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Russland verkauft gestohlenes ukrainisches Getreide

Seit 2022 mindestens vier Millionen Tonnen Getreide aus besetzten Gebieten auf dem Markt
Von Mechthilde Becker-Weigel
Getreideverladung im Hafen von Mariupol. Die Aufnahme entstand im Juni 2023. Foto: Imago

Parallel zu russischen Bomben in der Ukraine tobt parallel ein Wirtschaftskrieg. Die Frontlinie befindet sich auf besetztem ukrainischem Ackerland, von dem Russland und seine Partner gestohlenes Getreide im Wert von fast 1 Mrd. US-$ auf einem aufkeimenden Schwarzmarkt verkauft hätten, berichtet das „Wall Street Journal“. Seit 2022 haben Moskaus Streitkräfte demnach in der Ukraine einige der fruchtbarsten Ackerflächen Europas
besetzt. Die Besatzer haben die Ernten entweder beschlagnahmt oder billig aufgekauft, oft mit Gewalt.

An den illegalen Getreidegeschäften ist ein weites Netz von Kunden beteiligt, die von der russischen Günstlingswirtschaft in Kriegszeiten profitieren. Nationale ukrainische Rechercheorganisationen und die US-Regierung gaben an, dass an den Geschäften Unternehmen beteiligt seien, die den iranischen Revolutionsgarden nahestünden, ein Unternehmer von der Krim, dessen Firma Agro-Fregat LLC mit Syrien und Israel zusammenarbeite, ein Unternehmen, das mit den Vereinigten Arabischen Emiraten Handel treibe.

Die Mittäterschaft nimmt viele Formen an. So weist die US-Regierung weist darauf hin, dass drei der Schiffe, die große Mengen illegalen Getreides exportieren, über ein Netzwerk von Unternehmen der staatlichen russischen United Shipbuilding Corporation gehörten, die auch die Kriegsschiffe produzierte, die zum Beschuss der Ukraine eingesetzt wurden. Ein russisches Unternehmen, das Getreide aus dem besetzten Teil der Oblast Saporischschja verkauft, spendete einem russischen Bataillon 111.000 US-$.

Diebstahl in der Ukraine kennt viele Wege

Der genaue Handelswert der gestohlenen Agrarprodukte ist schwer zu bestimmen. Der stellvertretende ukrainische Landwirtschaftsminister Markiyan Dmytrasevych berichtete, dass seit 2022 mindestens 4 Mio. t Getreide aus dem besetzten Teil der Ukraine auf internationalen Märkten verkauft worden seien und Einnahmen in Höhe von 800 Mio. US-$ gebracht hätten. Die gemeinnützige ukrainische Organisation Texty geht in ihren Berichten davon aus, dass die meisten der gestohlenen Waren mit kleinen Schiffen oder über Land exportiert wurden. Der Gesamtwert des von den Russen gestohlenen Getreides könne 6,4 Mrd. US-$ erreichen.

Der Verkauf der Beute hilft Russland, mit dem wirtschaftlichen Druck der Sanktionen fertig zu werden. Auf diese Weise hilft die während des Krieges gestohlene Beute Russland, den Krieg selbst zu finanzieren.

Moskau greift aber auch die Getreideexporte der Ukraine an. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij machte auf seinem Telegram-Kanal deutlich, dass Russlands illegaler Agrarhandel auf ukrainischen Bauernhöfen beginne. Moskaus Streitkräfte zwängen die Landwirte entweder dazu, ihre Ernte unter dem Marktpreis zu verkaufen, oder sie stählen sie, manchmal mit Waffengewalt. Von Bauernhöfen werden die Erzeugnisse per Lkw und Bahn zu Häfen am Schwarzen Meer transportiert, von denen einige im besetzten ukrainischen Gebiet liegen.

Nach Angaben der russischen Behörden wurden in der ersten Hälfte dieses Jahres 15 Schiffe mit 81.000 t Weizen aus Mariupol in die Türkei geschickt. Die Türkei jedoch verbiete Schiffen aus den besetzten ukrainischen Terminals den Zugang und arbeite mit Kiew zusammen, um den illegalen Handel zu unterbinden, so der Außenminister des Landes. Der ukrainische Staatsanwalt Ihor Ponochovniy leitete im Juni die Verfolgung eines in türkischem Besitz befindlichen Schiffes ein, von dem er vermutete, dass es im vergangenen Jahr gestohlenes Getreide aus dem Krim-Hafen Sewastopol transportiert habe.

Diplomatischer Druck auf Importländer

Die Ukraine übt diplomatischen Druck auf die Importländer aus – mit einigem Erfolg. In den vergangenen beiden Jahren hätten Ägypten, Israel und der Libanon Getreideimporte eingestellt, wenn diese aus von Russland besetzten Teilen der Ukraine stammten, so ukrainische Beamte.

Die russischen Verbündeten Iran und Syrien haben erklärt, dass sie sich nicht an die Sanktionen halten werden. Teheran habe Gerste auf der Krim für 140 US-$/t gekauft, was einem Preisnachlass von 34 % gegenüber den Marktpreisen entspreche, so Kateryna Yaresko, Analystin bei SeaKrime, einem gemeinnützigen Projekt in Kiew, das illegale Lieferungen von der Krim verfolgt und die ukrainischen Behörden mit Informationen versorgt. Ein neuer Kunde für gestohlenes ukrainisches Getreide ist der Jemen. Im Juni lieferte ein vom russischen Staat kontrolliertes Schiff, die „Zafar“, Getreide nach Al-Salif, einem Hafen, der von der vom Iran unterstützten Huthi-Fraktion im Jemen gehalten wird, wie aus Schifffahrts- und Unternehmensunterlagen hervorgeht. 

Haferexporte aus Finnland

boomen

Finnland hat im vergangenen Erntejahr seine Haferexporte deutlich ausgeweitet. Laut dem nationalen Institut für Natürliche Ressourcen (Luke) hat das nordische EU-Land im Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis zum 30. Juni 2024 geschätzte 445.000 t Hafer ausgeführt. Verglichen mit dem vorangegangenen Erntejahr 2022/23, als rund 221.000 t registriert wurden, haben sich die Exporte damit mehr als verdoppelt. Hafer macht fast den gesamten Getreideexport des Landes aus, der 2023/24 den vorläufigen Statistiken zufolge insgesamt 491.000 t erreichte. Laut Luke ist auch die Inlandsnachfrage nach Hafer in den vergangenen Jahren gestiegen und hat bereits Roggen in Bezug auf die Verwendung in der heimischen Lebensmittelindustrie überholt. Der Anteil von Hafer am jährlichen Getreideverbrauch ist dem Institut zufolge auf mehr als 30 % gestiegen. age

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