Die Bedeutung von Nutzhanf in der deutschen Landwirtschaft wächst stetig. Mit der Erhöhung des zulässigen THC-Gehalts auf 0,3 % durch die Europäische Union und der steigenden Nachfrage nach nachhaltigen Rohstoffen eröffnen sich neue Perspektiven für diese traditionelle Kulturpflanze. Eine aktuelle Studie des Arbeitsbereichs Landwirtschaftliche Betriebslehre der Georg-August-Universität Göttingen untersuchte die ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte des Hanfanbaus sowie dessen Potenziale aus Sicht der Praxis.
Nutzhanf zeichnet sich grundsätzlich durch seine Anpassungsfähigkeit aus, reagiert aber dennoch auf bestimmte Standortbedingungen.
Ackerbauliche Aspekte
Die Pflanze gedeiht am besten auf tiefgründigen, humosen Böden mit guter Wasserversorgung. Sandige, flachgründige Böden oder stark verdichtete Tonböden sind weniger geeignet, da sie das Wurzelwachstum beeinträchtigen können. Der pH-Wert sollte im neutralen bis leicht basischen Bereich liegen.
Die Aussaat von Sommerhanf erfolgt ab Mitte April bei Bodentemperaturen von mindestens 8 °C. Dabei spielt die Nutzungsrichtung eine entscheidende Rolle für die spätere Aussaatstärke: Während für die Faserproduktion etwa 350 Körner je Quadratmeter (K./m²) empfohlen werden, genügen für die Samengewinnung zirka 100 K./m². Eine Alternative bietet der Winterhanfanbau nach früh räumenden Hauptfrüchten wie Wintergerste als Zweitfrucht. Die Aussaat erfolgt hier bis spätestens Ende Juli. Nutzhanf lässt sich flexibel in Fruchtfolgen integrieren und eignet sich besonders als Vorfrucht in Systemen, die stark von Winterungen dominiert sind. Im ökologischen Landbau wird Hanf häufig nach Leguminosen angebaut, um von deren Stickstofffixierung zu profitieren.
Der Nährstoffbedarf von Nutzhanf ist moderat. Für Sommerhanf ist ein Stickstoffbedarf von bis zu 160 kg N/ha, je nach Ertragsniveau, empfohlen, während für Winterhanf reduzierte Werte von bis zu 100 kg N/ha angegeben werden. Der höchste Nährstoffbedarf tritt im Zeitraum des schnellen Wachstums von Mitte Mai bis Ende Juni auf. Organische Dünger wie Gülle oder Gärreste eignen sich gut und unterstützen zusätzlich die Bodenstruktur.
Besonders hervorzuheben ist die aktuell noch bestehende Unempfindlichkeit gegenüber Krankheiten und Schädlingen. Auch Herbizidmaßnahmen sind unter normalen Bedingungen nicht zwingend notwendig, da die Pflanze aufgrund ihrer schnellen Jugendentwicklung und dichten Bestandsbildung sehr konkurrenzfähig gegenüber Unkräutern ist. In der Regel kann also beim Hanfanbau vollständig auf chemischen Pflanzenschutz verzichtet werden.
Eine besondere Herausforderung stellt die Ernte dar. Der optimale Zeitpunkt variiert je nach Nutzungsziel: Für die Fasergewinnung liegt er zwischen Vollblüte und Blühende durch bodennahen Schnitt bei einem Feuchtegehalt des Strohs von etwa 14 %. Für die Samennutzung erfolgt die Ernte etwa vier bis sechs Wochen später. Die Feuchtigkeit der Samen sollte bei der Ernte etwa 15 % betragen. Die Doppelnutzung erfordert eine präzise Terminierung der Ernte auf die Samenreife (Mitte September bis Anfang Oktober), da Samen und Fasern unterschiedliche Reifezeiten aufweisen. Spezielle Maschinen oder ein Zweistufenverfahren kommen dabei zum Einsatz. Im Winterhanfanbau erfolgt die Ernte im Frühjahr. Die Stängel werden bei ausreichender Trockenheit und angemessener Witterung im Februar bis März geerntet.
Abnehmer und Endprodukte
Die wichtigsten Abnehmer für Hanfprodukte mit den entsprechenden Endprodukten sind:
Textilindustrie → Fasern für Kleidung und technische Textilien
Bauindustrie → Dämmstoffe, Verbundwerkstoffe
Lebensmittelindustrie → Hanfsamen, -öl und -protein
Kosmetikindustrie → Hanföl für Hautpflegeprodukte
Papierindustrie → Spezialpapiere
Erfahrungen aus der Praxis
Es wurden Tiefeninterviews mit 14 Landwirtinnen und Landwirten aus Norddeutschland geführt und anhand ihrer Erfahrungen die ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimensionen des Hanfanbaus beleuchtet. Die Ergebnisse der Experteninterviews lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Ökonomische Aspekte
Der Hanfanbau bietet aus Sicht der Landwirtinnen und Landwirte durch den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel erhebliche Einsparpotenziale bei den Produktionskosten im Vergleich zum Marktfruchtanbau. Die Möglichkeit der Doppelnutzung von Fasern und Samen eröffnet zusätzliche Einkommensquellen, stellt aber auch eine Herausforderung für Erntetechnik und Timing dar. Darüber hinaus weisen einige Befragte darauf hin, dass eine gewisse Anbaufläche vorteilhaft ist, um beispielsweise die Ernte- und Aufbereitungstechnik effizienter auszulasten. Für kleinere Betriebe kann dies eine Hürde sein, sodass Kooperationen mit Nachbarbetrieben oder vertragliche Absprachen mit Verarbeitern die Wirtschaftlichkeit verbessern können.
Vorteilhaft ist, dass in Grünlandbetrieben oftmals vorhandene Maschinen für den Hanfanbau genutzt werden können, was die Einstiegshürden senkt.
Die Landwirtinnen und Landwirte bestätigen zudem, dass der Winterhanfanbau als beerntbare Zweitfrucht eine effiziente Ausnutzung der verfügbaren Flächen und eine zusätzliche Verwertung vorhandener organischer Düngemittel ermöglicht. Als zentrale Herausforderung erweist sich die Vermarktung – stabile Absatzwege und verlässliche Abnahmeverträge sind für den wirtschaftlichen Erfolg entscheidend. Dem stehen Unsicherheiten bei Marktpreisen gegenüber, insbesondere falls gesicherte Abnahmeverträge nicht vorhanden sind.
Ökologische Aspekte
Die befragten Landwirtinnen und Landwirte betonen und bestätigen die dem Nutzhanf zugesprochenen positiven Umweltwirkungen. Das tief reichende Wurzelsystem verbessert die Bodenstruktur und schützt vor Erosion.
Die Landwirtinnen und Landwirte bekräftigen, dass die schnelle Bestandsentwicklung in der Praxis einen vollständigen Verzicht auf Herbizide ermöglicht. Der geringe Wasserbedarf nach der Jugendphase macht Hanf zu einer klimaresilienten Kultur. Besonders hervorgehoben wird die sehr gute Vorfruchtwirkung, die sich positiv auf die Erträge der Folgekulturen auswirkt.
Zudem wird die Fähigkeit des Hanfs zur CO2-Bindung als weiterer ökologischer Vorteil gesehen, insbesondere wenn die anfallende Biomasse beispielsweise in der Bauindustrie (zum Beispiel als Dämmstoff) eingesetzt wird und so der gebundene Kohlenstoff längerfristig erhalten bleibt. Einige Landwirtinnen und Landwirte diskutieren in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit, über die Teilnahme an Klimaschutzprogrammen zusätzliche Erlöse zu erzielen, betonen jedoch, dass dies noch von klareren Vorgaben und Marktmechanismen abhängig ist.
Soziale Aspekte
Der Hanfanbau kann aus Sicht der Landwirtinnen und Landwirte zur Verbesserung des Images der Landwirtschaft beitragen. Die umweltschonende Produktionsweise ohne Pflanzenschutzmittel findet in der Gesellschaft positive Resonanz. Allerdings bestehen teilweise noch Vorurteile und Missverständnisse zur Unterscheidung zwischen Nutz- und Drogenhanf. Hier sehen Befragte einen klaren Bedarf an Aufklärungskampagnen, um Vorbehalte abzubauen und dass Potenzial dieser Kulturpflanze bekannter zu machen.
Die Schaffung regionaler Wertschöpfungsketten durch den Hanfanbau stärkt ländliche Räume. Auch die Entstehung neuer Kooperationen zwischen Landwirtinnen und Landwirten sowie regionalen Verarbeiterinnen und Verarbeitern wird als positiver sozialer Effekt wahrgenommen. Einige Betriebe berichten zudem, dass gerade junge Menschen dem Hanfanbau besonders aufgeschlossen gegenüberstehen und großes Interesse an innovativen, nachhaltigen Kulturverfahren haben.
Fazit
Nutzhanf bietet der Landwirtschaft vielversprechende Perspektiven. Seine ökologischen Vorteile, wie die Verbesserung der Bodenstruktur und CO2-Bindung, sowie die ökonomischen Potenziale durch Flächendoppelnutzung und geringen beziehungsweise fehlenden Pflanzenschutzmittelbedarf machen ihn zu einer nachhaltigen Ergänzung der Fruchtfolge. Herausforderungen bestehen vor allem in der Vermarktung, die eine strategische Planung erfordert. Für einen erfolgreichen Anbau empfiehlt sich eine schrittweise Flächenausdehnung mit vorheriger Absicherung der Vermarktung. Regionale Kooperationen und Aufklärungskampagnen könnten helfen, Vorurteile abzubauen und die Nachfrage nach Hanfprodukten weiter zu stärken. Mit der richtigen Strategie kann Nutzhanf einen wertvollen Beitrag zu einer zukunftsfähigen Landwirtschaft leisten, insbesondere wenn Skaleneffekte, stabile Absatzverträge und eine effektive Einbindung in Fruchtfolgesysteme berücksichtigt werden.