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Marktkommentar

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Die Preisbildung an vielen Märkten ist weniger direkt von Angebot und Nachfrage abhängig, sondern eher von der Nachrichtenlage. So sorgen zum Beispiel Wettermeldungen aus bestimmten Regionen dafür, dass Spekulanten an den Börsen ihre Anlagen in eine bestimmte Richtung lenken. Auch Krisen und Konflikte sorgen für Preisausschläge an den Rohstoffmärkten. Auch am Rohölmarkt werden die weltweiten Krisen aufmerksam beobachtet. Waren es zuvor eher die Meldungen aus dem Ukraine-Krieg, blickt man an den Börsen jetzt eher Richtung Naher Osten. Mit der Not vieler Menschen werden somit an den Börsen Geschäfte gemacht.

Der Weltmarktpreis für Rohöl ist Anfang Mai deutlich gesunken. Am 6. Mai wurden etwa 82,0 US-$/ bbl notiert, während Anfang April der Kurs noch bei zirka 90,0 US-$/bbl lag. Trotz dieses Preisrückgangs liegt der Rohölpreis noch über der Vorjahreslinie. An den Tankstellen hierzulande reduzierte sich der Dieselpreis auf zirka 1,65 €/l. Auch die Heizölkurse gaben nach und liegen mittlerweile deutlich unter der Marke von 1,0 €/l. Damit bewegen sich die Spritpreise auf einem Neunmonatstief. Der Preisrückgang der Vorwoche ist vor allem darauf zurückzuführen, dass in Kairo ernsthaft über einen Waffenstillstand für den Gaza-Streifen verhandelt wurde. Zum Wochenbeginn zeigt sich jedoch, dass eine Waffenruhe vorerst nicht zu erwarten ist. Die Kriegsparteien bleiben unversöhnlich. Es ist wieder zu Kampfhandlungen gekommen. Bei einem Scheitern der Waffenstillstandsverhandlungen für Gaza dürfte es mit den Ölpreisen kräftig nach oben gehen. Die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen kündigen Angriffe auf Schiffe im Mittelmeer an. Auf der anderen Seite wird erwartet, dass die Opec-Staaten ihre begrenzte Rohölförderung beibehalten. Trotz aller Bestrebungen, den Verbrauch von Rohölprodukten zu drosseln, erwarten Marktbeobachter auch für dieses Jahr eine weltweit nochmals steigende Ölnachfrage. Dabei blieb die Ölnachfrage aus China in diesem Jahr bislang unter den Erwartungen. Dagegen ist der Ölverbrauch der USA weiterhin sehr hoch, obwohl die US-Notenbank die Zinsen vorerst auf einem hohen Niveau stehen lässt.

Ein weiterer Punkt, der einen möglichen Preisrückgang bremsen könnte ist, dass Lieferungen aus Russland zunehmend unterbunden werden. Über zwei Jahre nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine greifen weitere EU-Sanktionen gegen Moskau. Schon seit Anfang Dezember darf bereits kein russisches Rohöl mehr per Tanker in die EU eingeführt werden, seit Anfang Januar verzichtet Deutschland auf Importe über die Pipeline Druschba. Ab Anfang Mai will die EU auch keine Raffinerieprodukte wie Diesel, Benzin oder Schmierstoffe mehr aus Russland abnehmen. Dies könnte vor allem den hiesigen Dieselmarkt beeinflussen. Rund 12,5 % seines Verbrauchs deckte Deutschland laut Branchenverband bislang aus Russland – trotz des Ukraine-Kriegs. Ersatz komme aus den USA, Westeuropa und dem arabischen Raum. Marktexperten erwarten jedoch keine drastischen Preissprünge. Das seit Langem angekündigte Embargo hat dafür gesorgt, dass die Lagertanks mit Diesel aufgefüllt wurden. Damit wird vorerst mit einem ausreichenden Angebot gerechnet.

Marktlage – für die Woche vom 6. bis 12.5.2024

Getreide: Die anhaltende Trockenheit in Südrussland und den südlichen Plains in den USA hat die Weizenpreise weiter unterstützt.

Raps: Raps gewann in Paris, weil anhaltende Regenfälle in Frankreich die Ertragsaussichten dämpften.

Futtermittel: Die festeren Tendenzen an den internationalen Getreidebörsen hatten höhere Preise für Futtergetreide zur Folge.

Kartoffeln: Angebot und Nachfrage hielten sich am heimischen Speisekartoffelmarkt weiterhin die Waage. Für Premiumware aus dem Kistenkühllager waren Preisaufschläge üblich.

Schlachtrinder: Im Handel mit Jungbullen wurde von einem ausgeglichenen Markt ohne saisonale Preisschwäche berichtet.

Schlachtschweine/-sauen: Mit der schöneren Witterung waren am deutschen Schlachtschweinemarkt lebhaftere Absatzimpulse zu verzeichnen.

Ferkel: Das etwas größere Angebot wurde rege von Mästern nachgefragt.

Milch: An den Märkten für Milch- und Molkenpulver setzten sich die ruhigen Tendenzen fort.

Schlachtlämmer/-schafe: Die Nachfrage nach Lämmern und Lammfleisch war saisonal bedingt durchweg ruhig.

Markttendenz – für die Woche vom 13. bis 19.5.2024

Getreide: Mehrere Marktexperten senken die russische Weizenernteprognose um mehrere Millionen Tonnen.

Raps: Raps wird unterstützt vom dicken Plus bei Sojabohnen, nachdem heftige Überschwemmungen in Brasilien die Erntearbeiten stoppten.

Futtermittel: Auch Sojaschrot wird deutlich höher bepreist, den Sojabohnen folgend.

Kartoffeln: Das durch die Spargelsaison bedingte rege Interesse sorgt derzeit für zusätzliche Impulse.

Schlachtrinder: Der Bedarf an Jungbullen der Haltungsform 3 kann nur knapp gedeckt werden, gezahlt werden 25 ct/kg über der Empfehlung für QS-Tiere aus konventioneller Herkunft.

Schlachtschweine/-sauen: Die Nachfrage nach Kurzbratartikeln und nach Grillwurst profitiert von den deutlich gestiegenen Temperaturen.

Ferkel: Die Vermarktung verläuft zügig. Es können für alle Ferkelpartien leicht Abnehmer gefunden werden.

Milch: Butter wird ruhig bis rege nachgefragt, Schnittkäse wird kontinuierlich gut nachgefragt.

Schlachtlämmer/-schafe: Die ausgeglichene Marktlage mit stabilen Preisen setzt sich fort.

Unsicherheit auf den EU-Agrarmärkten bleibt

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Die landwirtschaftlichen Betriebe in der EU befinden sich weiterhin in einer schwierigen Lage. Wie aus dem jetzt veröffentlichten Bericht der EU-Kommission zu den EU-Agrarmärkten hervorgeht, stellen vor allem die Inputkosten nach wie vor ein Problem dar. Immer noch liegen die Preise für die meisten Vorleistungen deutlich über dem Niveau von vor der Corona-Pandemie. Das gilt vor allem für Dünger, Energie und Futtermittel.

Große Unsicherheiten für die Landwirte ergeben sich durch den Klimawandel, der unvorhersehbare Extremwetterereignisse wahrscheinlicher macht, durch die geopolitischen Konflikte und durch wirtschaftliche Faktoren wie die gestiegenen Zinssätze und erhöhten Arbeitskosten. Laut Kommission sind auch die Lebensmittelpreise nach wie vor hoch. Zusammen mit den getrübten Aussichten für das allgemeine Wirtschaftswachstum sei daher die Hoffnung auf eine sich erholende Verbrauchernachfrage begrenzt.

Der EU-Agrarpreisindex lag der Kommission zufolge zuletzt unter dem Niveau von 2022. Dieser Rückgang sei aber noch nicht vollständig an die Verbraucher weitergegeben worden. Während sich der Verbraucherpreisindex der EU seit März 2023 stabilisiert habe, liege er aber gegenüber 2015 noch um 43 % höher. Besonders stark war laut der EU-Behörde der Anstieg mit 65 % beziehungsweise 69 % in Polen und Litauen.

Mehr Getreide als 2023/24

Für das Wirtschaftsjahr 2024/25 rechnet die Kommission in der EU mit einer Getreideerzeugung von voraussichtlich 278,5 Mio. t. Dies wäre im Vergleich zum Vorjahr ein Anstieg um 3 %. Dabei werde vor allem von besseren Erträgen ausgegangen. Zum Außenhandel stellten die Brüsseler Beamten fest, dass die EU-Getreideeinfuhren 2023/24 um rund 17 % über dem Fünfjahresdurchschnitt liegen dürften. Betont wurde, dass eine verbesserte Logistik im Zuge des Schwarzmeerkorridors die Lieferung von ukrainischem Getreide in Drittstaaten erleichtern würde.

Zur EU-Produktion von Ölsaaten und Eiweißpflanzen erklärte die Kommission, dass diese voraussichtlich steigen werde. Verantwortlich hierfür sei die erwartete Zunahme der Erntemengen von Sojabohnen, Felderbsen und Dicken Bohnen.

Das Rohmilchangebot in der EU wird 2024 nach der Kommissionsprognose leicht zunehmen, und zwar um 0,4 %. Maßgeblich hierfür ist die höhere Milchleistung, denn der Milchkuhbestand dürfte leicht abnehmen. Derweil entwickelten sich die EU-Käseproduktion und der Käseexport nach wie vor stark und könnten 2024 weiter steigen, erklärte die Behörde. Auch die Butterausfuhren könnten bei einem stabilen Inlandsverbrauch zulegen.

Geflügel weiter im Aufwind

Zum EU-Fleischmarkt hielt die Kommission fest, dass wenig überraschend der Trend bei den Verbraucherpräferenzen weg vom Rindfleisch und hin zum Geflügel anhalte. Der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Rindfleisch in der EU sank 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 4,7 % auf 9,7 kg. Der Verbrauch dürfte 2024 weiter sinken, die Kommission veranschlagt das Minus auf 2,8 %. Parallel dazu dürfte aber auch die Rindfleischproduktion in der EU weiter abnehmen, was die Rindfleischpreise stützen würde.

Die Schweinefleischerzeugung in der EU verzeichnete mit einem Minus von 6,6 % im Jahr 2023 einen noch stärkeren Rückgang. Dieser wird sich 2024 nach der Vorhersage der Kommission allerdings verlangsamen. Die Nachfrage nach Geflügel als billigerer Proteinquelle ist derweil nach wie vor hoch. Der mittlere Pro-Kopf-Verbrauch von Geflügelfleisch stieg 2023 um 3 % und soll 2024 um weitere 2 % zunehmen. age

Blattläuse und andere ungeliebte Insekten

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Blattläuse, Getreidehähnchen, Sattelmücken und Weizengallmücken zählen zu den bedeutendsten Schädlingen im Sommer- und Wintergetreide. Sie sind nahezu in jedem Frühjahr und Sommer in den Getreidebeständen in Schleswig-Holstein zu finden. Einen ertragswirksamen Schaden haben diese Schädlinge in den vergangenen Jahren aber nur in wenigen Fällen verursacht.

Der folgende Artikel stellt Insekten vor:

Blattläuse

Der Zuflug geflügelter Getreideblattläuse, vor allem der Großen Getreideblattlaus, der Bleichen Getreideblattlaus sowie der Haferblattlaus, erfolgt oft erst ab Mitte Mai. Nach sehr milden Wintern und einem warmen Frühjahr ist ein früherer Zuflug möglich. Ob sich dann ein bekämpfungswürdiger Befall entwickelt, hängt in erster Linie von der Witterung und dem Vorkommen natürlicher Gegenspieler ab.

Marienkäfer gehören zu den bedeutendsten Gegenspielern der Blattläuse. Sowohl die Käfer als auch die Larven (im Bild zu sehen) fressen gleichermaßen große Mengen an Blattläusen. Es können über mehrere Wochen hinweg mehr als 100 Blattläuse täglich sein.
Rothalsiges Getreidehähnchen
Blaues Getreidehähnchen
Nach Zuflug, Reifungsfraß und anschließender Paarung der Käfer erfolgt die Ablage der ovalen, goldglänzenden Eier an der Blattoberseite der obersten Blätter der Getreidekulturen.
Streifenförmiger Fensterfraß entlang der Blattadern durch die Larven. Da die Schäden optisch sehr leicht auffallen, wird der Schaden meist überschätzt.

Sind natürliche Gegenspieler nicht in ausreichendem Maße vorhanden und herrschen gleichzeitig günstige Witterungsbedingungen (Temperaturen um 20 °C, geringe Sonneneinstrahlung, keine zu heißen Temperaturen von über 30 °C und keine Starkniederschläge), können sich Blattläuse rasant vermehren und größere Kolonien bilden. Bei Massenauftreten können durch Saugschäden (vor allem an Fahnenblatt beziehungsweise Ähre/Rispe) Ertragsdepressionen im Getreide resultieren. Im Sommergetreide besteht zusätzlich die Gefahr der Übertragung von Getreideviren (zum Beispiel Gelbverzwergungsvirus) durch die Blattläuse.

Ob ein Blattlausbefall im Getreide bekämpfungswürdig ist, kann nur durch regelmäßige Bestandeskontrollen sicher beurteilt werden. Werden im Sommer- und Wintergetreide ab Ende Ährenschieben (Saugschädigung) mindestens 30 % befallener Ähren und Fahnenblätter oder eine Blattlaus pro Ähre und Fahnenblatt festgestellt, ist die Bekämpfungsschwelle für einen Insektizideinsatz erreicht. Daneben sollten aber noch weitere Kriterien bezüglich eines Einsatzes von Insektiziden einbezogen werden, beispielsweise das Auftreten von Nützlingen wie zum Beispiel Marienkäfer, Florfliegen, Schwebfliegen und Schlupfwespen. Sind diese natürlichen Gegenspieler vorhanden, ist auch ein höherer Befall an Blattläusen zu tolerieren.

Wenn ab Blühbeginn ausschließlich Blattläuse zu bekämpfen sind, ist der Einsatz der nützlingsschonenden Präparate Pirimor G (200 g/ ha) oder Teppeki (0,14 l/ ha) unbedingt zu bevorzugen (keine Pyrethroide zur alleinigen Blattlausbekämpfung). Pirimor G wirkt bei höheren Temperaturen über die Dampfphase und erfasst daher auch versteckt sitzende Blattläuse. Der gleiche Effekt wird aufgrund einer teilsystemischen Wirkung beim Einsatz von Teppeki erzielt. Dieses Präparat verfügt über eine gute Dauerwirkung und es wirkt zudem sehr selektiv. Wird die Bekämpfungsschwelle der Blattläuse bei noch niedrigen Temperaturen vor der Weizenblüte überschritten und sind gleichzeitig in größerer Anzahl Getreidehähnchen, Sattel- oder Weizengallmücken anwesend, ist grundsätzlich der Einsatz breit wirksamer Pyrethroide (zum Beispiel Karate Zeon) zu empfehlen.

Die Bekämpfung der Blattläuse als Virusvektoren im Sommergetreide sollte mit einem zugelassenen Pyrethroid mit der Indikation „Blattläuse als Virusvektoren“ erfolgen, aber erst dann, wenn mindestens 10 % der Pflanzen ab dem Ein- bis Zweiblattstadium des Sommergetreides bis Ende des Ährenschiebens befallen sind.

Überschreitungen der Bekämpfungsschwellen und damit einhergehende insektizide Gegenmaßnahmen blieben in den vergangenen Jahren die Ausnahme.

Getreidehähnchen

Zu unterscheiden sind das Rothalsige und das Blaue Getreidehähnchen. Der Zuflug der Käfer erfolgt meist Ende April bis Ende Mai, wobei warme und trockene Frühjahrs- und Sommerwitterung für die Vermehrung und Eiablage förderlich sind. In diesem Jahr wurde aufgrund der sehr hohen Temperaturen in der ersten Aprilhälfte ein sehr früher Zuflug beobachtet.

Nach der Paarung legen die Weibchen einzelne ovale, goldglänzende Eier auf der Oberseite der jeweils obersten Blätter in Getreidekulturen ab. Nach einigen Tagen schlüpfen die Larven aus den Eiern, die dann den eigentlichen Schaden durch den typischen streifenförmigen Fensterfraß entlang der Blattadern verursachen. Alle Winter- und Sommergetreidekulturen werden befallen, am häufigsten jedoch Winter- und Sommerweizen, Hafer und Sommergerste.

Eine Bestandskontrolle auf Ei- und Larvenbesatz sollte ab ES 39 erfolgen. Die Fraßschäden durch die Larven der Getreidehähnchen werden häufig überschätzt. Eine Bekämpfung ist nur in seltenen Fällen notwendig, wobei unterschiedliche Bekämpfungsschwellen in den Getreidearten zu beachten sind (Wintergetreide: ein Ei/eine Larve je Fahnenblatt oder 10 % zerstörte Fahnenblattfläche; Sommergetreide: ein Ei/eine Larve auf jedem zweiten Fahnenblatt; Hafer: ein Ei/eine Larve je Fahnenblatt). Bei Überschreitung der Bekämpfungsschwelle sollte eine Behandlung mit einem zugelassenen Pyrethroid mit Indikation „Getreidehähnchen“ oder „beißende Insekten“ erfolgen.

Sattelmücke

Sattelmücken sind meist standorttreue Schädlinge im Getreide, wobei Kulturen auf schweren beziehungsweise tonhaltigen Böden mit Vorjahresbefall besonders gefährdet sind. Sattelmückenjahre mit massiven Larvenbefall an den Getreidehalmen sind häufig schon viele Jahre her, Ertragseinbußen von über 50 % waren keine Seltenheit.

Sattelmücke bei der Eiablage (li.), schnurförmiges Eigelege (Mitte) und typische sattelartige Querwülste am Halm durch die Saugtätigkeit der Larven (r.)

Die Verpuppung der Larven erfolgt im Frühjahr im Boden, wobei Trockenheit der wichtigste Begrenzungsfaktor ist. Meist in der zweiten Maihälfte unter warmfeuchten Bodenbedingungen schlüpfen die Sattelmücken aus dem Boden. Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier blattober- und blatt­unterseits in Schnüren parallel zu den Blattadern ab. Nach einer Woche schlüpfen die Larven, dringen in die Blattscheide ein, wandern halmabwärts und beginnen oberhalb eines Halmknotens zu saugen. Durch die Saugtätigkeit entstehen die typischen sattelartigen Querwülste an den Getreidehalmen. Hieraus kann bei Starkbefall ein Steckenbleiben der Ähren zum Ährenschieben resultieren.

Weizengallmücke an einer Weizenähre – unter günstigen Bedingungen (windstille, schwülwarme Witterung) legen die Weibchen ihre Eier hinter den Deckspelzen ab.
Den eigentlichen Schaden verursachen die Larven der Weizengallmücke, welche nach dem Schlupf damit beginnen, an der Kornanlage zu saugen.
Nach früher Eiablage zum Ährenschieben des Weizens können Kornausfälle, Schmachtkörner und ein geringeres Tausendkorngewicht die Folge sein.

Ab Ende Juni wandern die Larven in den Boden ab. Alle Winter- und Sommergetreidekulturen können befallen werden. Besonders gefährdet sind Winter- und Sommerweizen sowie Sommergerste. Auf Verdachtsflächen sollten ab Anfang Mai der Flugbeginn beziehungsweise das Vorkommen der Sattelmücke mittels Gelbschalen überwacht und kontrolliert werden. Bestandeskontrollen sind spätestens ab Mitte Mai durchzuführen und die Pflanzen auf mögliche schnurförmige Eigelege an den Blättern zu untersuchen. Bei Überschreitung der Schadschwelle (20 bis 30 % Getreidehalme mit Eigelege oder fünf Eier je Halm) sollte ein zugelassenes Pyrethroid mit Indikation „Sattelmücke“ beziehungsweise „Zweiflügler“ zum Einsatz kommen.

Der Insektizideinsatz richtet sich sowohl gegen die erwachsenen Sattelmücken als auch gegen die schlüpfenden Larven, die den Wirkstoff beim Abwandern unter die Blattscheide aufnehmen. Die Anwendung muss zwingend vor dem Schlupf der Larven, spätestens fünf bis sieben Tage nach Auffinden erster Eigelege erfolgen.

Weizengallmücke

Weizengallmücken sind standorttreue Schädlinge. Alle Winter- und Sommergetreidekulturen können befallen werden, jedoch sind Winter- und Sommerweizen besonders gefährdet. Häufig ab Mitte Juni schlüpfen die Mücken aus dem Boden vorjähriger Befallsflächen. Die Eiablage erfolgt an der Ähre. Die aus den Eiern schlüpfenden Larven saugen an der Kornanlage, woraus Kornausfälle, Schmachtkörner und ein geringeres Tausendkorngewicht (TKG) resultieren. Nach drei bis vier Wochen wandern die Larven in die oberste Bodenschicht ab und überwintern dort. Ein hohes Schadpotenzial ist jedoch nur bei frühem Auftreten der Weizengallmücken zum Ährenschieben (ES 51-59) und bei gleichzeitig günstigen Bedingungen (windstille, schwülwarme Witterung) gegeben.

In den vergangenen Jahren fand der Hauptzuflug meist erst ab der Vollblüte des Winterweizens statt und hielt teils deutlich bis nach der Blüte an. Zu diesem Zeitpunkt kann sich allerdings der Sommerweizen im empfindlichen Stadium des Ährenschiebens befinden, daher ist hier größere Vorsicht geboten. Selbst wenn der Hauptzuflug der Weizengallmücken zum Ährenschieben des Sommer- oder Winterweizens erfolgt, spielen die Witterungsbedingungen noch eine entscheidende Rolle für die Vermehrung und Eiablage. Da die nur zirka 2 mm großen Weizengallmücken zur Eiablage die Ähre aufsuchen müssen, sind sie sehr anfällig gegenüber Wind und Regen. Für eine intensive Eiablage benötigen die Weibchen über mehrere Tage trockenes und windstilles Wetter.

Zur Kontrolle von Schlupfbeginn (Auftreten) und Befallsstärke der Weizengallmücke können Pheromonfallen genutzt werden, die einen Sexuallockstoff enthalten, der paarungsbereite männliche Weizengallmücken anlockt. Wenn sich während des Ährenschiebens über 100 Weizengallmücken in der Pheromonfalle befinden, ist die Schadschwelle überschritten. Eine Kontrolle des Auftretens kann auch durch Auszählen der Eier legenden Mücken an den Ähren an windstillen Abenden erfolgen (Schadschwelle: eine Mücke je Ähre), wobei sich das Ausmaß des Auftretens aber deutlich schwerer abschätzen lässt.

Schäden durch Weizengallmücken lassen sich am sichersten durch eine einmalige Insektizidbehandlung mit zugelassenen Pyrethroiden mit der Indikation „Weizengallmücke“ beziehungsweise „Zweiflügler“ vermeiden. Die Behandlung sollte in warmen und windstillen Abendstunden erfolgen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Aktivität der Mücken besonders hoch. Ziel ist es, die Eiablage an der Ähre zu verhindern.

Auf Flächen mit regelmäßigem Auftreten der Weizengallmücke ist der Anbau resistenter Winter- und Sommerweizensorten empfehlenswert.

Fazit

Auch wenn Blattläuse, Getreidehähnchen, Sattelmücken und Weizengallmücken dazu in der Lage sind, Ertragsverluste im Winter- und Sommergetreide zu verursachen, sollte ein prophylaktischer Insektizideinsatz unbedingt unterbleiben. Um gegen die auftretenden Getreideschädlinge gezielt vorgehen zu können, sind regelmäßige Bestandeskontrollen unbedingt erforderlich. Ein Insektizideinsatz sollte dann nur nach Überschreitung der Bekämpfungsschwelle/Schadschwelle erfolgen.


Übersichtstabellen zu Insektiziden

Aktualisierte Übersichtstabellen zu den derzeit zugelassenen Insektiziden in den Getreidekulturen nebst Anwendungsbestimmungen und Auflagen (zum Beispiel Abstände zu Oberflächengewässern, Bienenschutz) sind auf der Internetseite der Landwirtschaftskammer unter www.lksh.de aufgeführt. Über folgenden Pfad sind die Dokumente auf der Internetseite zu finden: Startseite > Landwirtschaft > Pflanzenschutzdienst > Pflanzenschutz aktuell > Informationen des Pflanzenschutzdienstes > Pflanzenschutzmittel-Zulassungen

Aktive Belüftung für Leistung und Tiergesundheit

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Typischerweise werden Milchviehställe durch eine Trauf-First-Lüftung belüftet. Besonders im Sommer sind der Luftaustausch und die Temperaturabsenkung oft unzureichend, was zu einem Rückgang der Futteraufnahme bei den Kühen und damit zu niedrigerer Milchleistung sowie Fruchtbarkeitsproblemen führen kann. Um die Belüftung zu verbessern, können sowohl technische als auch bauliche Maßnahmen ergriffen werden.

Auf vielen Betrieben wird die natürliche Belüftung durch benachbarte Gebäude wie den Melkstand mit Wartehof, das Güllesilo, Fahrsiloanlagen oder Anbauten für den Milchtank deutlich beeinträchtigt. Ähnliches gilt, wenn der Stall nicht quer zur Hauptwindrichtung ausgerichtet ist. Bei älteren Ställen ist aufgrund geringerer Traufenhöhen oft weniger Luft im Stall vorhanden. Zudem ist dieser Bereich nicht selten ganz oder teilweise mit einer Mauer verschlossen. Die geringe Belüftung führt dazu, dass die erforderliche Luftwechselrate häufig nicht erreicht wird. Dies kann unter anderem zu Kondenswasserbildung im Dachraum führen, was wiederum Schäden am Bauwerk verursachen kann, wie Pilzbefall am Holz oder schwarze Ablagerungen am Ständerwerk.

Wärmegedämmte Dächer tragen besonders im Sommer dazu bei, den Wärmeeintrag durch das Dach zu reduzieren.

Die Wohlfühltemperatur der Milchkuh liegt im Bereich von 5 bis 15 °C. Kann eine Kuh ihre Körperwärme nicht ausreichend an die Umgebung abgeben, kommt es zu Hitzestress beim Tier. Dieser kann an einer erhöhten Atemfrequenz erkannt werden, wobei ein Wert von 30 bis 50 Atemzügen pro Minute als normal gilt. Je höher die Atemfrequenz, desto größer ist der Hitzestress. Dies führt zu einer geringeren Futteraufnahme, was wiederum zu niedrigerer Milchleistung, erhöhten Zellzahlen und vermehrten Fruchtbarkeitsproblemen führt. Insgesamt wird die Kuh anfälliger für Krankheiten.

Die Trauf-First-Lüftung funktioniert aufgrund der Temperaturunterschiede zwischen innen und außen. An warmen, windstillen Tagen kommt die freie Lüftung über Thermik oft zum Erliegen, wodurch die von den Tieren produzierte Wärme kaum noch an die Umgebung abgegeben werden kann. In solchen Fällen ist es oft sinnvoll, die Wärmeabgabe durch Ventilatoren zu fördern, um das Wärmepolster auf der Haut zu durchbrechen.

Bauliche Aspekte

Liegt eine Giebelseite des Stalls in Hauptwindrichtung, sollte über Lochbleche im Giebelbereich die Luftzuführung verbessert werden. Offene, hohe Traufen und eine entsprechend dimensionierte Firstentlüftung sorgen für eine gute Belüftung, wobei der Dachüberstand nicht zu kurz sein sollte, um einen Sonnenschutz für die äußere Liegeboxenreihe zu gewährleisten. Helle und wärmegedämmte Dächer sind vorteilhaft, da der Wärmeeintrag durch das Dach im Sommer reduziert wird. Der Temperaturunterschied zwischen außen und innen ist dadurch größer, was eine bessere Thermik und erhöhten Luftaustausch zur Folge hat. Eine PV-Anlage auf dem Dach sorgt ebenfalls für eine vergleichbare Dämmwirkung. Lichtplatten sollten auf den Dachflächen mit südlicher und westlicher Ausrichtung vermieden werden, um eine direkte Sonneneinstrahlung auf die Tiere zu verhindern.

Optimal für einen effizienten Luftaustausch sind Milchviehställe mit hohen Traufen und ohne windbremsende Hindernisse. 

Einsatz von Ventilatoren

Durch den Einsatz von Ventilatoren werden die Luftgeschwindigkeit erhöht, der Luftaustausch gesteigert und der Kühlungseffekt verbessert. Luftgeschwindigkeiten von mindestens 2,0 m/s im Tierbereich sorgen bei Kühen für einen Kühlungseffekt, da die die Kuh umgebende Wärmeschicht zerstört wird. Im Vergleich dazu liegt die optimale Luftgeschwindigkeit im Kälberbereich bei unter 0,5 m/s. Das Zuschalten der Ventilatoren und deren Steuerung sollten temperaturabhängig und automatisch erfolgen.

Bei hohen Temperaturen suchen die Kühe aktiv angenehme, kühlere Bereiche im Stall auf. Der Liegebereich ist besonders wichtig, da sich die Tiere hier am längsten aufhalten sollen. Um angenehme Bedingungen durch angepasste Luftgeschwindigkeiten zu gewährleisten, sind mehrere Ventilatoren erforderlich. Deckenventilatoren mit großen Durchmessern, die häufig mittig über dem Futtertisch (Dachraum) angebracht werden, drücken die Luft nach unten und von dort nach außen. Hindernisse wie Aufkantungen am Fressgitter oder Liegeboxenabtrennungen können Verwirbelungen verursachen und die Luftgeschwindigkeit reduzieren, wodurch der Kühlungseffekt deutlich geringer ist. Oft wird die erforderliche Luftgeschwindigkeit zur Abkühlung von mindestens 2,0 m/s nur unterhalb des Ventilators (Durchmesser) erreicht.

Axial-Ventilatoren sollten mit einem Neigungswinkel von 15 bis 25° installiert werden.
Eine wirksame Abkühlung der Tiere wird durch Luftgeschwindigkeiten von über 2 m/s erreicht.

Axial-Ventilatoren (Durchmesser zirka 1,20 m) haben eine Wurfbreite von zirka 4 bis 5 m und erreichen Wurfweiten bis zu 20 m. Durch die Anordnung der Ventilatoren in Längsrichtung über den Liegeboxenreihen mit einem Abstand von 15 bis 20 m und einem Neigungswinkel von 15 bis 25° wird ein guter Kühleffekt erzielt. Werden die Ventilatoren hingegen über den Laufgängen platziert, führt dies dazu, dass diese Bereiche zusätzlich ausgetrocknet werden, während der Kühlungseffekt im Liegebereich der Kühe nahezu ausbleibt. Für einen gleichmäßigen Luftstrom sollten die Axial-Ventilatoren fixiert (nicht pendelnd) eingebaut werden und nicht entgegen der Hauptwindrichtung (natürliche Lüftung) ausgerichtet sein. Aber auch Hindernisse wie zum Beispiel Kraftfutterabrufstationen oder Ständerwerk im Liegeboxenbereich bremsen den Luftstrom aus. Hier sind einzelbetriebliche Lösungen zu suchen. Ab einer Höhe von 2,70 m (Ventilatorunterkante) über der Standfläche ist kein Schutzgitter am Ventilator erforderlich. Schutzgitter reduzieren die Leistung des Ventilators um bis zu 30 %, insbesondere wenn sie verschmutzt sind. Je höher die Lufttemperatur im Stall, desto höher ist die erforderliche Drehzahl der Ventilatoren zur Sicherstellung ausreichender Luftgeschwindigkeiten zur Abkühlung. Vielfach laufen die Ventilatoren in einem Leistungsbereich von 10 bis 80 %. In diesem Bereich und bei langen Laufzeiten sind EC-Motoren beziehungsweise eine Frequenzsteuerung sinnvoll. Sie reduzieren die Stromkosten und rechtfertigen damit vielfach die höheren Investitionskosten.

Die Steuerung der Ventilatoren sollte temperaturabhängig und automatisch erfolgen.

Kosten und Nutzen

Um eine effektive aktive Lüftungsunterstützung sicherzustellen, wird ungefähr ein Axialventilator mit einem Durchmesser von etwa 1,20 m für jeweils 20 Kühe beziehungsweise Kuhplätze benötigt (Mittelwert aus Einzel- und Doppelliegereihe). Die Investitionskosten je Lüfter liegen im Bereich von 2.500 €, einschließlich EC-Motor oder Frequenzsteuerung sowie Einbau. Die jährlichen Kosten belaufen sich daher auf ungefähr 20 € pro Kuh. Hinzu kommen Stromkosten von etwa 25 € (50 bis 80 kWh Strombedarf je Kuh). Die Gesamtkosten liegen im Bereich von 45 € pro Kuh und Jahr und sind oft deutlich geringer als der Nutzen allein durch die höhere (nicht abgefallene) Milchleistung.

Kühlung mit Wasser

Durch den Einsatz von Wasser zur Befeuchtung über Verneblungs- oder Berieselungsanlagen wird der Kühlungseffekt zusätzlich erhöht. Allerdings ist die Luftfeuchtigkeit vielfach ein limitierender Faktor. Bei Werten von über 70 % sollte der Einsatz von Wasser zur Befeuchtung vermieden werden. Eine Wärmeabgabe durch die Kühe ist dann nicht mehr möglich (Saunaeffekt). Die wichtigste Maßnahme zur Reduzierung von Hitzestress im Milchviehstall besteht darin, ausreichend hohe Luftgeschwindigkeiten am Tier zu gewährleisten.

Fazit

In Milchviehställen wird die Luftgeschwindigkeit und damit der Luftaustausch durch den Einsatz von Ventilatoren erhöht. Luftgeschwindigkeiten von über 2,0 m/s bewirken einen Kühlungseffekt und eine Verringerung der Wärmebelastung für die Tiere. Dies ist besonders wichtig in „verbauten“ und älteren Ställen, wo die natürliche Belüftung bereits bei niedrigen Temperaturen nicht ausreicht. In vielen Fällen sind die Kosten für Technik und Strom niedriger als der Nutzen allein durch die höhere beziehungsweise nicht abgefallene Milchleistung. Bei Neubauten sollten auch die Möglichkeiten der Wärmedämmung des Stalldaches in Betracht gezogen werden.

Mit kühlem Kopf in hitzige Debatten

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Im Rahmen des Kooperationsprojekts „Aktionsprogramm Kommune – Frauen in die Politik!“ veranstaltet der Deutsche LandFrauenverband (dlv) am Montag, 13. Mai, ein digitales Werkstattgespräch. Das Thema: „Argumentationstraining für Kommunalpolitikerinnen – Anliegen platzieren und Überzeugungskraft stärken“. Das Zoom-Meeting beginnt um 17.30 Uhr und endet um 20.30 Uhr.

Kommunalpolitik eröffnet Gestaltungsmöglichkeiten. Dabei muss man die eigene Position und die anderer im Gespräch, in der Diskussion oder im Vorfeld einer Abstimmung vertreten – der Austausch von Argumenten und Aushandlungsprozesse gehören somit zum Tagesgeschäft. Nicht immer fühlt man sich gewappnet, nicht immer sind solche Konstellationen angenehm, manchmal entwickeln sich daraus hitzige Debatten. Wie kann ich mich also in solchen Situationen souverän und authentisch behaupten? Wie bewahre ich auch in vermeintlich unangenehmen Situationen einen kühlen Kopf?

In der Online-Werkstatt erhalten die Teilnehmerinnen einen Überblick über die verschiedenen Facetten von Überzeugungskraft und setzen sich mit ihren Stärken und ihrem Entwicklungsbedarf auseinander. Sie erfahren, welche Methoden zum Einsatz kommen und wo besonderes Fingerspitzengefühl gefragt ist. Sie vertiefen bewährte und ungewöhnliche Argumentationstechniken, die ihnen in der politischen Debatte oder auch im Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern weiterhelfen. Auch kniffelige Situationen, die eine schlagfertige Reaktion erfordern, werden unter die Lupe genommen.

Das Werkstattgespräch wird von Gwendolin Jungblut – Juristin, Autorin, Politikberaterin und systemischer Coach – geleitet. Die Teilnahme an der Veranstaltung ist kostenlos. Anmeldung unter www.landfrauen.info/argumentation

Schüler entdecken ungeahnte Talente

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Nähen, Bügeln, Kochen oder einen festlichen Tisch eindecken: Haben Jugendliche zu diesen Themen heutzutage noch einen Zugang? Am Boys‘ & Girls‘ Day 2024 konnten Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschulen Nortorf und Berkenthin sowie der Herrendeichschule auf Nordstrand ihre hauswirtschaftlichen Fertigkeiten ausprobieren. Dabei entdeckten so manche Jugendliche ungeahnte Talente.

Der LandFrauenverband Schleswig-Holstein bietet den Boys‘ & Girls‘ Day seit vielen Jahren an. Mit der Aktion, die seit jüngstem auch unter der Bezeichnung „Zukunftstag“ firmiert, wollen die LandFrauen den Jugendlichen im Land die enorme Bandbreite hauswirtschaftlicher Fertig- und Fähigkeiten vermitteln. In Nortorf hatten 14 Jungen und Mädchen überwiegend aus den achten Klassen der Gemeinschaftsschule die Gelegenheit, ihre Alltagskompetenzen zu erweitern. Mit als Zugpferd dabei war auch Henrik Hanses, Moderator des „Schleswig-Holstein Magazins“.

Der NDR-Moderator und Vater einer einjährigen Tochter besitzt nach eigenen Angaben durchaus hauswirtschaftliche Grundlagen. „Mein Vater hat mir immer gesagt, Junge, mach dich in Haushaltsfragen nie abhängig von einer Frau“, erzählt er mit einem Lachen. Obwohl er diesen Ratschlag beherzigte und im Haushalt vieles kann, freute sich Henrik Hanses auf das Profi-Team der LandFrauen und hoffte vor allem beim Bügeln auf den einen oder anderen Kniff. Da war der TV-Mann ebenso wie die Achtklässler bei Sylke Messer-Radtke an der richtigen Adresse: In der Gemeinschaftsschule brachte die gelernte Hauswirtschaftsmeisterin mit Unterstützung von Assistentin Bärbel Hoppe mit spannenden Textilinfos vor allem die Jugendlichen zum Staunen.

So griff Sylke Messer-Radtke als Erstes zum Waschetikett eines T-Shirts. Zeichen für Zeichen erläuterte sie deren Bedeutung, beispielsweise erlaubt ein Dreieck mit den Großbuchstaben „CL“ das Bleichen mit Chlor. „Das ist auch in Ländern wichtig, in denen dem Leitungswasser Chlor zugesetzt wird“, erläuterte die Vizepräsidentin des LandFrauenverbandes Schleswig-Holstein. Dann durften die Achtklässler selbst aktiv werden: Vivi, Fiona, Lea und Fabien griffen zum Dampfbügeleisen – teilweise zum ersten Mal in ihrem Leben. „Die Feuchtigkeit macht den Baumwollfaden geschmeidig“, begründete Sylke Messer-Radtke das gute Bügelresultat.

Weiter arbeiteten die Jungen und Mädchen mit Nadel und Faden, dazu standen Tipps und Kniffe zum Thema Saubermachen auf dem Vormittagsprogramm. Dabei stellten die jungen Leute das Reinigungsmittel auch selbst her – auf Basis biologischer Inhaltsstoffe.

In der Schulküche hantierten die Gemeinschaftsschüler mit Messer, Schüsseln und Töpfen, denn mittags sollte zum Abschluss ein leckeres Essen auf dem korrekt eingedeckten Tisch stehen. Eike Stäker von den Brammeraner LandFrauen zeigte Juris, Max und Luca die richtigen Tischpositionen für Besteck, Gläser und Teller, während Elke Paulsen die Jugendlichen in die Kunst des Serviettenfaltens einführte. Dazu wurden Blumengestecke gebunden, dabei kreierten die Schüler auch floristische Hingucker. Fabien ist besonders stolz auf ihr Exemplar: „Das hat super Spaß gemacht, das Gesteck bringe ich meiner Mutter mit“, erklärte die Schülerin mit strahlenden Augen.

Nebenan in der Küche zeigte Elke Briesemeister aus Bokel die Tricks beim Zwiebelschneiden. So konnte Tim mithilfe von Tunnel- und Krallengriff die Zwiebel für die Gemüseburger entspannt und unfallfrei schneiden. Zu Hause bereite er sich auch kleine Gerichte selbst zu, berichtete der Achtklässler. Stolz schwärmte er von seiner Toastkreation, bei der Curryketchup, Salami und Spiegeleier die Zutatenliste dominieren.

Die LandFrauen freuten sich über das Engagement und das Interesse der Schüler an der Hauswirtschaft – gerade vor dem Hintergrund, dass die Gemeinschaftsschule Nortorf beim Thema Verbraucherbildung weit vorn ist und bereits zwei Mal als Verbraucherschule Gold ausgezeichnet wurde.

Mit Schülergruppen ist Elke Briesemeister, in der Schule angestellt als Lehrkraft für Verbraucherbildung und textiles Werken, bereits öfter zur Hauswirtschaftsschule in Handerau-Hademarschen gefahren. Gestiegen sei die Nachfrage nach Ausbildungen in dem Beruf aber nicht, bedauerte die hauswirtschaftliche Betriebsleiterin. Dabei ist Verbraucherbildung seit zwölf Jahren Pflichtfach an den Schulen Schleswig-Holsteins. „Der Beruf wird nicht so wertgeschätzt, viele reduzieren das Berufsbild auf Hausarbeit“, sagte die Bokeler Ortsvertrauensfrau. Auch Sylke Messer-Radtke bedauerte das gesunkene Interesse an der professionellen Hauswirtschaft. Dabei ist die Vizepräsidentin auch nach 44 Jahren Tätigkeit als Hauswirtschaftsmeisterin nach wie vor angetan von ihrem Beruf: „Es ist die Vielfältigkeit der Aufgaben, die mich so begeistert.“

Sven Tietgen

14 Jungen im Trainingscamp auf Nordstrand

Zum zweiten Mal organisierten die LandFrauenvereine Nordstrand und Hattstedt gemeinsam den Boys‘ Day in der Herrendeichschule in Nordstrand. 14 Jungen traten zum hauswirtschaftlichen Trainingscamp an. Sie sortierten und bügelten Wäsche, putzten Schulfenster, nähten Knöpfe an und bezogen Betten. Unterstützt wurden sie dabei von Elke Baumbach, Frauke Nielsen und Anke Nissen.

Mit den LandFrauen Olga Maart, Elfriede Gessinger und Sandra Tischer wurde in der Schulküche ein gesundes, schmackhaftes Mittagessen zubereitet. Besonderer Wert wurde auf regionale und saisonale Produkte gelegt. Es gab Frucht- und Gemüsesmoothies. Für das Ofengemüse und den Obstsalat wurde ordentlich geschnippelt. Das Kochen einer Vanillesoße und das Zubereiten von Hacksteaks gehörten ebenfalls zu den Fertigkeiten, die die Schüler erlernten. Ein gemeinsames Essen an schön gedeckten Tischen und die Zertifikatsübergabe schlossen den Vormittag ab. Anke Nissen

Der Trick mit der Seerose

Seit nunmehr zehn Jahren beteiligen sich die LandFrauen aus Berkenthin und Umgebung am Boys‘ Day. In diesem Jahr half dabei ein junger Mann tatkräftig, der gerade sein Freiwilliges Soziales Jahr an der Grund- und Gesamtschule Stecknitz in Berkenthin macht. Er war schon 2016 als Schüler begeistert dabei.

Die Hilfe war sehr willkommen, da die Durchführung an veränderte Bedingungen angepasst werden musste: Die Schulküche ist vor Kurzem renoviert und dabei auch auf ein Viertel der ursprünglichen Größe verkleinert worden. Der Platz für weitere Klassenräume wurde dringend benötigt. Kochunterricht ist im Lehrplan nicht mehr vorgesehen. Trotzdem konnten 13 Jungen aus der 5. und 6. Klassen das Zertifikat erhalten, nachdem sie das Programm durchlaufen hatten.

Überrascht war Anne Martin, die seit Jahren das Betreuerinnenteam anführt, über die überaus akkurat gebügelten Leinenblusen, die auch für sie selbst immer eine Herausforderung darstellen. Und wie man Servietten zu Seerosen faltet, konnte Elisabeth Geries, die immer gern die Tische auf den Veranstaltungen der LandFrauen dekoriert, von einem Schüler abgucken. So konnten am Boys‘ Day Alt und Jung voneinander lernen und hatten Freude an der gemeinsamen Arbeit. Angelika von Keiser

„Bei uns zu Hause wird nicht gebügelt“, erzählte Fabien. Die 15-Jährige Schülerin der Gemeinschaftsschule Nortorf probierte gleich die Dampffunktion aus – und war begeistert von dem glättenden Effekt. Foto: Sven Tietgen
Bei Olga Maart wurde auf Nordstrand Hackfleisch geknetet. Foto: Anke Nissen
Küchenteam

Der Mutmacher

In Deutschland leben 6,2 Millionen Erwachsene, die als sogenannte funktionale Analphabeten gelten. Sie können kaum lesen und schreiben. Einer von ihnen ist Uwe Boldt. Doch er holte sich Unterstützung. Heute hilft der gebürtige Hamburger auch anderen Betroffenen und macht durch Öffentlichkeitsarbeit auf das Tabuthema aufmerksam.

Wieder und wieder drehte Uwe Boldt an diesem Tag im Jahr 2000 seine Runden um das „Alfa-Mobil“, das auf einem Marktplatz in Hamburg Station machte. Es war mit einer mobilen Alphabetisierungs-Initiative deutschlandweit unterwegs, um Erwachsenen, die besser lesen und schreiben lernen wollten, Wege aufzuzeigen, Vorurteile abzubauen und über Analphabetismus zu informieren.

Uwe Boldt schaute sich das rege Geschehen am Informationsstand zunächst aus sicherer Entfernung an. Er wartete, bis es hier langsam ruhiger wurde, nahm all seinen Mut zusammen und ging hin. Der damalige Mitarbeiter Timm Helten begrüßte ihn freundlich. Der Diplom-Pädagoge informierte ihn in einem vertraulichen Vier-Augen-Gespräch darüber, dass es an der Volkshochschule (VHS) Kurse für Erwachsene gebe, die besser Lesen und Schreiben lernen wollten. „Ich war erst skeptisch, ob eine Volkshochschule tatsächlich das Richtige für mich war, meldete mich aber an“, blickt Boldt zurück.

Die Lieblingskaffeesorte im Regal zu finden, das klappt bei Uwe Boldt heute mühelos.

Heute ist er selbst „Lernbotschafter“ und steht am Alfa-Mobil, um anderen Betroffenen Mut zu machen. „Ich erkenne schon von Weitem, wenn einer da ist, der unsicher um das Fahrzeug herumläuft und sich nicht traut näherzukommen. Dann spreche ich ihn an. Manchmal ist die Scham einfach zu groß, sich zu outen, oder man befürchtet, bloßgestellt zu werden“, weiß er aus eigener Erfahrung. Aber von vorn.

Uwe Boldt wächst als Ältester von drei Geschwistern in Hamburg auf. Seine Eltern arbeiten hart, die Mutter ist Reinemachefrau, der Vater Schauermann am Hafen, wo er für das Be- und Entladen von Schiffen zuständig ist. Nur selten finden die beiden Zeit und Kraft, mit ihrem Nachwuchs Bücher anzuschauen oder ihnen daraus vorzulesen.

In der Schule merkt der kleine Uwe bald, dass ihm das Lesen- und Schreibenlernen schwerfällt. Oft wird er deshalb von Mitschülern gehänselt. Seine Eltern registrieren zwar das Problem, handeln aber nicht. „Wenn sie damals gewusst hätten, wie sie mir helfen können, hätten sie es getan“, ist der 65-Jährige überzeugt. Doch sie wissen es nicht, und so sitzt er im Klassenraum in der hintersten Reihe und fällt nicht weiter auf.

Keiner der Lehrer kommt auf die Idee, den Jungen beiseitezunehmen und zu fördern. Da er sich mündlich stets lebhaft am Unterricht beteiligt, teilweise auswendig lernt, was der Lehrer an Lernstoff vermittelt, wird er trotzdem in die nächsten Klassen versetzt. „,Aus pädagogischen Gründen‘ stand in meinem Zeugnis. Was das genau heißt, weiß ich bis heute nicht.“ Nachdem er die achte Klasse wiederholt hat, geht er nach neun Schuljahren ohne Abschluss von der Schule. Er ist zirka 16 Jahre alt, richtig lesen und schreiben kann er nicht. „Ich ging zum damaligen Arbeitsamt, und die schickten mich als Jungarbeiter in den Hafen. Da machte ich erst einmal nur Botengänge, denn ich war ja noch nicht volljährig.“

Auf Stippvisite in der Speicherstadt, in der Boldts frühere Arbeitgeberin, die Hamburger Hafen und Logistik AG, ihren Stammsitz hat.

Bei seinem zukünftigen Arbeitgeber stellt der Jugendliche sich persönlich vor, sodass er um eine schriftliche Bewerbung herumkommt. Einmal, da ist er etwa 20 Jahre alt, spricht er den Hausarzt auf sein Problem an. Dieser will ihm zwar helfen, doch die vorgeschlagenen, nicht passgenauen Angebote laufen ins Leere.

Auch wenn er kaum lesen und schreiben kann, macht sich der junge Boldt gut im Hamburger Hafen. Er wird Hafenfacharbeiter und später Kran- und Containerbrücken-Fahrer. Soll er Arbeitsprotokolle schreiben, bittet er Kollegen, es für ihn zu übernehmen. „Ich machte den Führerschein, den Staplerschein, den Großstaplerschein und den Tauchschein. Das schaffte ich mit viel Auswendiglernen und mit Prüfungsbögen, bei denen ich nur etwas ankreuzen musste, mein Lesen ging ja so.“

Doch die Furcht aufzufliegen, ist ein ständiger Begleiter. Was, wenn er zum Beispiel in einer Arztpraxis einen Anamnesebogen ausfüllen, bei einer Behörde etwas regeln oder Arbeitsanweisungen lesen muss? „Ich hatte meine Strategien und Ausreden, wurschtelte mich durch, sagte, ich hätte mir die Hand verstaucht oder die Brille vergessen, und fragte dann, ob man mir helfen könnte.“ Eines Tages macht er bei einer großen Kampagne „Gemeinsam stark“ im Hafen mit und erzählt dort offen über sein Leben.

Nach der Veröffentlichung der Dokumentation ist es „raus“, dass er Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben hat. Sein Chef reagiert verständnisvoll. „Wir setzten uns hin und sprachen über die Sache.“

Als er seine erste Frau kennenlernt, mit ihr nach Lüneburg zieht, erzählt er ihr erst spät davon. Sie nimmt es gut auf, unterstützt ihn, bis die Beziehung nach sieben Jahren zerbricht. Als Uwe Boldt im Jahr 2000 seine berufliche Position im Hafen wechselt, ist klar, dass er nun durch die fortschreitende Automatisierung ums Lesen und Schreiben nicht mehr herumkommt. Also geht er zur VHS und büffelt mit Gleichgesinnten.

Er fängt an, sich ehrenamtlich zu engagieren, gründet mit anderen die Selbsthilfegruppe „Wortblind“, ruft das Projekt „Mento“ rund ums Thema Schriftkompetenz beim DGB-Bildungswerk mit ins Leben, wird Lernbotschafter beim Bundesverband Alphabetisierung und Grundbildung und Mitglied in einem Lernerrat, der Unternehmen über Analphabetismus aufklärt.

Ein Schlüsselerlebnis hat er dort, als es ihm während eines Lerner-Austausches und Workshops in Belgien mit Betroffenen aus sieben Nationen gelingt, den ersten Liebesbrief seines Lebens zu schreiben. „Meine damalige Frau hat sich sehr darüber gefreut.“ Boldt macht jedoch ebenfalls die Erfahrung, dass er stetig am Ball bleiben muss, um Erlerntes nicht wieder zu verlernen. „Manchmal hatte ich einen Durchhänger und war lernmüde. Das merkte ich dann gleich“, gesteht er. Seiner zweiten Frau, die Erzieherin ist, berichtet er schon bald von seinem Problem. „Sie half mir, bestand aber darauf, dass ich Dinge zunächst selbst versuchte, bevor sie ins Spiel kam.“ Heute liest er kürzere Texte und schreibt kleinere Sätze. „Ich bin auf dem Alpha-Level zwischen drei und vier“, sagt er. Was das bedeutet? Um Unterstützungsangebote zur Überwindung des funktionalen Analphabetismus passgenau anbieten zu können, ist es wichtig, die individuellen Fähigkeiten des Einzelnen zu kennen.

Dafür wurden im Rahmen einer Studie vier sogenannte Alpha-Level definiert und die damit verbundenen Kompetenzen beschrieben. Die Grenzen zwischen den einzelnen Leveln sind fließend. Alpha-Level 1 bedeutet beispielsweise, dass eine Person einzelne Buchstaben erkennen und schreiben kann.

Uwe Boldt ist Mitbegründer der Selbsthilfegruppe „Wortblind“, die sich einmal monatlich in einer VHS an seinem Wohnort trifft.

Uwe Boldt liest einzelne Sätze und schreibt sie, hat jedoch Schwierigkeiten mit zusammenhängenden Texten. Seine Rechtschreibung weist etliche Fehler auf. Damit findet er sich im Alltag zurecht. Smartphone und PC sind ihm eine wertvolle Stütze. Auf ihnen kann er Videoanrufe empfangen, sich Texte vorlesen lassen oder ein spezielles Lernprogramm für Menschen mit Grundbildungsbedarf (vhs-lernportal.de) absolvieren.

Seit Januar 2023 ist der mittlerweile Alleinstehende im Ruhestand und dennoch ehrenamtlich unermüdlich in Sachen Aufklärung über Analphabetismus im Einsatz. Weil er gerade mit dem Bauernblatt spricht, verrät er zum Abschluss des Treffens, dass er bereits seit seinem 15. Lebensjahr auf Zuruf auf einem landwirtschaftlichen Betrieb im Kreis Herzogtum Lauenburg aushilft und sich dort sehr wohlfühlt. „Dem Bauern war es egal, ob ich lesen und schreiben kann. Er nahm mich so wie ich bin, erklärte mir alle Aufgaben wie Getreidefahren oder Ernteabladen mündlich. Hier gehöre ich bis heute fast zur Familie, obwohl der Junior schon den Hof übernommen hat.“

Eine Erkenntnis will Uwe Boldt auch an andere Betroffene weitergeben: „Nur eine Schwäche zu haben, bedeutet nicht, dass ihr dumm seid! Holt euch Hilfe, macht aus eurer Schwäche eine Stärke und blickt dabei immer positiv nach vorn.“

Info

Weitere Informationen gibt es unter alphabetisierung.de, mein-schlüssel-zur-welt.de oder alfa-mobil.de.

Alfa-Telefon: 0 800-53 33 44 55 (anonyme, kostenfreie Beratung für Betroffene und deren Umfeld)

Anmerkung: Liebe Leserinnen und Leser, sollten Sie eine Person kennen, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben hat, weisen Sie diese gern auf die hier genannten Hilfsangebote und Infos hin. sbk

Bedeutung der Solarenergie nimmt zu

Zahlen zum aktuellen Stand des Photovoltaik (PV)-Ausbaus im Land stellte der Landesverband Erneuerbare Energien Schleswig-Holstein (LEE SH) vergangene Woche in Kiel vor. Neben einem weiteren Zuwachs der Windenergie brauche es dem Verband zufolge bis zum Jahr 2030 in Schleswig-Holstein 10 GW aus Solarstrom, um klimaneutrales Industrieland werden zu können. Ausreichend Flächen und Dächer sind laut LEE SH vorhanden – große Abnehmer werden künftig der Wärme- und Verkehrssektor sein.

Der durch die Energiekrise bedingte Trend, PV-Anlagen auf Hausdächern zu installieren, habe im ersten Quartal 2024 abgenommen, dagegen habe der PV-Ausbau auf Freiflächen weiter zugenommen. Dort sei zwar die Anzahl zugebauter Anlagen gesunken, die installierte Leistung aber erneut gestiegen. „Fast die Hälfte des Ausbaus hat voriges Jahr auf Dächern stattgefunden“, erklärte LEE SH-Geschäftsführer Marcus Hrach. Wolle die Landesregierung ihre Zielvorgabe von 30 GW installierter Erneuerbarer Leistung bis 2030 erreichen, müsse PV neben Windkraft und Bioenergie laut Hrach mindestens 10 GW beitragen: „Obwohl der PV-Ausbau in Schleswig-Holstein zugenommen hat, muss er weiter beschleunigt werden.“ Im Jahr 2023 waren 2,97 GW im Land installiert. Das Ziel, in diesem Jahr 1 GW in Schleswig-Holstein zuzubauen, sei realistisch.

„Wir glauben nicht, dass der PV-Ausbau signifikant in Konkurrenz zur landwirtschaftlichen Erzeugung steht“, konstatierte Hrach. „Die zehn Gigawatt bräuchten lediglich rund 1,5 Prozent der Agrarfläche in Schleswig-Holstein, wenn man davon ausgeht, dass hälftig Freiflächen- und hälftig Dach-PV gebaut wird.“ Dieser Wert könne laut Hrach gut kompensiert werden, da derzeit 13 % der Agrarfläche für Energiepflanzen genutzt würden – mit sinkender Tendenz. Durch die aktuell ausgesetzte EU-Vorgabe der 4%igen Stilllegung besteht laut LEE SH dort künftig das Potenzial, Biodiversitäts-PV im Einklang mit Naturschutzauflagen zu realisieren. Potenzial sieht der LEE SH zudem in einer effizienten Doppelnutzung durch Agri-PV, Moor-PV oder die kombinierte Nutzung von Wind- und Solarenergie auf einem Standort, um den Flächenverbrauch zu reduzieren.

LEE SH Pressesprecherin Jana Lüth, Christian Andresen (Mitte) und Marcus Hrach Foto: jh

Die vorhandenen Netzkapazitäten ermöglichten zudem einen weiteren starken Zubau der Erneuerbaren, wenn Netzverknüpfungspunkte (NVP) überbaut würden. So könne an einem vorhandenen NVP, der vollständig mit Windenergie belegt sei, zusätzlich relevante PV-Leistung angeschlossen werden.

Durch klare Zielvorgaben und eine Anpassung des gesetzlichen Rahmens erhalte Schleswig-Holstein derzeit viel Rückenwind aus dem Bund, hielt LEE SH-Vorstandsmitglied Christian Andresen fest: „Schleswig-Holstein ist im Solarbereich auf einem guten Weg, die Bedeutung von Photovoltaik steigt.“ Künftig würden die Wärmewende und die Elektrifizierung des Verkehrs den Bedarf an Erneuerbarem, dezentralem und lokalem Strom massiv steigern.

Das Solarpaket bezeichnet der LEE SH als einen Gewinn: So seien etwa die Förderung großer Dachanlagen ab 40 kW auf Gewerbeflächen angehoben, die Gebotsmenge für Freiflächenanlagen von 20 auf 50 MW erhöht sowie die Flächenkulisse für PV-Freiflächenanlagen ausgeweitet worden. Sogenannte benachteiligte Gebiete der Landwirtschaft würden grundsätzlich für die Förderung klassischer PV-Freiflächenanlagen geöffnet.

Für die im Solarpaket geregelte Duldungspflicht (siehe Ausgabe 16) fordert der LEE SH eine Ausweitung auch auf private Flächen bei angemessener Entschädigung für die Flächeneigentümer.


Ausbau in Schleswig-Holstein

Landesweit sind 2023 mehr als 43.000 Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von 629,8 MW zugebaut worden. Die installierte Leistung betrug damit im Vorjahr 2,97 GW. Erstmals seit 2010 konnte der Anteil an der bundesweit installierten PV-Leistung wieder ausgeweitet werden. Diese lag 2023 bei 3,61 %. Mit 188 kWp / km² installierter Leistung nimmt Schleswig-Holstein unter den Flächenländern einen der hinteren Ränge ein. pm

Opulente Walküren im Versailles des Nordens

Sie sind stark und sanft zugleich, ausladend und sichtbar, in sich aber filigran, vielschichtig, ornamental und voller Details und sie tragen die Namen historischer Heldinnen – die drei Walküren Thyra, Martha und Marina Rinaldi der portugiesischen Künstlerin Joana Vasconcelos. Zusammen mit sieben weiteren raumgreifenden Installationen verwandeln sie das Schloss Gottorf in Schleswig bis zum 3. November in „Le Château des Valkyries“.

Einen besseren Ort für ihre Walküren als Schloss Gottorf kann sich Joana Vasconcelos nicht vorstellen. Die Nähe zu Skandinavien und somit zu den nordischen Mythologien sei etwas Besonderes, „und ich bin sehr stolz, hier zu sein“, sagt sie bei einem Rundgang durch ihre Ausstellung. Walküren sind Figuren aus der skandinavischen Mythologie und werden als weibliche Kriegerinnen dargestellt, die im Gefolge des Kriegsgottes Odin die Seelen tapferer Gefallener auf dem Schlachtfeld auswählen, um sie nach Walhalla zu führen. „Diese Macht, Verstorbene zurückzubringen, hat mich inspiriert“, erklärt Joana ­Vasconcelos. Mit ihren Walküren greife sie Elemente der Mytholgie auf und übertrage sie in eine neue Dimension. Gleichzeitig gebe sie Heldinnen der Vergangenheit eine neue Identität, wie bei der Walküre Thyra, die an die erste Königin Dänemarks, Thyra Danebod (zirka 880-935) erinnere. Das Werk hängt in der Schloss-Kapelle und war ursprünglich ein stofflicher Seitenarm der großen Walküre Miss Dior, die in der Dior-Show zur Herbst/Winter-Kollektion gezeigt wurde.

Die Walküre „Thyra“ erinnert an die erste Königin Dänemarks und bildet einen spannenden Kontrast zur Schloss-Kapelle.

„Thyra war eine bedeutende, starke und fortschrittliche Frau, die nicht gesehen und erkannt wurde. Es ist eine sehr detailreiche Figur, die in den Dialog mit der überbordend geschmückten Schloss-Kapelle tritt. Sie ist sehr sinnlich, feminin, gleichzeitig stark und ich hoffe, dass Thyra auf diese Weise bemerkt und erkannt wird“, so die Künstlerin. Für Dr. Thorsten Sadowsky, Wissenschaftlicher Vorstand der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen und Direktor des Museums für Kunst und Kulturgeschichte auf Schloss Gottorf, ist dies eine der beeindruckensten Arbeiten dieser Ausstellung, „weil so viele verschiedene Ebenen in diesem Raum zusammenkommen, die sich mit unseren skandinavischen Nachbarn und mit den nordischen Mythologien verknüpfen, gleichzeitig werden historische Landschaften reflektiert. Der Dialog mit dem geschichtlichen Umfeld der Kapelle ist unglaublich“, so Sadowsky.

Joana Vasconcelos neben dem Pumps „Marylin“, bestehend aus Töpfen

Unter seiner Leitung wurde diese Ausstellung im Team kuratiert und organisiert. Sie gilt als die bisher größte Einzelausstellung der portugiesischen Künstlerin in einem deutschen Museum. Und auch die beiden anderen Walküren im Kreuzstall und in der Reithalle des Museums erinnern an starke Frauen, an Heldinnen ihrer Zeit: Martha ist benannt nach einer französischen Widerstandskämpferin. Für diese Walküre wurde eigens eine Musik komponiert, ergänzt um eine Tanzchoreografie. Die Walküre Marina Rinaldi feiert die italienische Schneiderin Marina Rinaldi, die in den 1850er Jahren ein Atelier für Frauenmode gründete.

Mit ihren ausschweifenden und oft überzeichneten Installationen versucht Joana Vasconcelos den von Thorsten Sadowsky angesprochenen Dialog zu kreieren, der von der Vergangenheit in die Gegenwart reicht und möglichst bis in die Zukunft überdauert. Das sei nur an Orten wie diesem möglich, der mit den Möbeln und Objekten, den Malereien und Ausstellungsgegenständen das Historische und Traditionelle bewahre und am Leben erhalte, so Vasconcelos, die sich als künstlerische Botschafterin ihres Landes Portugal versteht. Bei ihr trifft moderne Konzeptkunst auf traditionelle portugiesische Handwerks- und Handarbeitstechniken, auf landestypische Farben und Muster. Ihre Arbeiten sind zutiefst feministisch und emanzipatorisch, stark, selbstbewusst und zugleich sinnlich und weiblich. Neben den Walküren sind weitere acht Werke zu sehen, wie „Red Independent Heart“, bestehend aus rotem Plastikbesteck, oder der riesige Damen-Pumps „Marylin“, bestehend aus Töpfen, mit denen Vasconcelos mit Stereotypen brechen möchte. Eines der Kunstwerke, eine schmiedeeiserne, 2,30 m hohe Teekanne befindet sich im Innenhof des Eisenkunstgussmuseums in Büdelsdorf.

Das Barocke ist dabei für die Künstlerin von entscheidender Bedeutung. Der Epochenbegriff ist abgeleitet vom portugiesischen „barocco“ für ungleichmäßig geformte oder schiefe Perlen. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich „der Barock“ zu einem Begriff für alles Exzentrische, Sonderbare oder Bizarre, barocke Kunst war geprägt von opulenten, prachtvollen Darstellungen, dynamischen Kompositionen, raumgreifenden Gesten, Detailreichtum, Emotionalität und illusionistischen Effekten – Kennzeichen, wie sie in der Kunst von Joana Vasconcelos wiederzufinden sind. Weitere Infos zur Künstlerin und der Ausstellung unter landesmuseen.sh

Mit Fado-Musik untermalt erzählt das Herz aus Plastikbesteck „Red Independent Heart“ vom Reichtum, der Liebe und dem Tod.
Fotos: Iris Jaeger
Die Künstlerin neben ihrer Schuhskulptur aus Töpfen
„Garden of Eden“ im Hirschsaal des Schlosses bezieht sich auf die aufwendige Beetgestaltung des Barockgartens; ein zauberhaft fluoreszierendes Labyrinth aus von Menschenhand geformten Blumen.
Detailaufnahme der Blumen
Foto: Hirschsaal Schloss Gottorf, Fotograf Marcus Dewanger
Le Chateau des Valkyries, Joana Vasconcelos, Schloss Gottorf, Walküren
Fotos: Iris Jaeger
Walküre „Martha“, die um Musik und Tanzchoreographie ergänzt wurde.
„Pantelmina“ spielt auf die Rolle der Frau in der Gesellschaft an.
„Big Booby“ ist mithilfe von Fleischerhaken festgezogen; die Figur soll den sozialen Druck verdeutlichen, der Frauen in vielen Gesellschaften auferlegt wird.
„Finisterra“ – eine Häkelgemälde inspiriert von Landschaftsmalerei


Die Sommerblumensaison im Norden ist eröffnet

Die Gärtnerinnen und Gärtner in Schleswig-Holstein haben die Sommerblumensaison gestartet. Das heimische Angebot aus den Gewächshäusern der Region ist groß. Ihre Gewächshäuser sind gut gefüllt mit bewährten Schönheiten, aber auch Neuheiten wie der Pflanze des Jahres.

Der Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland hat dieses Jahr die Petunie mit dem Namen ,Tuba Lou‘ zur Pflanze des Jahres gekürt. Da die Eisheiligen in diesem Jahr wahrscheinlich keine Rolle mehr spielen werden, kann ab sofort mit dem Auspflanzen der sommerlichen Blütenpracht problemlos begonnen werden.

Ein großer Teil der im Norden verkauften Sommerblumen stammt aus den Gärtnereien hier im Land. Einige Zierpflanzengärtnereien in Schleswig-Holstein haben sich zudem in der Initiative im-norden-gewachsen.de zusammengeschlossen, um die Vorteile der regionalen Produktion gemeinsam deutlich zu machen und zu bewerben. Die herausragende Qualität ihrer Blumen und Gemüsejungpflanzen wird vom Gütezeichen der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein bestätigt.

Zur Sommerblumensaisoneröffnung präsentierten sie die Pflanze des Jahres (v. li.): Klaus Petersen (Vorstand im Norden gewachsen e. V.), John Langley (Gartenbotschafter), Christina Buchwald (Inhaberin Buchwald Pflanzencenter), Gaby Eberts (Geschäftsführerin Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland) und Dr. Hans Hermann Buchwald (Buchwald Pflanzencenter). Foto: Anne Weise-Thomsen

Insgesamt gaben die deutschen Blumenfreunde zuletzt rund 2,1 Mrd. € für Beet- und Balkonpflanzen aus, also rund 25 € pro statistischem Durchschnittsbürger. Viele Gärtnereien machen im Frühjahr in den Monaten von März bis Juni ein Drittel bis die Hälfte ihres Jahresumsatzes. Das erfordert eine gute Organisation und eine engagierte, fachkundige Belegschaft.

Laut Statistikamt Nord gibt es 121 Zierpflanzengärtnereien in Schleswig-Holstein mit rund 400.000 m2 Fläche an Gewächshäusern. Darin werden rund zwölf Millionen Beet- und Balkonpflanzen herangezogen. Nach Angaben des Deutschen Gartenbauverbandes führen bei den Verbrauchern Geranien die Hitliste der meistgekauften Sommerblumen an mit 8 % der Ausgaben für Beet- und Balkonpflanzen, gefolgt von Petunien (6 %), Begonien (4 %), Lavendel (3 %) und Verbenen (2 %). Neu im Sortiment sind zum Beispiel neue Salviensorten, die gelbe Wüstenrose (Calylophus) oder rosafarbener Zauberschnee (Euphorbia) und auch die Pflanze des Jahres.
Dabei handelt es sich um ,Tuba Lou‘, eine orangerote Petunie. Die Blütenblätter sind ein echter Blickfang und bringen feurige Farbtupfer in jeden Garten und auf den Balkon. Mit ihren überhängenden Trieben und großen Blüten ist sie bestens geeignet für alle Arten von Ampeln, wo schon nach kurzer Zeit kein Pflanztopf mehr zu erkennen ist, siehe Bild unten. Hier finden sich Bezugsquellen in Schleswig-Holstein

Sie ist auch für Ampeln auf Terrasse und Balkon geeignet. Foto: Wirtschaftsverband Gartenbau Norddeutschland e. V.

Vielen Blumenfreunden ist es wichtig, neben einer schönen Umgebung auch den Insekten Nahrung zu geben. Zahlreiche Sommerblumen bieten dafür wahre Buffets: Schmuckkörbchen, Löwenmäulchen, Verbene, Fächer­blume, Sonnenblume, Zinnie, Schneeflockenblume, Vanilleblume, Dahlie, Mehlsalbei und viele mehr; die Fachleute in den Gärtnereien helfen bei der Beratung. Auch die aktuellen Klimawandelfolgen spielen in der Kundenberatung zunehmend eine Rolle: Einige Pflanzen kommen mit Trockenphasen besser zurecht als andere. So können bei richtigem Standort und Substrat eventuell einige Tage der Abwesenheit für einen Kurzurlaub überbrückt werden. Aber auch Pflanzen für feuchtere Standorte haben die Gärtner im Norden im Angebot.