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Dreifache Überzeichnung zeigt Dilemma

Sorgen in der Biogasbranche – Anreize für flexible Strom-, Wärme- und Biomethanerzeugung nötig
Von LEE SH/jh
Die dreifache Überzeichnung der Ausschreibung für Biomasseanlagen verdeutlicht dem Landesverband Erneuerbare Energien zufolge die Zukunftsangst der Branche. Foto: Imago

Die Bundesnetzagentur veröffentlichte vergangene Woche die aktuellen Ausschreibungsergebnisse für Biomasseanlagen. Auf den ersten Blick wirkt die Ausschreibung wie ein Erfolg, da die Gebote die angebotene Menge von 288 MW installierter Leistung um ein Dreifaches übertrafen. Jedoch verdeutlicht genau diese Überzeichnung die Zukunftsangst der Branche.

Die Ergebnisse der Ausschreibung Biomasseanlagen zum 1. Oktober zeigen ein interessantes Bild. Auf die ausgeschriebene Menge gingen 892 Gebote über 910 MW installierte Leistung ein, darunter waren acht Gebote für Neuanlagen und 884 Gebote mit 896 MW für Bestandsanlagen. Davon wurden 270 Gebote bezuschlagt, alle Gebote für Neuanlagen sowie 262 Zuschläge für Bestandsanlagen über 274 MW. Der zulässige Höchstwert bei Neuanlagen lag bei 17,67 ct/kWh und bei 19,83 ct/kWh bei Bestandsanlagen. Im Ländervergleich gingen die meisten Zuschläge nach Bayern (99 Zuschläge für 93 MW), gefolgt von Baden-Württemberg (49 Zuschläge für 50 MW). An dritter Stelle folgt Schleswig-Holstein mit 34 Zuschlägen für 44 MW (gut 8 % der aktuell installierten Leistung von 511 MW in SH).

Südquote und endogene Mengensteuerung

Marcus Hrach, Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE SH), betont: „Der LEE freut sich für die schleswig-holsteinischen Betriebe, die nun zumindest eine zehnjährige Planungssicherheit für ihre Anlagen besitzen. Dennoch hätten wir uns im Norden mehr Zuschläge gewünscht, dagegen wirken jedoch die von uns kritisierte Südquote sowie die endogene Mengensteuerung. Beides muss dringend abgeschafft werden“. Bei den Ausschreibungen für Biomasse werden Gebote in der Südregion bevorzugt bezuschlagt, die in etwa den Gebieten südlich der Main-Linie entspricht. Beim aktuellen Gebotstermin wurde die Hälfte der ausgeschriebenen Menge an dortige Projekte vergeben.

Verlust von gesicherter Leistung

Laut Bundesnetzagentur konnte diese bevorzugte Zuschlagsmenge erneut vollständig ausgeschöpft werden. Dieser Mechanismus verzerrt nicht nur den Wettbewerb. Zudem sorgt er für einen Verlust von gesicherter Leistung in weiten Teilen der Bundesrepublik. Denn Hunderte von Bestandsanlagen, die auf Basis dieser Ausschreibung einen zweiten Betriebszeitraum von zehn weiteren Jahren anstrebten, stehen weiter ohne Anschlussperspektive dar.

Die allermeisten Anlagen werden zudem mit den konkurrenzbedingt viel zu niedrigen Zuschlagswerten keinen langfristigen wirtschaftlichen Anlagenbetrieb aufrechterhalten können. Hintergrund sind die stark gestiegenen Kosten für die nötigen Rohstoffe.  So wurde in der Oktoberrunde nur ein durchschnittlicher Zuschlagswert von 18,28 ct / kWh erreicht, in der Vorrunde lag dieser noch bei 18,92 ct/kWh. Es zeichnet sich daher ab, dass viele Betriebe ernsthaft eine Stilllegung in Betracht ziehen werden.

Hrach warnt: „Die dreifache Überzeichnung muss ein Weckruf für die Bundesregierung und die Bundesnetzagentur sein. Die aktuellen Rahmenbedingungen der Biomasseausschreibungen setzen die falschen Anreize. Wir brauchen sichere und flexibel steuerbare Erzeugung von Strom und Wärme aus Biomasse – sowohl in der Kraftwerksstrategie als auch bei der kommunalen Wärmewende. Und das Ganze zu einem angemessenen Preis, der die aktuelle Marktsituation widerspiegelt. Wir vermissen dazu Impulse seitens der Bundesregierung. Wir brauchen eine neue Strategie, die Wärmeauskopplung, flexible Leistung und Biomethanerzeugung gleichermaßen anreizt.“

Neuausrichtung durch Osterpaket verfehlt

Die Ausschreibungsergebnisse dieses Jahres zeigen in der Gesamtbetrachtung, dass die mit dem Osterpaket 2022 vorgenommene Neuausrichtung der EEG-Vergütung für Biomasse weder den tatsächlichen langfristigen Zielen der Bundesregierung entsprechen noch von der Branche angenommen wird. Denn in dieser Ausschreibungsrunde gab es keine Gebote für Biomethanerzeugung und nur wenige Gebote für flexible Strom- und Wärmeerzeugung.

Zum Vergleich: In der Frühjahrsausschreibung wurden lediglich vier Zuschläge mit 3 MW für Schleswig-Holstein bewilligt.

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