Zum ersten Mal fand die traditionelle Lehrerveranstaltung des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH) nicht während der Norla, sondern als Auftakt zumTag des offenen Hofes statt. Dass der Veranstaltungsort ein Bauernhof war, kam bei den Lehrern gut an: Hof Gloyer in Stuvenborn, Kreis Segeberg, hält Hühner im Freiland (Bericht Seite 14). Allein, es waren nur elf Lehrkräfte gekommen. Die wollen allerdings das Format unter Kollegen weiterverbreiten.
„Antibiotika – Fluch oder Segen?“ lautete das Tagesthema. Dr. Evelin Stampa, Vorsitzende der Tierärztekammer Schleswig-Holstein und Vizepräsidentin der Bundestierärztekammer, holte dazu geschichtlich weit aus. In den „Dark Ages“ vor Entdeckung des Penicillins 1928 durch den britischen Bakteriologen Alexander Fleming brachten Infektionen häufig den Tod – ob für Mensch oder Tier. Nun konnte man den Umstand nutzen, dass bestimmte Pilze ein Gift gegen Bakterien produzieren. Bei Menschen angewendet wurden Antibiotika ab 1941, ab 1953 auch bei Nutztieren.
Durch den großen Erfolg setzte ein wahrer Rausch ein. „Man glaubte, alle Krankheiten im Griff zu haben“, so Stampa. In der Tierhaltung wurden prophylaktisch massiv Antibiotika eingesetzt, etwa zur Aufstallung von Ferkeln, die von mehreren Haltern stammten „und ihre Krankheiten mitbrachten wie im Kindergarten“.
Doch Antbiotika wirken nur gegen Bakterien. „Es können auch Parasiten oder Viren oder manche Pilze selbst die Ursache der Krankheit sein, oder es handelt sich um eine Autoimmunerkrankung.“ Dazu kommt, dass Antibiotika auch die „guten“ Bakterien töten, die der Organismus braucht. Schließlich kam man darauf, dass Bakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln können. „Wenn ich 99 Stämme töte und einer ist resistent, hat dieser viel Raum zur Ausbreitung.“
Ab 1975 wurde der Einsatz reglementiert, Fütterungsarzneimittel abgeschafft. Es wurden Alternativen entwickelt wie Impfungen, Probiotika im Futter oder kluge Hygienemaßnahmen. Bei Hühnern werden über salmonellenfreie Großelternstämme salmonellenfreie Ställe erzeugt – „Sie können wieder rohe Eier essen!“. Bei Schweinen sei das noch nicht gelungen.
Wurden 2011 noch 1.700 t Antibiotika pro Jahr in Deutschland eingesetzt („In den 1960er Jahren muss es ,Open End‘ gewesen sein.“), sind es heute noch rund 600 t. Überhaupt bekommen Tiere im Schnitt pro Körpergewicht weniger als die Hälfte an Antibiotika als Menschen. Und die Zahl der eingesetzten Sorten ist stark gesunken, vor allem im Nutztierbereich. „Mehr Probleme bereiten private Haustierhalter, die aus Unwissenheit oder falscher Tierliebe schlecht damit umgehen.“
Stampa räumte mit einigen Vorurteilen auf – zum Beispiel: „Schweineleber ess‘ ich nicht, da sind Antibiotika drin.“ Seit den 1980er Jahren gibt es den Rückstandskontrollplan bei Schlachtwaren. „Das wird supergenau kontrolliert, da ist nichts drin!“ Oder: „Resistenzen beim Menschen kommen aus der Tierhaltung.“ „Das sind verschiedene Stämme, die haben nichts miteinander zu tun.“
Stampas Fazit: „Antibiotika sind ein wichtiges Werkzeug, aber es wird durch Gebrauch stumpf. Wir sind dabei, Alternativen zu entwickeln. Mehr Probleme werden wir künftig mit Viren haben.“
Anne Benett-Sturies, Staatssekretärin im Landwirtschaftsministerium, und Dr. Vera Plähn von der Europa-Universität Flensburg machten die Bildungsoffensive für Landwirtschaft, Ernährung und Verbraucherschutz (BiLEV) bekannt, die sich an Lehrkräfte der Sekundarstufen I und II richtet. Sie beinhaltet Angebote für curricular angebundene und fächerübergreifende Unterrichtseinheiten an Lernorten wie Höfen oder Gärten (das Bauernblatt berichtete mehrfach). Über 80 Lernorte sind im vorläufigen Katalog bereits enthalten, darunter passend zum Tagesthema „Geflügel und Gefahr“ zur Vogelgrippe oder „Schau mal, wer da pickt“ für Viert- bis Fünftklässler.
„Ich war mit meinen Klassen noch nicht auf einem Bauernhof“, sagte eine Lehrerin, „aber jetzt wär‘ das mal was.“
Video über die Veranstaltung unter: https://t1p.de/aeqa9