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Emissionen senken, Effizienz steigern

Ansäuerung von flüssigen Wirtschaftsdüngern während der Ausbringung
Von Lea-Sophie Steffensen, Landwirtschaftskammer SH
Ansäuerung während der Ausbringung im Weizen. Fotos: Lea-Sophie Steffensen

Gasförmige Stickstoffverluste in Form von Ammoniak (NH3) spielen vor allem bei der Ausbringung flüssiger Wirtschaftsdünger eine große Rolle. Das technische Verfahren der Ansäuerung von Gülle und Gärresten kann hier Abhilfe schaffen, bietet in der Praxis hinsichtlich der Umsetzbarkeit und des Nutzens aber noch viel Diskussionspotenzial. Um Effekte der Ansäuerung während der Ausbringung in wachsende Bestände zu zeigen, ist das länderübergreifende Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) „Säure + im Feld“ nun auch in Schleswig-Holstein unter Federführung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) gestartet.

Die Herausforderungen für die Landwirtschaft nehmen zu. Vor allem im Hinblick auf die EU-Nitratrichtlinie im Bereich des Gewässerschutzes und die NEC-Richtlinie für Luftreinheit werden die Anforderungen an eine möglichst effiziente und verlustarme N-Düngung immer größer. Aber auch aus wirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoll, die Ausbringung von Gülle und Gärresten möglichst verlustarm und effizient zu gestalten.

Deutschland ist verpflichtet, bis zum Jahr 2030 die NH3-Emissionen um 29 % im Vergleich zum Jahr 2005 zu reduzieren. Nahezu die Hälfte der aus der Landwirtschaft stammenden NH3-Emissionen werden durch die Ausbringung von Wirtschaftsdüngern verursacht. Auf unbestelltem Ackerland stellt die direkte Einarbeitung von Gülle und Gärresten, zum Beispiel über Güllescheibeneggen oder Strip-Till im Maisanbau, die effizienteste Möglichkeit dar, um NH3-Emissionen während der Ausbringung zu vermeiden. Um dem Reduktionsziel nachzukommen, fordert die Düngeverordnung (DÜV) aktuell, spätestens innerhalb von vier Stunden, ab dem 1. Februar 2025, innerhalb einer Stunde (wie gegenwärtig schon in der N-Kulisse) nach der Ausbringung einzuarbeiten.

Säuretank des SyreN-Systems in der Fronthydraulik

Auf bestelltem Ackerland ist nach DÜV bereits seit dem 1. Januar 2020 mindestens eine streifenförmige Ausbringung vorgeschrieben, für Grünland und mehrschnittigen Feldfutterbau gilt diese Regelung erst ab dem 1. Februar 2025. Trotz des Einsatzes von streifenförmiger Ausbringung, die eine deutliche Optimierung in Bezug auf die Reduktion von Emissionen im Vergleich zur Güllebreitverteilung darstellt, ist weiteres Potenzial gegeben, die gasförmigen N-Verluste unter ungünstigen Ausbringungsbedingungen (zum Beispiel hohe Temperaturen und Windgeschwindigkeiten) zu vermindern.
Eine gute Möglichkeit der Effizienzsteigerung bei der Wirtschaftsdüngerverbringung in wachsende Bestände stellt die Ansäuerung von flüssigen Wirtschaftsdüngern mit Schwefelsäure (H2SO4) dar.

Bisherige Emissionsmessungen konnten bereits zeigen, dass insbesondere die hohen NH3-Verluste in den ersten Stunden nach der Ausbringung durch die Zugabe von H2SO4 deutlich reduziert werden können. Dennoch wird dieses Verfahren im Vergleich zu den Nachbarn in Dänemark auf Praxisbetrieben im Norden bisher kaum genutzt.

Warum ansäuern?

Es stellt sich die Frage, warum flüssige Wirtschaftsdünger angesäuert werden sollten, wenn ohnehin schon streifenförmig gedüngt wird. In Gülle und Gärresten liegt der Stickstoff sowohl organisch gebunden als auch direkt pflanzenverfügbar in mineralischer Form (Ammonium (NH4+)) vor. Der NH4+-N-Anteil ist aufgrund seiner chemischen Eigenschaften besonders anfällig für gasförmige N-Verluste in Form von NH3.

Ein pH-Meter misst kontinuierlich den pH-Wert im Güllestrom.

Zwischen NH4+ und NH3 herrscht ein Dissoziationsgleichgewicht, welches sich je nach pH-Wert und Temperatur verschieben kann. Bei niedrigen pH-Werten verschiebt sich das chemische Gleichgewicht zugunsten des NH4+, sodass NH3-Verluste gemindert werden können. Eine Absenkung des pH-Wertes erfolgt durch die Zugabe von H2SO4, wodurch mehr pflanzenverfügbares NH4+ zur Verfügung steht und gleichzeitig gasförmige NH3-Verluste sinken.

Im Rahmen des MuD wurde ein Ziel-pH-Wert von 6,4 des Wirtschaftsdüngers etabliert. Je nach Ausgangs-pH-Wert sind unterschiedliche Säuremengen je Kubikmeter Wirtschaftsdünger erforderlich, um den Ziel-pH-Wert zu erreichen. Für Rinder- und Schweinegülle sind rund 2 l H2SO4/m3 Gülle erforderlich. Gärreste haben zumeist eine höhere Pufferkapazität, sodass bis zu 5 l H2SO4/m3 erforderlich sein können.

Neben dem Effekt der besseren N-Ausnutzung wird durch das Ansäuern pflanzenverfügbares Sulfat auf der Fläche ausgebracht, was eine zusätzliche mineralische Schwefeldüngung, zum Beispiel über SSA/ASS, überflüssig macht. Pro Liter 98%iger Schwefelsäure werden 0,6 kg S ausgebracht. Werden 20 m3 Gülle/ha ausgebracht, der 3 l H2SO4/m3 hinzugefügt wurden, so werden 36 kg Sulfat/ha ausgebracht. Dieser Aspekt ist aus pflanzenbaulicher Sicht nicht zu vernachlässigen, um eine Überschreitung des S-Bedarfs der Kulturen zu vermeiden.

Technische Umsetzung

In der Fronthydraulik des Schleppers befindet sich ein IBC-Container mit H2SO4, der von einem Schutzkorb aus Stahl umgeben ist. Zwei weitere seitliche Tanks ermöglichen das Mitführen von Nitrifikationshemmern und Frischwasser. Das Frischwasser kann für das Spülen der Leitungen verwendet werden oder dient im Notfall bei Kontakt mit der Säure zum Abspülen.

Durch eine hydraulisch angetriebene Säurepumpe gelangt die Säure zum Injektor. Am Güllefass sitzt ein pH-Meter, welches kontinuierlich den pH-Wert im Güllestrom misst. Mithilfe des Durchflussmengenmessers und des pH-Meters erfolgt in der Mischeinheit die Säureinjektion. Über das Terminal am Schlepper kann eine feste Säuremenge vorgegeben werden, die hinzudosiert wird, oder ein bestimmter pH-Wert, der erreicht werden soll.

Säureinjektor für die korrekte Säurezuteilung

Es handelt sich bei H2SO4 um Gefahrgut, weshalb beim Umgang (Transport, Ausbringung) mit der Säure ein ADR-Schein notwendig ist, um sowohl den Anwender als auch andere Verkehrsteilnehmer bestmöglich zu schützen. Grundsätzlich ist die Ansäuerungs-Technik mit allen erforderlichen Schutzvorkehrungen ausgestattet. Bei Anschaffung wird vom Hersteller eine Schulung für den sicheren Umgang angeboten.

Grundsätzlich können verschiedenste Säuren genutzt werden, um den pH-Wert in der Gülle abzusenken. Trotz der aus Sicherheitsgründen zu bedenkenden Eigenschaften von H2SO4 ist diese für die Praxis am ehesten zur Nutzung geeignet, da sie ein besonders hohes Ansäuerungspotenzial besitzt und vergleichsweise preiswert ist. Würden organische Säuren wie Essig- oder Milchsäure eingesetzt, wäre für das gleiche pH-Wert-Ziel eine deutlich höhere Säuremenge notwendig. Dies ist durch höhere Kosten nicht rentabel.

MuD „Säure + im Feld“

Ziel des MuD ist es, die Akzeptanz des Verfahrens der Ansäuerung während der Ausbringung zu steigern, indem die Technik unter Praxisbedingungen auf landwirtschaftlichen Betrieben eingesetzt wird. Neben Schleswig-Holstein sind sieben weitere Bundesländer in das Projekt integriert, sodass eine möglichst große Reichweite geschaffen werden kann. Ein Netzwerk aus landwirtschaftlichen Betrieben und Lohnunternehmen entsteht. In Schleswig-Holstein nehmen acht landwirtschaftliche Betriebe (siehe Abbildung) und die Lohnunternehmen Blunk und Brockmann teil.

In diesem Jahr liegt der Fokus auf den Kulturen Winterweizen und Grünland. Die Potenziale der Ansäuerungstechnik sollen dargestellt und Vorbehalte (vor allem gegenüber Sicherheit, Praktikabilität) reduziert werden. Neben der Ertragswirkung stehen auch die Umwelteffekte im Fokus (Emissionsmessungen), zudem soll die Wirtschaftlichkeit des Systems bewertet werden. Hierfür bieten Feldtage und Demoveranstaltungen, aber auch Seminare und Vorträge eine Grundlage für alle, die sich für die Thematik interessieren.

Die Förderung des Vorhabens erfolgt aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Die Projektträgerschaft erfolgt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE).

Fazit

Die Ansäuerung ist bei oberirdischen Ausbringtechniken sinnvoll, um die NH3-Emissionen im stehenden Bestand zu reduzieren. Auch bei ungünstigen ­Witterungsbedingungen ist die Ansäuerung von Vorteil. Die Nährstoffeffizienz erhöht sich, was vor allem in Roten Gebieten von Relevanz ist. Keinen Mehreffekt bietet sie hingegen, wenn die Organik direkt eingearbeitet wird. Weitere Informationen, unter anderem zu Feldtagen, folgen in Kürze.

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