StartNachrichtenAgrarpolitikGetreideverband fordert Ausbau der Solidaritätsrouten

Getreideverband fordert Ausbau der Solidaritätsrouten

Ukraine leidet zunehmend unter Exportrestriktionen für Getreide, Druck nimmt mit neuer Ernte zu
Von Mechthilde Becker-Weigel
Der russische Angriffskrieg hat ukrainisches Getreide zur heißen Ware gemacht. Foto: Imago

Der Ukrainische Getreideverband (UGA) hat an EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis appelliert, die im Mai vorigen Jahres eingerichteten Solidaritätsrouten für Agrarexporte aus der Ukraine auszubauen. Er sprach sich für „grüne Korridore“ aus, um nach dem Ende des Getreideabkommens die Ausfuhr über europäische Häfen zu steigern, was zur Stabilisierung der weltweiten Ernährungssicherheit beitrage.

Konkret will der Ukrainische Getreideverband die Getreideexporte über die Häfen der baltischen Staaten, Kroatiens, Italiens und Sloweniens erhöhen; auch die Kapazitäten über die Häfen Rotterdam sowie Rostock und Hamburg sollten ausgebaut werden. Der UGA schlug vor, dass Brüssel einen Teil der Kosten übernehmen solle, die den europäischen Spediteuren und Häfen bei der „Durchleitung“ des ukrainischen Getreides entstehen. Dadurch könnten die Ausfuhren über die Solidaritätsrouten um 1 Mio. t bis 1,5 Mio. t Getreide pro Monat gesteigert werden.

Der Preisunterschied zu den günstigeren Routen betrage etwa 30 bis 40 €/t. Der Verband rechnet damit, dass die ukrainischen Landwirte in diesem Jahr rund 69 Mio. t Getreide und Ölsaaten ernten. Das erwartete Exportvolumen im Wirtschaftsjahr 2023/24 liegt bei etwa 45 Mio. t. Zusätzlich exportiere die Ukraine 9 bis 10 Mio. t Pflanzenöl und Mehl.

Die vier an die Ukraine angrenzenden EU-Anrainerstaaten Polen, Ungarn, Slowakei und Rumänien stemmen sich auf dem Agrarrat in dieser Woche gegen ein Auslaufen der Beschränkungen für Agrarlieferungen aus dem vom Krieg gebeutelten Nachbarland. Bulgarien nimmt dieselbe Haltung ein. Die von der Brüsseler Kommission erlassene Regelung läuft am 15. September aus. Sie bestimmt, dass die Einfuhren von Weizen, Mais sowie Raps- und Sonnenblumensamen aus der Ukraine nur durch die fünf Länder transportiert, aber dort nicht vermarktet werden dürfen. In Warschau haben sich jetzt Vertreter dieser fünf EU-Länder nochmals eindeutig für eine Verlängerung der Maßnahme ausgesprochen. Ob es hierzu kommt, liegt in den Händen der Kommission.

Unterdessen hat Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) polnische Importbeschränkungen für ukrainisches Getreide als Wahlkampfmanöver kritisiert. „Es kann nicht sein, dass aufgrund eines einheimischen Wahlkampfes die Solidarität mit der Ukraine untergraben wird“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag in Brüssel vor dem EU-Agrarrat. Polen wählt im Oktober ein neues Parlament, der genaue Termin steht noch nicht fest.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat angesichts der neuen russischen Seeblockade gegen Getreide aus seinem Land die EU zur Öffnung ihrer Grenzen für die Agrarprodukte aufgefordert. Europas Institutionen könnten vernünftiger handeln, als die Grenzen für ein bestimmtes Produkt zu schließen, sagte Selenskyj in seiner am Montagabend in Kiew verbreiteten abendlichen Videobotschaft. Özdemir betonte, dass man die Anrainer der Ukraine nicht alleinlasse. Als mögliche Lösung schlug er vor, dass Produkte verplombt an Häfen etwa im Baltikum verschickt werden könnten. age

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