Start Blog Seite 52

Özdemir macht Druck für EUDR

0

Das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) treibt die nationale Umsetzung der EU-Verordnung für entwaldungsfreie Lieferketten (EUDR) voran. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) begründet den frühen Start der Umsetzung damit, dass nur so ein geordnetes Verfahren mit entsprechender Anhörung aller Betroffenen möglich sei.

Mit dem geplanten Gesetz zur nationalen Durchführung soll festgelegt werden, wer in Deutschland für die EUDR zuständig ist, sobald diese in den Mitgliedstaaten angewendet werden muss. Der Koalitionspartner FDP und Verbände, darunter die Familienbetriebe Land und Forst, kritisieren das Vorgehen des Ministers als überhastet. Özdemir wies darauf hin, dass mit der Verschiebung der EUDR Zeit gewonnen werde, die genutzt werden müsse: „Wir müssen in Deutschland vorbereitet sein, wenn die europäische Verordnung angewendet werden muss, damit Unternehmen und Verbraucher nicht das Nachsehen haben.“ Für die FDP-Agrarsprecherin Ulrike Harzer ist der frühe Zeitpunkt der Anhörung „in keinster Weise nachvollziehbar“. „Wir können nicht über die nationale Umsetzung diskutieren, noch bevor europäische Grundlagen geklärt sind“, warnte die Liberale. Deutschland sei ein Niedrig-Risikoland in Sachen Entwaldung und müsse auch so eingestuft werden, sagte Özdemir an die Adresse der EU-Kommission. Für ihn sei die Verordnung ein „Meilenstein im internationalen Waldschutz“. Jetzt gehe es darum, gemeinsam die durch die Verschiebung gewonnene Zeit zu nutzen, um eine praktikable und bürokratiearme Umsetzung für die Wirtschaft und Waldbesitzende zu ermöglichen. Oberste Priorität hat für den Minister, Störungen der Lieferketten zu verhindern. Zudem dürfe es bei der Umsetzung keine unnötige Bürokratie geben. Durch den nunmehr eingeleiteten Start der Anhörung gebe man den Ländern und Verbänden Zeit und Möglichkeit, ihre Positionen einzubringen. Der Vorsitzende der Familienbetriebe Land und Forst, Max von Elverfeldt, warf dem Bundeslandwirtschaftsministerium ein überhastetes Vorgehen vor: „Statt die Zeit zu nutzen, um praktikable Lösungen zu finden und übermäßige Bürokratie zu verhindern, drängt das Ministerium auf eine überstürzte Umsetzung, die für Unternehmen und Waldbesitzer erhebliche Unsicherheiten schafft.“ Derzeit werde auf europäischer Ebene noch darüber verhandelt, wie die Verordnung praxistauglich gestaltet werden könne. Besonders kritisch ist laut von Elverfeldt die extrem kurze Frist, in der Stellungnahmen von Verbänden und Ländern eingeholt werden sollten. Das setze alle Beteiligten unter unnötigen Druck und gefährde die sorgfältige Auseinandersetzung mit den komplexen Anforderungen der Verordnung. Erforderlich seien eine längere Frist und eine fundierte Diskussion als Voraussetzung, die EUDR praxisnah und bürokratiearm zu gestalten. age

Effiziente Produktion und klimafreundliche Lebensmittel

0

Die deutsche Yara-Tochter stellte anlässlich einer Online-Pressekonferenz Strategien vor, mit denen der Düngemittelkonzern die Lebensmittelproduktion effizienter machen und die Produktionsbedingungen für die Landwirte vereinfachen will.

Geschäftsführer Marco Fleischmann machte deutlich: „Die Landwirtschaft befindet sich in einem Spannungsfeld: Sie soll sichere Lebensmittel in guter Qualität erzeugen, dabei Ressourcen und Umwelt schonen. Wir sind angetreten, diesen Zielkonflikt aufzulösen.“ Als Düngemittelhersteller sehe man sich in der Pflicht, vor allem die CO2-Emissionen aus der Produktion und Ausbringung mineralischer Düngemittel anzugehen. Sie seien in der Getreideproduktion die Hauptverursacher von Treibhausgas (THG)-Emissionen – demzufolge liege hier auch das größte Potenzial zur Einsparung. Dies beginne bei der Düngerherstellung, erklärte Fleischmann: In Europa produzierter Stickstoffdünger habe einen nur halb so großen CO2-Fußabdruck, da hier Katalysatoren zur Abscheidung von Lachgas verwendet würden. Importe, etwa aus Russland, woher seit Beginn des Ukraine-Krieges etwa 20 % der deutschen N-Dünger stammten, seien also nicht nur moralisch fragwürdig, sondern brächten auch erhebliche THG-Lasten mit.

CO2 wird verpresst

Weiteres Einsparpotenzial, so Fleischmann, plane Yara ab der Saison 2026/27: Dann solle bei der Produktion anfallendes CO2 aufgefangen und mittels Carbon Capture and Storage (CCS) gespeichert werden. Damit soll in einem Werk in den Niederlanden begonnen werden. Das abgeschiedene CO2 werde verflüssigt und in Norwegen verpresst. Neue Werke in den USA würden ebenfalls mit der Technologie ausgestattet. Zu guter Letzt soll es mithilfe Erneuerbarer Energien gelingen, den CO2-Fußabdruck (Grüner) Dünger um bis zu 90  % zu senken. Ein Werk in Norwegen produziere bereits solche Düngemittel, allerdings wegen der unzureichenden Verfügbarkeit Grünen Wasserstoffs bislang nur wenig.

Hohes Reduktionspotenzial

Neben der CO2-sparenden Herstellung sei auch die verlustfreie Anwendung auf dem Betrieb von Bedeutung. N-Verluste ließen sich vermeiden, indem die N-Ausnutzungseffizienz steige  – so hätten Umwelt, Landwirt und Marktfrucht gleichzeitig Vorteile. Derzeit liege die Stickstoffnutzungseffizienz durchschnittlich bei 64  %, das bedeute, dass 64  % des gedüngten N wieder vom Feld gefahren würden. „Das Optimum“, so Fleischmann, „liegt etwa bei 80 bis maximal 90 Prozent, danach nimmt die Bodenfruchtbarkeit zu sehr ab. Hier ist also noch Luft.“ Nötig seien hier eine ausgewogene Düngung, bedarfsgerecht, zum richtigen Zeitpunkt und in Teilgaben, sowie die Minimierung von Verlusten mithilfe von Nitrifikationsinhibitoren – für all diese Aufgaben habe Yara Konzepte im Angebot. Einige davon, wie den altbekannten NSensor, schon lange. Neu sei, dass diese Konzepte unter einer neuen Marke zusammengefasst würden. So wolle man dem Landwirt helfen, die Emissionsminderung seines Anbaus deutlicher zu erkennen und zu beeinflussen. Die Marke mit dem Namen CO(2) MPACK erlaube es, ähnlich wie bei den Energieeffizienzklassen von Elektrogeräten, Pakete mit bestimmter Umweltauswirkung anzuwenden. Mit der höchsten dieser Klassen, CO(2)MPACK A, sei ein CO2-Reduktionspotenzial im Weizenanbau von bis zu 51 % zu erzielen, erklärte Fleischmann. „Natürlich sind Grüne Dünger nicht nur knapp, sondern auch zwei- bis dreimal so teuer. Aber jeder kann mit CO(2)MPACK mit relativ niedrigem Kosteneinsatz seine CO2-Emissionen reduzieren.“ Ihm sei bewusst, dass man diese Kosten nicht der Landwirtschaft allein aufbürden könne: „Wir stellen uns vor, dass in der Wertschöpfungskette alle zusammenarbeiten, bis hin zum Verbraucher.“

Stressfaktoren auffangen

Eine hohe N-Nutzungseffizienz sei nur mit gesunden, ausgewogen versorgten Kulturpflanzen möglich. Hier habe Yara in den vergangenen Jahren investiert, wie Felix Faistlinger erläuterte. Er berichtete über die neuen Werkzeuge für den erfolgreichen Pflanzenbau von Yara: Biostimulanzien aus der YaraAmplix-Familie. Eigens entwickelte Screening-Methoden, Verfahren zur Bewertung von Substanzen und vor allem spezifische Untersuchungen zu den Wirkungsweisen (Mode of Action) von Einzelsubstanzen und Kombipräparaten hätten neue Erkenntnisse möglich gemacht, erklärt Faistlinger: „Das Verständnis der Mode of Action ist deutlich gewachsen. Wir haben herausgefunden, dass es bei der Wirksamkeit nicht auf die Einzelkomponenten ankommt, sondern auf das Verständnis für Wirkung und Kombination der Inhaltsstoffe.“ Die Haltbarkeit der Produkte hänge vom Extraktionsverfahren ab, um bioaktive Substanzen schonend herauszufiltern. „Grundsätzlich gewähren wir eine Qualitätsgarantie von zwei Jahren.“ Die Produktgruppe decke zahlreiche Kulturen ab, erklärte Faistlinger, etwa beim Produkt Flostrel: „Das Algenprodukt mit Nährstoffzusätzen verbessert die Blüte und steigert die Fruchtbildung. Es hat sich in Soja, Weizen, Raps, Reis, Gerste, Apfel, Zitrone oder Tomate bewährt.“ Den Preis für eine Anwendung bezifferte er auf 18 €/ha. Insgesamt hätten die acht Produkte der neuen Familie ihre Wirksamkeit in 26 Kulturen unter Beweis gestellt. 318 Feldversuche erbrachten durchschnittliche Ertragssteigerungen von 5,8 %. Martin Herchenbach stellte die YaraPlus-Plattform vor, auf der künftig alle digitalen Angebote für Landwirte und Landhändler gebündelt bereitgestellt werden. „Sie enthält alle agronomischen Werkzeuge, Dienstleistungen und Expertenwissen von Yara rund um die Düngung. Eine Anmeldung für alle Tools, die einheitliche Menüführung und nahtlose Datenübertragung – all das macht die Arbeit effektiver und zeitsparender.“

Plattformen verschmelzen

Gestartet sei das Angebot im Februar: „Acht Monate nach der Einführung haben wir einige Tausend Nutzer, die laut einer repräsentativen Umfrage zufrieden mit dem Angebot sind“, sagt Herchenbach. Geplant sei, die App bis Jahresende auch in deutschen App-Stores bereitzustellen. Anfang 2025 würden YaraPlus und Atfarm, das Angebot zur teilflächenspezifischen Düngung, zu YaraPlus Atfarm verschmolzen. In Atfarm angelegte Schläge können so mit den anderen Elementen genutzt werden. Atfarm sei bereits mit dem John Deere Operation Center verbunden, auch diese Anwendung werde mit in YaraPlus Atfarm übernommen. Catrin Hahn

Grafik: Yara

Alle Jahre wieder – Kälber auf den Winter vorbereiten

0

Die Kälbergesundheit ganzjährig konstant aufrechtzuerhalten, stellt jeden Betrieb vor eine große Herausforderung. Immer noch liegt die Kälbersterblichkeit bei durchschnittlich 7 %. Betrachtet man die Zahlen in Schleswig-Holstein, so ist zumindest im Jahr 2023 ein leichter Rückgang gegenüber den Vorjahren zu beobachten. Um die Kälbergesundheit weiterhin zu optimieren, sollte mit Beginn der kalten und nassen Monate jeder Betrieb sein Kälbermanagement erneut überprüfen.

Eine optimale Versorgung nach der Kalbung mit hochwertigem Kolostrum, saubere Einstreu und umfassende Stallhygiene sind selbstverständlich und unerlässlich für eine gute Kälbergesundheit und niedrige Kälberverluste.

Frieren bedeutet Energieverlust

Kälber haben vor allem in den ersten Lebenswochen einen höheren Wärmebedarf als ausgewachsene Kühe. Wenig Fettreserven machen eine Wärmeisolation kaum möglich. Ebenso fehlt die Verdauungswärme, die in einem bereits ausgebildeten Pansensystem erzeugt werden würde. Auch die körperliche Aktivität der Kälber ist im jungen Alter noch gering, weshalb eine optimale Klimagestaltung noch mehr an Bedeutung gewinnt. Die Optimaltemperatur, also die thermoneutrale Zone eines Kalbes, liegt zwischen 15 und 25 °C.

Ab 15 °C benötigt das Kalb keine zusätzliche Energie für die eigene Thermoregulation. Die normale metabolische Aktivität und die Bewegung des Kalbes reichen aus. Fallen die Temperaturen unter 15 °C, steigt die Krankheitsanfälligkeit der Kälber. Bei Temperaturen unter 10 °C leiden neugeborene Kälber unter Kältestress. Deshalb ist es im Winter dringend notwendig, das Kalb nach der Geburt zu trocknen, damit das Fell isolieren kann. Optional kann im Abkalbebereich eine „Trockenbox“ eingerichtet werden, die das Kalb direkt nach der Geburt vor dem Einzug in die Kälberhütte bezieht.

Tief eingestreute Kälberiglus sorgen für ausreichende Wärmeisolierung auch bei niedrigen Temperaturen. Foto: Dr. Imme Dittrich

Bei der Igluhaltung im Freien ist eine ausreichende und trockene Einstreu essenziell. Hierbei hilft eine Orientierung an dem Nesting Score: Je besser sich die Kälber im Stroh nestartig einbetten können, desto höher ist dieser Wert. Beim Nesting Score 3 versinken die Beine im Stroh und sind im Liegen nicht mehr zu sehen. Nur so kann die Einstreu ausreichend isolieren und Kälberverluste minimieren. Bei sehr niedrigen Außentemperaturen und kranken Tieren können Kälberdecken nicht nur im Außenbereich, sondern auch innerhalb von Stallgebäuden zur Aufrechterhaltung der Körpertemperatur und somit zu weniger Energieverlusten beitragen. Bei der Verwendung von Kälberdecken ist Folgendes zu beachten:

Zu den größten Risiken für Erkrankungen bei Kälbern zählen nicht nur die im Herbst und Winter niedrigen Temperaturen, sondern auch häufig auftretende große Temperaturschwankungen in Verbindung mit kalter Luft, die bei Wind auf die Kälber trifft. Bei der Igluhaltung im Außenbereich können ein Umsetzen der Iglus oder ein Windschutz an der Überdachung Abhilfe leisten, um aufkommenden Wind abzuhalten. In Gruppenhaltungen haben sich Deckel über den Liegebereichen der Kälber bewährt, da sich die Kälber jederzeit vor herabfallender Luft und Zugluftbewegung schützen können. Hier sollte überprüft werden, ob die Deckel der Nester wandbündig sind, mit den Seitenwänden dicht abschließen und nicht zu hoch über dem Boden angebracht sind.

Trockenkalt besser als feuchtwarm

Atemwegserkrankungen gehören zu den häufigsten Abgangsursachen junger Kälber und führen auch später zu kostenintensiven Leistungseinbußen der Aufzuchttiere und Milchkühe. Zusammen mit niedrigen Temperaturen und Zugluft führen hohe Ammoniakkonzentrationen zu einer hohen Anfälligkeit gegen Krankheitserreger aller Art. Ist der Ammoniakgeruch für die menschliche Nase wahrnehmbar, ist die Konzentration bereits so hoch, dass die Kälberlunge geschädigt werden kann. Abhilfe schaffen hier nur ein verkürztes Entmistungsintervall und eine bessere Entlüftung, sofern diese baulich möglich ist.

Tränke sollte im Winter angepasst werden

Kälber haben im Winter einen erhöhten Energiebedarf und einen um 20 % höheren Erhaltungsbedarf. Dieser muss über die Fütterung und die Kalorienzufuhr gedeckt werden. Bei einer restriktiven Tränke sollten die Tränkmenge und -häufigkeit erhöht werden. Sind die Temperaturen langfristig unter dem Gefrierpunkt, kann die Tränkmenge bis zu 30 % gesteigert werden. Ebenso empfehlenswert ist die Einführung einer dritten Mahlzeit. Besonders nachts sollte kein Kalb einen leeren Milcheimer vorfinden. Werden die Mengen des Milchaustauschers erhöht, ist in jedem Falle die Empfehlung der Hersteller zu beachten, um Verdauungsprobleme zu vermeiden.

Bei der Ad-libitum-Tränke ist die Erhöhung der Menge zwar nicht notwendig, dennoch dürfen Eimer und Nuckel nicht einfrieren. Hier bieten sich Übergangslösungen wie etwa Neoprenüberzüge über den Eimern oder eine temporäre Umstellung auf eine rationierte Intensivtränke an.

Auch die Rau- und Kraftfuttermenge ermöglicht den (älteren) Kälbern eine erhöhte Energieaufnahme. Besonders bei der Vorlage von feuchten Futtermischungen und Silagen ist jedoch darauf zu achten, dass sie frostfrei sind.

Tierkontrolle und Immunprophylaxe

Eine Mutterschutzimpfung gegen die häufigsten Durchfallerreger, Rota-, Coronaviren und Colibakterien, oder die Grippeimpfung bilden eine gute Immunprophylaxe, die dem Kalb helfen kann, seltener und weniger schwer zu erkranken.

Bei deutlichen Krankheitsanzeichen einzelner Kälber, zum Beispiel starkem Husten, flacher Atmung und deutlichem Durchfall, ist eine Separation in ein Krankenabteil empfehlenswert. Das Krankenabteil sollte keine offene Luftverbindung zu den übrigen Kälbern haben und eine Einstreufläche ohne Tretmistunterlage bieten.

Fazit

Kälberhaltung jedes Jahr aufs Neue überprüfen

Einstreumenge und Entmistungsintervalle erhöhen

Luftqualität und Luftfeuchtigkeit kontrollieren

nicht nur auf niedrige Temperaturen, sondern auch auf starke Temperaturschwankungen achten

Tierbeobachtung optimieren, frühzeitig reagieren und den Tierarzt hinzuziehen

Tränkeregime überdenken und mehr Energie zuführen

Projekt „Flugsaat“ – Aussaat bald per Riesendrohne?

0

Der Fachausschuss Ausbildung und Beratung tagte Mitte Oktober in Rendsburg. Neben Berichten aus der Landwirtschaftskammer und dem Bereich Aus- und Weiterbildung und Beratung ging es diesmal um die Vorstellung eines neuen Projektes, das Ruben Soth bei der Landwirtschaftskammer betreut.

Am 1. Oktober startete das neue Europäische Innovationsprojekt (EIP) „Flugsaat – Aussaat von Zwischenfrüchten und Untersaaten per Drohne“. Es steht im Zusammenhang mit den großen Zukunftsthemen Klimaanpassungen, nachhaltige Bodenbearbeitung und Effizienzsteigerungen in der Landwirtschaft und soll Antworten geben und technische Lösungen erproben.

„Gerade die vergangenen Jahre mit vielen Niederschlägen und auch Trockenphasen haben gezeigt, dass wir uns schon mitten im Klimawandel befinden“, sagt Ruben Soth. Wetterextreme nähmen zu. In der Praxis zeige sich, dass die Aussaat im vergangenen Herbst verzögert stattgefunden habe oder Landwirte sogar wegen des vielen Regens auf Sommerungen hätten ausweichen müssen. Der Klimareport des Deutschen Wetterdiensts kommt zu dem Ergebnis: Starkregen und mehr warme Tage nähmen zu. Die Bedingungen des vorigen Anbaujahrs könne man nicht mehr als Zufall beschreiben.

Die Projektgruppe bei der Förderbescheidübergabe (v. li.): Dr. Karen Volkers (LKSH), Marc Stieper und Dr. Jürgen Buchholtz (GWS Nord), Julius Voss (Landwirt), Ruben Soth (LKSH), Jonas Fahrenkrog (SaatenUnion), Heiner Hartmann (Landwirt)Foto: Markus Hartmann

Statt Drille die Drohne?

In dem neuen Projekt soll nun erprobt werden, Zwischenfrüchte und Untersaaten künftig mit einer 2,80 x 3,08 m großen Drohne auszubringen. Die Drohne ermöglicht eine Verschiebung des Aussaatzeitpunkts. So kann die Zwischenfrucht bereits vor der Ernte in den stehenden Getreidebestand und die Untersaat erst kurz vor Reihenschluss des Maises ausgebracht werden. Das gibt der Zwischenfrucht einen Vegetationsvorsprung und ermöglicht eine Keimung auch an heißen Sommertagen. Durch die spätere Aussaat der Untersaat wird wiederum eine Konkurrenzsituation zur Hauptkultur vermieden.

Ruben Soth demonstriert, wie groß die Drohne ist.

Das Flugobjekt, das hier eingesetzt werden soll, ist einzigartig in Deutschland. Der 70-l-Saatguttank ist mit einem Wiegesensor ausgestattet. Wenn er leer ist, wird dies registriert, und die Drohne fliegt autonom zum Startplatz zurück, um Saatgut nachzufüllen. Sie fliegt mit Real Time Kinematik (RTK) auf Basis zuvor eingelesener Daten der Flächen auf Präzisionskarten. Nicht nur die rechtlichen Vorgaben sind beachtlich, auch ist für den Einsatz ein besonderer Drohnenführerschein erforderlich, da es die gängigen in der EU nicht erlauben, etwas von der Drohne abzuwerfen.

In dem Projekt arbeiten verschiedene Partner zusammen. Das Institut für landwirtschaftliche Verfahrenstechnik der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) begleitet das Vorhaben wissenschaftlich. Aus der Praxis sind neun landwirtschaftliche Betriebe in verschiedenen Naturräumen Schleswig-Holsteins dabei. Außerdem wird das Projekt fachlich von der Saaten-Union, der Gewässerschutzberatung Nord sowie der Gewässerschutzberatung der Landwirtschaftskammer betreut. Gefördert wird das Projekt vom Land- und der EU. Die Laufzeit beträgt drei Jahre.

Die Mitglieder im Ausschuss zeigten sich begeistert. Ruben Soth schilderte, dass man sich erhoffe, Zwischenfrüchte und Untersaaten unabhängig von schlechten Bodenbedingungen ausbringen zu können – ohne Bodenverdichtung. Man könne auch nach Regen säen oder noch vor der Ernte.

Weitere Optionen für einen solchen Drohneneinsatz seien zudem die Düngung und die Spotspraytechnologie etwa in der Behandlung von Ampfer. Einsätze im Weinbau zum Pflanzenschutz in extremen Steillagen gebe es bereits. Vorstellbar seien auch gezielte Einsätze im Forst zur Verteilung von Pflanzpaketen in unwegsamem Gelände.

Soth erklärte, dass es in dem Projekt zunächst um die Entwicklung von Flugsaatmischungen gehe und um die Erstellung eines Leitfadens für den Einsatz dieser Flugsaattechnologie. Zeitgleich solle die Technik ökonomisch bewertet und mit den bisherigen Aussaattechniken verglichen werden. Die Drohne habe einen Anschaffungswert von rund 18.000 €. Zudem werden zwei Benzingeneratoren für die Stromgewinnung zum Aufladen der Drohnenakkus benötigt.

Innovation durch Wissenstransfer

Enno Karstens, Abteilungsleiter Bildung, Betriebswirtschaft und Beratung sowie Geschäftsführer des Ausschusses, machte deutlich, dass es in der Beratung der Kammer darum gehe, Wissenstransfer sicherzustellen. Mit Blick in die Zukunft und auf die Herausforderungen, vor denen der Agrarsektor und die Gesellschaft insgesamt stünden, befragte er die Ausschussmitglieder nach ihrer Einschätzung zu den großen, für die Praxis relevanten Themen, auf die eben auch eine etablierte Beratungs- und Weiterbildungseinrichtung wie die Landwirtschaftskammer schauen müsse.

Enno Karstens, Geschäftsführer des Ausschusses

Genannt wurden hier die Niederungsstrategie des Landes, das Thema vielfältiges Grünland in Kombination mit dem Thema Biodiversität sowie das Thema Klimabilanz. Eigenständiges Unternehmertum einzutauschen gegen eine Finanzierung ganzer Betriebszweige durch den Staat sei ein Schritt. Hier könne man leicht strategische Fehler machen, betonte Karstens. Die Landwirtschaftskammer bringt sich hier in Stellungnahmen auch gegenüber politischen Entscheidungsträgern ein.

Im Versuch habe Futterkamp zum Beispiel Klima­bilanzen gerechnet, und es gebe einen groß angelegten Fütterungsversuch zum Thema Methanausstoß bei Kühen. Hier setze die Kammer bewusst Akzente. In Ellerhoop werde im Bereich Energieeffizienz im Unterglasanbau beraten. Die Landwirtschaftskammer wolle in diesen Bereichen weiter stärken und Kompetenzen durch mögliche Kooperationen hinzufügen. Dabei werde ein abteilungsübergreifendes Arbeiten in der Landwirtschaftskammer forciert.

Der Ausschuss Ausbildung und Beratung der Landwirtschaftskammer informierte sich über das Innovationsprojekt (EIP) „Flugsaat“ und Zukunftsaufgaben der Ausbildung und Beratung. V. li.: Hans Heinrich Wulf, Dana Ohm (LKSH), Jens-Marten Paulsen, Dr. Janine Holm (Vorsitzende), Hans-Hermann Bunte, Maike Maaß, Olaf Stammer, Ute Volquardsen (Präsidentin), Folke Vol­lert und Enno Karstens (LKSH)Fotos (5): Daniela Rixen

Grüne-Berufe-Ausbildung digital

Dana Ohm, Fachbereichsleiterin Bildung, stellte die Entwicklungsfortschritte der Plattform „Azubi digital“ vor, welche frühestens 2026 am Start sein solle, da das Verfahren sehr aufwendig sei. Das neue Berufsbildungsvalidierungs- und Digitalisierungsgesetz (BVaDiG), das am 1. Januar 2025 in Kraft trete, verlange hier allerdings eine Zwischenlösung in der Debatte. Weiter ging Dana Ohm auf Änderungen der Dokumentationspflicht der Arbeitszeit für Auszubildende ein. Diese arbeitgeberseitige Verpflichtung sei noch nicht bei allen angekommen.

Dana Ohm berichtete aus dem Bereich der Ausbildung.

Die Zahlen der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge spiegele in vielen Berufen deutliche Rückgänge. Hier gelte es, in der Werbung für die Grünen Berufe nicht nachzulassen, betonte die Fachbereichsleiterin.

Kammerpräsidentin Ute Volquardsen hatte zu Beginn aus der Arbeit der Landwirtschaftskammer berichtet, dabei stellte sie unter anderem das Fördervorhaben im Gartenbauzentrum in Ellerhoop vor. Um die Baumschulwirtschaft in Schleswig-Holstein zu stärken und zukunftsfest aufzustellen, fördert die Landesregierung den Aufbau eines Modellbetriebs sowie die Einrichtung einer Koordinierungsstelle im Rahmen des Projekts „Nachhaltige Baumschulwirtschaft in Schleswig-Holstein“ mit 850.000 €. Koordiniert und durchgeführt wird das Projekt durch die Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein am Standort in Ellerhoop.

Kammergeschäftsführer Dr. Klaus Drescher stellte die Finanzlage der Kammer dem Ausschuss vor (siehe Artikel „Beratung zur Hofübergabe aus der Frauenperspektive“). 

Ausschussvorsitzende Dr. Janine Holm (r.) mit Präsidentin Ute Volquardsen und Kammergeschäftsführer Dr. Klaus Drescher

Fazit

Das Kerngeschäft der Landwirtschaftskammer, die Beratung, Aus- und Weiterbildung, wird in Zeiten des Fachkräftemangels und angesichts der großen Veränderungen in der Branche und Gesellschaft nicht an Bedeutung verlieren. Es gilt hier, umso mehr die Entwicklungen vorzudenken und fachlich zu begleiten. Dabei ist die Landwirtschaftskammer durch innovative Projekte bestrebt, Innovationen zu erproben, zu bewerten und die Erfahrungen in die Praxis zu tragen.

Spitzwegerich – ein Rinderfutter?

0

Im Zusammenhang mit den veränderten Witterungsverhältnissen im Ablauf eines Jahres durch den Klimawandel und mit notwendigen Konsequenzen zum Klimaschutz wird auch intensiv über Anpassungsstrategien im Futterbau diskutiert. Schwerpunkte sind der vermehrte Anbau trockenheitsresistenter Pflanzenarten und -sorten sowie eine größere Vielfältigkeit im Futterbau. In diesem Rahmen wird auch über Spitzwegerich als Rinderfutter diskutiert. Der folgende Beitrag soll dazu eine Anregung sein.

Spitzwegerich (Plantago lanceolate) gehört neben dem Breitwegerich (Plantago major) zur Familie der Wegerichgewächse (Plantaginaceae). Spitzwegerich ist winterhart und mehrjährig. Das krautige Gewächs wird bis zu 50 cm hoch. Die lanzettlich geformten Blätter sind in einer Grundrosette angeordnet. Die Nutzung der grünen Pflanze erfolgt im Allgemeinen von Mai bis Oktober. Spitzwegerich verfügt über eine lange Pfahlwurzel, die somit das Wasser auch in tiefen Schichten erreicht. Spitzwegerich ist sehr hitzetolerant. Im gemäßigten Klima ist er sowohl im Flachland als auch in Höhen bis 1.700 m anzutreffen. Er wächst auf allen Böden und kommt in Wiesen, auf dem Acker, an Weg- und Waldrändern vor. Vom ursprünglich flach am Boden liegenden Kraut wurden durch züchterische Bearbeitung auch aufrecht wachsende Sorten geschaffen.

Spitzwegerich ist volkstümlich unter vielen Namen bekannt, wie Spießkraut, Ackerkraut, Schlangenzunge, Lungenblatt, Schafzunge sowie als Heilwegerich. Medizinisch nachgewiesene Heilwirkungen waren schon seit der Antike, in der germanischen Mythologie und im Mittelalter bekannt. Die Äbtissin Hildegard von Bingen (1098 bis 1179) beschreibt ausführlich die heilende und wohltuende Wirkung. In Deutschland wird Spitzwegerich vor allem als Tee oder in Teemischungen sowie als Extrakt in Hustensäften und Heilcremes verwendet. Er ist auch in Kräutermischungen für Pferde und Heimtiere auf dem Futtermittelmarkt anzutreffen. Im Zusammenhang mit der Beurteilung des Kräuteranteiles in Weidemischungen wird die Bedeutung von Spitzwegerich für Rinder und Schafe schon seit längerer Zeit diskutiert.

Passabler Futterwert?

Die Futterwertzahl – Schmackhaftigkeit nach Klapp wird für Spitzwegerich mit 6 ausgewiesen (0 = giftig, 8 = sehr gut gefressen, zum Beispiel Weidelgras). Im ökologischen Zeigerwert nach Ellenberg wird als Feuchtezeiger (Vorkommen der Pflanzen hinsichtlich des Gradienten Bodenfeuchte, wobei 1 stark trocken, 5 mittelfeuchte Böden, 9 durchnässte, luftarme Böden bedeutet), Spitzwegerich mit 2 bis 5 eingestuft.

Aus alldem lässt sich ableiten, dass Spitzwegerich, sowohl hinsichtlich der Bodenansprüche als auch hinsichtlich der Wasserverhältnisse, sehr anpassungsfähig ist. Die Zusammensetzung zeigt Tabelle 1.

Bemerkenswert ist, dass schon vor über 50 Jahren Spitzwegerich nach der Weender Vollanalyse untersucht wurde. Spitzwegerich enthält große Mengen Kalzium, Natrium und Kalium. Die sehr hohe Schmackhaftigkeit der Blätter wird vor allem auf den hohen Natriumgehalt zurückgeführt. Es wird berichtet, dass Spitzwegerich bis 6,8 MJ NEL/kg TS erreichen kann und dass die Nutzungsfrequenz sehr hoch sein muss, da mit dem Schießen der Blütenstände der Futterwert drastisch zurückgeht.

Neben der positiven Wirkung von Spitzwegerich auf die Futteraufnahme sind folgende Hauptwirkungen zu nennen:

antibakteriell, entzündungshemmend (auch als das „pflanzliche Penicillin“ bezeichnet, Extrakte und Ähnliches schimmeln nicht)

antiviral

entspannende Wirkung (gegen Reizhusten)

gegen Schleimhautentzündungen (Mund- und Rachenraum, Atemwege)

Beschleunigung der Blutgerinnung

diuretische Wirkung

bei der Wundheilung Förderung der Epithelisierung

leberschützende Wirkung (zum Beispiel gegen Mykotoxine)

Einfluss auf den Stickstoff- und Eiweißstoffwechsel  nitrifikationshemmend

Im Spitzwegerich wurde eine Vielzahl sekundärer Pflanzeninhaltsstoffe festgestellt:

Aucubin 0,3 bis 2,5 %

Catalpol 0,3 bis 1,0 %

Phenylethanoide 3,0 bis 8,0 %

Schleimstoffe (Arabinogalactane; Glucomammane)2,0 bis 6,0 %

Kaffeesäure 3,0 bis 8,0 %

Gerbstoffe 6,0 bis 7,0 %

Kieselsäure 1,0 bis 1,5 %
nur in den Blättern

Saponine 0,2 bis 1,0 %

Die beiden Iridoidglycoside Aucubin und Catalpol sind die wohl wichtigsten Inhaltsstoffe und ihr Vorkommen und ihre Wirkung wurden sehr intensiv untersucht. Sie zeigen deutliche Unterschiede im Gehalt auf verschiedenen geologischen Standorten und bei unterschiedlichen Herkünften (auch Sorten). Ihr Gehalt ist in jungen Blättern am höchsten. Wirkungen von Spitzwegerich auf tierindividuelle Reaktionen werden vorwiegend auf die Wirkung von Aucubin zurückgeführt.

In den USA, Australien und vor allem in Neuseeland wird Spitzwegerich als Rinderfutter eingesetzt. Er ist Bestandteil des Grünlandes mit 10 bis 15 % Anteil, wird aber auch siliert und in Kombination mit Grassilage gefüttert. Im Biobetrieb Forchheim im Erzgebirge erhalten 1.400 Kühe während der Vegetationsperiode als alleiniges Grobfutter Grünfutter. Die 250 ha Dauergrünlandflächen werden intensiv mit Weidelgras, Rot- und Weißklee sowie mit Spitzwegerich nachgesät. Zur Nutzung als Rinderfutter mit höheren Rationsanteilen wird Spitzwegerich in Neuseeland mit dem Zuchtziel bearbeitet, Sorten mit hohem Anteil an Blattmasse zu erhalten.

Weniger N in den Ausscheidungen?

Mit 30 % Spitzwegerich in der Trockenmasse der Ration gefütterte Milchkühe hatten eine signifikant niedrigere Stickstoffausscheidung im Harn, die Futteraufnahme war normal, Milchmenge und Milchinhaltsstoffe unverändert. Die Beweidung einer Grasmischung mit Spitzwegerich führte bei Milchkühen zu einer Reduzierung des Stickstoffgehaltes im Harn um 19 %. Spitzwegerich senkt nicht nur die Stickstoffkonzentration im Harn, sondern auch die gesamte Stickstoffausscheidung und hat positiven Einfluss auf die Emissionen von Lachgas und Nitrat. Nachgewiesen wurde auch die Hemmung der Nitrifikation im Boden, also die Umwandlung von Ammoniumverbindungen zu Nitrat.

Von Tröber, Schmidtke und anderen wird berichtet, dass Spitzwegerich auch als Partner von Luzerne und Kleegrasgemischen geeignet ist, die Klimaanpassungsfähigkeit zu erhöhen und den Austrag von Stickstoff ins Grundwasser zu verringern.

Die Wirkung von Spitzwegerich in Rationen für Mutterschafe und Milchkühe zeigt Tabelle 2.

Eine wertvolle Literaturstudie „Zum Einsatz von Spitzwegerich in Saatmischungen für Wechselgrünland“ liegt von Komainda et alii vor („Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft Grünland und Futterbau“, 2020). Hier werden die Bedeutung des Spitzwegerichs für den Futterbau und die Konsequenzen für Tier, Pflanze und Boden auf der Grundlage von über 30 Literaturquellen der Jahre 1983 bis 2020 ausgewertet mit der Schlussfolgerung: „Spitzwegerich besitzt somit Potenzial für die Entwicklung klimaschonender Anbausysteme unterschiedlicher Nutzungsrichtungen.“

Beratung zur Hofübergabe aus der Frauenperspektive

0

Der Fachausschuss Einkommenskombinationen tagte in der ersten Oktoberhälfte in Rendsburg. Neben Berichten aus der Landwirtschaftskammer und aus dem Bereich Einkommenskombinationen befasste er sich mit dem Thema Hofübergabe aus Sicht der Frauen und der dazugehörigen Beratung.

Auf eine Anfrage des Kammervorstandes beschäftigten sich die Ausschussmitglieder diesmal konkret mit den Fragen: „In welchem Umfang findet Beratung zu den Themen Betriebsübergabe und Alterssicherung statt? Ist der Umfang der Beratung zu den genannten Themen insbesondere aus dem Blickwinkel der Frauen ausreichend und erschöpfend?“

Dazu wurden in Gruppen unterschiedliche Rollen von Frauen unter die Lupe genommen und diskutiert: die Frau als Überlasserin des Hofes, als weichende Erbin, als Hofübernehmerin und als Ehepartnerin des Übernehmers. Der Tenor war, das wurde von verschiedenen Ausschussmitgliedern betont, dass die Landwirtschaftskammer in der Beratung gute Unterstützung biete, dass es aber gelte, die Themen der jüngeren Frauen noch mehr in den Fokus zu rücken. Ein Auftrag an die Kammer sei daher zu schauen, wie dies gelingen könne.

Vorsitzende Ute Bielfeldt berichtete, dass ihre Befragung von jungen Frauen gezeigt habe, dass für viele das Thema Hofübergabe in jungen Jahren gar nicht auf der Agenda stehe. Dr. Klaus Drescher, Geschäftsführer der Landwirtschaftskammer, merkte an, dass man viele Probleme bereits vorher auf dem Hof regeln müsse, bevor die Übergabe anstehe. Als Beispiel nannte er die private Altersvorsorge außerhalb der SVLFG im aktiven Erwerbsleben. Des Weiteren müsse jeder jungen Familie klar sein, dass eine Risikolebensversicherung abgeschlossen werden müsse, um einen Unfall oder Todesfall abzusichern, so Dr. Drescher.

Zur Direktvermarktung im Bereich Fleisch, insbesondere Rindfleisch, gibt es die meisten Beratungsanfragen bei der Kammer, darunter auch zu den Auflagen bei der Schlachtung.
Kostensteigerungen und Fachkräftemangel machen Direktvermarktung und Hofcafés zu schaffen. Trotzdem wartet Schleswig-Holstein mit einer großen Vielfalt an Betrieben in diesen Betriebszweigen auf.

Als eine Gelingensbedingung der Hofübergabe wurde herausgestellt, dass rechtzeitig und mit allen Beteiligten kommuniziert werde. Dafür könne es überaus sinnvoll sein, neutrale Beratung oder Mediation in Anspruch zu nehmen, um nicht nur die fachlichen Themen zu besprechen, sondern auch die menschlichen Aspekte, denn die Gefühle aller Beteiligten rund um die Hofübergabe würden nach Erfahrung der Prozessberaterinnen und -berater oft vernachlässigt, seien aber sehr wichtig für eine gelungene Hofübergabe.

Dr. Wiebke Meyer, Beraterin für Direktvermarktung und Bauernhofgastronomie und Prozessberaterin bei der Kammer, berichtete, dass die Beratungsnachfrage im Bereich Direktvermarktung bei der Kammer etwas zurückgegangen sei. Grund dafür seien einerseits die schwierigen Wirtschaftsbedingungen durch Kaufzurückhaltung der Verbraucher und auf der anderen Seite gestiegene Kosten für die Betriebe.

In der Beratung gehe es oft um die Direktvermarktung von Rindfleisch und um Schlachtung, dabei werden Auflagen von den Kreisveterinärämtern nicht einheitlich gehandhabt. Der Bereich Bauernhofgastronomie sei ebenso von Kostensteigerungen und oft fehlendem Personal betroffen, was auch Nachfragerückgänge in der Beratung zeigten, so Meyer.

„Gemütlich Kaffee trinken auf dem Land“ sei mit 70.000 Stück immer noch die auflagenstärkste Broschüre, aber der Verkauf der Inserate unter den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen kein Selbstgänger.

Zugenommen hätten jedoch die Beratungsanfragen im Bereich Hofübergabe und Hofaufgabe bei den sozioökonomischen Beratern.

Ausschussvorsitzende Ute Bielfeldt (li.) und Ausschussgeschäftsführer Enno Karstens
Dr. Wiebke Meyer, die die aktive Gruppenarbeit mit den dargestellten Leitfragen anleitet
Inken Engelbrecht stellte die Perspektive der weichenden Erbin vor.

Stärken der Beratung sichtbar werden lassen

Enno Karstens, Abteilungsleiter Bildung, Betriebswirtschaft und Beratung sowie Geschäftsführer des Ausschusses, machte deutlich, dass es in der Beratung der Kammer darum gehe, die besonderen Kompetenzen der Landwirtschaftskammer sichtbar werden zu lassen und stetig zu verbessern. Mit Blick auf die Beratung sei es dabei auch wichtig, neue Mitarbeitende gut starten zu lassen.

Dafür sei das Mentoringprogramm eingeführt worden. Es werden junge und erfahrene Beratungskräfte zusammengebracht, sodass den jungen Kolleginnen und Kollegen ein möglichst reibungsloser Start in der Landwirtschaftskammer ermöglicht wird. Zudem gebe es eine breite Palette an fachlichen Fortbildungen, in denen die Beratungskräfte gezielt geschult werden. Eine Besonderheit im Beratungsangebot der Kammer sei die sogenannte Prozessberatung. Hier werde zusätzlich zur fachlichen Beratung auch die menschliche Seite bei betrieblichen Veränderungen begleitet. Die Prozessberaterinnen bedienten sich aus einem weit gefächerten Portfolio an Coaching-Methoden.

Prozessberater werde man nicht über Nacht, betonte Dr. Wiebke Meyer. Dies brauche eine profunde, methodische Ausbildung, viel Übung und wachsende Erfahrung, damit das Dienstleistungsangebot der Landwirtschaftskammer auch langfristig seinen Qualitätsstandard mit fachlich guten, sensiblen Beratungskräften behalte, so Enno Karstens. Die Beraterinnen in Sachen Einkommenskombinationen finden sich unter https://www.lksh.de/beratung/beratung-in-einkommenskombinationen

Der Blickwinkel der Ehepartnerin

Ute Bielfeldt lobte die Projektarbeit von Maria Nielsen von der Landwirtschaftskammer im Bereich GreenCare (soziale Landwirtschaft). Hier gebe es einen großen Bedarf. Der Fortbildungskurs sei fundiert und werde sehr gut angenommen, was die interessanten Projekte zeigten, die im Rahmen der diesjährigen Zertifikatsübergabe präsentiert worden seien (siehe Ausgabe 42, Seiten 51 und 52). GreenCare ist nicht nur ein Thema für Frauen auf den Höfen. Zwei GreenCare-Projekte waren diesmal von Männern vorgestellt worden.

Weiterbildungssaison und Projekte

Im Bereich der Weiterbildung habe man für die Wintersaison 2024/25 wieder ein umfangreiches Fortbildungsprogramm für die Praxis zusammengestellt, erläuterte Karstens. Außerdem habe sich die Landwirtschaftskammer erneut auf verschiedene Eler-Beratungsbereiche beim Land beworben. Die Entscheidung, wer den Zuschlag bekommt, stehe aber noch aus.

Die Landwirtschaftskammer sei an drei EIP-Projekten beteiligt, darunter „Green­Care“ und „RindforNet_SH“, das Fragen der Digitalisierung in der Milchviehhaltung beim Weidemanagement, in der Überwachung der Eutergesundheit und bei der Nutzung von Klimabilanzierungstools beleuchtet, sowie am EIP-Vorhaben „Flugsaat“, einem Projekt zum Einsatz einer Drohne zur Ausbringung von Zwischenfruchtsaat. Auf diese Weise werden Innovationen weiter erprobt und Ergebnisse in die Praxis getragen.

Weitere Infos zu den Projekten finden sich hier: https://t1p.de/91cal und unter https://t1p.de/m8z55 und hier.

Bericht aus der Kammergeschäftsführung

Zu Beginn der Sitzung berichtete Dr. Klaus Drescher den Ausschussmitgliedern aus der Arbeit der Landwirtschaftskammer. Er konnte vermelden, dass man dabei sei, das Landwirtschaftskammer-Gesetz zu ändern, der Beschluss des Landtags stehe allerdings noch aus. Hintergrund sei der durch die Grundsteuerreform verursachte Wegfall des Einheitswertes, der durch den Grundsteuerwert ersetzt wird. Die Bemessungsgrundlage für die Kammerumlage müsse also angepasst werden.

Der Kammergeschäftsführer berichtete ferner über den aktuellen Stand der Baumaßnahmen im Schweine- und Rinderbereich im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp. Die diesjährige Norla sei hinsichtlich der Besucherzahl und der Aussteller erfolgreich gewesen, zwei Hallen wurden als „fliegende Bauten“ errichtet.

Bei der Deula werden derzeit ein Schulungszentrum sowie ein Gästehaus gebaut. 

Im Fachaustausch (v. li.): Dr. Klaus Drescher mit Annette Blöcker und den beiden Anwärterinnen des MLLEV, Celine Joost und Giulia Strecker

Fazit

Mit dem Bereich Prozessberatung hat die Landwirtschaftskammer in der Beratung wertvolle Alleinstellungsmerkmale, insbesondere beim Thema Hofübergabe stehen nicht nur rechtliche und organisatorische, sondern auch menschliche Themen im Fokus. Mit ihrem ganzheitlichen Ansatz bietet die Kammer nicht nur bei diesem komplexen Thema Hilfestellung, sondern auch bei anderen großen Veränderungsfragen. Der Bereich Einkommenskombinationen liefert seit Jahren Erfolgsbeispiele, wie Betriebe zusätzliche Einkommen schaffen können. Auch hier steht die Kammer mit kompetenter Beratung in vielen Bereichen parat. Das nächste Mal will sich der Ausschuss auf einem Betrieb mit Einkommensquellen im Energiebereich treffen, und zwar im Frühjahr.

Große Nachfrage bestimmte den Verlauf

0

Bei der Oktoberauktion ­konnte die Nachfrage nicht in allen ­Segmenten befriedigt werden. Der Markt für die weiblichen ­Tiere wurde vollständig geräumt, der Bullenmarkt lief auch sehr zufriedenstellend.

Auf die schwarzbunten Färsen wurde sehr qualitätsorientiert geboten. Im Schnitt wurde ein Preis von 2.550 € erlöst. Ein solcher Preis wurde auf einer Auktion lange nicht mehr erzielt. Und eine der jüngsten Färsen war auch der Topseller. Familie Bähnke aus Klein Schlamin erlöste mit der aus Embryotransfer stammenden „Castelli“-Tochter aus einer „Best Benz“-Mutter den Spitzenpreis von 3.900 €. Die großrahmige und sehr junge Färse begeisterte mit einem sehr festen Euter und die genomischen Zuchtwerte lassen auch viel für die Zukunft erwarten.

Die schwarzbunten Bullen wurden zu einem Durchschnittspreis von 2.300 € zugeschlagen. Teuerster Bulle war „Dajan“, ein „Gladius“-Sohn aus dem D-Stamm von der Rinderzucht Kaack GbR in Mözen. Bei der Körung fiel der großrahmige und sehr gut entwickelte Bulle bereits auf und nach einem spannenden Bieterduell wurde er für 2.900 € zugeschlagen.

Die zwei angebotenen Kühe von der Engelbrecht GbR aus Bokholt-Hanredder wurden im Schnitt für 2.350 € verkauft.

In der Abteilung Rotbunt konnte ebenfalls die Nachfrage nach gut herausgebrachten, abgekalbten Färsen nicht befriedigt werden. Gut entwickelte Färsen mit hohen Einsatzleistungen sind gesucht und so stand am Ende ein Durchschnittspreis von 2.629 € fest: ebenfalls ein Rekordpreis für die Auktion in Dätgen. 3.000 € erzielte Lars Frohbös aus Hoffnungsthal für seine mittelrahmige Marmor P-Tochter „Bertje“. Die hohe Einsatzleistung und das sehr gute Euter waren ausschlaggebend für diesen Spitzenpreis.

Die angebotenen rotbunten Bullen wurden alle verkauft, und zwar zu einem Durchschnittspreis von 2.550 €. Der dunkelrote, großrahmige und genetisch hornlose „Boy Red“-Sohn „Darco“ von Klaus Jürgen Wichmann zog das meiste Interesse auf sich und erlöste 2.800 €. Er verbleibt im Kreis Rendsburg und kommt hier zum Deckeinsatz.

Die drei angebotenen rotbunten Jungrinder von Lars Frohbös aus Hoffnungsthal wurden alle für 1.000 € pro Färse zugeschlagen.

Das Kontingent an Angler Färsen konnte ebenfalls vollständig abgesetzt werden. Der Durchschnittspreis lag bei 2.108 €. Den Höchstpreis erzielte Thore Henningsen für seine „Sevillo“-Tochter „Cassa“ mit 2.700 €. Die schicke Färse konnte mit einer Einsatzleistung von über 37 kg Milch im Ring begeistern.

Die nächste Auktion findet am 7. November in Dätgen statt. Die Rinderzucht Schleswig-Holstein eG (RSH) hofft auf eine größere Anzahl von Anmeldungen, da gute abgekalbte Färsen nach wie vor gesucht sind.

Schlachtschweinemarkt – der Preisrutsch hallt nach

0

Die Schlachtschweinepreise haben Mitte voriger Woche einen empfindlichen Satz nach unten gemacht, auf nun nur noch 1,92 €/kg und somit auf den niedrigsten Stand seit November 2022. Dieser Schritt kam zwar nicht unvorhergesehen, aber für viele Marktbeobachter doch relativ überraschend. Begründet wurde er mit einem steigenden Lebend­angebot und den durch den Feiertag bedingten fehlenden Schlachttagen in dieser Woche. Im Nachhinein war dieser Angebotsüberhang bereits erkennbar, wenn man einen Blick auf die ISN-Schweinebörse warf, denn zu den beiden letzten Terminen vor der Preissenkung konnten bereits keine der angebotenen Partien verkauft werden. Auch der nachfolgende Termin ging ohne Abschlüsse aus. Die Erzeugerseite musste sich schließlich dem in den vergangenen Wochen deutlich gestiegenen Druck der Schlachtunternehmen beugen, auch wenn sich die rote Seite mit ihrer Forderung von –0,10 €/kg nicht in vollem Umfang durchsetzen konnte. Die Schlachtsauen sind von dem Preisrückgang ebenso betroffen. Hier machte er sich mit –0,05 € auf nun 1,15 €/kg SG bemerkbar. Es wird ebenfalls von einem ohnehin schon reichlichen Lebend­angebot und Angebotsüberhängen gesprochen, die mit in die nächste Woche genommen werden müssen.

Schwarzmalerei im Spiel?

Die Schlachtunternehmen bewerten den Schweinefleischmarkt aktuell als impulslos, reichlich versorgt und umkämpft. Zwar lassen sich das gestiegene Lebend­angebot und auch die Angebotsüberhänge aus dieser Woche, die in die nächste Woche verschoben werden müssen, nicht leugnen. Auch die durch die Maskenänderung gestiegenen Schlachtgewichte tragen nicht zur Marktentlastung bei, aber die Geschäfte mit Schweinefleisch werden insgesamt als solide bezeichnet. Besonders Schultern, Bäuche und Rohware für die Kasseler-Herstellung werden zügig nachgefragt. Von der Ebene der Zerlegungs- und Großhandelsunternehmen wird der Markt sogar als gut aufnahmefähig und in einigen Fällen als leicht unterversorgt beurteilt. Bei dieser Ausgangssituation haben die Schlachtunternehmen nun die Möglichkeit erhalten, diese aktuellen Übermengen auch einfach und zügig „wegzudrücken“.

EU-weit ähnliche Entwicklung

In den Nachbarländern haben sich die Schweinepreise stabil entwickelt oder ebenfalls nachgegeben, wenn meist auch nicht in diesem deutlichen Umfang. Es wird EU-weit von einem saisonüblich steigenden Lebend­angebot und einem schwierigen Drittlandshandel, aber auch von einer positiven Entwicklung des Schweinefleischmarktes innerhalb der EU berichtet. Dieser Entwicklung wird in den nächsten Wochen weiterer Auftrieb prophezeit. Auch hierzulande dürfen marktentlastende Impulse durch das bevorstehende Weihnachtsgeschäft erwartet werden, wenn auch meist erst ab der zweiten Novemberhälfte. Spannend bleibt, ob diese Preiskorrektur nur ein kurzfristiger Kompromiss zur Überbrückung von Angebotsüberhängen ist und somit beim Einsetzen besagter Impulse durch das Weihnachtsgeschäft wieder zurückgenommen wird oder ob die Schlachtunternehmen sich längerfristig mit diesem Preisniveau durchsetzen können. Die Verlaufskurve des VEZG-Preises zeigt sich in diesem Jahr bekanntlich deutlich flacher als in den Vorjahren. Das heißt, die Preise haben in diesem Jahr immer verhältnismäßig lange auf einem Niveau verharrt.

Wie entsteht eigentlich Tierfutter?

0

Auf dem Gelände des Landhandels Röschmann in Hadenfeld im Kreis Steinburg versammelten sich Mitte Oktober 20 interessierte Landjugendliche. Das Agrar­ausschusssprecherteam hatte zu einer Besichtigung eingeladen.

Zwei Mitarbeiter der Firma, Jane und Robin, stellten das Unternehmen vor, das sich auf die Herstellung von Futter für Tiere wie Kälber, Geflügel, Pferde und Schafe spezialisiert hat.

An dem Standort in Hadenfeld werden 149 einzelne Mischungen aus insgesamt 130 Rohwaren wie Gerste oder Maisflocken hergestellt. Die meisten davon werden in Schleswig-Holstein regional produziert und von Landwirten im ganzen Land für Röschmann angebaut. Leinöl wird montags bis freitags täglich frisch hergestellt und ist Bestandteil vieler Mischungen.

Robin erklärt eine Futtermischung.

Insgesamt werden rund 30 Mischungen an einem Tag hergestellt, teilweise mit Spüldurchgängen in den Maschinen, um Verschleppung zu verhindern. Rund drei Viertel der Mischungen werden als Sackware verkauft, hierfür wurde ein neuer Absackroboter angeschafft, der die Säcke selbstständig befüllt und dann auf Paletten stapelt. Hierfür ist keine Handarbeit mehr notwendig, das entlastet die Mitarbeiter.

Eine Besonderheit der Produktion stellt das Zumischen von Aromen da, neben Eukalyptus für die Bronchien oder Minze können auch solche wie Karamellbonbon hinzugefügt werden. Dies kann unter Umständen die Futteraufnahme steigern, aber auch ein Benefit für die Menschen darstellen, da dann der ganze Stall nach Karamellbonbons duftet.

Im Anschluss an die Führung wurden wir auf einen Imbiss im Warenhaus geladen, das keine Wünsche offenlässt: Neben Spielzeug, Gummistiefeln und Tierbedarf gab es noch vieles mehr zu entdecken.

Das nächste Agrarausschusstreffen findet am Donnerstag, 12. Dezember, in Form einer gemütlichen Weihnachtsfeier mit leckerem Essen statt. Dabei werden wir ein ernstes und wichtiges Thema für Junglandwirte ansprechen: die mentale Gesundheit.

Wachstum ist ein junges Konzept

0

Wirtschaftswachstum ist das Rezept für steigenden Wohlstand. Das weiß auch Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck (Grüne). Dabei ist wirtschaftliches Wachstum ein junges Konzept. Über Jahrtausende stagnierte der Wohlstand. Noch 1820 lebten mehr als 80 % der Weltbevölkerung in Armut. Seither nahm der Wohlstand weit schneller zu als die Weltbevölkerung. Ein Mensch ist heute 4,4-mal reicher als 1950. Ohne Wirtschaftswachstum, aber mit Bevölkerungswachstum wären wir dreimal ärmer. Im Durchschnitt ist der Mensch heute so reich wie 1950 „John Doe“, der Max Mustermann der USA, des damals wohlhabendsten Landes der Welt. Nur ist das Einkommen bekanntermaßen nicht gleich verteilt.

Freie Märkte und ein verlässlicher Rechtsstaat sind echte Wachstumsbooster. „Mister Wirtschaftswunder“ Ludwig Erhard (CDU) gab mit der Einführung der D-Mark im Jahr 1948 die Preise frei. „Im Grunde genommen hat niemand so recht an die Möglichkeit einer freien Lebensordnung oder sozialen Marktwirtschaft gedacht“, sagte der spätere erste Wirtschaftsminister der Bundesrepublik im Rückblick. Und zunächst schien das tatsächlich der falsche Weg zu sein. Die Regale füllten sich zwar über Nacht, aber die Preise stiegen so stark, dass sich die Menschen die Produkte kaum leisten konnten. Die Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf. Anfang der 1950er Jahre setzte dann das deutsche Wirtschaftswunder ein.

Was war Erhards Rezept? Der Staat sollte sich aus dem wirtschaftlichen Wettbewerb heraushalten, stattdessen die Rahmenbedingungen liefern. Auch hat der Staat Fürsorge für Menschen zu tragen, die nicht am wirtschaftlichen Handeln teilnehmen können. Erhards Motto: soziale Marktwirtschaft – so wenig Staat wie möglich, so viel Soziales wie nötig. Was für ein Konzept im Vergleich zu heutigen Lösungsvorschlägen!

Man mag es nicht glauben, aber Erhard lehnte Wirtschaftswachstum als politisches Ziel ab: „Mit steigender Produktivität und mit der höheren Effizienz der menschlichen Arbeit werden wir einmal in eine Phase der Entwicklung kommen, in der wir uns fragen müssen, was denn eigentlich kostbarer oder wertvoller ist: noch mehr zu arbeiten oder ein bequemeres, schöneres und freieres Leben zu führen, dabei vielleicht bewusst auf manchen güterwirtschaftlichen Genuss verzichten zu wollen.“

Die Marktwirtschaft verträgt eine Stagnation problemlos. Wachstum gibt es, weil der Mensch wachsende Bedürfnisse hat. Wer vom „Wohlstand für alle“ träumt, braucht Wachstum. Dieses Wachstum allerdings braucht als Basis die Entscheidungs- und Handlungsfreiheit des Einzelnen innerhalb einer festen Rechtssetzung.

Die Versuchung, wirtschaftliches Wachstum durch politisches Wuchern zu ersetzen, war schon immer groß. Erhards Nachfolger als Wirtschaftsminister, Karl Schiller (SPD), schuf 1967 das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. Seither muss der Staat für Wirtschaftswachstum sorgen – auch durch Staatsverschuldung.

Der Anteil der öffentlichen Schulden am Bruttosozialprodukt stieg seither sprunghaft an. Als das Wachstum schwächelte, die Arbeitslosenzahlen und die Verschuldung aber weiterstiegen, führte das nicht zu einer Korrektur, sondern in weitere Verschuldung. Spätestens seit der Jahrtausendwende ist klar, dass Schulden kein nachhaltiges Wachstum erzeugen. Seither wird die Geldpolitik auf Kosten des Geldwerts instrumentalisiert. Auch das kommt inzwischen an ein Ende. Was nun?

Vielleicht wäre eine Erhard‘sche Zeitenwende angebracht: Statt in staatlich produziertes Wuchern mit ungewisser Zukunftsprognose investieren wir Vertrauen in die Kreativität und den freien Wirtschaftswillen der Menschen. Das kostet nichts außer der Überwindung des politischen Mantras, dass der Staat alles besser kann. Vielleicht wächst die Politik ja mit den Herausforderungen.