Hitzestress kostet bekanntermaßen Geld. Eine Langzeitstudie der Universität Florida bringt eine bislang unterschätzte Dimension ans Licht: Kühe, die während der Trockenstehzeit Hitze ausgesetzt sind, bringen Töchter und sogar Enkelinnen hervor, die lebenslang weniger leisten. Die zehnjährige Studie von Laporta et al. wurde 2020 unter dem Titel „Late-gestation heat stress impairs daughter and granddaughter lifetime performance“ publiziert und ist offen zugänglich.
Für die Studie wurden die ersten drei Laktationen der Töchter beziehungsweise Enkelinnen von insgesamt 400 Holstein-Kühen bewertet. Die Mütter waren allesamt Mehrkalbskühe und wurden etwa zum 234. Trächtigkeitstag trocken gestellt. In der siebenwöchigen Trockenstehphase (Juni-Oktober) wurden die Kühe in zwei Gruppen aufgeteilt: In der ersten Gruppe (G1) wurden die Kühe neben Beschattung auch mittels Ventilatoren beziehungsweise Wasser abgekühlt. Die andere Gruppe (G2) verfügte ausschließlich über Beschattung. Hitzestress wurde mittels Körpertemperaturmessung und Atemfrequenz bewertet. Die Körpertemperatur war ähnlich, die Atemfrequenz in G2 jedoch mit 77 Atemzügen pro Minute höher als in G1 (51 Atemzüge pro Minute), was ein deutlicher Hinweis auf Hitzestress ist. Allgemein ist bereits eine Atemfrequenz von 61 Atemzügen in der Minute ein eindeutiges Zeichen für ausgeprägten Hitzestress.
Ziel war es in erster Linie, die Leistung der ersten beiden Nachkommen-Generationen (Töchter und Enkelinnen) zu bewerten. Dazu wurde die Milchleistung in den ersten drei Laktationen beider Generationen beobachtet und miteinander verglichen. Gleichzeitig wurde auch dokumentiert, wie sich die produktive und gesamte Lebensdauer unterschieden. Verglichen wurden die Informationen von 77 Töchtern aus G1 und 79 Töchtern aus G2. Beide Nachkommen-Generationen wurden in gleicher Weise aufgezogen und während der Laktationen in einem sandeingestreuten Laufstall gehalten. Die Stalltemperatur wurde mittels Ventilatoren und Wasserkühlung geregelt, sodass hier kein Hitzestress zu erwarten war.
Wie zeigt sich Einfluss auf die Töchter?
Töchter hitzegestresster Mütter zeigten eine deutlich reduzierte Lebensdauer. Im Schnitt gingen sie 11,7 Monate früher ab als die Töchter der Vergleichsgruppe. Zudem wirkte sich der Hitzestress der Mütter auch auf die Totgeburtenrate der Tochtergeneration aus. Während unter den Töchtern der Kühe aus G1 keine Totgeburten beobachtet wurden, zeigten die Töchter der Kühe aus G2 eine Totgeburtenrate von 3,8 %. Insgesamt zeigte sich kein Unterschied in Erstbesamungs- und Erstkalbealter.
Neben der reduzierten Lebensdauer wies vor allem die Laktationsleistung eindeutige Differenzen zwischen den Gruppen auf. Die Töchter hitzegestresster Mütter zeigten bereits in der ersten Laktation eine um durchschnittlich 2,2 kg Milch reduzierte tägliche Leistung. Dies war während der ersten 35 Laktationswochen durchgängig zu beobachten. Während der Unterschied in der zweiten Laktation auf dem gleichen Niveau blieb, wuchs die Leistung insbesondere in der dritte Laktation deutlicher auseinander. Währen der ersten 35 Laktationswochen der dritte Laktation gaben die Töchter hitzegestresster Mütter täglich rund 6,5 kg Milch weniger als die Vergleichsgruppe. Die aus der gesamten Zeit in Milch (erste Kalbung bis Abgang) berechnete produktive Lebenszeit unterschied sich außerdem um fünf Monate.
Einfluss auf die Enkelinnen vergleichbar?
Auch die Enkelinnen hitzegestresster Tiere zeigten eine deutlich reduzierte Lebensdauer, sie gingen im Mittel 14,5 Monate früher ab als die Vergleichsgruppe. In dieser zweiten Nachkommengeneration zeigten sich zudem Unterschiede im Aufzuchterfolg bis hin zur Zuchtreife. Für die Enkelinnen hitzegestresster Kühe stieg das Risiko an, bereits vor dem Absetzen beziehungsweise vor Erreichen der Zuchtreife abzugehen. So erreichten nur rund 62 % dieser Generation die Zuchtreife, wenn die Großmütter Hitzestress ausgesetzt waren. In der Vergleichsgruppe erreichten hingegen 88 % die Zuchtreife.
Auch in dieser Nachkommen-Generation gab es Unterschiede in der Leistung während der ersten drei Laktationen. In der ersten Laktation zeigte sich dies vor allem zwischen der 15. und 35. Laktationswoche und summierte sich über die gesamte Laktation zu einer um 1,3 kg reduzierten täglichen Milchleistung auf. Die Betrachtung der Milchleistung der zweiten und dritten Laktation offenbarte deutlichere Unterschiede. In der zweiten Laktation gaben die Enkelinnen hitzegestresster Kühe täglich rund 8 kg weniger Milch, in der dritten Laktation waren es noch rund 4,9 kg weniger. In dieser Nachkommen-Generation konnte kein Unterschied in der produktiven Lebenszeit beobachtet werden.
Einfluss nicht abschließend untersucht
Dass Hitzestress die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Milchkühen beeinflusst, ist gemeinhin bekannt. Der Einfluss dieses Hitzestresses auf die folgenden Generationen ist aber noch nicht vollumfänglich untersucht und physiologisch nicht vollständig beschrieben. Die Autoren der hier zitierten Studie nehmen an, dass durch den Hitzestress die intrauterine Umgebung beeinflusst wird und sich auf die Entwicklung des Immunsystems, des Stoffwechsels und der Milchdrüse auswirkt. Dies wurde zum Beispiel bezogen auf das Immunsystem speziell für die passive Immunisierung mit Immunglobulin G, aber auch für die Stoffwechselleistung beschrieben. Intrauterin erfahrener Hitzestress bedingt eine reduzierte Immunglobulin-G-Absorption und geringere Stoffwechseleffizienz durch erhöhte Insulinspiegel. Erstlaktierende Töchter hitzegestresster Mütter zeigen zudem eine geringere Anzahl milchsekretorischer Zellen bei kleineren Alveolen. Die Autoren schließen aus ihren Ergebnissen, dass die Entwicklung der Töchter deutlich durch den Hitzestress in der späten Trächtigkeit der Mütter beeinflusst ist und so zu weniger effizienten Nachkommen führt.
Fazit
Die beschriebene Studie verdeutlicht, wie wichtig es ist, das Augenmerk auf die Trockensteherzeit zu werfen. Hier kann sich nicht nur die eigene Leistungsfähigkeit der Kühe entscheiden, sondern auch die ihrer Nachkommen. Der Einsatz von Ventilatoren oder anderen kühlenden Maßnahmen im Trockensteherbereich kann sich trotz Investitionskosten dahingehend lohnen, dass die Nachkommen-Generationen einem geringeren Einfluss durch Hitzestress weit vor ihrer Geburt ausgesetzt sind. Einschränkungen der Leistung, aber auch der Nutzungs- und Lebensdauer sind vermeidbar, schenkt man den Temperaturen im Stall oder auch auf der Weide Beachtung.