StartNachrichtenAgrarpolitikMehr Tierwohl im Stall – Druck und Chance

Mehr Tierwohl im Stall – Druck und Chance

Kommentar zum Umbau der Schweinehaltung in Deutschland
Von Dr. Robert Quakernack
Insbesondere bei Ferkeln droht eine weitere Verknappung deutscher Ware. Foto: Agrar-Press

Mehr Tierwohl in deutschen Ställen zu schaffen ist gesellschaftlicher Konsens. Laut Zukunftskommission Landwirtschaft sollen hierzulande ab 2040 alle Nutztiere mindestens in Haltungsstufe 3 leben. Aber wer soll den Umbau und die höheren laufenden Kosten bezahlen? Die Bundespolitik verschärft eifrig das Ordnungsrecht. Mit der Umsetzung von Finanzierungmodellen hapert es aber – trotz hervorragender Vorarbeit der Borchert-Kommission. Die „Milliarde“ aus dem Umbauprogramm des Bundes wirkt leider nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

Die lange Phase der Unsicherheit mündete in einen massiven Investitionsstau. Viele Betriebe haben bereits aufgegeben. Der ordnungsrechtliche Druck bleibt aber groß: Wegen des Kastenstandurteils mussten Sauenhalter bis Februar ein Umbaukonzept für ihr Deckzentrum vorlegen. Nach Daten des Kieler Landwirtschaftsministeriums fehlt dieses Konzept bei einem Viertel der Betriebe in Schleswig-Holstein. Das bedeutet, dass diese voraussichtlich bis 2026 aussteigen müssen. Ist das deutsche Ferkel also bald ein Fall für die Rote Liste?

Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung sorgt für zusätzliches Kopfschütteln in der Branche. Mit der Initiative Tierwohl und der Haltungsformkennzeichnung des Lebensmitteleinzelhandels (LEH) gibt es etablierte Systeme, die dem Tierwohl dienen und den Verbraucher nicht überfordern. Diese werden nun aus Berlin torpediert. Unter anderem Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, betonte auf dem Forum Schweinehaltung in Rendsburg: „Die Politik hätte sich heraushalten sollen. Wir haben gute wirtschaftsgetragene Systeme.“ Die Forderungen nach einer Rücknahme des entsprechenden Gesetzes – unter anderem durch Schleswig-Holsteins Landwirtschaftsminister Werner Schwarz (CDU) – gewinnen zu Recht an Lautstärke.

Dr. Robert Quakernack

Immerhin: Der LEH macht vor, wie es gehen kann. Dank verschiedener Tierwohlprogramme mit langfristigen Verträgen erhalten Landwirte zuverlässig einen Bonus für ihren Aufwand. Vertreter des LEH kündigten jüngst an, ihr Angebot der Haltungsstufen 3 und höher deutlich auszubauen. Dabei lehrt die Erfahrung, dass ein Großteil der Verbraucher im Zweifel zum günstigeren Produkt greift. Ob eine intensivere Bewerbung der Tierwohlprodukte das Kaufverhalten ändert, bleibt fraglich. Außerdem droht den Tierhaltern eine stärkere Abhängigkeit von diesen Programmen und damit die Aufgabe von unternehmerischer Freiheit. Trotzdem: Wenn Produkte der Haltungsstufe 3 ihr Nischendasein ablegen, entwachsen daraus neue Chancen. Die Betonung deutscher Herkunft ist dafür unerlässlich.

Für Tierhalter, die investieren wollen, bleibt Planungssicherheit entscheidend, also dass Investitionen in ihre Ställe trotz Verschärfungen des Ordnungsrechts Bestand haben. Bei der Finanzierung der Ställe kommt Hilfe von Kreditinstituten wie der Rentenbank, die Gelder für mehr Tierwohl oder andere Nachhaltigkeitskriterien mittlerweile günstiger verleihen.

So bedauernswert der jüngste Strukturbruch in der Schweinehaltung ist: Er hat dazu geführt, dass Ware verknappt wurde und die verbliebenen Tierhalter momentan Geld verdienen, was Investitionen erst möglich macht. Ob es sinnvoll ist, nur noch in Ställe der Haltungsstufe 3 oder höher zu investieren, muss jeder Betriebsleiter selbst entscheiden. Dass das Wohl von Nutztieren in erster Linie vom Management und nicht von der Haltungsform abhängt, fällt in der politischen Debatte leider zu oft unter den Tisch.

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