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Gewichtsentwicklung von Tränkekälbern

Rinder aktuell: Kälberhaltung in Schleswig-Holstein
Von Jacob Gloyer, ATR Futtermittel; Prof. Katrin Mahlkow-Nerge, FH Kiel/Hochschule für ­Angewandte Wissenschaften, Fachbereich Agrarwirtschaft; Helmut Pförtner, ATR Futtermittel Ratzeburg
In Betrieben mit einer intensiveren Milchtränke wurden auch höhere Lebendmassezunahmen bei den Tränkekälbern registriert. Foto: Prof. Katrin Mahlkow-Nerge

Die Haltungs- und Fütterungsmaßnahmen während der Tränkephase von Kälbern bilden einen wesentlichen Grundstein für eine wirtschaftliche Milch­erzeugung. Daher widmete sich eine von Mai bis Juli 2020 durchgeführte Praxisstudie in 39 Betrieben Schleswig-Holsteins der Fragestellung, inwiefern sich zum einen die aktuellen Empfehlungen hinsichtlich Fütterung und Haltung von Tränkekälbern in den Betrieben etabliert haben, und zum anderen, ob es bestimmte Beziehungen zwischen einzelnen Verfahren und der Gewichtsentwicklung der Holsteinkälber gibt.

Eine gezielte Vorauswahl der Betriebe, zum Beispiel entsprechend ihrem Leistungsniveau oder bestimmten Besonderheiten bei der Kälberaufzucht, erfolgte dabei nicht. Vielmehr war die Aufgeschlossenheit des Betriebsleiters für die Mitwirkung an einer derartigen Studie bedeutsam.

Gewichtsentwicklung während der Tränkephase

In die Auswertung gingen 1.340 mittels Einzeltierwaage erfasste Gewichte von weiblichen schwarzbunten Deutsch-Holstein-Kälbern (ab dem 14. Lebenstag) ein. Im Durchschnitt aller Kälber ergab sich eine Lebendmassezunahme (LMZ) ab der Geburt bis zum Wiegedatum mit durchschnittlich 52 Tagen von 676 g pro Tag. Dabei wurde ein Geburtsgewicht von 42 kg unterstellt. Die betrieblichen Schwankungen lagen zwischen 438 und 1.002 g Tageszunahme. Bei einer Klassifizierung der Betriebe entsprechend ihrer Herdendurchschnittsleistung zeigten sich bei denjenigen mit einer Milchleistung über 10.000 kg neben einem signifikant geringeren Erstkalbealter tendenziell höhere Gewichtszunahmen der Kälber im Vergleich zu den Betrieben mit einer Herdenmilchleistung von weniger als 10.000 kg.

Selbsteinschätzung der Betriebsleiter

Die Betriebsleiter wurden zum Beginn der Studie gebeten, ihre innerbetriebliche Kälberaufzucht entsprechend einem Schulnotensystem zu bewerten. Der Übersicht 3 ist zu entnehmen, dass die ermittelten LMZ dieser Selbsteinschätzung folgten. Die Differenzen hierbei waren zwischen den drei Gruppen „gut“, „befriedigend“ und „ausreichend“ hochsignifikant.

Die teilnehmenden Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter beurteilten die Qualität ihrer Kälberaufzucht sehr realistisch. Foto: Prof. Katrin Mahlkow-Nerge

Angaben zu Milchtränke

Bei der Befragung zur Versorgung neugeborener Kälber gaben sechs der 39 Betriebsleiter an, mehr als 4 l Kolostralmilch an ihre Kälber zu tränken, 20 Betriebsleiter nannten 3 bis 4 l, neun Betriebsleiter nannten weniger als 3 l und in drei Betrieben übernehmen die Muttertiere die Versorgung der Neugeborenen. Auch wenn diese Angaben, wie bei einer Umfrage üblich, nicht konkret überprüft werden konnten, wurden in denjenigen Betrieben mit der größeren verabreichten Kolostrummenge die höheren LMZ bei den Kälbern erreicht.

14 Betriebsleiter beziehungsweise Betriebsleiterinnen gaben an, im Anschluss an die Kolostrumgabe ihren Kälbern die Milchtränke ad libitum zur Verfügung zu stellen. In 25 Betrieben erfolgt eine restriktive Tränke, meistens mit 6 bis 8 l je Kalb und Tag. Wird auch hier eine gezielte Auswertung der täglichen Gewichtszunahme der Kälber entsprechend dem Tränkeregime – ad libitum beziehungsweise restriktiv – vorgenommen, so zeigt sich eine hochsignifikante Differenz von 94 g je Kalb und Tag. Die insgesamt 374 ad libitum getränkten Kälber wiesen eine LMZ von 744 g auf, die 966 restriktiv getränkten Kälber von 650 g.

Unter Annahme einer thermoneutralen Umgebung und Berücksichtigung dieser Tageszunahme von 650 g wäre hierfür eine Energiemenge von mindestens 20 bis 21 MJ ME (Proc. Soc. Nutr. Physiol. 1997; GfE 1995: 18,8 MJ ME für 600 g LMZ) notwendig. Das entspricht, je nach Fett- und Eiweißgehalt der Vollmilch, einer Menge von etwa 8 bis 8,6 l Vollmilch (Vollmilch mit 12,7 % TM und 19,2 MJ ME/ kg TM, 2,44 ME/l) oder aber zirka 1.350 bis 1.500 g Milchaustauscherpulver je Tag. Letzteres wären bei einer Milchaustauscherkonzentration von 160 g/l etwa 8,5 bis 9,4 l Milch­austauschertränke.

Allerdings gaben nur 8 % der restriktiv fütternden Betriebsleiter an, eine Milchmenge von über 8 l je Kalb und Tag zu vertränken. Hingegen wurde bei 12 % der Betriebe angegeben, den Tieren nur täglich 4 l Milchtränke zur Verfügung zu stellen. Eine derartige Tränkemenge deckt lediglich den Erhaltungsbedarf der Kälber ab.

Die gesamte Haltung der Tränkekälber unter Außenklimabedingungen erwies sich als vorteilhaft für die Gewichtsentwicklung dieser Tiere. Foto: Prof. Katrin Mahlkow-Nerge

Betreuung der Kälber

Von den in dieser Studie erfassten Kälbern wurden insgesamt 1.006 von einer festen Person betreut. Diese Kälber erreichten im Durchschnitt eine LMZ von 688 g pro Tag. Hingegen stammten 312 Tiere aus Betrieben, in denen die Kälberaufzucht einer wechselnden Betreuung unterliegt. Für diese Kälber ergab sich mit 638 g pro Tag eine hochsignifikant geringere LMZ.

Dieses Ergebnis untermauert den großen Einfluss des Menschen auf die Leistungen der Tiere. Erklären lässt sich die höhere Tageszunahme der von festen Betreuungspersonen versorgten Kälber durch ein stringenteres Fütterungsmanagement, eine wahrscheinlich genauere Beobachtung und ein höheres Spezialisierungsmaß der jeweiligen Fachkraft.

Gerade im Kälberbereich ist darüber hinaus die soziale Komponente, insbesondere die Beziehung, welche die Menschen zum Tier und daher dann auch umgekehrt die Kälber zum Menschen aufbauen, nicht zu unterschätzen. Dieser Zusammenhang wurde unter anderem von Wissenschaftlern des Institutes für Tierhaltung und Tierschutz der Vetmeduni Wien im Journal „Applied Animal Behaviour Science“ publiziert. In dieser Studie von Lürzel (2015) ergab sich ein direkter Zusammenhang zwischen menschlicher Zuwendung und mehr Vertrauen der Kälber zum Menschen, welches sich anhand geringerer Ausweichdistanz der Tiere zum Menschen zeigte. Darüber hinaus stellten die Autoren eine größere Gewichtszunahme von Tränkekälbern fest, mit denen freundlich umgegangen wurde. „Nutztiere, die immer wieder Kontakt mit dem Menschen haben, sei es, weil sie vom Tierarzt untersucht werden oder vom Bauern oder der Bäuerin gemolken werden, profitieren von einer guten Beziehung zum Menschen“, so Lürzel.

Gerade auch diesen Aspekt gilt es in Betrieben mit mehreren und eventuell auch wechselnden Personen womöglich stärker als bisher zu beachten.

Die gesamte Haltung der Tränkekälber unter Außenklimabedingungen erwies sich als vorteilhaft für die Gewichtsentwicklung dieser Tiere. Foto: Prof. Katrin Mahlkow-Nerge

Haltung der Kälber

Werden alle Kälber, die nach den ersten 14 Lebenstagen beziehungsweise nach der Umstellung aus der Einzelhaltung unter Outdoor-Haltungsbedingungen aufgestallt waren, zusammengefasst, so ergibt sich für diese Kälber (mit durchschnittlich 50 Lebenstagen am Tag der Wiegung) eine Lebendmassezunahme von 704 g. Diese unterscheidet sich statistisch höchst signifikant von den 654 g Tageszunahmen der in geschlossenen Ställen gehaltenen Kälber (mit durchschnittlich 53 Lebenstagen am Tag der Wiegung). Dieses Ergebnis entsprach den allgemeinen Erwartungen, da bekanntlich die Haltung von Kälbern unter Außenklimabedingungen für die Gesundheit und Entwicklung der jungen Tiere vorteilhaft ist. Gerade daher verwunderte es, dass bei fast 50 % der teilnehmenden Betriebe die Kälber noch in geschlossenen Ställen gehalten wurden.

Fazit

Die Gewichtsentwicklung von Kälbern wird immer multifaktoriell beeinflusst. Daher ist es kaum möglich, hierfür nur einzelne Faktoren verantwortlich zu machen. Insofern können die Kriterien, nach denen die Kälber in dieser Studie ausgewertet und verglichen wurden, auch nicht zwangsläufig für die gezeigten Unterschiede ursächlich verantwortlich gemacht werden. Vielmehr sollen die hier gezeigten Vergleiche deutlich machen, dass Betriebe, die sich intensiv mit ihrer Kälberhaltung auseinandersetzen, ein sehr gutes und besseres Ergebnis bei der Entwicklung ihrer Kälber erreichen.

Darüber hinaus offenbart diese Studie, dass die seit mehr als 15 Jahren wissenschaftlich bearbeitete und empfohlene Ad-libitum-Tränke beziehungsweise sehr intensive Tränke von kleinen Kälbern bei Weitem nicht flächendeckend in der Praxis umgesetzt wird. Infolgedessen zeigen die ermittelten Lebendmassezunahmen der Tränkekälber, dass in vielen Betrieben in diesem Bereich noch erhebliche Reserven ausgeschöpft werden können.

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