Das Ferkelumsetzen zum Wurfausgleich ist eine komplexe Maßnahme. Prof. Steffen Hoy berichtet über eine aktuelle Untersuchung vom Oberen Hardthof der Universität Gießen.
Das Umsetzen von Ferkeln nach der Geburt hat dann Sinn, wenn Würfe ausgeglichen, die Abferkelplätze maximal mit säugenden Sauen und großen Würfen ausgelastet, die Aufzuchtverluste gering gehalten und eine Mindestmenge an Kolostrum je Ferkel (über 200 bis 250 g) gewährleistet werden sollen. Ein Spätumsetzen während der Säugezeit kann dann notwendig werden, wenn Sauen verenden oder erkranken, zum Beispiel an MMA (Mastitis, Metritis, Agalaktie) oder wenn einzelne Ferkel in der Entwicklung zurückbleiben. Bei hochfruchtbaren Sauen mit Wurfgrößen von mehr als 16 lebend geborenen Ferkeln wird das Umsetzen problematisch, wenn die Zahl der funktionstüchtigen Zitzen knapp wird. Allerdings kann auch bei diesen Sauen ein Umsetzen notwendig werden, um ausgeglichene Würfe zu bilden.
Bei jedem „Spätumsetzen“ (Umsetzen nach dem dritten Lebenstag der Ferkel) muss beachtet werden, dass sich unmittelbar nach der Geburt am Gesäuge der Sau eine feste Saugordnung herausbildet. Jedes Ferkel hat dann „seine“ Zitze. Das ist auch sinnvoll, damit bei den etwa 24 Saugakten pro Tag jedes Ferkel schnell und ohne Stress trinken kann. Die Ferkel haben nämlich maximal 3 min Zeit dafür, danach müssen sie etwa eine Stunde bis zum nächsten Saugakt warten. Werden Ferkel in einen „neuen“ Wurf umgesetzt, kämpfen sie mit den anwesenden Ferkeln um die Zitzen. Das kann die Milchaufnahme beeinträchtigen, was zu einer Senkung der täglichen Zunahmen führt. Vor allem das mehrfache Umsetzen einzelner Ferkel ist unbedingt zu unterlassen.
In eigenen Untersuchungen vor einigen Jahren hatten einmal umgesetzte Ferkel um 25 g, zweimal umgesetzte um 50 g und viermal umgesetzte Ferkel um fast 70 g geringere tägliche Zunahmen während der Säugezeit als nicht umgesetzte Ferkel. In vielen Betrieben wird das Umsetzen sachkundig durchgeführt. Unlängst wurde jedoch ein großer Betrieb von uns beraten, in dem Probleme auftraten. In diesem Ferkelerzeugerbetrieb wurden im Auswertungszeitraum 15.508 Ferkel lebend geboren und laut Sauenplaner 10.707 abgesetzt. Insgesamt 9.058 Ferkel wurden aus den Geburtswürfen weggesetzt und 5.573 zugesetzt (Tabelle 1). Damit mussten 14.631 Ferkel den Wurf verlassen, in dem sie geboren wurden. Rechnerisch wurden somit fast alle Ferkel umgesetzt. Aus der Anzahl lebend geborener Ferkel plus zugesetzte Ferkel minus weggesetzte Ferkel minus Ferkelverluste (15.508 + 5.573 – 9.058 – 3.821) errechnete sich nach den betrieblichen Unterlagen lediglich ein Wert von 8.202 abgesetzten Ferkeln (Tabelle 1). Wahrscheinlich wurden Ferkel mehrfach umgesetzt und wiederholt gezählt. Das war die Motivation, das Thema des Ferkelversetzens zu bearbeiten.
Auswertungen auf dem Oberen Hardthof
Für die Analyse dokumentierten wir neben Rasse und Wurfnummer der Sau die Wurfgröße gesamt und lebend geborener Ferkel sowie die Wurfgröße beim Absetzen. Alle Ferkel wurden nach der Geburt und beim Absetzen durch die Mitarbeiter der Lehr- und Forschungsstation Oberer Hardthof (OH) der Universität Gießen einzeln gewogen. Das Alter beim Absetzen war bekannt, sodass die täglichen Zunahmen während der Säugezeit (durchschnittlich 25 Tage) ermittelt werden konnten. Sämtliche Umsetzungen von Ferkeln und die Ferkelverluste nach Alter und Ursache wurden routinemäßig registriert.
Schwere Ferkel bevorzugt umsetzen
Von fast 7.800 lebend geborenen Ferkeln wurden 17,6 % umgesetzt. Die umgesetzten Ferkel hatten mit 1,60 kg ein signifikant höheres Geburtsgewicht als die nicht umgesetzten Saugferkel mit 1,42 kg (Tabelle 2). Das ist richtig, denn schwereren Ferkeln fällt es leichter, an der Ammensau einen Platz am Gesäuge zu erkämpfen. Die umgesetzten Ferkel hatten mit 8,2 % sogar geringere Verluste als die nicht umgesetzten Ferkel (14,0 %). Auch im Vergleich mit etwa gleich schweren, aber nicht umgesetzten Saugferkeln (etwa 4.000 Ferkel, 6,2 % Verluste) waren die Verluste nur wenig höher.
Männliche Ferkel wurden mit 19,3 % signifikant häufiger als weibliche Geschwister umgesetzt (15,8 %). Die Ursache liegt im Geburtsgewicht: Männliche Ferkel waren im Mittel zur Geburt 80 g schwerer (1,49 kg) als ihre weiblichen Buchtengefährten.
Die meisten Sauen waren Hybridsauen aus der Kreuzung von Landrasse und Edelschwein. Die höhere Zahl umgesetzter Ferkel von diesen Sauen (20,2 %) ist damit zu erklären, dass immer genügend Hybridsauen zum Wurfausgleich vorhanden waren. Nur wenige Ferkel wurden von Piétrain- und Duroc-Sauen versetzt (Abbildung 1). Die Wurfgröße bei diesen Rassen ist niedriger, und es besteht weniger die Notwendigkeit des Wurfausgleiches.
Die meisten Ferkel wurden bei Altsauen mit mehr als zwei Würfen umgesetzt (19,7 %), die wenigsten bei Jungsauen (13,9 %) (Abbildung 2). Das ist grundsätzlich richtig, da Altsauenferkel schwerer und robuster als Jungsauenferkel sind und eine bessere Immunität aufweisen. Die Biestmilch von Altsauen weist mehr Antikörper auf als die von Jungsauen. Die Ferkel von Jungsauen hatten mit 1,40 kg ein geringeres Geburtsgewicht als Nachkommen von älteren Sauen (1,42 bis 1,57 kg).
Es leuchtet ein, dass mit steigender Wurfgröße mehr Ferkel umgesetzt werden (müssen). In Würfen bis 13 lebend geborene Ferkel wurden auf dem Oberen Hardthof lediglich 6,5 % der Ferkel versetzt, in Würfen mit mehr als 16 Ferkeln waren es dagegen mehr als viermal so viele – 27,6 % (Abbildung 3). Im Mittel hatten die Sauen auf dem OH 16 Zitzen und eine Wurfgröße von 14,7 gesamt und 13,7 lebend geborenen Ferkeln im Durchschnitt aller erbrachten Würfe. Insofern ist noch genügend „Luft nach oben“ für die Zahl lebend geborener Ferkel je Wurf.
Aufzucht sehr großer Würfe
In den vergangenen Jahren ist die Wurfgröße pro Jahr um etwa 0,2 Ferkel gestiegen. In fünf Jahren erhöhte sich also die durchschnittliche Wurfgröße um ein Ferkel pro Wurf. Wenn die Zahl lebend geborener Ferkel je Wurf die Zitzenzahl der Sauen im Mittel übersteigt, müssen verschiedene Maßnahmen angewendet werden, um die große Anzahl an Ferkeln dennoch erfolgreich und verlustarm aufzuziehen. Technisch am einfachsten ist die Nutzung von Ammensauen (Schlachtsauen aus der Absetzgruppe), was in den meisten Betrieben praktiziert wird. Beim Einsatz von Schlachtsauen als Ammensauen sollte möglichst ein Reserveabteil vorhanden sein. Bei voller Auslastung des Abferkelstalles fehlen entsprechende Abferkelbuchten für die Ammensauen. Es ist ein hygienisches Risiko, die Ammensauen in den Abferkelstall mit soeben abferkelnden Sauen zu bringen oder im Stallabteil der abgesetzten Sauen zu belassen. Das Alles-Rein-Alles-Raus-Prinzip wird dabei durchbrochen und ein Anstieg von Erkrankungen und Verlusten der Ferkel kann die Folge sein. Allerdings gibt es in größeren Betrieben zumeist kein Reserveabteil, sodass letztlich Ammensauen im Abferkelabteil genutzt werden müssen.
In Dänemark wurde vor einigen Jahren ein Zwei-Stufen-Ammen-System entwickelt, das in betriebliche Abläufe integriert werden kann. Am besten funktioniert das bei einem Ein-Wochen-Rhythmus. Dabei werden ein oder mehrere komplette Würfe gut entwickelter Ferkel mit drei Wochen abgesetzt. An jede frei gewordene Sau wird nun ein vollständiger Wurf mit einem Alter von ein bis zwei, selten vier bis acht Lebenstagen angesetzt. Der Vorteil besteht darin, dass alle Ferkel ihre feste Zitzenposition in der Saugordnung behalten und keine Rangkämpfe auftreten. An die Sau, deren Ferkel wenige Tage nach der Geburt weggesetzt wurden und die eine sehr gute Milchleistung hat, werden nun „abgesammelte“ überzählige Ferkel gegeben.
Auf die Nutzung technischer Ferkelammen oder die Milchbeifütterung in der Abferkelbucht durch stationäre oder mobile Anlagen soll an dieser Stelle nur hingewiesen werden.
Beratungsvorschläge
Die Häufigkeit des Ferkelversetzens ist auf das unbedingt nötige Maß zu reduzieren. Die Sauen sollten so viele Ferkel wie möglich selbst aufziehen. Nach Möglichkeit sind schwerere Ferkel bevorzugt umzusetzen.
Sauen mit hoher Milchleistung aus der Wochengruppe, in der zeitlich parallel Ferkel abgesetzt werden, können als Ammensauen in das Abteil der Abferkelgruppe umgestallt werden (sofern kein Reserveabteil vorhanden ist). An diese Ammensauen werden komplette Würfe von Sauen mit hoher Milchleistung aus der Geburtswoche umgesetzt (möglichst Würfe, die zu diesem Zeitpunkt am ältesten sind). An die frei gewordenen Sauen der Abferkelgruppe mit hoher Milchleistung werden abgesammelte (in der Entwicklung zurückgebliebene) Ferkel angelegt. Diese Ferkel sollten aber mindestens zwei bis drei Saugakte an der eigenen Sau erlebt haben (Kolostrumaufnahme).
Bei Wurfgrößen im Mittel von 16 lebend geborenen Ferkeln und mehr stößt das System natürlicher Ammen(sauen) an seine Grenzen, da alle Sauen 16 funktionstüchtige Zitzen haben müssten. Die Zahl der Zitzen kann erfolgreich züchterisch verbessert werden, allerdings ist das ein längerfristiger Prozess. Kurzfristig müssen die Sauen beziehungsweise Ferkel durch eine zusätzliche Fütterung von Ferkelmilch unterstützt werden. Technische Ammen oder ein System der halb- oder vollautomatischen Milchbeifütterung sind grundsätzlich auf dem Markt vorhanden, verursachen jedoch zusätzliche Kosten und erfordern eine technisch sehr anspruchsvolle Bewirtschaftung.