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Erleben und Kompetenzen und Wissen erwerben

Der Bauernhof als Lebensschule für nachhaltige Entwicklung
Von Dr. Ulrich Hampl, Heiderose Schiller, Landwirtschaftskammer SH
Kinder sollen sich zu starken Persönlichkeiten entwickeln können, sozial handlungsfähig und kommunikationsfreudig werden. Sie sollen erlerntes Wissen anwenden können und vieles mehr. Foto: iStock

Die Bewältigung globaler Zukunftsfragen wie Klimawandel, Energie- und Nahrungsversorgung stellt unsere Gesellschaft vor große ökologische und soziale Aufgaben. Zukunftsorientierte Bildung von Kindern und ­Jugendlichen zielt deshalb darauf ab, dass nachfolgende Generationen sogenannte Schlüsselkompetenzen erwerben, die ihnen ermöglichen, diesen ­Herausforderungen handelnd zu ­begegnen und ihre Zukunft nachhaltig zu gestalten. Hierfür sind Bauernhöfe ideale außerschulische Lernorte.

„Staunen, erkunden, forschen, entdecken, aber auch verändern und gestalten“ – hierfür soll der Schulunterricht Anlässe bieten, so zu lesen in einem Rahmenplan für Lehrkräfte. Dabei soll der Sachunterricht „Fragestellungen aus der Begegnung mit der Natur, Arbeit, Technik, Gesellschaft, Raum, Zeit, dem eigenen Körper, der Gesundheit und dem Kulturellen“ thematisieren. Es liegt auf der Hand, dass diese Ziele nicht alleine im Klassenzimmer, sondern vor allem in der Verbindung von Schule und realem Leben erreicht werden können. Sogenannte außerschulische Lernorte, genutzt etwa bei Schulpraktika, Ausflügen, Klassenfahrten und Ähnlichem, ergänzen den Unterricht im Klassenzimmer: Ob im Wald, am Bach oder auch in Firmen und Institutionen – Lernen in lebensnahen Zusammenhängen ist wirksames und zukunftsgerichtetes Lernen zugleich. Hierfür erweist sich der Lernort Bauernhof im Vergleich von außerschulischen Lernangeboten als nahezu ideal.

Ulrich Hampl ist Agraringenieur und Bauerhofpädagoge, er hat 18 Jahre lang einen Schul- und Seminarbauernhof in der Pfalz geleitet und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit dem Konzept „Bildung für Nachhaltige Entwicklung“ (BNE). Foto: privat

Lebensechtes Lernen an Projekten

Die vielfältigen Anforderungen der landwirtschaftlichen Tätigkeiten bilden eine Vielzahl von Lernmöglichkeiten: Motorische, handwerkliche, soziale und intellektuelle Fähigkeiten können bei vielen Aufgabenstellungen erworben und eingeübt werden.

Hierfür ein Beispiel: Sogenanntes Projektlernen, was als eine der vielen pädagogischen Methoden in Lehrplänen gefordert wird, kann auf dem Bauernhof optimal praktisch umgesetzt werden – bei einer konkreten Aufgabe: Eine Gruppe Schüler bekommt Örtlichkeiten, Geräte und Material gezeigt und die Aufgabe gestellt, eine Kälberbox auszumisten und frisch einzustreuen. Die Aufgabe soll selbstständig geplant und umgesetzt werden.

Dieses kleine Projekt erfordert gemeinsame Absprache, umsichtiges Benutzen von Geräten, zielorientiertes Abstimmen von Arbeitsabläufen, Umgang mit beseelten Lebewesen, Rücksichtnahme aufeinander, Einbeziehung der Fähigkeiten und Talente der Einzelnen und vieles mehr. Nach vollbrachtem Projekt hat die Gruppe soziale, personale, methodische und fachliche Kompetenzen angewandt und geübt, die – über die Wissensvermittlung hinaus – allgemein wichtige Bausteine in der Entwicklung und Bildung der jungen Generation darstellen. Dies ist nur ein kleines Beispiel für unzählige Lernsituationen, die auf Bauernhöfen nicht erst künstlich geschaffen werden müssen, sondern dort bereits in großer Vielfalt existieren.

Auch für höhere Klassenstufen bietet der Lernort Bauernhof passende Lernumgebungen: Beim weitgefächerten Thema Ernährung und Wirtschaft zum Beispiel können die Inhalte der Lehrpläne in praxisnahe Erkundungseinheiten umgesetzt werden. Vorstellbar ist etwa die Aufgabe, die pflanzlichen und auch tierischen Erzeugnisse eines konkreten landwirtschaftlichen Betriebes vor Ort zu recherchieren, die monetären Einkünfte zu berechnen und herauszufinden, wie viele Haushalte der Hof ernähren kann.

Wie vernetzt der Hof mit der Region und der Welt ist, kann zum Beispiel bei der Recherche der Verkaufswege der Produkte sowie des nötigen Zukaufs von Futter- und Düngemitteln und anderer Betriebsstoffe aus der Region und der Welt bewusst werden.

Bildung für nachhaltige Entwicklung

Die Schüleraufenthalte auf dem Bauernhof sind in der Regel – in Ergänzung zur schulischen Bildung – nach dem Prinzip der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) aufgebaut: Nachhaltige Entwicklung wurde als Leitbild für die Menschheit bereits 1992 in der Agenda 21 in Rio de Janeiro beschlossen: Handeln aufgrund der Erkenntnis von sozialen, ökonomischen und ökologischen Zusammenhängen auf der Welt so zu gestalten, dass auch künftige Generationen gut überleben können.

Bereits damals wurde formuliert, dass dies nur durch entsprechende Bildung ermöglicht werden kann: Bildung für eine nachhaltige Entwicklung (BNE) soll Menschen ermöglichen, Gestaltungskompetenzen auf ökologischem, ökonomischem und sozial-kulturellem Gebiet zu erwerben, um eine nachhaltige Zukunft der Menschheit zu sichern. Hier kann das Lernen auf dem Bauernhof eine willkommene Hilfe sein. In der Tat sehen viele Schulleitungen bei der derzeitigen Tendenz zur zunehmend individuellen Profilierung von Schulen in der Zusammenarbeit mit kompetenten außerschulischen Partnern eine zeitgemäße Verbesserung ihrer Lernangebote.

Nicht nur Wissen, sondern Kompetenz erwerben

Bei gemeinsamer Arbeit in Stall und Feld, in Backstube, Milchkammer und Küche können Gestaltungs- und soziale Kompetenzen eingeübt werden, die „fit“ machen für ein verantwortungsvolles und gesellschaftlich engagiertes Leben. Der Bauernhof bietet unzählige Lernangebote, die Zukunftsfähigkeit zu schulen: Die Schüler lernen nicht nur den eigentlichen Wert unserer Lebensmittel kennen und schätzen, sondern übernehmen Verantwortung etwa bei der Pflege der Tiere, üben Achtsamkeit beim Umgang mit Lebendigem, erleben die Zusammenhänge des Wachsens der Pflanzen in Abhängigkeit von Boden, Wetter und Landschaft, sie üben Teamarbeit bei der Bewältigung komplexer Aufgabenstellungen und vieles mehr.

Handlungsangebote mit der Möglichkeit zur Wiederholung führen zu Erfahrung. Gesammelte Erfahrung wiederum baut zunehmende Handlungs- und Gestaltungskompetenz auf. Dabei sollen sich Kinder zu starken Persönlichkeiten entwickeln können (personale Kompetenz), sie müssen sozial handlungsfähig und kommunikationsfreudig werden (soziale Kompetenz), sie sollen erlerntes Wissen anwenden können (methodische Kompetenz) und vieles mehr.

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