StartNachrichtenAgrarpolitikBVSH-Programm: Kritischere Haltung zum Green Deal angemahnt

BVSH-Programm: Kritischere Haltung zum Green Deal angemahnt

Bauernverband Schleswig-Holstein stellt Agrar- und Umweltprogramm vor
Von Dr. Robert Quakernack/AgE
Für eine nachhaltige Entwicklung der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein sieht der BVSH enormen politischen Handlungsbedarf. Foto: Imago

Der Landeshauptausschuss des Bauernerbandes Schleswig-Holstein (BVSH) hat auf seiner Sitzung am Gründonnerstag einen Ideen- und Vorschlagskatalog beschlossen. In dem 20-seitigen „Agrar- und Umweltprogramm für das Land Schleswig-Holstein“, das sich an die Landesregierung und an den Landtag in Kiel richtet, werden auch europa- und bundespolitische Entscheidungen und Regelungen angesprochen.

Der Landesbauernverband verweist auf die Mitwirkungskompetenzen über die Ministerkonferenzen der Länder und über den Bundesrat.

Aus Sicht des BVSH stehen die Landwirte im nördlichsten Bundesland vor großen Herausforderungen. Das Programm nennt die Wettbewerbssituation der Betriebe mit volatilen Preisen und hohem Auflagenniveau in der Europäischen Union und Deutschland, die Ernährungssicherung, Beiträge der Landwirtschaft zu Klimaschutz, Biodiversität, Gewässerschutz und Tierwohl, die inflationsbedingte Verteuerung der Betriebsmittel sowie die klimatischen Risiken.

Diesem Anforderungsgeflecht könnten viele Betriebe nicht standhalten. Exemplarisch zeige sich das an der hohen Aufgaberate unter den Schweinehaltern und der dadurch drastisch rückläufigen Schweineproduktion, heißt es in dem Papier.

Um die bäuerliche Landwirtschaft zu erhalten und die Nachhaltigkeitsziele zu erreichen, müsse somit gehandelt werden. In dem Ideen- und Vorschlagskatalog behandelt der BVSH neben dem Green Deal und der Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) sowie aktuellen Verordnungsvorschlägen aus Brüssel auch den Klimaschutz, die Tierhaltung, die Digitalisierung, das Naturschutzrecht, den Artenschutz und das Arbeitsrecht.

Hohes Auflagenniveau

Der BVSH drängt beispielsweise auf eine stärkere kritische Begleitung von geplanten Auflagen der Europäischen Union seitens der Kieler Landesregierung. In diesem Zusammenhang beklagt der Landesbauernverband, dass eine geeignete Folgenabschätzung zum Green Deal fehle. Als kritisch wertet der BVSH außerdem, dass in Brüssel mit der geplanten Verordnung über die nachhaltige Verwendung von Pflanzenschutzmitteln (SUR), dem Vorschlag für eine Verordnung über die Wiederherstellung der Natur oder dem Änderungsvorschlag zur Richtlinie über Industrieemissionen (IED) zunehmend auf in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltende Vorschriften gesetzt werde. Aufgrund des im Vergleich ohnehin hohen Auflagenniveaus in der EU schränkten die geplanten Verbote, Vorgaben und Auflagen unmittelbar die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und deutschen Landwirtschaft ein, heißt es in dem Ideen- und Vorschlagskatalog.

Der Verband fordert, sich für die bereits entwickelten Grundsätze der Freiwilligkeit und Kooperation einzusetzen. Dabei sei es essenziell, dass zusätzliche Anforderungen und Auflagen nicht nur mit einem Nachteilsausgleich versehen würden, sondern auch mit einer attraktiven Honorierung. Diese solle einen Anreiz bieten, an Maßnahmen zur Erreichung von Nachhaltigkeitszielen teilzunehmen und hier im Einzelfall einen eigenständigen Betriebszweig zu entwickeln. BVSH-Präsident Klaus-Peter Lucht appelliert an die Politik, „endlich zu handeln“, wenn die Nachhaltigkeitsziele erreicht und die bäuerlichen Betriebe im Land erhalten werden sollten.

Lucht: Politischer Wille fehlt

Lucht bedauerte, dass es für die Umsetzung staatlicher Programme am politischen Willen fehle, entsprechende rechtliche Änderungen vorzunehmen. Dabei seien mit dem Dialogprozess zur Zukunft der Landwirtschaft in Schleswig-Holstein und den Vorschlägen des Kompetenznetzwerks Nutztierhaltung sowie der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) bereits gangbare Wege für einen gesamtgesellschaftlichen Konsens aufgezeigt worden. „Den berechtigten Forderungen der Gesellschaft kann die Landwirtschaft aber unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht mehr nachkommen. Wir sehen das in dramatischer Weise exemplarisch beim Rückgang der Schweinehaltung“, so der BVSH-Präsident.

Eco-Schemes jetzt prüfen

Des Weiteren appelliert der Verband an die Landesregierung, gegenüber dem Bund und den anderen Bundesländern auf eine grundlegende Überprüfung und Überarbeitung der Eco-Schemes für 2024 „schon jetzt hinzuwirken“. Nach Auffassung des BVSH fehlen im Katalog der Ökoregelungen attraktive Maßnahmen für die Milchviehfutterbaubetriebe. Wie in anderen Bundesländern sollten die einzelnen Eco-Schemes durch Maßnahmen in der Zweiten Säule ergänzt werden.

Im Hinblick auf die Ausgestaltung der GAP nach 2027 drängt der BVSH das Land dazu, sich für eine Beibehaltung der Mittel im bisherigen Umfang für Nachhaltigkeitsziele und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe einzusetzen. Dies könne nur gelingen, wenn die Zahlungen für Nachhaltigkeitsleistungen mit einem maßgeblichen Einkommensanteil ausgestattet würden. Durch die Nachhaltigkeitsbindung verliere die Konditionalität ihre innere Rechtfertigung und müsse im Gegenzug abgebaut werden.

Obergrenzen zu niedrig

Mit Blick auf die Tierproduktion mahnt der BVSH deutliche Anpassungen in Bezug auf das Bundesprogramm zur Förderung des Umbaus der Tierhaltung an. Dies bleibe zu weit hinter den Vorschlägen der Borchert-Kommission zurück. Neben dem Gesamtvolumen nennt der Landesbauernverband die zu niedrigen Obergrenzen bei der Tierzahl und den Investitionssummen je Förderfall. Ohne eine gleichzeitige Anpassung zahlreicher gesetzlicher Regelungen sei aufgrund rechtlicher Unmöglichkeit zu bezweifeln, dass die geringen Fördermittel ausgeschöpft würden.

Die auf europäischer Ebene im Rahmen der Änderung der IED geplanten Verschärfungen der Genehmigungsschwellen und die Einbeziehung der Rinderhaltungen lehnt der BVSH strikt ab. Zudem mahnt er im Zuge des angestrebten Umbauprozesses der Tierhaltung gesetzlich flankierende Maßnahmen an. Dazu müssten das Baugesetzbuch ebenso umgehend angepasst werden wie das Naturschutz-, das Immissionsschutz- und das Umweltverträglichkeitsprüfungsrecht. Dies wertet der BVSH als „alternativlos“.

Arbeitsmigration erleichtern

Rechtssicherheit fordert der Landesbauernverband außerdem im Kapitel Arbeitsrecht bezüglich des Mindestlohns. Er kritisiert, dass der in kurzen Intervallen stetig steigende Mindestlohn die Betriebe vor immer neue wirtschaftliche Herausforderungen stelle und so Planungssicherheit kaum gegeben sei. Auch sollten Ausnahmen vom Mindestlohn für Praktika vereinfacht werden, vor allem bei der Beschäftigung von Geflüchteten.

Begrüßenswert wäre aus BVSH-Sicht außerdem eine Ausdehnung des Eingliederungszuschusses durch die Bundesagentur für Arbeit für Fachkräfte aus dem Ausland. Daneben warnt der Bauernverband vor einem möglichen verstärkten bürokratischen Aufwand in den Betrieben mit der in den nächsten zwei Jahren anstehenden Umsetzung der Mindestlohnrichtlinie. Dringend vereinfacht werden sollte der Zugang von Saisonarbeitskräften aus Drittstaaten. Bewerber aus Nicht-EU-Ländern wie Usbekistan müssten berücksichtigt werden können. Ferner sollten die Kontingente für Saisonarbeitskräfte vom Westbalkan sowie aus Georgien und der Republik Moldau erhöht und auch eine Beschäftigung von Menschen aus dem asiatischen Raum ermöglicht werden.

Das komplette BVSH-Agrar- und Umweltprogramm

Video-Statement zum Agrar- und Umweltprogramm von BVSH-Präsident Klaus-Peter Lucht:

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