StartNachrichtenAgrarpolitik1,5 Grad war einmal – zieht euch warm an, es wird heiß

1,5 Grad war einmal – zieht euch warm an, es wird heiß

Kommentar zum Weltklimarat
Von Mechthilde Becker-Weigel
Einen Vorgeschmack, wie sich Trockenheit auf die Landwirtschaft in unseren Breitengraden auswirkt, brachte das Jahr 2018. Foto: mbw

Der Weltklimarat IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) schlägt Alarm. Das Ziel wurde aufgegeben, die Erderwärmung auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) zu begrenzen. Sie liegt jetzt schon bei rund 1,1 Grad. Die 1,5 Grad könnten bereits in der ersten Hälfte der 2030er Jahre überschritten werden, hieß es am Montag in Interlaken (Schweiz) bei der Vorstellung des aktuellen Berichtes. 

Hitzewellen, Überschwemmungen und Dürren häufen sich und werden extremer. Die aktuellen Pläne der Regierungen, das Tempo und der Umfang der bisherigen Klimaschutzmaßnahmen genügten nicht, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung zu begrenzen, betont der Weltklimarat. Die Folgen würden häufigere und intensivere Wetterereignisse sein. Erwärme sich die Erde weiterhin, würden die Gefahren eskalieren, warnt der IPCC. Klimabedingte Dürren würden zu noch mehr und höheren Ernteausfällen und Wasserknappheiten führen, als wir sie bereits in den vergangenen Jahren gesehen haben. 

2018 stellte der Weltklimarat fest, es sei gefährlicher als zuvor gedacht, wenn die Erderwärmung um mehr als 1,5 Grad ansteigt. Um das zu verhindern, müssten die CO2-Emissionen bis 2030 fast halbiert werden. Von ehemals zwölf Jahren sind bereits fünf um, und die Zahlen haben sich kaum geändert. Seit 2019 sind die globalen Emissionen eher noch weiter angestiegen. Das Problem wird also größer statt kleiner. 

Wir müssen anfangen, uns ernsthaft mit der Welt jenseits von 1,5 Grad Erderhitzung zu beschäftigen: mit der Zunahme von Wetterex­tremen, einem drastischeren Anstieg des Meeresspiegels und der Gefährdung von Milliarden Menschen durch Hitzewellen, Wassermangel und Nahrungsmittelknappheit. Wir müssen damit rechnen, dass viele Menschen aus dem globalen Süden alles auf sich nehmen werden, um diese Veränderungen in gemäßigten Breitengraden überleben zu können. Große Flüchtlingswellen sind zu erwarten.

Während die Klimabehörde der Vereinten Nationen mit seriöser Wissenschaft vor dem Klimawandel warnt, versuchen die politischen Entscheidungsträger das Klimawissen strategisch für ihre Parteiideologie einzusetzen. Dabei sollten politische Bemühungen auf internationaler Ebene noch stärker gefragt sein, um den Hebel an großen Industrien ansetzen zu können. 

Dass ein Teil der Lösung in einer angepassten Landwirtschaft liegt, ist vollkommen unbestritten. Diskussionen über einen Umbau der Tierhaltung und Landnutzungssystemen sind vor diesem Hintergrund berechtigt. Doch werden die Regionen, die eine leistungsfähige Landwirtschaft ermöglichen, in diesem Szenario in den kommenden Jahren kleiner. Für eine ausreichende Nahrungsmittelproduktion wird in Zukunft mehr gebraucht als Verbote, Erlasse und Ordnungsrecht. Auch eine pflanzlich basierte Ernährung kann nicht ohne Landwirte produziert werden, die mit intelligenter Technologie bodenschonend Pflanzen anbauen, die züchterisch an die sich ändernden Umweltbedingungen angepasst wurden und hoffentlich auch dann noch in ausreichender Menge heranwachsen werden, wenn wir uns jenseits der 1,5-Grad-Erwärmung einrichten müssen.

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