Seinen Landesverbandstag veranstaltete Mitte Mai der Bund Deutscher Forstleute (BDF) in Wolfsburg. Das Wissenschafts- und Mitmachmuseum phaeno bot für den Vortragsteil den passenden Rahmen, ging es doch um Künstliche Intelligenz. „KI meets nature“, so der griffige Veranstaltungstitel. Die gut 130 Teilnehmer und Teilnehmerinnen zeigten das Interesse der Mitglieder und auch, dass es dem Berufsverband gelingt, junge Leute für sich zu gewinnen.
Oberbürgermeister Dennis Weilmann hieß die Anwesenden in Wolfsburg, der wohl grünsten und waldreichsten Stadt Niedersachsens willkommen und betonte die Bedeutung des Waldes als Ruhepunkt in seiner dynamischen Stadt. Soeben sei mit dem „WolfsburgerWaldWeg“ ein Zukunftskonzept für den Stadtwald beschlossen worden. phaeno-Leiter Michel Junge pries die Welt seines Museums als eine des Machens und Ausprobieren – ein Trainingslager für eigenes Denken. Künstliche Intelligenz sei oft nur ein riesiger Sprachspeicher, über dessen Antworten müsse aber der Mensch nachdenken und entscheiden.
Forstministerin skeptisch
zu Stellenabbau
Forstministerin Miriam Staudte bedankte sich beim BDF und dem scheidenden Landesvorsitzenden Dirk Schäfer für die langjährige konstruktive Zusammenarbeit. An den Wald, der derzeit von Jahrhundertkrisen gebeutelt werde, gebe es unglaublich viele und hohe Erwartungshaltungen. Etwa die Anforderungen im EU-weiten Lulucf-Prozess. Die aktuelle Bundeswaldinventur habe neben vielen positiven Resultaten den Verlust der CO2-Senkenfunktion der Wälder ergeben. Sei dies ein einmaliger Effekt oder eine Trendumkehr, fragte die Ministerin. KI könne helfen, Antworten zu finden. Da man im Wald über Jahrzehnte im Voraus planen und entscheiden müsse, sei die Risikostreuung wichtig. Mit Blick auf den neuen „Waldsatelliten“, betonte sie die künftigen Herausforderungen beim Bewerten und Interpretieren von Daten. Dafür müsse Aus- und Fortbildung einen hohen Stellenwert haben und kritisches Denken á la phaeno sei nötig. Im Ministerium sei eine Koordinierungsgruppe Klimawandel eingerichtet, die auch Fernerkundung und Digitalisierung thematisiere. Zu den aktuell diskutierten Revierauflösungen im Harz positionierte sich die Ministerin mit deutlicher Skepsis. Man solle trotz wegbrechender Einnahmen durch den Verlust vieler Fichtenwälder nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
Digitalisierung großer Forstbetriebe
Für die Niedersächsischen Landesforsten skizzierte Wolf Kleinschmit vom Niedersächsischen Forstplanungsamt die Digitalisierungsstrategie der Landesforsten. Einen durchdigitalisierten Großprivatwald stellte Thomas Schomaker vor, der mit 9.600 ha einen der größten Privatforstbetriebe in Niedersachsen, die Arenberg-Meppen GmbH leitet. Das reiche vom eigenen App-basierten Programm, welches den Forstleuten im Wald alle verfügbaren Informationen liefere und vor Ort etwa die Erstellung von Karten und Arbeitsaufträgen ermögliche, bis hin zur App-basierten Holzerfassung im Wald mit automatischer Weiterleitung an die Rechnungsprogramme im Büro.
Waldmonitoring und Wissenschaft
Über die neuen Möglichkeiten beim Waldmonitoring berichtete Professor Paul Magdon, Fakultät Ressourcenmanagement der Hochschule für angewandt Wissenschaft und Kunst (HAWK) in Göttingen. Es gebe erhöhte Unsicherheiten (Klimawandel) bei der Voraussage der Waldentwicklung, die gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald steigen, verbunden mit dem Generationswechsel und Fachkräftemangel. Die etablierten Waldinventuren alle zehn Jahre seien nicht mehr ausreichend. Gleichzeitig erweitert sich der Werkzeugkasten für die Waldbeobachtung durch Fernerkundung (Satellit, Luftbilder, Laserscanverfahren), Einsatz von Umweltsensoren im Wald und mehr. Besonderes Augenmerk richtete Magdon auf das Airborne Laser Scanning (ALS). Durch den Blick in den Waldbestand bis auf den Waldboden ermögliche ALS eine dreidimensionale Walderkundung und -darstellung, statt wie gewohnt nur von oben. Weitere neue Chancen sieht er in Umweltsensoren im Wald selbst, die als Kameras, Klimasensoren, als akustische oder Bodensensoren sowie als Pflanzensensoren zunehmend zum Einsatz kommen können. Für eine dynamische Waldbeobachtung sieht er gute Chancen, da die Landesvermessungsämter regelmäßig Luftbilder erstellen, aus dem All gibt es die kostenlosen Daten aus dem Copernicus-Programm. Und der Satellit Sentinel 2 ermöglich wiederholte Beobachtung alle fünf Tage. Fernerkundung und digitale Techniken finden verstärkt Eingang in die Ausbildung der Forststudenten im Bachelor- und im Masterstudiengang, denn so wie es für alle Techniken die Erfahrungen der Forstleute vor Ort benötige, steigen die Aus- und Fortbildungsanforderungen durch den digitalen Fortschritt.
Leuchtturmprojekt ForestPulse
Eine spannende Entwicklung ist für Professor Magdon das gerade gestartete Leuchtturmprojekt ForestPulse. Von sechs Partnerinstitutionen wird ein öffentliches und kostenloses Programm entwickelt, um beständig Baumarten-, Vitalitäts- und Strukturinformationen für die Waldfläche Deutschlands bereitzustellen. Ziel sind Karten im Raster von 10 x 10 m mit Darstellung von Grundfläche, Holzvorrat, Kronenüberschirmung und vertikaler Schichtung. Die bisherige statische Erfassung von Waldbeständen könnte damit übergehen in laufend aktualisierte dynamische Betriebswerke. Um unabhängig zu bleiben plädiert Professor Magdon für den Zugriff auf sogenannte Open-Source-Software und frei verfügbare Daten, etwa aus den öffentlichen Satellitenaufnahmen und Befliegungen der Landesvermessungsämter.
Bringt Digitalisierung mehr Zeit für den Wald
Für den BDF-Bundesvorsitzenden Dirk Schäfer ist wichtig, dass die Digitalisierung den Forstleuten helfe, mehr Zeit im Wald statt am Schreibtisch zu verbringen und dass wichtige Informationen „outdoor“ verfügbar seien. Da zum Forstberuf unbedingt auch Erfahrungswissen gehöre, müsse aber die verfügbare Zeit im Wald bleiben.
Wahlen und Verbandsarbeit
Im nicht öffentlichen Teil der Veranstaltung wurde Dirk Schäfer, der hauptberuflich die Stadtforst Wolfsburg leitet, nach zwölf Jahren Landesverbandsvorsitz verabschiedet. Seit Herbst vergangenen Jahres ist er bereits Bundesvorsitzender für die deutschlandweit fast 10.000 BDF-Mitglieder. Hervorgehoben wurde die in seiner Zeit erfolgte strukturelle Modernisierung des Landesverbandes. Auf die einsetzenden Waldschäden seit 2018 reagierte der BDF zusammen mit der IG BAU mit einem von über 700 Forstleuten besuchten Forum „Wald und Klima“ in Wolfsburg auf dem Ministerpräsidenten Weil eine Personalverstärkung in Aussicht stellte. Diese Chance wurde leider vertan. Auf die Einbeziehung des Waldes in den „Niedersächsischen Weg“ reagierte der BDF gemeinsam mit zehn weiteren Verbänden mit der Bildung der „Allianz für Wald und Forstwirtschaft“. Auf die organisatorischen Überlegungen nach der Entwaldung des Harzes brachte sich der BDF 2023 mit einem Harzworkshop konstruktiv aber bisher ohne Erfolg ein.
Zum neuen Landesvorsitzenden wurde mit Jochen Schulze Pellengahr erstmals ein Förster aus der Privatwaldbetreuung einstimmig gewählt. Schulze Pellengahr ist auf einem Bauernhof im Münsterland aufgewachsen, hat in Göttingen Forstwirtschaft studiert und wurde nach mehreren beruflichen Zwischenstationen Bezirksförster in Wittlage-Ost bei Bad Essen für die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Bisher engagierte er sich als Regionalsprecher Weser-Ems für den BDF. Ein fast zwanzigköpfiger Landesvorstand unterstützt die Arbeit in den verschiedenen Berufsbereichen und Regionen.