StartNachrichtenAgrarpolitikDer Geist ist willig, aber das Fleisch wandert ab

Der Geist ist willig, aber das Fleisch wandert ab

Kommentar zur Schließung des Vion-Schlachthofs in Bad Bramstedt
Von Dr. Robert Quakernack
Bei einer Betriebsgenehmigung für bis zu 4.500 Tiere pro Woche werden von Vion in Bad Bramstedt aktuell nur etwa 1.550 Tiere pro Woche geschlachtet. Foto: Vion

Vion schließt seinen Schlachthof in Bad Bramstedt zum 21. Juli. Diese Meldung trifft die Rinderhaltung in Schleswig-Holstein ins Mark. Offensichtlich klafft eine riesige Schere zwischen dem, was gesellschaftlich und politisch gewollt ist, und dem, was aus Marktmechanismen resultiert. Noch im Januar erklärte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), er wolle den Tierschutz durch weniger Transporte und mehr hofnahe Schlachtungen verbessern. Seine Maßnahmen: Forschungsprojekte und die Förderung von Start-ups. Auch Schleswig-Holsteins ehemaliger Landwirtschaftsminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) hat sich regelmäßig für die Förderung dezentraler Schlachthofstrukturen ausgesprochen und auch Förderbescheide verteilt, zum Beispiel im Frühjahr 2022 an die Landschlachterei Burmeister in Viöl, Kreis Nordfriesland. 

Mit der Vion-Entscheidung steht aber nun fest: Mindestens 80.000 Rinder jährlich werden ab August in größtenteils weiter entfernte Schlachtstätten transportiert. Das ist zwar unter den aktuellen tierschutzrechlichen Transportbestimmungen ohne Weiteres möglich, entspricht aber nicht den von vielen Politikern und Tierschutzorganisationen formulierten Zielen. Einzelne Förderbescheide und kleinere Projekte reichen definitiv nicht aus, dem Strukturwandel in der Landwirtschaft und im nachgelagerten Bereich zu begegnen. Nach Angaben des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH) verliert das nördlichste Bundesland pro Jahr zirka 4 % seiner Rinderbetriebe. Der Schweinesektor leidet gar unter einem Strukturbruch. 

Das Bestreben um immer mehr Tierwohl ist richtig und wichtig. Wenn steigende Auflagen aber dazu führen, dass die regionalen Wirtschaftsstrukturen verschwinden und die Produktion unter schlechteren Bedingungen im Ausland stattfindet, nutzt das keinem einzigen Tier, sondern schadet lediglich der regionalen Wertschöpfung. In Bad Bramstedt stehen nun 250 Mitarbeiter vor einer ungewissen Zukunft. Als Spezialisten für einzelne Arbeitsschritte werden sie bei den Landschlachtereien höchstens vereinzelt eine neue Anstellung finden können. 

Die Tierhaltung ist auf dem Rückzug, und momentan scheint es, dass sich diese Entwicklung verstetigt. Politische Entscheidungen der vergangenen Jahre haben zu einem massiven Vertrauensverlust der Bauern geführt. Die Niederungsstrategie, Extensivierungsvorgaben aus Brüssel und der Ausbau der Erneuerbaren Energien erhöhen den Druck auf die tierhaltenden Betriebe. Dabei arbeiten in Schleswig-Holstein hoch qualifizierte Bauern auf ihren Höfen mit im Vergleich hervorragenden Haltungsbedingungen.

Nur verlässliche Rahmenbedingungen können die Nutztierhaltung in Deutschland halten. Die bisherigen kleinen Schritte der Bundesregierung reichen für einen ganzheitlichen Umbau – entsprechend den Vorschlägen der Borchert-Kommission – nicht aus. Außerdem müssen Zielkonflikte innerhalb der Schlachtbranche klar benannt werden: Stimmt das Ziel langlebiger Tiere mit den aktuellen Kriterien bei der Fleischbeschau überein? Wo kann mobiles Schlachten eine Ergänzung zu Großschlachtereien sein, die eine ganz andere Logistik für Lagerung und Vermarktung vorhalten? Fest steht: Politische Lippenbekenntnisse stoppen die Abwanderung der Tierhaltung nicht.

Dr. Robert Quakernack
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