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Schwierige Erntebedingungen in Schleswig-Holstein

Können höhere Stoppellängen hohe Trocknungskosten vermeiden?
Von Prof. Yves Reckleben, Fachhochschule Kiel
Grüne Rapsbestände erschweren die Ernte. Fotos: Prof. Yves Reckleben

Die diesjährige ­(Getreide)ernte in Schleswig-Holstein wird durch anhaltende ­Regenfälle massiv erschwert. Die Böden sind vielerorts zu weich für den Einsatz schwerer Maschinen, was zu Verzögerungen und zusätzlichen Kosten führt. Feuchtes Getreide muss nach der Ernte aufwendig getrocknet werden, um lagerfähig zu sein. Sollte man längere Stoppellängen, um die Ernte zu erleichtern, rausnehmen?

Die anzustrebende Feuchte für eine qualitative Lagerung ist bei 15 % erreicht (und beim Raps bei 9 %), die Kosten dafür steigen mit dem Wassergehalt des Ernteguts. Bei einem Feuchtigkeitsgehalt von 20 % liegen die Trocknungskosten bei etwa 48,30 €/t (nach Berechnungen des RKL, Rendsburg), was gegenüber optimalen Bedingungen Mehrkosten von bis zu 37 €/t bedeutet – denn es sind je Trocknungsdurchgang maximal 4 % Feuchtereduktion möglich, und das bedeutet bei 20 % Erntefeuchte und angestrebten 14,5 bis 15 % Lagerfeuchte mindestens zwei Trocknungsdurchgänge.

Diese schwierigen Bedingungen erfordern eine gute Mähdreschereinstellung genauso wie eine sorgsame Planung der Erntelogistik (Einlagerung, Trocknung und Belüftung). Besonders die TS-Gehalte, aber auch die Inhaltsstoffe (Protein, Öl, Stärke) sind für die weitere Verarbeitung interessant und bilden die Basis. Eigene Untersuchungen auf Praxisbetrieben in Schleswig-Holstein zur Güte der Qualität der eingesetzten NIRS-Sensoren und der damit eingesetzten Kalibrationsmodelle zeigen deutlich, dass die Technik stabil funktioniert und die Betriebe mit den erzeugten Ergebnissen gut arbeiten sowie die Erntepartien gezielt an die Qualitätsanforderungen angepasst lagern.

Bodenbearbeitung unter nassen Bedingungen

Die Arbeitserledigungskosten für die Bodenbearbeitung steigen bei nassen Böden deutlich an. Dafür sind unter anderem ein höherer Dieselverbrauch durch schlechtere Traktion (Schlupf und Spurtiefen als Indikatoren), mehr Reparatur- und Wartungsaufwand an den Maschinen oder längere Arbeitszeitfenster für die Stoppelbearbeitung, Grundbodenbearbeitung und Saatbettbereitung durch häufige witterungsbedingte Unterbrechungen verantwortlich.

Laut Modellrechnungen aus der Praxis können die Mehrkosten bei nasser Bodenbearbeitung bis zu 25 bis 40 €/ha betragen. Bei besonders schweren Böden oder intensiver Nutzung können diese Werte sogar noch höher liegen. Hinzu kommen mögliche Folgekosten durch Bodenverdichtung, deren Beseitigung (zum Beispiel durch Tiefenlockerung) weitere 20 bis 50 €/ha Folgekosten verursacht.

Verlustmessschale mit Rapsstroh und Körnern

Risikominderung und wirtschaftlicher Druck

Neben den höheren Trocknungskosten und der erschwerten Bodenbearbeitung kommen höhere Maschinenkosten, längere Arbeitszeiten und mögliche Qualitätseinbußen hinzu. Viele Landwirte stehen vor der Entscheidung, ob sie die Ernte unter schwierigen Bedingungen einfahren oder auf eine Wetterbesserung hoffen – mit dem Risiko weiterer Verluste.

Eine weitere Option bietet der Hochschnitt: Der Mähdrescher ist in erster Linie für die Körnerernte gedacht, das Stroh aber belastet ihn sehr. Doch ganz so einfach wird es nicht. Viele gegensätzliche Gesichtspunkte sind zu bedenken.

Vorteile des Hochschnitts im Überblick

Der Mähdrescher hat beim Hochschnitt weniger an dem sperrigen Stroh zu verarbeiten, der Durchsatz steigt, die Schüttlerverluste sinken. Der untere Teil des Halms hat mit zum Beispiel 5 mm einen größeren Durchmesser als oben mit 3,5 mm und weist eine höhere Feuchtigkeit auf. Dieses zähe Material bleibt also auf der Fläche, Beanspruchung und Verschleiß der Maschine werden zurückgehen. Die hohe Feuchtigkeit in unteren Bereich, gegebenenfalls ergänzt von Unkraut, tritt nicht beim Druschvorgang auf das Korn über.

Das spart Trocknungskosten. Doch scheint es übertrieben, wenn man von 4 % höherer Kornfeuchte liest. Danach wären 18 % im Korntank nur 14 % auf dem Halm.

Insgesamt bedeutet das: Der Mähdrescher

kann mehr schaffen

kann früher den Tag beginnen und später aufhören

benötigt weniger Diesel

Und worin bestehen die Nachteile?

Statt des Mähdreschers werden nun die langen Stoppeln in einem gesonderten Arbeitsgang geschlegelt. Die Stoppel- und Bodenbearbeitung kann unter günstigen Bedingungen auch mit langen Halmen fertig werden. Das Keimen der Ausfallkörner und später der Feldaufgang in der Mulchsaat scheinen unsicher.

Wie ist all das im Einzelnen zu sehen?

Zunächst stellt sich die Frage, wie hoch die Stoppeln sein können, wie hoch die niedrigsten Ähren stehen. Die Abbildung deutet für den aufrechtstehenden Bestand darauf, dass nur die Hälfte des Strohs anfällt.

Aber herabhängende Ähren (Wintergerste) reduzieren die Höhe schnell um 10 bis 20 cm. Eine sorgfältige Aussaat und Bestandsführung fördern den gleichmäßigen Wuchs. Kurzwüchsige Sorten oder stark eingekürzte Bestände reduzieren ebenfalls die Effekte des hohen Schnitts. Auf keinen Fall darf man Ährenverluste hinnehmen: 5 Ähren/m² entsprechen etwa 1 % des Ertrags, also 1 dt/ha. Der Fahrer muss also sehr aufmerksam das Schneidwerk unterhalb der Ähren führen, und das bei einer möglichen Geschwindigkeit von 8 bis 12 km/h. Dann sollte er von anderen Aufgaben weitgehend entlastet sein – die automatische Lenkung wäre sinnvoll. Bisher gibt es keinen Sensor, der die Ähren erkennt und die Schneidwerkshöhe steuert. Die bisherige Tiefenführung reicht ohnehin nur bis etwa 30 cm, also nicht bis zum möglichen Hochschnitt.

Ergebnisse zur Stoppelhöhe

Der geringere Strohdurchsatz mindert die Antriebsleistung der gesamten Maschine und darunter vor allem die für den Häcksler. Dazu hat die Fachhochschule zusammen mit dem Institut für Landwirtschaftliche Verfahrenstechnik Messungen durchgeführt. Auf Fehmarn hat Dr. Hans-Heinrich Voßhenrich gemeinsam mit der DLG den Dieselverbrauch des Mähdreschers und die Antriebsleistung des Häckslers gemessen. Die Stoppelhöhe wurde in Stufen von 10 cm bis auf soeben möglichen 40 cm gesteigert, die Geschwindigkeit blieb konstant.

Der erste Schritt, die Stoppelhöhe von 10 auf 20 cm zu steigern, brachte mit 20 kW am Häcksler den höchsten Effekt. Die letzte Stufe bringt nur einen geringen Vorteil, der angesichts des Risikos, dass Ähren verloren gehen, nicht lohnt.

Ähnlich liegt die Tendenz beim Dieselverbrauch. Dieser geht von 29 auf 19 l/ha zurück, mit der gleichen Maschine unter sehr trockenen Bedingungen von 20 auf 14 l/ha. Außerdem zeigte sich ein deutlicher Einfluss der Sorte. Also ist hier mit einer Einsparung von 6 bis 10 l/ha zu rechnen – die aber von einem zusätzlichen Schlegel-Arbeitsgang mit etwa 8 l/ha kompensiert werden könnte. Andererseits kann dieser Arbeitsgang außerhalb der Mähdruschzeit durchgeführt werden. Der um 25 % geringere Verbrauch entspricht der geringeren Auslastung des Motors. Also könnte der Mähdrescher schneller fahren und mehr Fläche schaffen.

Der Effekt der Geschwindigkeit wurde mit dem Mähdrescher erfasst. Der Fahrer hat engagiert die Geschwindigkeit und vor allem die Schnitthöhe in dem nicht gleichmäßigen Bestand angepasst. Die Streuung der Messwerte veranschaulichen die wechselnden Bedingungen: mal hingen Ähren weit herunter, mal trat nesterweise Lager auf, bei dem der Fahrer das gesamte Schneidwerk absenken musste. Obwohl nur etwa die Hälfte der Strohmasse durch die Maschine ging, stiegen Geschwindigkeit und Korndurchsatz (siehe Tabelle 2) wegen der Bedingungen nur um ein Drittel.

Der Leistungsbedarf für den Häcksler ging um 14 % zurück, die Maschine war angesichts der heterogenen Verhältnisse nicht voll ausgelastet. Insgesamt kann man 30 % mehr schaffen, ohne dass die Druschverluste steigen, also sind die guten Stunden besser zu nutzen und Trocknungskosten zu sparen. Diese Vorzüge lassen sich mit etwa 10 bis 5 €/ha bewerten. Der Dieselverbrauch geht angesichts der gesteigerten Leistung um 3 l/ ha also 3 €/ha zurück.

Folgen für Boden und Aussaat?

Derzeit wird mit verschiedenen Geräten experimentiert, wie man mit den langen Stoppeln fertig werden kann. Im ersten Arbeitsgang sollen die Stoppeln nicht völlig gelöst werden und zu einem Teil mit Erde bedeckt werden. Bei günstiger Witterung gelingt das. Die spätere, tiefe Bearbeitung muss dem Saatkorn genügend Erde anbieten, zu viel Stroh stört die kapillare Wasserversorgung dagegen. In ersten Erfahrungen bereiten 20 cm keine Probleme, Strohlängen von 30 cm verlangen aber eine tiefe Bearbeitung. Das lange Stroh liegt obenauf und bildet eine Bedeckung von 30 %. Die Messungen zum Feldaufgang überraschten angesichts der geringen Einbuße durch die große Strohmasse. Das mag dazu verleiten, auch einen Arbeitsgang wegzulassen: also dem langen Stoppeln den Schutz vor Verdunstung und die Keimbedingungen für Unkraut zu überlassen. Doch ein solcher Optimismus wird allzu schnell von Ernüchterung abgelöst, wenn die Witterungsverhältnisse weniger günstig sind.

Fazit

Der Hochschnitt mit dem Standardschneidwerk bietet die Chance, den Mähdrescher rationeller einzusetzen. Dazu muss der einzelne Praktiker eigene Erfahrungen sammeln. Vor allem sieht er sich neuen Aufgaben gegenüber, mit den langen Stoppeln fertig zu werden – nachdem er gerade froh geworden war mit niedrigem Schnitt und kurz gehäckseltem Stroh.

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