Auch der Ackerbau in Schleswig-Holstein steht vor zahlreichen Herausforderungen. Darunter fallen zum Beispiel die Klimaveränderungen, die zu höheren Temperaturmaxima im Sommer (erhöhte Evapotranspiration), veränderten Niederschlagsverteilungen (Dürreperioden) und Starkregen mit erhöhter Erosionsgefahr führen. Zu den Herausforderungen zählen auch gesetzliche Änderungen für Düngung und Pflanzenschutz, Resistenzzunahmen bei Ungräsern /-kräutern sowie pilzliche und tierische Pathogene.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, muss sich der gesamte Agrarsektor Lösungen einfallen lassen. Die Vereinzelungssaat wird durch die Landtechnik als Innovationsansatz angeboten, um die Wachstumsbedingungen für die Kulturen, besser gesagt für jede einzelne Pflanze, durch eine bessere Standraumausnutzung und Saatgutablage zu optimieren. Damit soll erreicht werden, dass die Ressourcen Wasser, Licht, Wärme und Nährstoffangebot von jeder Pflanze effizienter genutzt werden und Inputstoffe wie Saatgut und gegebenenfalls sogar Dünger und Pflanzenschutz vermindert werden können.
Das Verfahren der Vereinzelungssaat ist in Kulturen wie Mais und Zuckerrüben bereits weit verbreitet, da aufgrund der fehlenden Bestockung dieser Pflanzen der Flächenertrag stark von der Einzelpflanzenzahl auf einer definierten Fläche abhängt. Raps und Getreide können jedoch über die Bildung von Seiten-/ Nebentrieben fehlende Pflanzen oder schlechter verteilte Pflanzen besser kompensieren und über die Bildung von Seiten-/Nebentrieben auch höhere Flächenerträge erreichen als Raps- oder Getreidepflanzen, die nur einen Haupttrieb bei gleicher Triebdichte ausbilden (Zimmermann, 1984; Bosse, 1993).
Das Bestockungsverhalten von Raps und Getreide wird außer von der Dauer der Entwicklung unter Kurztagsbedingungen (Saatzeit, Vegetationsende/-anfang, Langtagesbeginn im Frühjahr), Lichtintensität und Stickstoffversorgung auch maßgeblich von der Saattiefe und der Standraumverteilung beeinflusst (Kropf, 2021). Daher ist es sinnvoll, sich über die Vereinzelung von Raps und Getreide trotz der Kompensationsfähigkeit Gedanken zu machen, um durch eine möglichst optimale Verteilung der Pflanzen auf der Fläche eine optimale Bildung von Seiten-/Nebentrieben zu erreichen. In der Theorie lockt dies mit hohen Flächenerträgen durch gesunde und effiziente Pflanzen.
Optimierung der Standraumverteilung
Stellt man sich aus der Vogelperspektive eine zweidimensionale Fläche vor, über die eine Sämaschine läuft, wird schnell klar, dass neben der Längsverteilung (Verteilung der Saat in der Reihe) auch die Querverteilung (Verteilung der Saat quer zur Fahrtrichtung) eine große Rolle spielt.
Die Längsverteilung wird durch die Fahrgeschwindigkeit, Saatstärke, Saatgutqualität und die Zuführung zum Säschar beeinflusst. Die Zuführung zum Säschar kann über den Verteilerkopf von pneumatischen Sämaschinen oder über ein Vereinzelungsaggregat direkt über dem Säschar erfolgen. Durch die Vereinzelung direkt über dem Säschar wird eine bessere Verteilung der Saat in Fahrtrichtung erreicht (Griepentrog, 1994; Beimgraben-Timm, 2018).
Auch bei der Querverteilung spielen die Fahrgeschwindigkeit und die Saatstärke eine Rolle. Wichtigster Einflussfaktor ist aber der Abstand der Säschare zueinander, wie anhand von Raps bei einer Anzahl von 30 Pflanzen je Quadratmeter in der Abbildung vereinfacht verdeutlicht werden soll (Müller, 1999; Reckleben, 2012).
Vorausgesetzt, die Längsverteilung gelingt optimal, wird durch Verringerung des Reihenabstandes der Standraum für die einzelne Rapspflanze vergrößert.
Untersuchungen im Raps und Getreide zeigen jedoch, dass die Bedeutung des Reihenabstandes zwischen 8 cm und 25 cm für den Flächenertrag bei gleichbleibender Saatstärke abnimmt, wenn der Variationskoeffizient der Längsverteilung kleiner als 100 % ist. Einzelkornsämaschinen erreichen Variationskoeffizienten von zirka 50 % bis 60 %, während moderne pneumatische Drillmaschinen bei guten Aussaatbedingungen Variationskoeffizienten von zirka 80 % bis 110 % aufweisen (Griepentrog, 1995; Hanse-Agro, 2013; Hokamp, 2017).
Bereits 1983 wurde ein System ermittelt (Große Hokamp), das die Berechnung der Saatreihenweite für jede Saatstärke zulässt, um einen optimalen Einzelpflanzenstandraum zu ermitteln. Es wurden Versuche im Getreide durchgeführt, die sich mit differenzierten Reihenabständen bei variierenden Saatstärken beschäftigten. Es ergab sich ein Zielverhältnis von 4:1 (siehe folgende Formel).
Das bedeutet beispielsweise einen Reihenabstand von 12,7 cm bei einer Zahl von 250 Pflanzen je Quadratmeter oder einen Reihenabstand von 20 cm bei einer Zahl von 100 Pflanzen je Quadratmeter. Dies gibt bereits Hinweise darauf, warum bei Einzelkornsaaten mit größeren Reihenweiten im Getreide oder auch Raps das Einsparungspotenzial von Saatgut vorhanden ist und sogar berücksichtigt werden muss.
Eine Gleichstandsaat, wie sie bei Rüben wünschenswert wäre, sollte bei Getreide und Raps jedoch nicht angestrebt werden, da ein Ertragsoptimum erst bei einer gewissen Pflanzenkonkurrenz in der Saatreihe erzielt wird. Auf diese Weise wird eine unproduktive Bildung von Seiten-/Nebentrieben zu einer erhöhten Kornanlage und Fertilität bei gleichzeitig homogeneren Ähren umfunktioniert.
Die Hanse-Agro führte von 2015 bis 2020 Streifenversuche zur Vereinzelung im Getreide auf verschiedenen Standorten bei gleichbleibender Reihenweite von 15 cm mit Variationen der Saatstärke und Sorte durch. Aus diesen Versuchen ist abzuleiten, dass unter Berücksichtigung einer geringeren Saatstärke für die Einzelkornsaat und der richtigen Sorte leichte Tendenzen, aber nicht statistisch signifikante Mehrerträge durch die Vereinzelung von Wintergetreide bei der Aussaat generiert werden.
Durch Bonituren und Beobachtungen aus weiteren Versuchen können Getreide- und Rapsbestände, die mit Einzelkornsämaschinen ausgesät wurden, als deutlich homogener beschrieben werden. Durch die aufwendigen Säeinheiten neuerer Maschinen wie der Väderstad Proceed oder der Horsch Solus werden die Ablagetiefe, die Längsverteilung und die Einbettung des Korns mit Erde präzisiert. Dies führt im Nachgang zu einem verbesserten und gleichmäßigeren Feldaufgang und weiter zu einer gleichmäßigeren Jugendentwicklung der Einzelpflanzen. Diese Vorteile bieten die Möglichkeit eines wesentlich gezielteren Einsatzes pflanzenbaulicher Maßnahmen und einer sicheren Etablierung der Kultur, auch wenn keine Ertragssteigerung gesichert möglich ist. Ein weiterer Vorteil dieser Maschinen ist zudem, dass die meisten gängigen Kulturen mit der gleichen Maschine gesät werden können, da die Reihenweiten für Getreide, Raps, Leguminosen, Rüben oder Mais einfach von der Kabine aus zwischen 22,5 cm, 45 cm oder 67,5 cm beziehungsweise 25 cm, 50 cm oder 75 cm gewählt werden können und lediglich die Lochscheiben in den Säaggregaten vorher getauscht werden müssen.
Vorteile auf leichten Standorten
Es sollten jedoch auch weitere Standortfaktoren bedacht werden, die eine Eignung der Maschinen gegebenenfalls ausschließen. Aus den Versuchen über die Standorte in Deutschland hinweg konnte ausgemacht werden, dass die Einzelkorntechnik im Getreide ihre Vorteile auf leichteren Standorten mit geringerem Ertragsniveau und frühen Saatzeiten ausspielen kann. Auf Standorten, die bereits mit Ungräsern wie Weidelgras oder Ackerfuchsschwanz zu kämpfen haben, spielen pflanzenbauliche Maßnahmen zur Unterdrückung, wie hohe Bestandesdichten und spätere Saatzeiten im Herbst, eine wichtige Rolle. Die Erweiterung der Fruchtfolge selbst, als weiteres Werkzeug der Anpassungsstrategie gegen die bereits genannten Herausforderungen der Zukunft, stellt die Einzelkornmaschinen vor keine Probleme. Auch die Aussaat von Mischkulturen gelingt durch das Ansteuern der einzelnen Aggregate, wie auf den Bildern unten zu sehen, problemlos.
Für Zwischenfrucht-mischungen nicht geeignet
Allerdings geht in den meisten Fällen die Erweiterung der Fruchtfolge mit der Integration von Zwischenfrüchten und insbesondere Zwischenfruchtmischungen mit unterschiedlichen Korngrößen einher, was die Einzelkornmaschinen nicht bewerkstelligen können. Eine direkte Saat der Kultur in die abgestorbene Zwischenfrucht oder in die Stoppel der Vorfrucht ohne Vorbereitung des Saatbettes ist mit den Maschinen bei entsprechendem Einsatz der Furchenräumer jedoch wiederum möglich und bietet eine große Flexibilität bei den Aussaatverfahren.
Fazit
Es wird sich zeigen müssen, in welche Richtung das Für und Wider ausschlägt und ob Landwirte und Landwirtinnen bereit sind, in die aufwendige und damit teure Technik zu investieren.