StartNachrichtenMarktWann kommt der Getreidemarkt wieder in die Gänge?

Wann kommt der Getreidemarkt wieder in die Gänge?

Marktkommentar
Von Caroline Hertell, LK-Markt
Foto: Imago

Die zweite Hälfte des Getreidevermarktungsjahres ist angebrochen. Nach den enormen Preisentwicklungen 2022 haben Weizenpreise um 300 €/t zum Jahresende keine Verkäufer mehr mobilisieren können. Auch auf der Abnehmerseite hielt sich das Interesse in Grenzen, sodass es im Handel nur wenig Bewegung gab. Die Differenz zu Höchstnotierungen von bis zu 430 €/t für B-Weizen ist prägnant und der Verkauf zu jetzt mehr als 100 € geringeren Kursen fällt schwer. In welcher Richtung geht es jetzt weiter? Eine Orientierung geben die Fundamentaldaten, aber einiges liegt noch im Dunkeln. Deutschlandweit wurden zur Herbstaussaat vor allem die Flächen für den Rapsanbau ausgeweitet, die Änderungen beim Getreide sind unspektakulär. Daraus abzuleiten ist lediglich ein vergrößertes Rapsangebot, das könnte die Importe senken. Die Europäische Union hat im ersten Halbjahr der Saison weniger Gerste, aber mehr Weizen exportiert als im Vorjahr. Gleichzeitig wurde auch mehr Mais importiert. Raps wurde mehr als im Vorjahr eingeführt und Sonnenblumen wurden sieben Mal so viel importiert wie im Vorjahr. Der Binnenmarkt ist also gut versorgt. Am internationalen Markt steht zurzeit viel Weizen zur Verfügung, primär aus Australien und Russland. Das europäische Angebot hat aus Preisgründen zumeist das Nachsehen. Mais ist eher knapp, es wird auf den zweiten Mais aus Brasilien gewartet. Raps ist gerade kaum gefragt.

Hiesige Erzeugung

Der aktuelle Zeitpunkt bietet im Jahresverlauf die schlechteste Grundlage, um hierzulande Prognosen über die Angebotsentwicklung abzugeben. Im Dezember gab es einen bemerkenswerten Wintereinbruch, jedoch konnte eine ausreichende Schneedecke fast überall die darunter liegenden Kulturen vor Schäden bewahren. Die jungen Pflanzen dürften jetzt weniger sensibel auf mögliche weitere Kältewellen reagieren, aber die zwischenzeitlich hohen Temperaturen um 15 °C machen es der Vegetation nicht leicht. Ansonsten ist in dieser Hinsicht noch Geduld angesagt. So bleibt zurzeit als Grundlage für Vorhersagen lediglich die trockene Schätzung der Anbauflächen: Winterweizen und Roggen unverändert, Triticale +7 %, Wintergerste +8 %, Raps +9 %. Dies zunächst für Schleswig-Holstein. Das Weizenangebot bleibt demnach vermutlich gleich oder verringert sich, nach den guten Erträgen 2022 ist ein Rückgang wahrscheinlicher als eine weitere Ertragssteigerung. Wird aus dem B-Weizen bis zur Ernte ein C-Weizen und bringen Roggen, Triticale und Gerste gute Erträge, so sieht es nach einem eher üppigen Angebot an Futtergetreide aus. Demgegenüber dürfte der Bedarf am Futtergetreidemarkt tendenziell zurückgehen durch die rückläufigen Viehbestände. Auf der anderen Seite kaufen die Viehbetriebe seit Monaten nur häppchenweise Futtermittel ein, weil die Preise hoch sind. Es könnte also Nachholbedarf beim Futtereinkauf geben. Das Rapsangebot dürfte weiter steigen, schon im Vorjahr waren 18 % Anbaufläche hinzugekommen. Für den hohen inländischen Verbrauch ist das ein gutes Zeichen in Richtung Selbstversorgung. Fraglich ist aber, wie sich der Bedarf an Biodiesel entwickelt. Das 49-€-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr ist auf dem Weg und je weniger Corona, desto weniger Individualfahrten im Auto und desto weniger Dieselverbrauch.

Frühling in Südamerika

Zurück zur Frage nach der weiteren Marktentwicklung. Wo zurzeit konkret Erntemengen unter Veränderung stehen, das ist in Südamerika. In Argentinien und Brasilien steht die Sojabohnenernte bevor und auch die zweite Charge Mais ist im Boden. Das Wetter spielt aber nur teilweise mit. Besonders in Argentinien fehlt es an Niederschlägen, sodass große Ernteeinbußen erwartet werden. Im harten Kontrast dazu erwartet Brasilien eine nie gesehene Rekordsojaernte, welche aber auch erst mal vom Feld geholt sein will. Die Börsenkurse für Soja und Mais zeigen sich dem Wetter entsprechend volatil und wirken sich auf Getreide und Ölsaaten aus. Ob es im Frühjahr am Weltmarkt zu einem preisstarken Nachfrageüberhang bei Getreide oder Ölsaaten kommen kann, hängt nicht zuletzt von den russischen und ukrainischen Exporten ab.

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