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Wird Deutschland jetzt Waldbrandland?

Waldumbau ist ein Schlüssel zum präventiven Brandschutz
Von Prof. Roland Irslinger
Auch in Schleswig-Holstein, das von größeren Waldbränden bisher verschont geblieben ist, besteht leider mittlerweile erhöhte Waldbrandgefahr.

Am 19. Juli 2022 stand der Waldbrandgefahrenindex in Deutschland auf den Stufen vier bis fünf, also hoch bis sehr hoch. In folgendem Betrag, zuerst in der Zeitung „Die Welt“ veröffentlicht, hat der Autor die Situation in Schleswig-Holstein in Betracht gezogen.

Selbst in Schleswig-Holstein, von größeren Waldbränden bisher verschont, bestand erhöhte Waldbrandgefahr. Wobei ein erhöhtes Risiko nicht heißt, dass es mehr und intensiver brennt. Treten Waldbrände bei uns künftig so häufig und verheerend auf wie im Mittelmeergebiet?

Hitzeperioden sind weltweit häufiger geworden. 1976, 1982 und 1992 waren extrem trockene Jahre, 2003 und 2010 wurde der 500-jährige Sommertemperaturrekord gebrochen, die Sommer 2018, 2019 und 2020 waren extrem trocken. Offenbar wurden diese Hitzetrends in Westeuropa bisher eher unterschätzt. Und es geht weiter so. Mit 8,3 °C lag der Frühling 2022 auch in Schleswig-Holstein um 1,2 °K über dem Durchschnitt, es fielen 20 mm Niederschlag weniger, und die Sonne schien fast 200 Stunden länger als normal. Im Juli 2022 wurden auch im nördlichsten Bundesland Hitzerekorde gebrochen.

Das bedeutet nichts Gutes für unseren Wald. Hohe Verdunstungsraten bei riesigem Wasserdampfhunger der Luft und gleichzeitigem Mangel an Bodenfeuchtigkeit schränken die pflanzliche Produktion ein. Dürre, Hitze und hohe Strahlungsintensität lassen Oberboden und Waldvegetation verwelken, Bäume sterben an Wasser- und Hitzestress und nachfolgenden Sekundärerkrankungen.

Beste klimatische Voraussetzungen also für erhöhte Waldbrandrisiken. Tage hoher Feuergefahr werden häufiger, und die Feuersaison dauert länger. Deshalb wird in den nächsten Jahrzehnten ein weiter stark steigendes Waldbrandrisiko prognostiziert. Der Süden und Osten Deutschlands werden heftiger betroffen sein als Schleswig-Holstein, auch weil die hiesigen Waldböden meist viel Wasser speichern können. Jahrzehntelang schienen riesige Waldbrände eher ein Problem der Mittelmeerländer zu sein, doch inzwischen rückt die Bedrohung näher. Ergo gilt es, die vegetationsbürtigen Waldbrandrisiken zu reduzieren.

Kiefernwälder besonders gefährdet

Kiefern, die in Schleswig-Holstein nur etwa 8 % der Waldfläche ausmachen, sind besonders gefährdet, weil Holz und Nadeln reichlich ätherische Öle und Harz enthalten. Kiefernwälder sind zudem licht mit einem trockenen Waldinnenklima. Stehen sie auf trockenen Sandböden, bildet sich oft eine Schicht aus Nadeln über dem Boden, die zusammen mit ausgetrockneter Bodenvegetation eine zündanfällige Streuauflage darstellt, die unglaublich leicht entflammbar und meistens der Ort der Initialzündung ist. Einmal entfacht, breitet sich das Feuer rasend schnell aus. Vor allem in jungen Altersstadien springen die Flammen leicht vom Boden auf die Baumkronen und dann von Krone zu Krone. Geht es um Größe und Ausbreitung der Brände, kommt Wind als alles entscheidender Faktor hinzu.

Zu den am meisten waldbrandgefährdeten Gebieten Deutschlands zählen das Nordostdeutsche und das östliche Nordwestdeutsche Tiefland. Reinbestände aus Kiefern existieren aus historischen Gründen insbesondere im niederschlagsarmen Brandenburg, wo im Juni dieses Jahres bei Treuenbrietzen 200 ha abbrannten. Die Flammen kamen den Wohnhäusern so nahe, dass Evakuierungsmaßnahmen nötig waren. Noch im Boden vorhandene Kampfmittel kamen erschwerend hinzu. Die größte Waldbrandkatastrophe im Nachkriegsdeutschland ereignete sich im August 1975 in der Lüneburger Heide, wo nach dem Sturm vom 13. November 1972 große Mengen an harzreichem Totholz der Kiefern eine hohe Brandlast bildeten. Nach einer langen trockenheißen Witterungsphase verbrannten dort 8.000 ha Wald.

Strukturreiche Mischwälder, wie hier im Ostholsteinischen, mit hohem Anteil klimastabiler Laubbäume widerstehen der zunehmenden Trockenheit besser als reine Nadelwälder. Fotos: Isa-Maria Kuhn

Waldboden spielt eine Rolle

Solcherlei Vollbrände nehmen schnell große Dimensionen an, insbesondere wenn Totholz am Boden das Feuer im Kronenbereich dauerhaft nährt. Brandgefährdet sind auch Fichtenwälder; Buchen- und Laubmischwälder sind bisher weniger betroffen, da sie auch im Frühjahr und Sommer eher kühl und feucht sind. Der Unterschied liegt jedoch nicht nur in den Baumarten selbst, sondern ganz wesentlich auch an den Böden, auf denen sie wachsen. Weniger zündanfällige Laubwälder wachsen eher auf lehmigen Böden, die mehr Wasser speichern können und deshalb nicht so schnell austrocknen.

Für Waldbrände braucht es Biomasse, die unsere Wälder in unglaublich hoher Menge enthalten. Mit einem mittleren Vorrat von 358 m3/ha Derbholz – insgesamt sind dies 3,9 Mrd. m3 – liegt Deutschland an der Spitze der EU. Das Holz von Bäumen ab 7 cm Durchmesser in Brusthöhe mit Rinde sowie Äste dieser Dimension werden Derbholz genannt. Überließe man unseren Wald der Natur, könnten die im Wald akkumulierten Holzmengen kaum größer sein. Die Brandlast der deutschen Wälder ist insofern mehrfach höher als die der Wälder Südeuropas. Es ist noch nicht in unserem Bewusstsein angekommen, dass sich durch Trockenheit und Borkenkäfer ein Teil der Biomasse unserer Wälder mehr und mehr in Brennstoff verwandeln wird, der Feuer in einem Ausmaß ermöglicht, das unser Vorstellungsvermögen übersteigt und unsere Siedlungen gefährden kann.

Strukturreiche Mischwälder mit hohem Anteil klimastabiler Laubbäume widerstehen der zunehmenden Trockenheit eher und haben ein feuchteres Waldinnenklima, solange die Bodenfeuchtigkeit eine Transpiration erlaubt. Waldumbau heißt deshalb die Zauberformel zum präventiven Waldbrandschutz dort, wo noch Nadelreinbestände existieren. Buchen und Traubeneichen, die ursprünglich dort wuchsen, Linden, Ahorne, Hainbuchen oder Roteichen werden dabei in die Nadelbaumbestände gepflanzt. Gelingt dies, isoliert das grüne Laub der gepflanzten Bäume den Brennstoff am Boden von jenem im Kronenraum.

Die Zeit drängt zum Handeln

Eine genügende Portion Ausdauer und eine geringe Rehwildpopulation vorausgesetzt, wird Waldumbau mittelfristig gelingen. Aber Rehe sind Feinschmecker, und zu viele davon sorgen dafür, dass am Ende doch wieder nur Kiefern oder Fichten übrig bleiben. Nur eine intensive Bejagung macht den Waldumbau zum Erfolgsprogramm. Waldumbau muss aktiv erfolgen, denn wir befinden uns in einem Wettlauf mit der Zeit. Zwar könnte man diesen Prozess auch der Natur überlassen, aber das würde lange dauern mit weiterhin erhöhten Waldbrandrisiken für Jahrzehnte.

Allein auf die Selbstheilung der Waldökosysteme zu hoffen, können wir uns in einem dicht besiedelten Land mit vielfältigen Ansprüchen an die Ökosystemleistungen des Waldes wie Grundwasserschutz und Erholungsfunktion nicht erlauben. Wald in Deutschland ist Teil der Kulturlandschaft und braucht die Hand des Försters. Man sollte sich allerdings keine Illusion machen, denn bei anhaltender Trockenheit werden auch Laub- und Mischwälder brennen, hoffentlich eher nur am Boden, weil dicke Stämme kaum Feuer fangen.

Wälder haben eine vom Klima vorgegebene natürliche Dichte, was darüber hinausgeht, stirbt. Je trockener das Klima wird, desto lichter werden auch unbewirtschaftete Wälder. Bäume erst in höherem Alter als heute üblich zu ernten und Wälder dichter werden zu lassen, um das Waldinnenklima zu kühlen, hieße, Risikovorräte aufzubauen. Deshalb ist das ein denkbar schlechter Ratschlag. Denn mit zunehmendem Alter der Bäume steigt ihr Risiko, Dürreperioden nicht zu überleben. Naturnahe Waldwirtschaft sorgt dagegen für eine Reduktion der Brandlast, indem Bäume geerntet werden, bevor sie vertrocknen, und das Holz in Häusern verbaut wird, bevor es im Wald verbrennt.

In Deutschland wird auf 6 % der Waldfläche kein Holz geerntet, auf 10 % der nutzbaren Holzmenge wird überdies zugunsten einer Totholzanreicherung verzichtet, und das Nichtderbholz bleibt zusätzlich zurück im Wald. Die massiven Waldschäden der vergangenen Jahre haben die Brandlast darüber hinaus erhöht. Halb zersetztes Totholz kann zwar beachtliche Mengen an Wasser aufnehmen, in Zeiten der Dürre trocknet aber auch das Totholz aus. Je größer die Menge des verfügbaren Brennstoffs, umso höher sind Intensität und Schwere des Feuers und damit Hitzeentwicklung und die Folgen eines Brandes. So kommt es zum Beispiel im Mittelmeerraum in jüngster Zeit verstärkt zu großen Waldbränden, weil infolge von Landflucht und aus Naturschutzgründen viele Wälder nicht mehr genutzt werden. Was früher als Brennholz zum Kochen und Heizen diente, liegt jetzt im Wald und bietet Nahrung für die Feuer. Waldwildnisstrategien sind in diesen Zeiten keine wirklich gute Idee.

Der aktuelle Waldzustand in Mitteleuropa wird zum Ende des Jahrhunderts Geschichte sein. Es ist eine universell geltende Regel, dass mit zunehmender Hitze und Trockenheit die Biomassevorräte abnehmen, die hohen Holzvorräte in unseren Wäldern werden deshalb absehbar zu Risikovorräten. Wälder sind wegen ihrer Langlebigkeit und Ortsgebundenheit klimasensitiv, vor allem in höherem Alter. Der Abbau von Biomasse kann langsam vonstattengehen, indem Bäume nach und nach absterben, ihr Holz langsam verrottet und neue Baumarten an ihrer Stelle wachsen. Oder es greifen katastrophale Waldbrände um sich. Beides feuert den Klimawandel weiter an, weil in beiden Fällen riesige Mengen an Kohlen­dioxid in die Atmosphäre gelangen. Waldbrandschutz ist deshalb auch Klimaschutz.

Nachhaltige Bewirtschaftung auf akzeptablem Holzvorratsniveau kann diese Szenarien verhindern, fachgerechte Waldpflege ist in der Lage, katastrophale Brände weitgehend zu unterbinden. Offenbar ist das Wissen um diese Zusammenhänge aber noch nicht in der Politik angekommen, denn Berlin wie Brüssel setzen auf noch mehr Biomasseanreicherung im Wald als Strategie des Klimaschutzes. Dabei ist weitere Akkumulation von Biomasse im Wald alles andere als Klimaschutz. Das Versprechen, unsere Wälder als Kohlenstoffsenken auszubauen, täuscht die Bevölkerung, es hat lediglich eine Alibifunktion, weil eine biogene Senke wie eine vermiedene Emission behandelt und die Öffentlichkeit so über die tatsächliche Höhe der fossilen Emissionen im Ungewissen gelassen wird. Wälder sind dann eine Kohlenstoffsenke, wenn ihre Biomasse größer wird, ein Wald also mehr Kohlenstoff aufnimmt, als er abgibt, umgekehrt sind sie eine Kohlenstoffquelle.

Über die Ursachen von Waldbränden

Waldbrände sind in Deutschland wie im Mittelmeergebiet nur vereinzelt natürlichen Ursprungs, Blitzschlag als Ursache ist selten. Waldbrände werden meist vorsätzlich oder fahrlässig verursacht. Ein Großteil wird durch Lagerfeuer, Rauchen, weggeworfene Streichhölzer und vergleichbare Unachtsamkeit ausgelöst. Auch ein heißer Autokatalysator kann dürres Gras entflammen, entlang von Schienen kann es durch erhitzte Radsatzlager, sogenannte „Heißläufer“, zu einer Zündung kommen. Funkenflug und schnell drehende Maschinenteile von forst- oder landwirtschaftlichen Maschinen bergen ein weiteres Risikopotenzial.

Andererseits muss ein erhöhtes Waldbrandrisiko nicht notwendigerweise bedeuten, dass es mehr Brände und größere Brandflächen gibt. Ob die steigenden klimatischen Potenziale für Waldbrände tatsächlich zu mehr Waldbränden führen, hängt in erster Linie vom Umweltverhalten der Menschen ab und vom Management der Wälder zur Verringerung der Brandlasten. Durch Waldumbau ändert sich die Zusammensetzung der Wälder, allerdings werden wir damit mindestens bis zum Ende des Jahrhunderts beschäftigt sein.

Fazit

Im schlimmsten Fall führt der Klimawandel zum Totalverlust der akkumulierten Biomasse durch Waldbrand, aber auch ohne Feuer wird die zunehmende Trockenheit das Baumwachstum bremsen und einzelne Bäume und ganze Wälder absterben lassen. In beiden Fällen entstehen gewaltige „Kohlenstoffschulden“, denn der in der Biomasse akkumulierte Kohlenstoff geht als CO2 in die Luft. Es ist das krasse Gegenteil von Nachhaltigkeit, wenn unsere Enkel diese Schuldenhypothek wieder abtragen müssen.

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