist nach seiner Einschätzung der Übergang der bisherigen Bundesregelungen in europäisches Recht. Das habe offenbar zu einer Überforderung der Behörden geführt. Der eigene Genehmigungsantrag für den Einsatz der Großdrohne sei mehr als ein halbes Jahr nicht angefasst und erst nach mehrfacher Beschwerde bearbeitet worden. Zell berichtet: „Mittlerweile haben wir die grundsätzliche Genehmigung und müssen nur noch weitere Einsatzorte beantragen.“ Das sei allerdings ein deutlich schnelleres Verfahren, da GDDC dies in Zukunft selbst genehmigen dürfe. Der Drohnen-Dienstleister sei dann selbst für die Aufsicht verantwortlich. „Wir dürfen Drohnenpiloten ausbilden, die Technik abnehmen und neue Einsatzorte genehmigen“, erklärt der Luftfahrtexperte.

Insgesamt gebe es drei Kategorien von Drohnenführerscheinen. Die Multispektraldrohne von Farmetrics falle in die offene Kategorie von Drohnen unter 25 kg mit einer Flughöhe von höchstens 120 m beziehungsweise im Sichtbereich. Die spezielle Kategorie gelte für die Nutzung von Drohnen mit mehr als 25 kg Gewicht und mehr als 120 m Höhe, die den Sichtbereich verlassen dürfen. Die Kategorie „Zulassungspflichtig“ komme lediglich bei Transporten von Menschen, Gefahrgut oder Flügen über Menschenansammlungen zum Tragen – also weniger in der Landwirtschaft.

Nachhaltigkeit für den Geldbeutel

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Sowohl Praktiker als auch Agrarindustrie entwickeln Geschäftsmodelle, die Nachhaltigkeitsleistungen honorieren. Davon konnten sich rund 80 Teilnehmende beim Bundeskongress des Verbandes Deutscher Agrarjournalisten (VDAJ) am vergangenen Wochenende in Rendsburg überzeugen.

Im Rahmen einer Podiumsdiskussion skizzierte Markus Röser, Kommunikations- und Nachhaltigkeitsexperte bei BASF, das grundsätzliche Problem: „Für Nachhaltigkeit will an der Supermarktkasse eigentlich niemand etwas zahlen.“

Als Alternative zu staatlichen Vorgaben, Zwang und Bürokratie stellte er die BASF-Initiative „KlimaPartner Landwirtschaft“ vor. Deren Ziel sei, Weizen mit 30 % weniger CO2-Emissionen zu produzieren. „Wir wollen, dass Landwirte bei dem Thema Spaß haben und auch Geld verdienen können“, schilderte Röser. BASF habe dafür einen Maßnahmenkatalog entwickelt, bei dem alle Betriebe gleichermaßen profitieren könnten, egal ob sie ihren Kohlenstoffhaushalt schon immer im Blick hätten oder sich diesem Thema noch annäherten. Landwirte erhalten für die Teilnahme einen Sockelbetrag in Höhe von 40 €/ha. Dieser kann durch zusätzliche Maßnahmen aufwachsen. Im Schnitt erhielten die „KlimaPartner“ derzeit 60 €/ha. Röser erklärte: „Wir arbeiten daran, zukünftig auch andere Kulturen wie Raps aufzunehmen.“ Auch bisher nicht berücksichtigte Maßnahmen wie die Nutzung von Pflanzenkohle könnten perspektivisch in den Maßnahmenkatalog aufgenommen und bepreist werden.

Patrick Hofstetter, Precision-Farming-Experte bei John Deere, erläuterte die Vorteile digitaler Helfer im Pflanzenbau. Das Xarvio-System von BASF könne beispielsweise über eine Schnittstelle problemlos mit den John-Deere-Systemen kommunizieren. „Unser Ansatz ist das gesamte Produktionssystem. Wir wollen Landwirte mit Technologielösungen unterstützen, nachhaltig zu arbeiten“, so Hofstetter. Durch die Dokumentation der Reihen könne jeder Arbeitsschritt genau geplant und durchgeführt werden. „Wenn ich meine Reihen kenne, kann ich beispielsweise mit der Bandspritze gezielt die Reihe spritzen und dazwischen hacken“, schilderte er.

Im Bereich der Milchviehhaltung kooperiere John Deere mit DeLaval. Mithilfe des sogenannten Milk Sustainability Center könnten Milchviehbetriebe über die gesamte Produktion prüfen, in welchen Arbeitsschritten sie schon wie gut seien und wo sie sich noch verbessern könnten. Vor allem die Einsparung von Betriebsmitteln senke Kosten und erhöhe gleichzeitig die Nachhaltigkeit.

Arla-Manager Dr. Thomas Kröber informierte zum „Farm­Ahead“-Programm der Meierei. Bereits seit 2013 gebe es bei Arla erste KlimaChecks. „Die Teilnahme ist freiwillig“, betonte Kröber. Allerdings seien so gut wie alle Genossenschaftsbetriebe dabei, weil allein die Teilnahme schon 1 ct/kg Milch mehr bringe. Der 223-seitige Fragenkatalog habe es zwar in sich. Doch niemand müsse alle Fragen beantworten. Körber erläuterte: „Einige Fragen schließen andere aus.“ Außerdem gebe es den Fragebogen digital. Aus den Antworten ergebe sich schließlich der CO2-Fußabdruck, so der Arla-Manager. Betriebe gewönnen dadurch die Information, an welchen Stellen sie die größten Verbesserungenmöglichkeiten im Sinne der Nachhaltigkeit hätten. Er schilderte: „Unsere Betriebe können sich super mit Betrieben der gleichen Kategorie – also ähnlicher Größe und Struktur – vergleichen.“

Das Geld für die Honorierung werde aus dem eigentlichen Milchgeld herausgenommen und dann umverteilt. Über ein Punktesystem seien bis zu 2,4 ct/kg Milch zusätzlich zu dem 1 ct/kg Basisprämie für die Teilnahme möglich. Kröber berichtete: „Seit 2015 haben wir die CO2-Emissionen auf den Höfen um 15 Prozent reduziert. Bis 2030 wollen wir 30 Prozent schaffen.“ Grundsätzliches Ziel sei, zusätzliche Gelder am Markt zu erlösen. Deswegen ist Arla mit dem „FarmAhead“-Label jetzt auch in die Vermarktung gegangen.

Milchviehhalter Knud Grell, Mitglied der Arbeitsgruppe für Nachhaltigkeit bei Arla, ist an der Entwicklung des „FarmAhead“-Programms beteiligt. Er forderte: „Wir müssen doch hinbekommen, dass die Menschen lernen und verstehen, dass die Landwirtschaft ein Schlüssel beim Klimaschutz sein kann.“ Das stärke nicht zuletzt das Image der Landwirtschaft. Er hält es für den richtigen Weg, mit dem „FarmAhead“-Label in die Vermarktung zu gehen.

Ackerbauer Lars Christiansen hat in eine Pyrolyse-Anlage investiert, in der aus eigenem Knickholz Kohle produziert wird. Er erklärte: „Wir nutzen Pflanzenkohle in der Fütterung der Tiere und als Dünger auf den Böden.“ Zudem vermarkte er sein Produkt im Handel und generiere CO2-Zertifikate. Vom Einsatz von Pflanzenkohle auf Ackerböden zeigte er sich überzeugt: „Damit verbessern wir unsere Boden für die nächsten 1.000 Jahre.“

Landwirtin Anna-Lena Sager beschrieb soziale Aspekte der Nachhaltigkeit. „Durch unsere stadtnahe Lage in Ottendorf bei Kiel gibt es viel Publikumsverkehr.“ Oft entstünden Feldranddiskussionen. Diese habe der Ackerbaubetrieb zum Anlass genommen, sich bei „Schulklassen auf dem Bauernhof“ und in der Bildungsoffensive des Kieler Landwirtschaftsministeriums zu engagieren und Schülern die moderne Landwirtschaft näherzubringen. Für die Einsparung von Betriebsmitteln im Sinne ökonomischer und ökologischer Nachhaltigkeit setze man auf Technologie. Familie Sager unterstützt beispielsweise das Start-up Farmetrics bei der Entwicklung von Agrar-Dienstleistungen mit Drohnen.