StartNachrichtenAgrarpolitikSchulze Bockeloh: „Weg mit dem Backstein auf der Brust“

Schulze Bockeloh: „Weg mit dem Backstein auf der Brust“

Kreisbauerntag Steinburg in Ottenbüttel
Von Dr. Robert Quakernack
Um die Vorträge zu verfolgen und über den Zukunftsbauern zu diskutieren, kamen rund 200 Gäste in die Halle der Familie Magens nach Ottenbüttel.

Wie Landwirte die Initiative #Zukunftsbauer des Deutschen Bauernverbandes (DBV) mit Leben füllen können, erläuterte DBV-Vizepräsidentin Susanne Schulze Bockeloh vergangene Woche Donnerstag beim Kreisbauerntag Steinburg auf dem Betrieb der Familie Magens in Ottenbüttel.

„Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Biodiversität stehen ganz oben auf der Themenliste der Gesellschaft. Aber auch bei uns, weil die Lösungen bei uns auf den Flächen liegen“, betonte Schulze Bockeloh. Die Westfälin sieht neben der Zukunftskommission Landwirtschaft vor allem im #Zukunftsbauer die Chance, die Landwirtschaft wieder stärker in die Mitte der Gesellschaft zu rücken. Entscheidend sei der Konsens, dass Nachhaltigkeitsleistungen von Landwirten auch honoriert würden.

Eigene Blase verlassen

Der #Zukunftsbauer besitze aber auch ein verändertes Selbstverständnis. „Wir müssen erkennen, wo unsere Probleme sind“, unterstrich die DBV-Vizepräsidentin. Nur Forderungen aufzustellen und Kante zu zeigen liefere kein Ergebnis. „Mit wie vielen Treckern waren wir in Berlin, mit wie viel Euphorie haben wir demonstriert? Aber was hat es politisch gebracht? Nichts!“, verdeutlichte Schulze Bockeloh.

Laut der von DBV beauftragten Studie von rheingold salon dringen Landwirte mit ihren Themen momentan nicht durch, trotz eines hohen Aufwandes für Öffentlichkeitsarbeit. Es gelte daher neue Wege zu finden, die eigene Blase zu verlassen. Die rheingold-Studie empfiehlt – wissenschaftlich abgesichert – die Grabenkampfpositionen mit gegenseitigen Vorwürfen zu verlassen und positive Botschaften zu senden sowie Lösungen anzubieten. Schulze Bockeloh erklärte: „Wir wollen heraus aus der Opferrolle.“ Das brauche ein neues „Mindset“. Sie appellierte: „Weg mit dem Backstein von der Brust, weg von der Meckermentalität. Wer jammert, bekommt keine Kunden. Seien Sie positiv.“

Der DBV ist laut seiner Vizepräsidentin bereit, etwas zu dieser Veränderung beizutragen, und hat eine Arbeitsgruppe gegründet. Schleswig-holsteinischer Vertreter ist Jörg Struve aus Nübel, Kreis Schleswig-Flensburg. Ziel sei, Wertschätzung für und Wertschöpfung auf den Betrieben zu steigern. „Das vergangene Jahr war wirtschaftlich für viele nicht das schlechteste. Aber die Stimmung war trotzdem nicht gut, weil die Akzeptanz nicht so hoch ist“, schilderte Schulze Bockeloh. Sie warb für einen Zukunftsbauer-Fonds: „Um erfolgreich zu sein, brauchen wir auch Geld.“

Die großen Herausforderungen von Ernährungssicherheit, Klimawandel und Biodiversität böten für das Image der Landwirtschaft enormes Steigerungspotenzial. Gewinnerthemen seien Tierwohl, biologische Artenvielfalt, Regionalität und auch Erneuerbare Energien. Rund 60 % der Investitionen in Erneuerbare Energien kämen aus der Landwirtschaft.

Schulze Bockeloh empfiehlt allen Landwirten einen Blick auf die DBV-Internetseite zum #Zukunftsbauer. Dort gebe es unter anderem einen Werkzeugkasten und weitere Informationen.

Markt schafft Innovation

Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH), forderte eine sachliche Auseinandersetzung mit den aktuellen Herausforderungen. Pauschale Verbote, wie sie die EU-Kommission im Rahmen des Green Deal anstrebe, lehne er ab. Er warb stattdessen beispielsweise für eine produktionsintegrierte Steigerung der Artenvielfalt. Schleswig-Holstein sei schließlich ein Gunststandort für die Landwirtschaft mit zukunftsfähigen Betriebsgrößen und topausgebildeten Leuten. „Wir sind gut und innovativ, weil wir uns immer am Markt behauptet haben. Mit Fördergeldern überschüttet zu werden, hemmt Innovation“, stellte Lucht klar.

Lucht untermauerte die Bereitschaft des Verbandes, Veränderungen im Sinne der Nachhaltigkeit mitzugestalten, und nannte die Allianz für den Gewässerschutz als positives Beispiel. Er wies zudem auf das kürzlich verabschiedete Agrar- und Umweltprogramm des BVSH hin und empfahl allen Anwesenden einen Blick in das rund 20-seitige Papier, das auf der Webseite des Verbandes zu finden ist: www.bauern.sh

„Mischt euch ein“

Joachim Becker, Vorsitzender des Kreisbauernverbandes Steinburg (KBV), sprach die herausfordernde Sammelantragsphase an und kritisierte die diesjährige Düngedokumentation über die Plattform Endo-SH als kompliziert. Er hoffe aber mit Blick auf die Beendigung des Vertragsverletzungsverfahrens zur EU-Nitratrichtlinie, dass die Düngedokumentation zukünftig Erleichterungen für gewässerschonend wirtschaftende Betriebe bringe.

Laut Dennis Spliedt, stellvertretender KBV-Vorsitzender, muss die Politik bei der Überzeugungsarbeit helfen, damit Nachhaltigkeitsleistungen auch bezahlt würden. An die junge Landwirtsgeneration appellierte er: „Mischt euch ein. Vertretet eure Interessen selbst.“ 

Susanne Schulze Bockeloh
Klaus-Peter Lucht
Joachim Becker


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