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Sonder-AMK schafft keine Einigung

Der Streit über den Umbau der Tierhaltung läuft weiter mitten durch die politischen Lager
Von Mechthilde Becker-Weigel
Die Schweinehalter warten weiter auf eine Lösung, wie der Umbau der Tierhaltung gestaltet werden soll. Hier ein Blick in den Sauenstall der Lehr- und Versuchsanstalt Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Foto: mbw

In der Diskussion um die zukünftige Form der Tierhaltung vermochte auch die Sonder-Agrarministerkonferenz (AMK) „die Kuh nicht vom Eis zu holen“. Die Streitpunkte zwischen Bund und Ländern bleiben die Finanzierung und rechtssichere Vertragslaufzeiten. Einigung konnte bei den Gesprächen vorige Woche erzielt werden im Hinblick auf die Auslegung der TA Luft.

Die Sonder-AMK zum Umbau der Tierhaltung hat in einigen Punkten Einvernehmen erzielen können, ist aber insgesamt hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Auf der Habenseite des Treffens vergangene Woche Freitag in Berlin steht ein erneutes Bekenntnis zu einem Gesamtkonzept sowie zu einer Ausweitung der Tierhaltungskennzeichnung. Die AMK spricht sich dafür aus, die Sauen- und Ferkelhaltung einzubeziehen und die Kennzeichnung auf die Außer-Haus-Verpflegung sowie verarbeitete Produkte auszudehnen. Die Minister bezeichnen die bereitgestellte Summe von 1 Mrd. € als „deutlich zu niedrig“ und plädieren für ein langfristiges Finanzierungskonzept, ohne dass es Hinweise auf Bewegung des Bundes in dieser Frage gibt.

Cem Özdemir. Fotos (2): Imago
Werner Schwarz

Keinen Eingang in den gemeinsamen Beschluss fanden die Forderungen der Unionsländer nach rechtssicheren Verträgen mit Laufzeiten von 20 Jahren, nach einem Förderbetrag von zunächst 80 % bis 90 % der Mehrkosten sowie nach Einbeziehung eines Großteils der Schweine haltenden Betriebe in die Förderung. Einvernehmen erzielte die AMK im Hinblick auf die Auslegung der TA Luft. Ziel ist es, die Genehmigung von Frischluft- und Bioställen trotz höherer Emissionen zu ermöglichen.

Sonder-AMK brachte nur wenige Verbesserungen

Der AMK-Vorsitzende, der schleswig-holsteinische Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU), sprach nach der Sitzung von einigen Verbesserungen, die man auf den Weg gebracht habe. Gemessen an den Empfehlungen der Borchert-Kommission und den Herausforderungen, vor denen die Betriebe stünden, blieben die Beschlüsse jedoch hinter dem zurück, was notwendig sei, stellte er fest.

Wie unterschiedlich die Interpretationen sind, zeigte die Einschätzung von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), der das Treffen als weitere Etappe auf dem Weg zu einer zukunftsfesten Tierhaltung wertete. „Wir kommen schrittweise voran“, sagte der Grünen-Politiker. Er hielt erneut der unionsgeführten Vorgängerregierung Versäumnisse vor. In den anderthalb Jahren der Ampel-Regierung habe man für die Tierhalter mehr erreicht als in den Jahren davor.

Der Deutsche Bauernverband (DBV) reagierte enttäuscht auf die Ergebnisse. Nach wie vor gebe es nur allgemeine Arbeitsaufträge an Expertengruppen, jedoch keine verbindlichen und zudem nur kurzfristige Zeitvorgaben, kritisierte Generalsekretär Bernhard Krüsken. Eine gemeinsame Auslegung der TA Luft sei nur ein kleiner Schritt. Dem müsse eine Überarbeitung dieser Verwaltungsvorschrift folgen, wenn höhere Tierwohlstandards in der Fläche umgesetzt werden sollten.

Quer durch die Agrarministerien verläuft eine schwarz-grüne Linie. Das zeigen die unterschiedlichen Echos, die die Ergebnisse ausgelöst haben. Der Sprecher der unionsgeführten Ressortchefs, Baden-Württembergs Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU), zeigte sich ebenfalls enttäuscht. „Der Bund muss endlich die Empfehlungen der Borchert-Kommission umsetzen“, forderte der CDU-Politiker. Ohne ein Gesamtkonzept aus Tierhaltungskennzeichnung, langfristiger, verlässlicher und ausreichender Finanzierung sowie Anpassungen im Immissionsschutz und im Baurecht liefen ein Umbau der Tierhaltung und ein Umstieg auf höhere Haltungsformen ins Leere.

„Özdemir schafft Abbau, nicht Umbau“

Die bayerische Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber (CSU) kritisierte die Bereitstellung von 1 Mrd. € für vier Jahre angesichts des von der Borchert-Kommission auf 4 Mrd. € pro Jahr veranschlagten Finanzbedarfs als „Feigenblatt“. „Der Bund muss endlich die Karten auf den Tisch legen und sich klar zu mehr Tierwohl bekennen“, forderte die CSU-Politikerin. Sie hielt Bundeslandwirtschaftsminister Özdemir vor, mit den derzeit geplanten Maßnahmen schaffe er „kein Umbau-, sondern ein Abbauprogramm“.

Aus Sicht der nordrhein-westfälischen Ressortchefin Silke Gorißen (CDU) bewegt sich der Bund beim Umbau der Nutztierhaltung weiter in die richtige Richtung. Bei vielen Forderungen zum Stallumbau habe der Bund in Aussicht gestellt, in der nächsten Zeit die Vorstellungen der Länder anzugehen. Auf Initiative von NRW habe die AMK dem Bund einen Prüfauftrag erteilt, wie Erleichterungen im Immissionsschutzrecht auch für die Vielzahl von kleineren landwirtschaftlichen Betrieben durchgeführt werden könnten.

Unmut über unzureichende Finanzierung

„Wir haben uns auf den Weg gemacht“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ressortchef Dr. Till Backhaus. Gleichwohl äußerte auch er seinen Unmut über die unzureichende Finanzierung. Der Bund sei gefordert, das bisher für den Umbau der Tierhaltung veranschlagte Förderbudget deutlich aufzustocken. Backhaus warf der Ampel in Berlin vor, ihr zögerndes Handeln in der Finanzierungsfrage gefährde einen ganzen Volkswirtschaftszweig. Positiv bewertet der SPD-Politiker, dass der Tier- und Immissionsschutz im Bau- und Genehmigungsrecht so harmonisiert werden sollen, dass beispielsweise große Freiluftställe künftig leichter zu realisieren sind. Das sei ein weiterer wichtiger Schritt hin zu mehr Tierwohl, ersetze aber kein finanzstarkes Gesamtkonzept, „dass möglichst vielen Betrieben unabhängig von ihrer Größe eine nachhaltige Perspektive aufzeigt“.

Nach den Worten von Sachsens Landwirtschaftsminister Wolfram Günther (Grüne) wurde der Umbau der Tierhaltung in der Vergangenheit sträflich ausgebremst. Mit der neuen Bundesregierung habe das Thema „endlich wieder die Priorität, die es braucht“. Der Grünen-Politiker räumte ein, man sei noch längst nicht am Ziel: „Ich will eine Tierhaltung, die im Einklang mit unseren Zielen beim Klimaschutz, beim Naturschutz und beim Erhalt der Artenvielfalt steht.“ Günther nannte die Lage der Tierhalter „dramatisch“.

Grüne Minister sehen Ergebnisse positiv

Durchweg zufrieden mit den Ergebnissen der Sonder-AMK zeigte sich Niedersachsens Agrarministerin Miriam Staudte (Grüne): „Man kann sagen, dass sich die Bundesländer wirklich zusammengerauft haben.“ Zu den Verbesserungen zählte die Grünen-Politikerin einen dauerhaften Zugang für Tiere zu einem Auslauf in der Haltungsstufe Auslauf/Weide. Positiv sei auch die sich abzeichnende Lösung bei der TA Luft: „Die große Herausforderung liegt darin, Tieren mehr Auslauf zu gewähren und gleichzeitig Vorgaben für saubere Luft einzuhalten.“ age


Verbände fordern ein echtes Gesamtkonzept – Unzufriedenheit auf allen Ebenen

Im Vorfeld der AMK hatten zahlreiche Verbände ihre Erwartungen formuliert. Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV), Franz-Josef Holzenkamp, hatte an die Ministerinnen und Minister appelliert, sich klar zur Tierhaltung in Deutschland zu bekennen. Er mahnte die Länder zudem, die Wettbewerbsbedingungen für die Betriebe im Blick zu behalten: „Bei den notwendigen gesetzlichen Anpassungen brauchen wir bundeseinheitliche Regeln, insbesondere beim Immissionsschutzgesetz.“ Unterschiede zwischen den Bundesländern dürfe es hier nicht geben.

Der DBV hatte seine Kritik an den geplanten Obergrenzen im Bundesprogramm zum Umbau der Tierhaltung bekräftigt. Keinesfalls dürfe der überwiegende Teil der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Vollerwerbsbetrieben von vornherein aus der Tierwohlförderung ausgeschlossen werden. Dies sei der Fall, wenn die Förderung wie geplant auf maximal 200 Sauen und 6.000 verkaufte Mastschweine jährlich begrenzt werde.

An der Realität vorbei verhandelt

Ähnlich äußerte sich der Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Hubertus Beringmeier: In der aktuellen Fassung könne die Förderung nicht zu einem breiten Umbau der Tierhaltung führen, weil durch die vorgesehenen Fördergrenzen nach Betriebsgröße nur eine beschränkte Zugänglichkeit bestehe. Nach wie vor fehle ein schlüssiges Gesamtkonzept, um den tierhaltenden Betrieben für den Umbau langfristige und tragfähige Zukunftsperspektiven zu bieten.

„Die Tierhalter brauchen eine Garantie, dass sie nach dem Umbau auch die höheren laufenden Kosten gedeckt bekommen“, mahnte der Vizepräsident des Landesbauernverbandes in Baden-Württemberg (LBV), Hans-Benno Wichert. Dauer und Höhe der Förderung deckten nicht annährend die tatsächlichen Umbaukosten und können jederzeit vom Gesetzgeber willkürlich gekürzt werden.

Das Landvolk Niedersachsen warnte davor, dass der Umbau der Tierhaltung misslinge. „Wir brauchen endlich das schlüssige und längst vorliegende Gesamtkonzept aus Tierhaltungskennzeichnung, solider Finanzierung und einer Anpassung von rechtlichen Vorgaben zum Immissions- und Baurecht. Kommt das nicht, stolpern wir in eine Sackgasse“, so Landvolk-Vizepräsident Jörn Ehlers.

Wo bleiben Borchert-Empfehlungen?

Die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) forderte ein echtes Gesamtkonzept, das die entscheidenden Genehmigungsfragen im Emissions- und Umweltrecht und ebenso die Finanzierung für die tierhaltenden Betriebe lösen müsse. ISN-Geschäftsführer Dr. Torsten Staack warf dem Bundeslandwirtschaftsminister vor, entgegen seinen Aussagen nicht den Vorschlägen der Borchert-Kommission zu folgen.

Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) forderte, Betriebe in der Biostufe bei der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung besserzustellen. Für eine faire Wettbewerbssituation müsse die Förderquote für Biotiere bei den laufenden Mehrkosten gleich hoch liegen wie beispielsweise bei der geplanten Stufe „Frischluft“, unterstrich der geschäftsführende BÖLW-Vorstand Peter Röhrig. Röhrig bekräftigte die grundsätzliche Unterstützung des BÖLW für die verpflichtende staatliche Tierhaltungskennzeichnung. Er begrüßte, dass es eine eigene Biostufe geben soll. age

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