StartNachrichtenAgrarpolitikDas große Roulette der Marktbesetzung

Das große Roulette der Marktbesetzung

Editorial zur geplanten Übernahme von Viterra durch Bunge 
Von Mechthilde Becker-Weigel
Das eher unscheinbare Acker-Hellerkraut (Thlaspi arvense) ist auch involviert im Agrarpoker.  Foto: Imago

Den Welthandel mit Agrarrohstoffen dominieren vier große Konzerne, die „ABCD-Gruppe“. Das sind Archer Daniels Midland (ADM), Bunge, Cargill und Louis Dreyfus. Ihr Weltmarktanteil liegt bei 70 %. Die Konzerne handeln, transportieren und verarbeiten Rohstoffe, verfügen über Hochseeschiffe, Häfen, Eisenbahnen, Raffinerien, Silos, Ölmühlen und Fabriken. ADM, Bunge und Cargill haben ihren Sitz in den USA, Louis Dreyfus in Amsterdam. Die Gründerfamilien halten immer noch wesentliche Anteile, und sie zeichnen sich nicht durch hohe Transparenz aus. ADM und Bunge sind an der Börse notiert.

Jetzt zeichnet sich Bewegung ab, die die Größenverhältnisse verschieben wird. Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass Bunge die Übernahme von Viterra plane, die jetzt tatsächlich vollzogen werden soll. Die Ursprünge von Viterra, einem international agierenden kanadischen Agrarkonzern, reichen zurück auf die kanadischen Agrargenossenschaften der 1920er Jahre, aus denen als größtes Getreidehandelskonglomerat des Landes der Saskatchewan Wheat Pool (SWP) entstand. Nach Übernahmen avancierte das Unternehmen 2007 zum größten Getreidehändler Kanadas, operierte auch in den Weizenanbaugebieten der USA, Australiens, Neuseelands und Chinas und weiterer Länder und wuchs zu einem der weltgrößten Getreidehändler. 2013 übernahm Glencore den Konzern und führte im November 2020 seine Agraraktivitäten unter der Marke Viterra zusammen.

Mechthilde Becker-Weigel Foto: Archiv

Die geplante Übernahme von Viterra würde den weltgrößten Ölsaatenverarbeiter Bunge noch dominanter machen. Damit dürfte Bunge auch bald eine größere Rolle in der expandierenden Welt der Erneuerbaren Energien spielen. Die Wettbewerbsbehörden müssen dem Deal noch zustimmen, das wird nicht ohne Hürden ablaufen. Laut Wirtschaftsmedien würde mit der Übernahme ein Agrarriese im Wert von 34 Mrd. US-$ entstehen. Die Übernahme von Viterra würde den Umsatz von Bunge (67,2 Mrd. US-$ im Jahr 2022) auf das Niveau von ADM bringen (102 Mrd. US-$ in 2022). Die Crush-Kapazitäten, würden um rund ein Drittel auf 75 Mio. t pro Jahr steigen. Besonders interessant dürfte in den kommenden Jahren der Crush von Sojabohnen und Rapssaat zur Herstellung von Biokraftstoffen wie Biodiesel sein.

Die Strategie ist schon länger angelegt. So ist Bunge in den vergangenen beiden Jahren Partnerschaften mit dem Ölkonzern Chevron und dem Saatguthersteller Corteva eingegangen. Aus dieser Kooperation können maßgeschneiderte Ölsaaten für die Herstellung von Biodiesel entstehen. Die Investition in das Startup- Unternehmen Covercress verschafft Bunge zudem Zugang zu neuen, kohlenstoffärmeren Ölsaatensorten. An diesen Investitionen von Bunge und Chevron ist auch Bayer beteiligt. CoverCress hat als gleichnamige Frucht gentechnisch modifiziertes Acker-Hellerkraut auf den nordamerikanischen Markt gebracht, das als Zwischenfrucht angebaut werden soll, um daraus Öl und Eiweißfuttermittel zu gewinnen. Die mit dem Raps verwandte Ölpflanze enthält eine ähnliche Fettsäurenzusammensetzung. Es soll mithilfe der Ölsaatverarbeitungstechnologie von Bunge sowie der Expertise von Chevron im Bereich Kraftstofferzeugung zu Erneuerbarem Diesel verarbeitet werden.

Zum Erfolg könnte beitragen, dass die US- Energiebehörde EIA im Februar bestätigt hat, dass sich die jährliche Produktion von Biodiesel in den USA bis 2025 mehr als verdoppeln könnte. Die Vorgehensweise von Bunge macht den Hebel deutlich, den Agrarkonzerne nutzen, indem sie sich an verschiedenen Positionen der Wertschöpfungskette platzieren, und dass Größe ein Schlüssel in diesem Geschäft ist.

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