Start Blog Seite 111

Aktuelles zu Sozialversicherung und Lohnsteuer

Neben den arbeitsrechtlichen Aspekten (siehe Teil 1) haben Unternehmen in der Land- und Forstwirtschaft in der Erntesaison 2024 auch sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtliche Regelungen zu beachten. Dies gilt sowohl für Saisonarbeitnehmer aus dem Inland als auch für Arbeitnehmer aus dem Ausland.

Sofern in der neuen Erntesaison auch Arbeitnehmer aus dem Ausland beschäftigt werden, entscheidet die Herkunft darüber, ob und inwieweit eine Beschäftigungsaufnahme in Deutschland möglich ist. So benötigen Arbeitnehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten – zum Beispiel aus Polen, Rumänien oder Bulgarien – für eine Saisonbeschäftigung in Deutschland weder eine Aufenthalts- noch eine Arbeitserlaubnis. Lediglich die Meldegesetze des jeweiligen Bundeslandes sind zu beachten.

Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen

Dagegen benötigen Drittstaatsangehörige für eine Beschäftigungsaufnahme in Deutschland nach wie vor ein Visum oder eine Aufenthaltserlaubnis, die eine Beschäftigung in Deutschland ausdrücklich gestattet. Es handelt sich dabei um Personen, die nicht Staatsangehörige eines EU-Mitgliedstaates oder von Island, Norwegen, Liechtenstein oder der Schweiz sind. Auch Staatsangehörige aus Georgien und der Republik Moldau sowie im Rahmen der sogenannten Westbalkanregelung – gilt ab 2024 unbefristet – aus Albanien, Bosnien und Herzegowina, dem Kosovo, Nordmazedonien, Montenegro und Serbien kommen in Betracht. Darüber hinaus können auch studierende Drittstaatsangehörige, die entweder im Ausland oder in Deutschland eingeschrieben sind, im Rahmen einer Ferienbeschäftigung als Saisonarbeitnehmer tätig sein.

Bei beabsichtigter Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen sollte sich der deutsche Arbeitgeber bereits vorab beim Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit darüber informieren, unter welchen Voraussetzungen die Bundesagentur für Arbeit (BA) einer Beschäftigungsaufnahme in Deutschland zustimmt. Nach wie vor gilt in diesem Bereich: Beschäftigungsaufnahme erst nach Erteilung der Arbeitserlaubnis (sonst gibt es ein Bußgeld!) und alle relevanten Nachweise zu den Lohnunterlagen nehmen.

Beschäftigung von geflüchteten Menschen

Kriegsbedingt geflüchteten Menschen aus der Ukraine wird auf Antrag in der Regel eine humanitäre Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz ausgestellt. Bereits mit Ausstellung der sogenannten Fiktionsbescheinigung, die einen „erlaubten Aufenthalt“ bis zur Entscheidung über den Antrag feststellt, besteht der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt (Vermerk „Erwerbstätigkeit erlaubt/gestattet“). Erforderlich dafür ist die Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde. Eine Beschäftigungsaufnahme ist erst zulässig, wenn die Fiktionsbescheinigung beziehungsweise wenn der Aufenthaltstitel vorliegt. Durch Rechtsverordnung ist inzwischen geregelt, dass die Aufenthaltserlaubnisse von aus der Ukraine Geflüchteten, die am 1. Februar 2024 gültig sind beziehungsweise waren, ohne Verlängerung im Einzelfall bis zum 4. März 2025 fortgelten.

Hinsichtlich der Beschäftigung von geflüchteten Menschen aus anderen Staaten ist zu beachten, dass die Beschäftigungsaufnahme in Deutschland vom Aufenthaltsstatus abhängig ist. Anerkannte Flüchtlinge, Asylbewerber und Geduldete haben jeweils einen unterschiedlichen Aufenthaltsstatus. Eine Beschäftigungsaufnahme in Deutschland ist grundsätzlich nur mit einer entsprechenden Arbeitserlaubnis möglich. Bei Fragen rund um den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt hilft die Agentur für Arbeit weiter unter der zentralen Telefonnummer: 02 28-7 13 20 00.

Auch in der neuen Erntesaison hat der deutsche Arbeitgeber bei Beschäftigungsaufnahme zu prüfen, ob für den jeweiligen Arbeitnehmer das Sozialversicherungsrecht des Heimatlandes oder Deutschlands Anwendung findet.

Statusprüfung für Sozialversicherungsrecht

Auch in der neuen Erntesaison hat der deutsche Arbeitgeber – insbesondere für osteuropäische Saisonarbeitnehmer – bei Beschäftigungsaufnahme zu prüfen, ob für den jeweiligen Arbeitnehmer das Sozialversicherungsrecht des Heimatlandes (dann Meldung und Beitragsabführung dort) oder Deutschlands Anwendung findet. Maßgebend dafür ist die Tätigkeit beziehungsweise der sozialversicherungsrechtliche Status des jeweiligen ausländischen Saisonarbeitnehmers im Heimatland. Für diese Statusprüfung sollten Arbeitgeber von ihren Arbeitnehmern unbedingt den zweisprachigen „Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit – zum Beispiel polnischer/rumänischer/bulgarischer – Saisonarbeitnehmer“ ausfüllen lassen.

Einhaltung Minijobgrenze

Bei Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts kommen neben einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auch – kostengünstigere – geringfügige Beschäftigungen im Rahmen eines Minijobs oder einer sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung als Erntehelfer in Betracht, wenn die entsprechenden Voraussetzungen dafür gegeben sind.

Erfolgt die Beschäftigung im Rahmen eines Minijobs, ist der Arbeitgeber unter anderem zur Abführung pauschaler Beiträge an die Krankenversicherung und die Rentenversicherung verpflichtet. Aufgrund der Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns ab 1. Januar auf 12,41 € brutto je Zeitarbeitsstunde beträgt die monatliche Minijobgrenze jetzt 538 €. Damit wird Minijobbern eine Beschäftigung mit Mindestlohnvergütung bis zu zehn Wochenstunden ermöglicht. Die Jahresverdienstgrenze beträgt daher aktuell 6.456 €, um die Minijobgrenze einzuhalten.

Sozialversicherungsfreie Beschäftigung

Saisonarbeitnehmer können nach wie vor als Erntehelfer sozialversicherungsfrei kurzfristig beschäftigt werden, wenn die Beschäftigung innerhalb eines Kalenderjahres auf längstens drei Monate oder 70 Arbeitstage begrenzt ist. Dabei kann der Arbeitgeber frei wählen, welche Zeitgrenze für seinen Saisonarbeitnehmer günstiger ist. Wichtig ist, dass das Beschäftigungsverhältnis bereits vor Beschäftigungsbeginn in einem schriftlichen Arbeitsvertrag von vornherein auf maximal die Dauer einer dieser Zeitgrenzen beschränkt ist.

Weitere Voraussetzung für die Sozialversicherungsfreiheit ist, dass die Saisontätigkeit nicht berufsmäßig ausgeübt wird. Das ist der Fall bei der Beschäftigung von Schülern, Studenten und Rentnern sowie grundsätzlich bei der Beschäftigung von Selbstständigen. Auch Hausfrauen und Hausmänner können als Erntehelfer sozialversicherungsfrei kurzfristig beschäftigt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass sie im „Fragebogen zur Feststellung der Versicherungspflicht/Versicherungsfreiheit von Saisonarbeitnehmern“ angegeben haben, wie der Lebensunterhalt bestritten wird.

Bei beabsichtigter Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen sollte sich der deutsche Arbeitgeber bereits vorab beim Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit darüber informieren, unter welchen Voraussetzungen die Bundesagentur für Arbeit (BA) einer Beschäftigungsaufnahme in Deutschland zustimmt.

Lohnsteuerpauschalierung für Aushilfskräfte

In land- und forstwirtschaftlichen Betrieben können Arbeitgeber, die Aushilfskräfte ausschließlich mit typischen land- oder forstwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigen, die Lohnsteuer mit einem Pauschalsteuersatz von nur 5 % des Arbeitslohns erheben und abführen, wodurch sich die Lohnkosten des Arbeitgebers erhöhen. Aushilfskräfte in diesem Sinne sind Personen, die auf längstens 180 Tage im Kalenderjahr für nicht ganzjährig anfallende Arbeiten beschäftigt werden, die keine land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildung absolviert haben und die auch nicht aufgrund von Vorkenntnissen in der Lage sind, eine Fachkraft zu ersetzen. Letzteres wäre der Fall, wenn die Aushilfskraft zum Beispiel selbst von einem landwirtschaftlichen Betrieb stammt. Die Pauschalierung kommt damit beispielsweise bei Erntearbeiten, Anpflanzungen oder bei einem Holzeinschlag in Betracht, dagegen nicht für das Schälen von Spargel.

Wird die Aushilfskraft daneben im geringen Umfang von maximal 25 % der Gesamtbeschäftigungsdauer mit ganzjährig anfallenden land- und forstwirtschaftlichen Arbeiten wie der Fütterung von Vieh oder der Wartung von Maschinen betraut, ist dies für die Pauschalierung unschädlich. Bei einem Einsatz in anderen – nicht typisch land- und forstwirtschaftlichen – Bereichen, wie zum Beispiel in der Verwaltung, als Verkäufer oder für Bautätigkeiten, ist die Pauschalierung mit 5 % dagegen grundsätzlich nicht möglich. Neben den vorgenannten Pauschalierungsvoraussetzungen ist darauf zu achten, dass der durchschnittliche Stundenlohn von 19 € nicht überschritten wird.

Statt der 5%igen Pauschalbesteuerung kommt für kurzfristig beschäftigte Saisonarbeitnehmer alternativ die Besteuerung nach Lohnsteuerabzugsmerkmalen (Steuerklasse I) in Betracht. Was hier steuerlich günstiger ist, sollte im Rahmen einer steuerlichen Beratung geklärt werden. Es ist auch möglich, dass der Arbeitgeber die 5%ige Pauschalsteuer durch Kürzung des Netto-Auszahlungsbetrages auf den Arbeitnehmer abwälzt.

Kurzzeitige kontingentierte Beschäftigung

Zum 1. März wurde eine – kontingentierte – neue Form der kurzzeitigen Beschäftigung für bestimmte Drittstaatsangehörige eingeführt, und zwar unabhängig vom Nachweis einer Qualifikation. Danach kann die Bundesagentur für Arbeit (BA) bei visumfreier Einreise für Kurzaufenthalte in Deutschland – ohne Beteiligung weiterer Behörden – eine Arbeitserlaubnis (von regelmäßig mindestens 30 Stunden je Woche) erteilen, und zwar für die Dauer von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen, wobei die Beschäftigung acht Monate innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten nicht überschreiten darf. In den übrigen Fällen ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels mit Zustimmung der BA erforderlich.

Weitere Voraussetzung ist, dass der Arbeitgeber tarifgebunden ist, die Arbeitnehmer zu den geltenden tariflichen Arbeitsbedingungen beschäftigt und die erforderlichen Reisekosten trägt. Zudem darf der Zeitraum für solche Beschäftigungen für den konkreten Einsatzbetrieb einen Zeitraum von zehn Monaten innerhalb von zwölf Monaten nicht übersteigen. Die Arbeitserlaubnis muss spätestens bei Beschäftigungsaufnahme vorliegen. Zu beachten ist hier, dass die Regelungen zur kurzfristigen – sozialversicherungsfreien – Beschäftigung, auch wenn deren Voraussetzungen vorliegen, keine Anwendung finden, die Beschäftigung dieser ausländischen Arbeitnehmer somit grundsätzlich zur Sozialversicherungspflicht führt.

Fazit

Auch in der Erntesaison 2024 stellt die Beschäftigung von Saisonarbeitnehmern – insbesondere aus dem Ausland – für deutsche Arbeitgeber eine große Herausforderung dar. Für die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Beratung sollten sich Arbeitgeber an den Arbeitgeberverband der Land- und Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein wenden, für die steuerrechtliche Beratung an den jeweiligen Steuerberater.

Hier finden Sie Aktuelles zum Arbeitsrecht – Beratung rund um das Geld: Beschäftigung von Erntehelfern in der Saison 2024, Teil 1.

Aktuelles zum Arbeitsrecht

Neben den sozialversicherungs- und lohnsteuerrechtlichen Aspekten muss für Saisonarbeitskräfte auch eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Regelungen beachtet werden.

Grundsätzlich gilt, dass für Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland – egal aus welchem Land sie kommen – die gleichen arbeitsrechtlichen Regeln wie für inländische Arbeitnehmer gelten.

Mindestlohn – gilt er für alle?

So ist für alle Arbeitnehmer aus dem In- und Ausland als Untergrenze der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen. Er beträgt seit dem 1. Januar 2024 12,41 € brutto je Zeitarbeitsstunde. Die einzigen Arbeitnehmer, die keinen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben, sind:

Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung

Praktikanten im Rahmen eines Praktikums mit bis zu drei Monaten Dauer zur beruflichen Orientierung vor einer Berufsausbildung oder vor Aufnahme eines Studiums

Praktikanten im Pflichtpraktikum

Arbeitnehmer in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung, sofern sie zuvor langzeitarbeitslos waren

Bei Vereinbarung eines Akkordlohns ist arbeitgeberseitig darauf zu achten, dass unabhängig von der Leistung des Arbeitnehmers immer mindestens der Mindestlohn zur Auszahlung kommt.

Arbeitszeit – was ist erlaubt?

Auch wenn in der Saison mehr Arbeit da ist, heißt das nicht, dass von den Arbeitnehmern eine längere Arbeitszeit pro Tag verlangt werden darf. Grundsätzlich gilt nach dem Arbeitszeitgesetz eine Regelarbeitszeit von acht Stunden täglich. Sie darf auf zehn Stunden pro Tag erweitert werden, wenn es ausreichende Ausgleichszeiträume gibt, sodass der Arbeitnehmer im Halbjahresschnitt täglich bei durchschnittlich acht Stunden bleibt. Mehr ist möglich, indem Betriebe bei der Staatlichen Arbeitsschutzbehörde bei der Unfallkasse Nord eine zeitlich begrenzte Ausnahmegenehmigung beantragen. Mit dieser dürfen sie dann ihre Arbeitnehmer kalendertäglich zwölf Stunden bei einer Wochenarbeitszeit von 48 Stunden arbeiten lassen. Den entsprechenden Antrag und eine Musterbegründung erhalten Mitglieder des Bauernverbands in ihrer Kreisgeschäftsstelle.

Arbeit auf Abruf – was ist Phantomlohn?

Mit „Springern“, beispielsweise an Verkaufsständen, wird oft „Arbeit auf Abruf“ vereinbart, wenn zu Saisonbeginn noch nicht feststeht, wie viele Arbeitsstunden erforderlich sein werden. Trotzdem sollte eine voraussichtliche Wochenarbeitszeit festgelegt werden. Unterbleibt dies, gilt gesetzlich eine 20-Stunden-Woche als vereinbart, und die 20 Stunden sind auch dann zu vergüten, wenn zum Beispiel nur zehn Stunden gearbeitet wurden. Hinzu kommen noch Sozialversicherungsbeiträge auf diese nicht gearbeiteten Stunden („Phantomlohn“). Das kann teuer werden, zumal diese 20-Stunden-Fiktion auch bei Minijobbern greift und zur Folge haben kann, dass diese in die Sozialversicherungspflicht rutschen.

Urlaub – wie viel und für wen?

Alle in- und ausländischen Arbeitnehmer und auch kurzfristig Beschäftigte erwerben durch ihre Arbeit Anspruch auf Urlaub, sofern das Arbeitsverhältnis durchgehend mindestens einen Monat besteht. Bei einer Sechstagewoche beträgt der gesetzliche Urlaubsanspruch zwei Tage je voll gearbeitetem Monat. Bei kurzfristig Beschäftigten mit einer Beschäftigungsdauer von drei Monaten können also sechs Tage Urlaub zusammenkommen. Es ist eine Überlegung wert, bei der Befristung des Arbeitsvertrags nicht die vollen drei Monate der sozialversicherungsfreien kurzfristigen Beschäftigung auszuschöpfen, sondern – je nach Arbeitsanfall – das Arbeitsverhältnis gegebenenfalls auf zweieinhalb Monate zu beschränken, um den Urlaub auf fünf Tage zu begrenzen. Kann der Urlaub während des Arbeitsverhältnisses nicht genommen werden, ist er mit der Schlussabrechnung abzugelten, also zu vergüten.

Für Verkaufsstände wird oft „Arbeit auf Abruf“ vereinbart. Wird keine voraussichtliche Wochenarbeitszeit festgelegt, gilt gesetzlich eine 20-Stunden-Woche als vereinbart, und die 20 Stunden sind auch dann zu vergüten, wenn zum Beispiel nur zehn Stunden gearbeitet wurden.

Kontrollen: Was darf die „Faire Mobilität“?

Regelmäßig bekommen Saisonbetriebe Besuch von Vertretern der Initiative „Faire Mobilität“ auf ihren Feldern – typischerweise während der Betriebszeit, sodass die Arbeit durch Gespräche mit den Saisonarbeitskräften unterbrochen wird. „Faire Mobilität“ ist ein Beratungsnetzwerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes, das danach strebt, die Arbeitsbedingungen für Beschäftigte aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland zu verbessern und für sie faire Löhne durchzusetzen.

Ob das Betreten der Felder durch „Faire Mobilität“ von den Betrieben geduldet werden muss, ist nicht eindeutig geregelt. Für Gewerkschaften gilt, dass ihnen nach Unterrichtung des Arbeitgebers Zugang zum Betrieb zu gewähren ist, soweit dem nicht der Betriebsablauf oder Sicherheitsvorschriften entgegenstehen. Die Vertreter der „Fairen Mobilität“ sind keine Gewerkschaftler in diesem Sinne. Sie dürfen die Flächen daher nur betreten, wenn eine Gewerkschaft, zum Beispiel die IG Bau, sie mit der Wahrnehmung ihrer Rechte beauftragt hat, wovon im Zweifelsfall auszugehen ist. Zusätzlich muss

• mindestens ein Mitarbeiter des Betriebs Mitglied der IG BAU sein und

• der Arbeitgeber oder sein Vertreter, zum Beispiel der Schichtleiter, vorher informiert worden sein.

Der Arbeitgeber kann das Betreten der Flächen verbieten, wenn zu befürchten ist, dass es zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Arbeitsablaufs führt, die für den Arbeitgeber unzumutbar ist. Dies ist zum Beispiel gegeben, wenn während der Arbeitszeit Arbeitskräfte in Gespräche verwickelt und länger von der Arbeit abgehalten werden.

Falls, was der Regelfall ist, kein Mitarbeiter des Betriebs Gewerkschaftsmitglied ist, unterliegen die Vertreter der „Fairen Mobilität“ den Regeln, die allgemein für das Betreten landwirtschaftlicher Flächen in Schleswig-Holstein gelten: Sie dürfen die Flächen nicht betreten, sondern müssen auf den Wegen verbleiben. Im Rahmen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern empfiehlt es sich, die Konfrontation zu vermeiden und stattdessen als Arbeitgeber das Gespräch mit der „Fairen Mobilität“ zu suchen – im Zweifel eher im Büro als auf der Fläche.

Arbeitsvertrag – ist das notwendig?

Vor Aufnahme der Tätigkeit empfiehlt es sich dringend, einen schriftlichen Arbeitsvertrag abzuschließen. Das Nachweisgesetz verlangt, dass alle wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich festgehalten werden. Insbesondere ist die Befristung von Arbeitsverträgen nur schriftlich möglich. Das heißt: Jeder Vertrag mit einer Saisonarbeitskraft oder einem anderen Arbeitnehmer, der nur mündlich abgeschlossen wurde, ist automatisch ein unbefristeter Arbeitsvertrag, selbst wenn die Schriftform nachgeholt wird.

Es sind zwei Formen einer Befristung möglich: zum einen die kalendermäßige Befristung, also zum Beispiel „bis zum 30. Juni 2024“, und zum anderen die Sachgrundbefristung, zum Beispiel „für die Zeit der Spargelernte“. Ein kalendermäßig befristeter Arbeitsvertrag endet, ohne dass es einer weiteren Kündigung bedarf, mit dem letzten vereinbarten Arbeitstag. Bei einer Zweckbefristung endet das Arbeitsverhältnis mit Erreichen des Zwecks, allerdings nur, wenn der Arbeitgeber zur Klarstellung zwei Wochen vor dem absehbaren Ende der Ernte den Arbeitnehmer über den Zeitpunkt der Zweckerreichung informiert.

Darüber hinaus ist eine ordentliche Kündigung vor dem eigentlichen Befristungsende nur möglich, wenn diese Möglichkeit ausdrücklich im Arbeitsvertrag festgehalten ist. Für Betriebe ist dieser Vorbehalt einer ordentlichen Kündigung besonders deswegen interessant, weil bei Arbeitsverträgen mit maximal dreimonatiger Dauer auch eine Kündigungsfrist von nur einem Tag vereinbart werden kann. Dadurch kann größtmögliche Flexibilität bewahrt werden.

Neben den allgemein erforderlichen Regelungsinhalten im Arbeitsvertrag ist für Arbeitnehmer aus dem EU-Ausland zusätzlich noch der Hinweis aufzunehmen, dass sie sich in Deutschland bei den Beratern der Initiative „Faire Mobilität“ in ihrer jeweiligen Muttersprache beraten lassen können.

Arbeitsrecht und insbesondere Arbeitsverträge sind auch für Saisonarbeitskräfte deutlich komplexer geworden. Der Arbeitgeberverband der Land- und Forstwirtschaft in Schleswig-Holstein (AGV) berät und erstellt individuelle und auch Rahmen-Arbeitsverträge.

Hier finden Sie Aktuelles zu Sozialversicherung und Lohnsteuer – Beratung rund um das Geld: Beschäftigung von Erntehelfern in der Saison 2024, Teil 2.

Was können einfache Früherkennungssysteme leisten?

0

In der Diskussion zur Weiterentwicklung der Digitalisierung und insbesondere der Datenverarbeitung in Milchviehbetrieben taucht immer wieder das Stichwort Künstliche Intelligenz (KI) auf. Es kann die Frage gestellt werden, ob es für die verschiedenen Ansätze des Precision-Dairy-Farming immer Methoden der KI bedarf. Können einfachere Methoden ebenso funktionieren, oder sind sie unterlegen?

Hierzu wurde an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eine Studie zum Einsatz einfacher Methoden aus dem Bereich der statistischen Prozesskontrolle durchgeführt, um Gesundheitsrisiken frühzeitig zu erkennen und so möglicherweise schwere Krankheitsverläufe zu vermeiden. Die Studie von Dittrich und Kollegen wurde 2022 veröffentlicht. Dahinter steckt das Ziel, das Risiko für eine Erkrankung aus Verhaltensweisen abzuleiten, diese mittels multivariater kumulativer Summen-Control-Charts zu überwachen und Gesundheitsprobleme so frühzeitig aufzudecken.

Hintergrund der Studie

Die Basis für die vorliegende Studie ist das „Sickness Behaviour“, das alle Veränderungen des Verhaltens von erkrankten Säugetieren beschreibt. Erkrankt eine Milchkuh etwa an einer Mastitis, beginnt das Immunsystem, die Erreger zu bekämpfen. Dabei werden verschiedene Botenstoffe, die Zytokine, gebildet. Sie wirken sich unter anderem auf das Verhalten aus, indem sie zum Beispiel den Appetit der erkrankten Kuh beeinflussen.

Reduzierte Futteraufnahme und folglich reduzierte Wiederkauzeiten sind typische Verhaltensänderungen, die dem „Sickness Behaviour“ zugeordnet werden. Nicht umsonst basieren viele Früherkennungssystem bereits auf dem Wiederkauverhalten. Zusätzlich zeigen sich Veränderungen in der Tieraktivität bis hin zum Ausbleiben von Brunstverhalten und entsprechend gesteigerten Ruhezeiten. Solche Veränderungen sind auch dann zu beobachten, wenn die Milchkuh nicht an einer offensichtlichen Entzündung durch eingedrungene Erreger erkrankt ist, sondern Stoffwechselerkrankungen wie Ketose beziehungsweise Klauenerkrankungen oder Verletzungen von Gewebe, zum Beispiel Technopathien, vorliegen. Wichtig ist es zu betonen, dass jede Verhaltensänderung sehr individuell ausgeprägt ist, denn jede Kuh reagiert in ihrem eigenen Maße auf eine Erkrankung.

Ruhen und Wiederkauen werden durch Erkrankungen entschieden beeinflusst. 

Tiere, Technik und Datenerfassung

Auf einem Milchviehbetrieb nahe Chemnitz wurden 480 melkende Kühe mit je zwei Beschleunigungssensoren am Halsband und am rechten Vorderbein ausgestattet. Darüber wurden die Verhaltensweisen Aktivität als Anzahl Schritte und Aktivitätsdauer, Liegen, Stehen, Futteraufnahme- und Wiederkaudauer beobachtet. Die Daten wurden im Zeitraum von September 2018 bis Dezember 2019 gesammelt. Insgesamt konnten so Daten von 618 Kühen in 791 Laktationen mit rund 140.000 Kuhtagen zusammengetragen und verarbeitet werden. Neben den Verhaltensbeobachtungen wurden alle Diagnosen des Tierarztes sowie die Dokumentation der Klauenbehandlungen des betriebseigenen Klauenpflegers berücksichtigt. Diese Dokumentation diente als Grundlage für die gesamte Entwicklung des Früherkennungssystems.

Methoden zur Früherkennung

Aus den gesammelten Daten wurde mit vergleichsweise einfachen Methoden der Statistik und statistischen Prozesskontrolle ein Algorithmus zur Früherkennung entwickelt. Dieser sollte fähig sein, die dokumentierten Erkrankungen beziehungsweise Diagnosen anhand von Verhaltensveränderungen frühzeitig, also ein bis fünf Tage früher als dokumentiert, zu erkennen. Dazu wurden die Verhaltensbeobachtungen zu Verhaltensmustern zusammengefasst. Aus den gezählten Schritten und der Aktivitätsdauer wurde das Verhaltensmuster Aktivität, aus Liegen und Stehen das Verhaltensmuster Ruhen und aus Futteraufnahme- und Wiederkaudauer das Verhaltensmuster Fressen zusammengefasst. Mithilfe eines einfachen logistischen Modells wurde aus jedem dieser Verhaltensmuster ein tägliches Risiko der Erkrankung für jede Kuh aus den gesammelten Daten abgeleitet.

Unter Nutzung dieser Erkrankungsrisiken wurden multivariate kumulative Summen-Control-Charts genutzt, um die drei Erkrankungsrisiken gleichzeitig beobachten zu können und das Überschreiten der Grenze zwischen gesund und krank zu erkennen. Diese Grenze wird im Control-Chart als Kontrollgrenze dargestellt. Die Leistung des Algorithmus wurde anschließend mittels der Größen Sensitivität, Spezifität und Falsch-positiv-Rate beurteilt. Die Sensitivität beschreibt dabei den Anteil richtig erkannter Erkrankungen. Hingegen gibt die Spezifität an, wie viele Tage ohne Diagnose erkannt wurden. Abgeleitet davon drückt die Falsch-positiv-Rate aus, wie oft Alarme an Kuhtagen erzeugt wurden, an denen keine Erkrankung vorlag.

Die Beobachtung der Aktivität liefert nicht nur Hinweise auf die Brunst, sondern auch auf bevorstehende Gesundheitsprobleme.

Ergebnisse der Studie

Der entwickelte Algorithmus war in der Lage, 70 bis 81 % aller Erkrankungen früher zu erkennen als dokumentiert. Häufig wurden ein bis zwei Tage vor der Diagnose bereits Alarme erzeugt, sodass diese Kühe früher hätten behandelt werden können. Diese Sensitivität des Algorithmus zeigte sich für alle Erkrankungen gleichermaßen.

Neben den richtig erkannten Erkrankungen ist die Beurteilung, inwiefern falsche Alarme erzeugt werden, entscheidend für die Qualität eines Früherkennungssystems. Wissenschaftliche Ansätze zielen in der Regel darauf ab, so wenig falsche Alarme wie möglich zu erzeugen. Die beschriebene Studie zielte darauf ab, dass an weniger als 10 % der beobachteten Kuhtage ein Alarm erzeugt wurde. Wie in der Tabelle zu erkennen, werden mit steigender Sensitivität mehr falsch positive Alarme erzeugt.

Eignung für die Praxis

Aufgrund der Einfachheit des entwickelten Algorithmus hat das beschriebene Vorgehen Potenzial, in der Praxis eingesetzt zu werden. Diese Einschätzung ist jedoch nur mit Einschränkungen richtig, da die Entwicklung des Algorithmus ausschließlich auf der Betrachtung historischer, sprich retrospektiver Daten basiert. Eine realistische Einschätzung bedürfte weiteren Trainings an tagesaktuellen Beobachtungen.

Nichtsdestotrotz zeigt sich innerhalb eines solchen Früherkennungssystems, welche Eigenschaften essenziell für den Einsatz in der Praxis sind. Insbesondere die Kennzahlen Sensitivität und die Falsch-positiv-Rate sind hier entscheidend. Schafft das System es nicht, einen Großteil der Erkrankungen zu erkennen, wird der praktische Einsatz durch den Verlust des Vertrauens des Landwirtes in das System gekennzeichnet sein.

Zuverlässigkeit und wenig falsche Alarme sind entscheidend dafür, dass der Einsatz gelingt. Steigt etwa die Zahl der falsch positiven Alarme, also die Falsch-positiv-Rate, stark an, so müssen nahezu täglich viele Kühe kontrolliert werden, die augenscheinlich keinerlei Erkrankung haben. Auch wenn gesunde Kühe das Ziel eines jeden Tierhalters sind, so sollte ein unterstützendes Früherkennungssystem für Erkrankung auch genau dies tun.

Fazit

Einfache Methoden, die zum Beispiel der statistischen Prozesskontrolle entlehnt sind, eignen sich für die Entwicklung einfacher Früherkennungssysteme zur Gesundheitsüberwachung. Dies zeigt die beschriebene Studie von Dittrich und Kollegen deutlich auf. Allerdings handelt es sich bei der Studie um eine Betrachtung historischer, also retrospektiver Beobachtungen. Für den praktischen Einsatz bedürfte es weiteren Trainings des Algorithmus. Nichtsdestotrotz konnte aufgezeigt werden, wie wertvoll die Verhaltensdaten aus eingesetzten Sensoren sein können und wie viel Potenzial sie für einfache und komplexe Früherkennungssysteme in sich tragen.

Marktkommentar

0

Im Kartoffelgroßhandelsgeschäft liegen die Gebote für qualitativ einwandfreie Ware auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Die Anbaubetriebe berichten, dass es laufend Anfragen nach frei verfügbaren Partien gibt. Die zur Verfügung stehenden Mengen reichen oft nicht aus, um den Bedarf der eigenen Kundschaft zu bedienen. Aktuell kann der Bedarf an Speiseware noch gut bedient werden. Die Verbraucherkurse im LEH bewegen sich auf dem Niveau des Vorjahres. Die Preise im Großhandel liegen dagegen mit 35 bis 43 €/ dt etwa 12 € über der Vorjahrespreislinie. Viele Marktbeobachter erwarten weitere Preisaufschläge, da man bezweifelt, dass die Vorräte für den Rest der Saison reichen.

Von allen Ackerfrüchten liegt der Selbstversorgungsgrad für Kartoffeln mit zuletzt 140 % an der Spitze. Deutschland ist nicht nur der flächenmäßig größte Kartoffelerzeuger in der EU, sondern auch weltweit drittgrößter Exporteur von Kartoffeln. Daher ist die aktuell knappe Versorgungslage eher ungewöhnlich. Diese Entwicklung zeigt jedoch, wie selbst ein sonst reichlich vorhandenes Nahrungsmittel plötzlich knapp werden kann.

Ein schwieriges Kartoffeljahr

Die Anbaufläche lag in Deutschland im letzten Jahr etwas unter der des Jahres 2022, jedoch im Mittel der Vorjahre. Die Wachstumsbedingungen waren durchwachsen. Einem kalten Frühjahr folgte ein heißer Sommer. Wo es möglich war, wurde Beregnung eingesetzt. Mit Beginn der Getreideernte setzten dann Regenfälle ein, die fast durchgehend bis in den Winter anhielten. In vielen Regionen blieb fast ein Drittel der Kartoffelernte auf dem Feld. Auch wenn vielfach Industriekartoffeln betroffen waren, so konnten auch ein umfangreicher Teil der Speiseware nicht geerntet werden. Dazu kam, dass die nassen Erntebedingungen der Qualität der eingelagerten Partien geschadet haben. Beim Auslagern muss bis zu einem Drittel der Ware aussortiert werden. Der relativ warme Winter war ebenfalls nicht förderlich für die Güte der eingelagerten Kartoffeln.

Infolge dieser Entwicklung stiegen die Notierungen seit Jahresbeginn stetig an. Im weiteren Verlauf sieht die Erzeugerseite Luft für weitere Notizaufschläge, vor allem zum Ostergeschäft. Der LEH reagiert bereits mit einer reduzierten Nachfrage. Kartoffeln werden nur noch in geringem Umfang mit Sonderangebotsaktionen beworben. Spätestens Ostern werden dann in vielen Geschäften Frühkartoffeln aus Ägypten und vielleicht auch schon aus Israel zu finden sein. Derzeit gibt es aber bereits Überlegungen einzelner Ketten, gleich das ganze Premium-Segment auf neue Ernten umzustellen. Gerade in Süd- und Westdeutschland wird zu Ostern mit dem Beginn der Spargelernte gerechnet. Zu diesem frühen Zeitpunkt stehen jedoch nur importierte Frühkartoffeln aus dem Mittelmeerraum als Spargelkartoffeln zur Verfügung.

Knappes Pflanzgut

Die hiesigen Kartoffelanbauer sehen in diesem Frühjahr auch im Bereich der Pflanzkartoffeln eine große Herausforderung. Es ist ungewiss, welche Mengen für die beliebtesten Sorten verfügbar sein werden. Trotz Bedenken hinsichtlich der Qualität steigen auch die Preise für die Saatkartoffeln. Die Vermehrungsbetriebe wollen jedoch versuchen, die vertraglich zugesagten Mengen zu liefern.

Marktlage für die Woche vom 4. bis 10.3.2024

Getreide: Die Talfahrt der Weizenpreise hatte sich wegen üppiger Vorräte großer Exporteure weiter beschleunigt und erreichte ein 3½-Jahrestief.

Raps: Die Rapspreise blieben unter Druck, nur vereinzelt hatten Ölmühlen noch Bedarf und zahlen Prämien.

Futtermittel: Durch das niedrigere Preisniveau wurde die Nachfrage angekurbelt, so drehten die Ölschrotpreise zuletzt ins Plus.

Kartoffeln: Die ruhige Nachfrage konnte durch die Erzeuger noch problemlos bedient werden.

Schlachtrinder: Die Preise für Jungbullen stagnierten, die für „gute Färsen“ gaben etwas nach.

Schlachtschweine/-sauen: Trotz des jüngsten Anstiegs des Schlachtschweinepreises lief der Handel ungebrochen flott.

Ferkel: Ferkel wurden weiter lebhaft nachgefragt, es kam zu Wartezeiten.

Milch: Kumuliert lag die angelieferte Menge in den ersten sieben Wochen um 1,3 % niedriger als im Vorjahreszeitraum.

Schlachtlämmer/-schafe: Das Angebot war weiter so klein, dass sich die Nachfrage zügig bedienen ließ.

Markttendenz für die Woche vom 11. bis 17.3.2024

Getreide: Die Abwärtstendenz der Preise hat etwas an Schwung verloren, es mangelt aber an unterstützenden Nachrichten.

Raps: Die Rapspreise bleiben unter Druck, Hoffnung macht der rege Abfluss von Rapsöl in den Biodieselbereich.

Futtermittel: Durch nachgebende Preise für Futtergetreide und -komponenten könnten die Mischfutterpreise weiter nach unten korrigiert werden.

Kartoffeln: Es scheint, als sei angesichts schwindender Lagerbestände noch nicht der letzte Preisaufschlag dieser Saison erfolgt.

Schlachtrinder: Im März werden mit dem näher­rückenden Osterfest Impulse vom Handel erwartet.

Schlachtschweine/-sauen: Die Schlachter und Verarbeiter verweisen auf die schwierige Weitergabe höherer Preise, aber die knappen Mengen bestimmen den Markt.

Ferkel: Marktteilnehmer gehen wegen der geringen Verfügbarkeit von weiter anziehenden Preisen aus.

Milch: Speziell die Preise für Butter ziehen deutlich an.

Schlachtlämmer/-schafe: Frühestens Mitte März dürften sich die Geschäfte deutlich beleben.

Nasse Winterquartiere schlecht für Rapsglanzkäfer

0

Der Rapsglanzkäfer mag strenge Winter mit Schnee und Frost. Diese bieten ihm beste Bedingungen, möglichst unbeschadet durch diese Zeit zu kommen. Bei starker Nässe im Winterquartier (Knicks und/oder Laubstreu von Wäldern) steigt die Tendenz des Verpilzens des ­Käfers enorm. So gesehen läuft es in diesen Wintermonaten nicht gut für ihn. Eine kurze Phase mit Schnee und Frost und danach deutlich zu warme Temperaturen mit jeder Menge Regen lassen unter Umständen nicht auf ein starkes Rapsglanzkäferjahr schließen.

Rapsglanzkäfer werden ab 8 °C im Winterquartier aktiv. Bei Temperaturen ab zirka 12 °C verlassen sie dieses. Im Gegensatz zu den Männchen, die sofort geschlechtsreif sind, führen die Weibchen erst einen notwendigen Reifungsfraß an Frühlingsblumen durch. Bei Temperaturen ab 15 °C beginnt die Besiedlung der Rapsfelder. Aus Sicht des Landwirts ist eine einmalige Zuflugphase wünschenswert. Das macht die Terminierung einer eventuell notwendigen Bekämpfung einfacher.

Raps ist vielerorts die Haupttracht der Bienen. Der Bienenschutz hat oberste Priorität.

Bei wechselhafter Witterung mit kühlen Abschnitten oder starken Winden kann sich der Zuflug aber auch über einen längeren Zeitraum erstrecken. Dann gilt es, die Nerven zu bewahren. „Alles voller schwarzer Käfer“ ist kein Spritzargument. Erst das Auszählen der Käfer pro Pflanze, auch in der Fläche und nicht nur am Vorgewende, entscheidet über eine Maßnahme. Somit heißt es, Bekämpfungsschwellen zu ermitteln, den Zustand des Rapses einzuschätzen und vor allem die Folgewitterung in die Entscheidung einzubeziehen.

Entwicklungsstadium der Knospe entscheidend

Der Rapsglanzkäfer fällt optisch ins Auge, sodass der Käfer in der Wahrnehmung häufig überbewertet wird. Das Entwicklungsstadium der Knospe spielt zusätzlich eine wichtige Rolle für das Ausmaß des Schadens. Das Ziel des Käfers ist der Pollen. Somit ist der Schaden umso größer, je kleiner die Knospen sind. Sind hingegen die Knospen geöffnet, kann der Käfer sich frei am Blütenpollen bedienen, und die Schadwirkung ist gering. Nur bei wirklich sehr starkem Rapsglanzkäferdruck mit mehreren Zuflugwellen verursachen auch die geschlüpften Larven in der Blüte noch Schäden.

Herrscht nach dem Zuflug der Käfer eine Ostwetterlage mit kaltem Wind vor, so wie im vergangenen Jahr, dann wandern die Käfer in die tiefer gelegenen Seitenknospen ab, wo es geschützter und somit wärmer ist. Tritt dann witterungsbedingt abiotische Knospenwelke an den Haupttrieben auf, können die Rapsglanzkäfer an den Seitenknospen doch Schadpotenzial entwickeln. Hier sollten die Bestände genau kontrolliert werden.

Beim Rapsglanzkäfer hat die metabolische Resistenz gegen Py­rethroide in den vergangenen Jahren weiter zugenommen. Zusätzlich muss man inzwischen auch von einer beginnenden Resistenz gegen den Wirkstoff Acetamiprid (Mospilan SG, Danjiri) sprechen.

Sind erste Knospen geöffnet, versammeln sich dort die Käfer, da sie ungehindert an den Pollen kommen.
Die Rapsglanzkäfer suchten 2023 tiefer gelegene Seitenknospen auf und verursachten dort Schäden.
Abiotische Knospenwelke durch Nachtfrost

Schlupfwespen als Nützlinge

Nützliche Insekten tragen ebenfalls zur Bekämpfung von Rapsschädlingen bei. Bodenräuber wie räuberische Laufkäfer, Kurzflügler und Spinnen ernähren sich von zur Verpuppung abwandernden Larven. In der Blüte sind Schlupfwespenarten (Tersilochus ssp., Phradis ssp.) aktiv, die die Larven des Rapsglanzkäfers besiedeln und dort ihrerseits ihre Eier ablegen. Somit beeinflusst ein Insektizideinsatz nicht nur das eigentliche Zielobjekt.

Bei der geringen Anzahl von verfügbaren Wirkstoffen/Produkten kann man nicht wirklich von einer Bekämpfungsstrategie sprechen (siehe Übersicht).

Erfolgt noch bekämpfungsrelevanter Zuflug der Stängelschädlinge und treten gleichzeitig Rapsglanzkäfer in bekämpfungswürdigem Umfang auf, sollte Trebon 30 EC (B2; Pyrethroid Typ I) zum Einsatz kommen. Mavrik Vita/Evure (B4; Typ I) hat gegen die Stängelschädlinge keine Zulassung. Hier ist das Zielobjekt der Rapsglanzkäfer. Die Produkte Mospilan SG/Danjiri (B4; Neonicotinoid) als Möglichkeit zum Wirkstoffwechsel dürfen nur bis ES 59 (erste Blütenblätter sind im Bestand sichtbar, Blüten sind noch geschlossen) zum Einsatz kommen.

Tipps zum Pflanzenschutzeinsatz

Grundvoraussetzung ist die Ermittlung der Bekämpfungsschwelle durch Auszählen der Käfer auf der Pflanze. Eine Vielzahl von schwarzen Käfern erzeugt oft Irritationen und suggeriert sofort nötiges Handeln. Bei genauer Auszählung relativiert sich dies häufig. Befall in Knicknähe ist deutlich höher als im Schlag. Eventuell reicht dann auch eine Randbehandlung.

ES 59 bedeutet, dass erste Blütenblätter sichtbar, die Blüten aber noch geschlossen sind. Der Raps erhält quasi schon einen ersten gelben Schimmer, ohne dass die Blüten offen sind.

Bei der Wahl des Behandlungszeitpunkts ist die anschließende Folgewitterung einzubeziehen. Der Spritzzeitpunkt entscheidet besonders bei den Pyrethroiden über Erfolg oder Misserfolg. Hier gilt es, die Nerven zu behalten. Der Zuflug muss erst zugelassen werden. Wenn drei Tage warmes Wetter angekündigt sind und danach kühle Witterung einsetzt, ist die Spritzung zum Ende des dritten Tages zu terminieren. Die nachfolgenden niedrigeren Temperaturen sorgen dafür, dass kein neuer Zuflug von Käfern in den Bestand erfolgt.

Die als Kontaktinsektizide fungierenden Pyrethroide Trebon 30 EC und Mavrik Vita/Evure bekämpfen die aktuell im Raps befindlichen Rapsglanzkäfer. Mit neuem Zuflug, besonders bei warmem Wetter, tun sich beide schwer. Hinzu kommt, dass niedrigere Temperaturen den Abbau der Pyrethroide auf der Pflanze verlangsamen, die Wirkungsdauer verlängert sich also.

Fazit

Ein Wirkstoffwechsel ist kaum noch möglich, somit verschärft sich die Resistenzsituation bei den Pyrethroiden immer mehr. Je nach Auftreten sind die einzelnen Schädlinge unterschiedlich betroffen. Ein Pyrethroideinsatz gegen den Rapsglanzkäfer betrifft einerseits auch spät zufliegende Kohltriebrüssler und andererseits früh auftretende Kohlschotenrüssler. Zusätzlich befinden sich ganzjährig Rapserdflöhe im System. Diese Tiere sind dann alle als Nebeneffekt von der eigentlichen Maßnahme betroffen. Das fördert aufgrund der Selektion Resistenzen. Die Anwendungshäufigkeit ist der Motor der Resistenzgeschwindigkeit.


Bekämpfungsschwelle

Die Bekämpfungsschwelle beim Auftreten von Rapsglanzkäfern richtet sich nach dem Entwicklungsstand des Rapses. Je kleiner die Knospe, umso größer der Schaden. Vorschädigung des Rapses sollten in die Beurteilung mit einfließen.

Ermittlung der Bekämpfungsschwelle durch Abklopfen des Haupttriebes (ab Knospenbildung bis Blühbeginn)

Behandlung bei mehr als zehn Käfern pro Haupttrieb (bei schwachen Beständen mehr als fünf Käfer pro Haupttrieb)


Bienengefährlichkeit

B1: kein Einsatz bei blühenden oder von Bienen beflogenen Pflanzen

B2: bei blühenden oder von Bienen beflogenen Pflanzen Einsatz nur nach dem täglichen Bienenflug bis 23 Uhr möglich

Bei Kombination mit Ergosterol-Biosynthese-Hemmern kommt es zur Veränderung der Bienengefährlichkeit (B2 oder B1!).

Nach guter fachlicher Praxis sollte die Kombination zweier B4-Insektizide unterbleiben, da diese in puncto Bienengefährlichkeit als B1 betrachtet werden.

NN410 bedeutet: Zum Schutz von Bestäuberinsekten sollte ein Einsatz von B4-Insektiziden in den Abendstunden erfolgen, der Einsatz ist die ganze Nacht möglich.

Anmerkung: Nach der PflSchutzAnwVO dürfen in Naturschutzgebieten keine Insektizide (B1, B2 und NN410) ausgebracht werden.


Mehr Eier in Deutschland verzehrt

0

In Deutschland werden wieder mehr Eier gegessen. Wie das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) auf Grundlage vorläufiger Daten mitteilte, stieg der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch 2023 gegenüber dem Vorjahr um sechs Stück auf 236 Eier.

In den Jahren 2020 und 2021 war der Verzehr von Eiern rückläufig gewesen. Der Nahrungsverbrauch insgesamt – einschließlich der Eier in eihaltigen Produkten wie Backwaren oder Nudeln – lag bei 19,92 Milliarden Stück; das waren 3 % mehr als 2022. Den größeren Bedarf führt das BZL einerseits auf die gewachsene Bevölkerungszahl zurück, andererseits auf ein verändertes Verbraucherverhalten. 2022 waren die Preise für Eier im Handel sowie für eihaltige Produkte spürbar gestiegen und hatten eine Kaufzurückhaltung ausgelöst. 2023 war die Teuerung teilweise nicht mehr so stark ausgeprägt wie bei anderen Nahrungsmitteln. Auch flexitarische Ernährungsweisen mit weniger Fleisch, aber mehr Eiern könnten einen Einfluss gehabt haben.

Dem gestiegenen Verbrauch stand 2023 eine erstmals seit Jahren rückläufige inländische Konsumeierzeugung gegenüber. Das Eieraufkommen sank im Vorjahresvergleich um knapp 1 % auf 14,64 Milliarden Stück. Grund hierfür waren der leicht auf 50,3 Millionen Tiere gesunkene Legehennenbestand sowie eine etwas schwächere Jahreslegeleistung, die im Schnitt um ein halbes Ei auf 291,4 Stück abnahm. Laut BZL hatte hierauf auch die vermehrte Freilandhaltung mit einer etwas geringeren Legeleistung einen Einfluss. Der Selbstversorgungsgrad ist um 2,8 %-Punkte auf 72,8 % zurückgegangen.

Die geringere Eigenerzeugung bei gewachsener Nachfrage hat 2023 die Importe von Schaleneiern gegenüber dem Vorjahr um knapp 8 % steigen lassen. Bei Eiprodukten wie Vollei, Eigelb und Eiweiß legte die Einfuhr um 4 % zu. Dem BZL zufolge stammten 75 % der Importe von Schaleneiern aus den Niederlanden, gefolgt von Polen mit 12 % sowie Dänemark und Belgien mit jeweils 3 %. Erstmals trat Rumänien mit rund 3 % der Lieferungen als Herkunftsland in Erscheinung. Aufgrund der größeren Nachfrage im Inland, vor allem nach Eiern ohne Kükentöten, sanken die deutschen Ausfuhren von Eiprodukten um knapp 19 %, die von Schaleneiern um 4 %. age

Mit Mut zum Neuanfang am Meer

0

Früher lebte Diana Hauschildt in der pulsierenden Großstadt Hamburg, vertrieb und vermarktete erfolgreich dänische Lifestyleprodukte. Heute ist sie auf der Halbinsel Eiderstedt in der beschaulichen 320-Seelen-Gemeinde Kirchspiel Garding zu Hause und in St. Peter-Ording mit dem Angebot „Lass uns MEER erleben“ als Natur-Coachin aktiv. Zum Internationalen Frauentag traf das Bauernblatt eine starke Frau, die einen Neuanfang wagte und auch anderen Mut zur Veränderung machen will.

Gummistiefel, wetterfester Parka und Mütze dürfen nicht fehlen, wenn die Natur-Coachin zu ihren Touren aufbricht. Die gebürtige Husumerin kam nach verschiedenen beruflichen Stationen und Jahren im In- und Ausland wieder in die alte Heimat zurück. An diesem Morgen möchte sie bei einem Spaziergang auf dem Strandabschnitt Ording ihre Arbeitsweise vorstellen.

Gummistiefel sind das Markenzeichen der Natur-Coachin.

Zunächst geht es eine kleine Anhöhe hinauf, bis die Weite des Strandes und das auflaufende Meer in den Blick kommen. Himmlisch! Eine Möwe kreischt, eine leichte Brise weht, die Sonne scheint und in der Ferne ist das Rauschen der Wellen zu hören. Diana Hau­schildt bleibt an einer Markierung stehen. „An dieser Schwelle empfehle ich den Teilnehmenden meiner Touren, die Smartphones auszuschalten und erst einmal zu schweigen. So können sie sich am besten mit der Natur, die sie umgibt, verbinden“, erklärt sie und geht gemächlich weiter. „Langsam ist das neue Schnell, sage ich ihnen, wenn sie meinen, besonders zügig laufen zu müssen“, ergänzt sie schmunzelnd. Wir betreten einen Holzbohlenweg, der sich nach einer Weile nach rechts und links gabelt. „So wie im Leben, bei dem es manchmal entweder in die eine oder andere Richtung gehen kann“, sinniert Diana Hauschildt.

Monatlich bietet sie hier zum Sonnenaufgang einen zweistündigen Strandspaziergang unter dem Motto „Ein Morgen für das Ich“ mit bis zu fünf Teilnehmenden an. „Ich begleite die Gruppe mit angeleiteten Übungen und Meditationen für eine bessere Naturwahrnehmung. Ich lade sie ein, sich von der Hektik des Alltags zu lösen und sich auf eine Reise zu begeben, die sie in Einklang mit der Natur und ihrer inneren Kraft bringt“, erläutert sie. Noch einige Schritte, dann stoppt sie erneut. „Hier bitte ich die Spaziergänger, sich 15 Minuten dem Sammeln von Natursymbolen zu widmen. Das können beispielsweise Steine, Muscheln, Federn, Schnecken oder etwas ganz anderes sein, das ihnen ins Auge fällt und sie intuitiv anspricht.“ Später werde sie auflösen, was es damit auf sich habe. Alle Sinneseindrücke bewusst wahrnehmend, spazieren wir weiter und die 46-Jährige erzählt darüber, was Natur-Coaching eigentlich ist. „Natur-Coaching ist Coaching in und mit der Natur, ob am Meer, auf dem Deich, im Wald oder in den Bergen. Es ist beeindruckend, wie sehr der Aufenthalt in der Natur die Bearbeitung von privaten und beruflichen Fragestellungen unterstützen kann. Die körperliche Bewegung fördert dabei ebenso die geistige und emotionale Beweglichkeit.“ Entspannung, Zufriedenheit, positive Gefühle und Gedanken stellten sich ein, zündende Ideen könnten fließen. Diese subjektiven emotionalen und mentalen Wirkungen bestätigten auch Forschungen aus der Naturpsychologie. „In der Natur liegt die Weisheit. Sie ist der ideale Ort, um Einstellungen zu erweitern und Altvertrautes aus einem neuen Blickwinkel zu sehen“, ist die Natur-Coachin überzeugt.

Meererleben ist: … mit geschlossenen Augen der Struktur auf der Schalenhälfte einer Muschel nachzuspüren.

Diese Erfahrung machte sie auch selbst. 15 Jahre übte sie mit Elan, Herzblut und Passion eine berufliche Tätigkeit mit Führungsverantwortung in der Interieur-Branche aus. Doch gleichzeitig sehnte sie sich nach ihren Wurzeln in Nordfriesland. „Ich war regelmäßig dort, mietete dann eine Ferienwohnung, aber irgendwann hatte ich den Wunsch nach einem Zweitwohnsitz.“ Im Tümlauer Koog fand sie 2018 eine Wohnung und pendelte fortan zwischen zwei Welten: dem schnellen Großstadtgetöse in Hamburg und dem entschleunigten Leben im Koog. Veränderungen am Arbeitsplatz rund um die Corona-Pandemie veranlassten sie, ihr bisheriges Leben gründlich auf den Prüfstand zu stellen. „Das tägliche System von immer schneller, höher, weiter tat mir nicht gut. Ich wollte kein Teil mehr davon sein“, schaut sie zurück. In ihrem Inneren sei die Frage aufgetaucht: Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?

Noch legte sich kein konkreter Weg unter ihre Füße, aber im Vertrauen auf sich kündigte Diana Hauschildt die Hamburger Wohnung und verließ die Firma, für die sie bis dahin in Festanstellung tätig gewesen war. Im Februar 2022 begründete sie mit ihrem Partner einen neuen Lebensmittelpunkt in Kirchspiel Garding. „Es fiel mir anfänglich schwer, von 180 Umdrehungen auf null herunterzufahren und aus dem Hamsterrad auszusteigen“, gesteht sie. Acht Wochen nahm sie sich Zeit, um darüber nachzudenken, was sie jetzt mit ihrem Leben anfangen wollte. Als Morgenmensch ging sie jeden Tag zum Sonnenaufgang an den Strand, ins Watt oder an die Deichkante. Sie genoss die Weite und Stille und spürte, dass diese Spaziergänge ihr guttaten, dass sie ihre Gedanken ordneten und Kreativität zum Fließen brachten. Etwas mit der Natur und mit Menschen zu machen, in und für die geliebte Heimatregion etwas zu bewirken und aufzubauen, dieses Ansinnen kristallisierte sich bald deutlich heraus.

Beim Natur-Coaching taucht Diana Hauschildt achtsam in die Natur ein und nützt sie als Zugang zu wahren Bedürfnissen und verdeckten Ressourcen.

Sie recherchierte im Internet und fand ein Weiterbildungsangebot zum zertifizierten integrativen Natur-Coach bei Trainerin Katja Dienemann im baden-württembergischen Wilhelmsfeld, welches sie sofort ansprach. Schon wenig später nahm sie mit Freude und Entdeckergeist daran teil. Sie entwickelte eine eigene Natur-Coaching-Methode, bei der man mit Elementen der Natur und Achtsamkeit in Veränderungsprozesse und in Verbundenheit mit sich selbst kommen kann. Als frischgebackene Natur-Coachin und Gründerin von „Lass uns MEER erleben“ startete sie schließlich 2023 mit einem vielfältigen Angebot für Einzelpersonen, Gruppen und Teams in die Selbstständigkeit. Daneben fand sie als Koordinatorin eines Familienzentrums der Diakonie eine Teilzeitbeschäftigung.

Heute führt sie ein sinnerfülltes Leben im Einklang mit den eigenen Wünschen, Gefühlen und Ressourcen und hat ihr Gleichgewicht zwischen Stabilität und Wachstum gefunden. All das will die Nordfriesin ebenfalls anderen Menschen vermitteln, die mehr Klarheit für ihren weiteren Weg wünschen. „Ich möchte ihnen helfen, den inneren Kompass neu auszurichten und den eigenen Leuchtturm zu entdecken, der ihnen Orientierung für ihren Weg gibt und sie nicht das Ziel aus den Augen verlieren lässt, wenn der Seenebel des Alltags sie umgibt.“

Meererleben ist: … die Einladung, Natursymbole als Wegweiser für die eigene Entwicklung zu erkennen.

Mittlerweile sind wir am Meer angekommen. Diana Hauschildt lehnt sich für ein Foto an einen Holzpfahl in der Brandung. Wieder aus dem Nass, erzählt sie, warum Natursymbole im Coaching bedeutsam seien. „Sie können als wertvolle Wegweiser, Metaphern oder Projektionsfläche verstanden werden. Eine gefundene Möwenfeder kann vielleicht dafür stehen, dass ich wieder mehr Leichtigkeit in mein Leben bringen will. Das leere Schneckenhaus könnte einen Neuanfang symbolisieren.“ Mit einer Gruppe wäre sie jetzt weiter an den Pfahlbauten vorbei in Richtung Ording-Nord unterwegs, würde Achtsamkeitsübungen machen, den einen oder anderen „Gedankenanstupser“ geben und danach über das Meererleben reden. Damit würde sie den Teilnehmenden ermöglichen, gewonnene Erkenntnisse später auch in den Alltag zu integrieren. Wir kürzen das Programm etwas ab und kehren mit vom Nordseewind geröteten Wangen zum Parkplatz zurück. Schön war’s – inspirierend, erstaunlich und unerwartet. Diana Hauschildt streicht sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelt zufrieden. Auch andere möchte sie inspirieren, einen Neuanfang zu wagen, wenn die Zeit dafür reif ist. „Ich bin bewusst meinem Herzen gefolgt und habe so das Glück am Meer gefunden“, resümiert sie. Weitere Informationen unter ­lassunsmeererleben.de und bei Instagram: @lassunsmeererleben

Mit Elan und Begeisterung in die neue Saison

0

Noch befinden sich die Villa Wachholtz sowie die weiteren Ausstellungsräume und der Skulpturenpark der Herbert-Gerisch-Stiftung in Neumünster offiziell in der Winterpause. Doch wird schon hinter den Kulissen fleißig an den neuen Ausstellungen des Jahres und am Rahmenprogramm gearbeitet, um dann am 24. März mit großem Elan und voller Begeisterung in das Ausstellungsjahr 2024
zu starten.

„Und wir starten reich beschenkt in das neue Jahr“, erklärte die Stiftungsvorsitzende Brigitte Gerisch bei Vorstellung des Jahresprogramms. So gab es gleich mehrere Schenkungen, „die unsere Sammlungen wunderbar ergänzen“. So spendete die Werkstatt für Bildhauerei Niels Dietrich aus Köln erneut ein Konvolut an Arbeiten des Keramikkünstlers Norbert Prangenberg. Fünf außergewöhnliche Skulpturen sowie sechs farbenfrohe Aquarelle ergänzen fortan den Bestand seines Werkes in der Stiftung.

Mit einer besonderen Schenkung überraschte Ilse Kütemeier, die Witwe des bedeutenden, 2013 verstorbenen Steinbildhauers Klaus Kütemeier, die Stiftung: In Verbindung mit dem Erwerb einiger seiner Arbeiten wird der Park um eine monumentale Außenskulptur aus dem Nachlass des Künstlers reicher. „Geplant ist, das Werk zu einem späteren Zeitpunkt würdigend vorzustellen“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Herbert-Gerisch-Stiftung, Yanine Esquivel.

Und noch eine weitere Schenkung sorgt für Freude, die in Bezug zu einer Ausstellung im Jahr 2008 steht: Die Erbengemeinschaft Breloh schenkt der Stiftung vier Werke aus dem Nachlass des Künstlers Heinz Breloh, die zusammen mit erworbenen sowie Leihgaben in der diesjährigen großen Sommerausstellung gezeigt werden. „Der Familie Breloh war es immer wichtig, dass das künstlerische Wirken Heinz Brelohs neben Standorten in Köln oder Bochum auch hier im Norden sichtbar wird“, erläuterte Brigitte Gerisch. Seine „Skulptur als Körperspur“ entstand im wahrsten Sinne des Worte mit vollem Körpereinsatz und war 2008 erstmals in der Gerisch-Stiftung zu sehen. „Meine Arbeit geht intensiv der Frage nach, wie heute figurative Skulptur entstehen kann. In einem dialogischen Prozess zwischen der realen oder gedachten Bewegung meines Körpers und den Vorstellungen vom Körper als Plastik entstehen dreidimensionale Reflexionen der bildnerischen Existenz“, soll Heinz Breloh 1997 selbst über seine Arbeit gesagt haben. Er verstarb 2001 in Köln.

Messing-Guss von Manfred Sihle-Wissel nach einem Gips von 1970

Den Start in den Ausstellungsreigen macht am Sonntag, 24. März, um 12 Uhr der in Estland geborene Bildhauer und Maler Manfred Sihle-Wissel. Zu Ehren seines 90. Geburtstages widmet ihm die Stiftung eine große Jubiläumsausstellung, die der Künstler ganz nach seinen eigenen Vorstellungen und mit seinen Wunscharbeiten gestalten darf. In „Sihle-Wissel XC“, so der Titel der Ausstellung, wird die ganze Bandbreite seines Lebenswerkes zu sehen sein, und das in der kompletten Villa, also sowohl in den klassischen Ausstellungsräumen im Obergeschoss wie auch im Café Harry Maasz. „Es ist das erste Mal, dass wir eine Ausstellung in dieser Konstellation präsentieren“, so Brigitte Gerisch. Zu sehen sein werden Bronzen, Aquarelle, Collagen, Reliefarbeiten und Holzschnitte. Zur Eröffnung erscheint ein „Album“-Katalog und es wird am Donnerstag, 18. April, um 18 Uhr ihm zu Ehren ein Art-Dinner geben. Informationen dazu sowie zu allen anderen Ausstellungen und Veranstaltungen gibt es auf der Internetseite der Stiftung unter gerisch-stiftung.de

Ebenfalls am 24. März überraschen Studierende der Muthesius-Kunsthochschule Kiel in der Galerie, in der Remise sowie im Souterrain mit ihren Arbeiten „reflections“. „Wir werden uns überraschen lassen, wie und womit sie die Räumlichkeiten gestalten werden. Wir wissen nur, dass sie sich künstlerisch mit der Geschichte der Herbert-Gerisch-Stiftung, des Parks und der Umgebung auseinandergesetzt haben. Dabei geht es immer um das Thema Reflexion“, erläuterte Yanine Esquivel. Im vergangenen Jahr haben die Herbert-Gerisch-Stiftung und die Galerie Rainer Gröschl aus Kiel zum ersten Mal den mit 10.000 € dotierten, länderübergreifenden Kunstpreis G+G Art Award Nord ausgelobt. Jetzt zeigen der Preisträger Villiam Miklos Andersen und die neun Finalistinnen und Finalisten des Kunstpreises ihre aktuellen Arbeiten parallel in der Galerie Rainer Gröschl in Kiel und in der Villa Wachholtz in Neumünster. Die Eröffnung findet am Sonntag, 28. April, in der Galerie Rainer Gröschl in Kiel statt.

Die Sommerausstellung mit der großen Werkschau „Die Spur des Bildhauers – Wiedersehen mit Heinz Breloh“ widmet sich allen Schaffensphasen des Kölner Bildhauers Heinz Breloh und zeigt sein breites Spektrum von der Film- und Fotokunst aus den 1970er Jahren über großformatige Gipsplastiken bis hin zu sinnlichen Keramiken der 1990er Jahre. Auch hierzu wird es einen Katalog sowie ein Art-Dinner geben.

Bronzefigur aus dem Jahr 1991 von Heinz Breloh

Schulen und Schüler im Land können sich wieder auf das museumspädagogische Programm unter Leitung von Wilhelm Bühse freuen. „Dazu erwarten wir wieder zahlreiche Schulklassen und Kindergartengruppen im Rahmen von ,Kunst trifft Schule‘ und ,Kunst trifft Schule digital‘, darauf freue ich mich schon sehr“, so Bühse. Ergänzt werden die Ausstellungen und die Museumspädagogik durch ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm, mit Teilnahmen an Festen und Ausstellungen in und um Neumünster, mit Lese- und Filmabenden und vielen weiteren Terminen.

Unumgänglich sind Bau- und Sanierungsarbeiten an der Fassade der Villa und an der Galerie-Terrasse. Diese wurde bereits seit September des vergangenen Jahres komplett neu gestaltet und wird künftig als sechster Ausstellungsort Besuchern über die Treppe aus dem Park zugänglich gemacht. „Ein Baufehler aus den 1960er Jahren führte immer wieder zu Wasseransammlungen. Die Terrasse war wie eine Badewanne ohne Abfluss“, erklärte Hans-Ulrich Hölk, stellvertretender Vorsitzender im Stiftungsvorstand und Sohn von Brigitte Gerisch, der die Bau- und Sanierungsarbeiten betreut. Und auch die Villa komme in die Jahre, besonders die Fassade, die nach Absprache und mit Zustimmung der Denkmalschutzbehörden 2025 saniert werden soll. „Dazu laufen aktuell noch Gespräche“, sagte Hölk, der davon ausgeht, dass alle Maßnahmen im kommenden Jahr ausgeführt werden können, damit die Villa rechtzeitig zum 25-jährigen Bestehen der Stiftung 2026 im neuen Glanz erstrahlt.

Farbenfrohes Aquarell von Norbert Prangenberg
Fotos: Gerisch Stiftung
Hans-Ulrich Hölk, Brigitte Gerisch, Yanine Esquivel und Wilhelm Bühse (v. li.) auf der neu gestalteten Terrasse.
Foto: Iris Jaeger
Villiam Miklos Andersen, Consignment Nr. 13 (Earthly Delights), 2021
Vorschaubild zur Ausstellung „reflections“
Tapisserien, Collagen, Grafiken, Malerei und Skulpturen von Jiri Tichy in Passau, Foto: MMK Passau
Nach dem Umbau ist die Terrasse fortan für die Besucher von der Treppe aus dem Park zugänglich


Cyanblaue Interventionen

0

Wer sich ab kommendem Sonnabend, 9. März, auf den historischen Rundgang in Schloss Gottorf begibt, wird sein (cyan)blaues Wunder erleben. Denn das ist die bevorzugte Farbe von Konzeptkünstlerin Anja Schindler, mit der sie in einen Dialog zu der Ausstellung, den Räumlichkeiten und der Historie tritt und die sie mit ihren gefärbten Objekten widerspiegelt – ein Spiegel der Welt. So lautet auch der Titel der Ausstellung, die bis zum 6. Oktober zu erleben ist.

Zwei Jahre lang hat sich Anja Schindler auf diese Ausstellung vorbereitet, Schriften und Bücher studiert, recherchiert, sich tief in die Geschichte des Schlosses und des Landes zu Zeiten Herzog Friedrich III. eingearbeitet. Insgesamt 20 Installationen über zwei Etagen verwandeln die Gottorfer Dauerausstellung im historischen Rundgang.

Foto: Iris Jaeger

In jedem Raum gibt es etwas Neues zu entdecken, das neugierig macht auf das, was sie mit ihren Interventionen widerspiegelt. „Dadurch wird man auch immer wieder auf Objekte aufmerksam gemacht, die man vorher so noch nicht gesehen hat. Das ist es, was Kunst kann – den Blick zu öffnen und Horizonte zu orten“, sagte Kurator der Ausstellung, Dr. Ingo Borges. „Anja Schindlers Objekte und vielteilige Arrangements in leuchtendem Cyanblau laden zur Auseinandersetzung mit der barocken Glanzzeit des Gottorfer Hofes im 17. Jahrhundert unter Herzog Friedrich III. und seinen Nachfolgern ein“, lautet die Beschreibung.
Von der Mitte des 17. bis ins frühe 18. Jahrhundert war die Residenz der Herzöge und Herzoginnen von Schleswig-Holstein-Gottorf eine in ganz Europa berühmte Stätte des Wissens, der bildenden Kunst, Musik und Gartenkunst. Insbesondere die kostbare Bibliothek, die reiche Kunst- und Wunderkammer, der Terrassengarten mit seiner legendären Pflanzensammlung und der begehbare Riesenglobus zogen Bewunderer an. Die Atmosphäre jener Zeit hat Anja Schindler in eine eigene aktuelle Bildsprache umgesetzt und die barocken Ideen in Form von künstlerischen Interventionen an den Originalschauplätzen neu interpretiert.

Foto: Iris Jaeger

Einst wollte man mit den Kunst- und Wunderkammern die ganze Welt in einen Raum holen, erforschen und verstehen. Die versammelten Objekte spiegelten den (damals bekannten) Kosmos wider. Nun entsteht durch Anja Schindlers Werke ein neuer Spiegel der Welt. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft treten in Dialog. Besucherinnen und Besucher des Schlosses können sich entlang der leuchtend blauen Kunstinstallationen über zwei Stockwerke auf eine Entdeckungsreise begeben.

Die erste große Installation findet sich in der Gotischen Halle. Mit ihr knüpft Anja Schindler an die ehemalige Nutzung dieses Raumes an: Um 1500 entstanden, wurde der Saal im 17. Jahrhundert als Hofbibliothek genutzt. Eine große und überaus kostbare Büchersammlung wurde hier aufbewahrt. Einen besonderen Schatz der Bibliothek stellte der Gottorfer Codex dar. Dies ist ein vierbändiger Pflanzen- und Blütenatlas von 1649/59 mit 1.180 Pflanzenbildern. Anja Schindler erinnert daran mit ihren in Öl eingelegten Pflanzen-Zeichnungen auf alten Dokumenten und den in Gläsern konservierten Früchten und Pflanzenteilen. Auch auf die Wurzeln der Pflanzen nimmt sie Bezug, „da sie wie Fäden in die Welt gehen“, so die Künstlerin. Cyanblau sei eine Farbe, die es so in der Natur nicht gebe und die somit funktioniere, Dinge hervorzuheben, ihnen Leben einzuhauchen und sie mitunter auch überzeichnet in den Kontext zu stellen, so die Künstlerin, die ihre Objekte damit bemalt, besprüht, lackiert oder sie in die Farbe eintaucht. „Ihre dreidimensionalen Stillleben schlagen eine Brücke vom Barock ins Heute, ihre Arbeiten sind Akkumulationen von Dingen, die abseits ihrer materiellen Realität von der wissenschaftlichen Neugier und dem Forschungsdrang der Vergangenheit zeugen, von einer immerwährenden Suche nach Schönheit. Wir sind zum Staunen und Bewundern eingeladen, ein verlockendes Angebot“, findet Kurator Dr. Ingo Borges.

Foto: Luise Lentfer
Konzeptkünstlerin Anja Schindler
Foto: Iris Jaeger
Foto: Iris Jaeger
Foto: Iris Jaeger
Foto: Luise Lentfer
Foto: Luise Lentfer
Foto: Iris Jaeger
Foto: Iris Jaeger
Foto: Iris Jaeger
Foto: Iris Jaeger
Foto: Iris Jaeger


Uneingeschränkter Spaß

0

Menschen mit Handicap zu integrieren ist auf dem GreenTec-Campus im nordfriesischen Enge-Sande längst nicht mehr nur eine gute Absicht, sondern seit vergangenem Jahr Realität. Und das in einer Sportart, die in Schleswig-Holstein noch nicht weit verbreitet ist, für die der GreenTec-Campus aber ebenfalls Vorreiter ist: Padel, ein Mix aus Tennis und Sqash. Das paddelartige Aussehen des Schlägers gab der Sportart den Namen.

Seit mehr als drei Jahren wird in Nordfriesland gepadelt und das Padelfieber greift „da oben im Norden“ immer weiter um sich. Und da sich der GreenTec-Campus mit Geschäftsführer Marten Jensen nicht nur der Nachhaltigkeit und dem Klima- und Naturschutz durch Voranbringen Erneuerbarer Technologien verschrieben hat, sondern auch soziale Faktoren in den Vordergrund stellt, lag es nahe, über Inklusion nicht nur zu reden, sondern sie zu leben.

Beim Padel wird im Doppel auf Kunstrasen gespielt, der mit feinem Quarzsand ausgestreut ist. Die Regeln orientieren sich am Tennis.

„Ausschlaggebend für die Gründung der Inklusions-Padelgruppe war ein Bericht über Inklusion beim Tennis“, erzählt Andrea Jensen, die die Gruppe ins Leben gerufen hat. „Der Padel-Platz ist allseitig umschlossen, so kommt es seltener vor, dass der Ball sehr weit wegfliegt. Und durch den Rückprall bekommen die Spielenden eine zweite Chance. Besonders für inklusive Gruppen ist das ein Riesenvorteil“, so Jensen. Und es wurde mit Melf Nicolaisen extra ein Inklusions-Sportkoordinator eingestellt, der die Gruppe betreut, trainiert und das Inklusions-Angebot weiter ausbauen möchte. „Der Bedarf ist vorhanden und die Nachfrage danach groß“, so Melf Nicolaisen. Zwar habe es mehr als zwei Jahre gedauert, die Außen-Anlage in Enge-Sande als Förderprojekt barrierefrei zu gestalten, aber dieses Frühjahr solle es richtig losgehen. Bis dahin wird, wie schon den ganzen Winter über, in der Padel-Halle in Leck gespielt.

Inklusions-Sportkoordinator und Padel-Trainer Melf Nicolaisen

Kirsten Hahn, Inge ­Malcherczyk und Telse Winkler sind von Anfang an in der Inklusions-Padelgruppe dabei. Die Trainingszeit in der Halle in Leck gehört bei ihnen zu den festen Terminen, die sie nicht missen möchten. Dafür kommt Telse sogar extra aus Husum angefahren. „Weil es einfach viel Spaß macht“, erklärt sie. Vor ihrem Schlaganfall habe sie viel Sport betrieben. Die Bewegung habe ihr gefehlt. Padel sei für sie ein gutes Training, da es ihr Gehirn und somit die Koordination und das Gleichgewicht schule. „Mein Laufen hat sich durch das Training deutlich verbessert. Und wir halten hier zusammen und lachen sehr viel. Somit ist das Padeltraining mein persönliches Sonntagshighlight.“

Ebenso für Kirsten Hahn aus Riesum-Lindholm, die vor zehn Jahren bei einem Verkehrsunfall ihr Bein verloren hat. Als Telse sie gefragt habe, ob sie beim Inklusions-Padel mitmachen wolle, habe sie sofort zugesagt. „Ich habe früher viel Squash gespielt. Somit ist Padel ein tolle Alternative und es macht so viel Spaß“, erklärt sie. Vergangenes Jahr habe sie sogar schon an einem Padel-Turnier teilgenommen. Das sei eine richtig coole Erfahrung gewesen und sie habe durch den Sport wieder neue Leute kennengelernt, mit denen sie sich austauschen könne. „Man kommt hier in Bewegung und es ist schön zu erleben, was man trotz Einschränkung noch alles kann“, so Kirsten Hahn.

Zur Ausrüstung gehören der paddelartige Schläger und Bälle.

Für die Rollstuhlfahrerin Inge ­Malcherczyk wird extra ein Sportrolli gestellt, in dem sie sich auf dem Feld bewegen kann. „Man hat hier sehr schnell Erfolgserlebnisse“, berichtet sie. Denn es gehe hier nicht um Leistung oder strenge Regeln, „sondern gerade zu Anfang war es schon ein Erfolg, den Ball überhaupt einmal zu treffen und zurückzuschlagen“, so Malcher­czyk. „Die Teilnehmenden gewinnen zunehmend an Selbstvertrauen und seit wir vergangenen Sommer angefangen haben, haben alle hier enorme Fortschritte gemacht. Das ist einfach nur toll mit anzusehen“, so Melf Nicolaisen. Jeder könne hier mitmachen und es ausprobieren. Für die Inklusionsgruppe gebe es angepasste Spielvorgaben. Letztlich gehe es aber um den Spaß und die wiedergewonnene Freude an der Bewegung.

Info

Padel ist eine noch junge Sportart, die in Mexiko erfunden wurde. In vielen Ländern Mittel- und Südamerikas und insbesondere in Spanien hat sich Padel bereits als äußerst beliebter Breiten- und Wettkampfsport etabliert. In Nordeuropa hat die Verbreitung von Padel gerade erst begonnen. Padel wird im Wettkampf nur als Doppel gespielt, zu Trainingszwecken gern auch als eins gegen eins. Die Spieler stehen sich auf den durch das Netz geteilten Spielfeldhälften gegenüber. Die Padel-Regeln ähneln im Wesentlichen denen des Tennis-Doppelspiels. Ausführliche Informationen gibt es unter greentec-campus.de/padel oder auf der Homepage des Deutschen Padel Verbands (dpv) unter dpv-padel.de