StartNachrichtenAgrarpolitik„Das Wichtigste sind Transparenz, Respekt und Loyalität“

„Das Wichtigste sind Transparenz, Respekt und Loyalität“

Interview mit Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein
Von Mechthilde Becker-Weigel
Klaus-Peter Lucht ist nicht nur Präsident des BVSH, der Milchviehhalter weiß auch, wie es sich anfühlt, Bauer zu sein.

Das Ziel von Klaus-Peter Lucht sind zufriedene Bauern und Bäuerinnen in Schleswig-Holstein, die weiterhin Spaß an ihrem Beruf haben. Die Wahl zum Bauernverbandspräsidenten ist für ihn mit einer besonderen Verantwortung verbunden. Dialogbereitschaft in alle Richtungen steht auf seinem Programm – und die Vernetzung der Ehrenamtsmitglieder und ­Gremien zu fördern.

Herr Lucht, was ist der Unterschied zwischen Vizepräsident und Präsident des BVSH?

Klaus-Peter Lucht: Beide Ehrenämter machen irre viel Spaß. Als Vizepräsident unterstützt und entlastet man den Präsidenten bei vielen Aufgaben. Das Präsidentenamt hat nochmals andere Herausforderungen und steht unter anderen Vorzeichen. Die Verantwortung für die politische Gestaltung ist größer. Es stellt sich die Frage: Wie soll Landwirtschaft in Schleswig-Holstein aussehen auf dem Feld und in den Ställen? Gott sei Dank steht man nicht alleine da. Der enge Austausch und die kooperative Zusammenarbeit mit Präsidium und Landesvorstand sind der richtige Weg für mich. Zudem leisten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hauptamt hervorragende Facharbeit.

Klaus-Peter Lucht Fotos: Ulrike Baer

Was macht der Präsident Klaus-Peter Lucht als Landwirt auf dem Hof?

Im Ehrenamt für den Bauernverband muss hauptsächlich mit dem Kopf gearbeitet werden, damit sich einiges bewegt. Als Landwirt melke ich nahezu täglich morgens die Kühe auf unserem Betrieb. Im Präsidentenamt besteht die Gefahr, dass man schnell die Bodenhaftung verliert, das verhindern± die Arbeit auf dem Betrieb, die Gespräche mit den Mitarbeitern und der Umgang mit den Tieren.

Das Präsidentenamt nimmt viel Zeit in Anspruch, das muss die Familie mittragen. Dafür bin ich vor allem meiner Frau Anke und unseren drei Kindern sehr dankbar. Mein ältester Sohn Sebastian hat Landwirtschaft gelernt und wurde nach dem Studium vor fünf Jahren Mitgesellschafter. Er verantwortet das tägliche Geschäft; den Ma­schinen-, Dünger- und Futtermitteleinkauf entscheiden wir gemeinsam. Für Verwaltungstätigkeiten und Dokumentation bin ich zuständig.

Am 10. Januar wurde gewählt. Wie haben Sie die Wahl empfunden, und welche persönlichen Ziele verbinden Sie mit Ihrer Wahl zum Präsidenten?

Ich hatte mit Heinrich Mougin einen starken und fairen Gegenkandidaten, den ich sehr schätze. Die Wahl wurde demokratisch in zwei Wahlgängen entschieden. Ich habe das große Glück, die Wahl knapp gewonnen zu haben. Daraus ergibt sich für mich eine besondere Verantwortung. Das ist mir bewusst. Ich sage das, weil für mich entscheidend ist, dass wir im Verband auf einem guten Weg sind, den Generationswechsel einzuleiten. Das haben wir in Teilen mit dieser Wahl geschafft. Auch wenn der Präsident älter ist als sein Herausforderer, ist der Landeshauptausschuss deutlich verjüngt. Von den 68 Mitgliedern im Landeshauptausschuss wurden 38 Bäuerinnen und Bauern zum ersten Mal in das Verbandsgremium gewählt und sind neu dabei. Es geht jetzt darum, die Erwartungen der jüngeren Generation stärker im Blick zu haben.

Genau mit diesen Erwartungen der jüngeren Generation werde ich zu Hause tagtäglich konfrontiert durch meinen Sohn und unseren täglichen Austausch, wohin die Reise in der Landwirtschaft und für unseren Betrieb geht. Es ist mir ein Anliegen, die jungen Mitglieder im Landeshauptausschuss gut zu vernetzen und mit Entscheidungsträgern aus den unterschiedlichsten Bereichen von Wirtschaft und Politik in Kontakt zu bringen, um ihnen den Prozess der politischen Willensbildung näherzubringen.

Seit dieser Wahl sind 35 Landwirtinnen in die Gremien des Bauernverbandes Schleswig-Holstein gewählt, die im Landeshauptausschuss sowie in den Kreishauptausschüssen vertreten sind …

Das ist für mich ein ganz wichtiger Schritt für den Verband. In den nächsten Wochen werden alle neu gewählten Unternehmerinnen eine Einladung von mir erhalten. Ich möchte mit ihnen ihre Einbindung im Verband besprechen und um ihre aktive Mitarbeit in den Fachausschüssen werben. Für eine erfolgreiche Verbandsarbeit brauchen wir die Expertise und die Meinungen der Landwirtinnen.

Ich werde meinem Vorstand vorschlagen, eine Unternehmerin aus unseren Gremien in den Landesvorstand zu kooptieren, und setzte auf Zustimmung. Wir sollten meines Erachtens nicht als reiner Männervorstand agieren.

Was erwarten Sie von einer Frau im Vorstand?

Es geht nicht um besondere Erwartungen, sondern um gute Erfahrungen, die ich in der Zusammenarbeit mit Frauen habe – angefangen auf dem Hof, dort sind meine Frau und ich gleichberechtigte Partner, als Ehepartner wie als Unternehmer. Als Kreisvorsitzender des Kreises Rendsburg-Eckernförde hatte ich mit der ersten Kreisgeschäftsführerin in Schleswig-Holstein, Rixa Kleinschmidt, eine sehr erfolgreiche Zusammenarbeit. Es ist ein fester Bestandteil meiner Erfahrung, dass gemischte Teams die besseren Ergebnisse herbeiführen. Deshalb habe ich auch die Vorstellung und den Anspruch, dass in jedem Ausschuss des Bauernverbandes eine Frau sein sollte, die von den Kreisen benannt oder als Gast gebeten wird. Der Punkt ist einfach, dass wir es uns nicht mehr leisten können, bei berufsständischen und politischen Diskussionen auf die Sicht der Frauen zu verzichten.

Was erwartet die neuen Amtsträgerinnen und Amtsträger beim Verband? Und was können sie von Ihnen erwarten?

Jede Amtsträgerin und jeder Amtsträger kann ein offenes Ohr von mir erwarten. Ich stehe immer für Fragen bereit, für neue Ideen und neue Wege. Was ich mir wünsche und erwarte, ist, dass die Ausschussmitglieder ihre Arbeit ernst nehmen, um unsere Landwirtschaft mit neuen Ideen voranzubringen. Das Wichtigste sind für mich Transparenz, Respekt und Loyalität, um auf dieser Grundlage gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Wir werden als Landwirtinnen und Landwirte nur in der Mitte der Gesellschaft bleiben, wenn wir vertrauenswürdig sind, die Wünsche der Gesellschaft anhören und versuchen, Antworten zu geben. Mein grundsätzlicher Anspruch an die Agrarpolitik ist, dass wir mehr zu marktwirtschaftlichen Lösungen kommen und nicht beim Ordnungsrecht stehen bleiben.

Mechthilde Becker-Weigel, Chefredakteurin des Bauernblattes, und Klaus-Peter Lucht in der Diskussion

Die gesellschaftlichen und politischen Diskussionen um die Agrarwirtschaft haben deutlich an Fahrt aufgenommen. Muss man sich fragen, ob der Bauernverband demgegenüber eine träge Masse ist?

Nein, das sind wir gerade nicht! Wir sind schon deshalb keine träge Masse, weil wir es waren, die das Gespräch über Parteigrenzen und Organisationen hinweg im Dialogprozess angeschoben haben, und es hat sich gezeigt, dass es ein vernünftiger Weg war, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.

In den vergangenen Jahren wurden durch den Dialogprozess auf Bundes- und auf Landesebene Diskussionen initiiert, Verbündete gesucht und neue Partnerschaften eingegangen. Man kann heute nicht mehr sagen, dass eine bestimmte Partei auf der Seite der Bäuerinnen und Bauern steht. Denn Naturschutz und Klimapolitik gehen alle an. Vielmehr ist es so, dass für verschiedene Fragestellungen unterschiedliche Partner angesprochen werden, dazu zählen durchaus der Nabu oder der BUND, gerade wenn es um die Tierhaltung geht. Das hat sogar schon zu Verwirrungen geführt. Für eine artgerechte Tierhaltung stellt der Deutsche Tierschutzbund genau die gleichen Forderungen wie wir, und die Politik muss reagieren. Das sehen wir auch im Umweltbereich. So haben wir speziell für Schleswig-Holstein Niederungsbeiräte vorgeschlagen, wenn es um Niederungsstrategien und Moorschutz geht. Starke Befürworter dessen sind auch BUND und Nabu. Dass wir das geschafft haben, ist eine Leistung des aktiven Dialogprozesses der vergangenen Jahre.

Wir sind als Bauernverband keine träge Masse, sondern wir hinterfragen und sind reflektiert, und wir können das, was wir entscheiden, auch mit unseren Mitgliedern umsetzen.

Nach der Landtagswahl wurde aus dem schleswig-holsteinischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt ein Haus für die Landwirtschaft und eines für die Umwelt. Welche Herausforderungen bringt das Gespräch mit zwei Ministern?

Die neue Herausforderung ist tatsächlich, dass wir mit zwei Ministerien arbeiten. Ich hätte es lieber gesehen, wenn wir beides in einem Haus behalten hätten. Der große Vorteil besteht jetzt für mich darin, dass wir einen Agrarminister haben, der aus dem Berufsstand kommt. Werner Schwarz (CDU) hat als Agrarminister die große Aufgabe, das Ministerium mit jungen, dynamischen Fachleuten aufzubauen, die auch über die Legislaturperiode hinaus Agrarverwaltung und Agrarpolitik betreiben können. Mit einem eigenen Landwirtschaftsministerium wird der Position der Agrarwirtschaft wieder eine eigene Stimme gegeben. Das kann für die Landwirtschaft – für die nächsten zehn Jahre mindestens – ein großes Pfund sein, das wir pflegen müssen, auch wenn wir wahrscheinlich nicht in allen Positionen einer Meinung sind.

Welche großen Themen sehen Sie für den Verband?

In Schleswig-Holstein gibt es mehrere große Themen. Die Biodiversitätsstrategie, die das Land sich gegeben hat, bedeutet für die Landwirtschaft noch mehr Umweltauflagen und noch mehr Schutzgebiete, das Moor eingeschlossen. Der zweite Punkt ist der von Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) protegierte Nationalpark Ostsee. Bei einer Null-Nutzungszone in der Ostsee würde es darum gehen, an Land noch mehr Schutzgebiete einzurichten oder mit Minimierungsstrategien bei Düngung oder Pflanzenschutz zu arbeiten. Das sind für mich Megathemen, die wir in den kommenden fünf Jahren klären müssen. Beim Riesenthema Moorschutz geht es um produktionsintegrierte Lösungen für die Betriebe. Weiterer Flächenkauf durch die Stiftung und Stilllegung wären zu einfach und zu kurz gesprungen, denn wir dürfen die Landwirtschaft nicht isoliert betrachten, sondern müssen den gesamten ländlichen Raum im Auge behalten. Die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein ist nun einmal ein wichtiger Wirtschaftsmotor.

Wir sollten auf den Gunststandorten unsere Möglichkeiten nutzen, Lebensmittel zu erzeugen, aber genauso Umwelt, Klima und Biodiversität zu produzieren. Dann haben wir eine Chance, in der gesellschaftlichen Diskussion dabei zu sein. Auf Bundesebene sind die Tierkennzeichnungsverordnung und die Haltungskennzeichnungsverordnung große Themen. Die Gefahr ist groß, dass wir an Wettbewerbsfähigkeit in der Tierhaltung gegenüber anderen Standorten in Europa verlieren. Ich spreche mich dafür aus, die Tierhaltungsgesetzgebung in einem europäischen Rahmen zu sehen. Auf EU-Ebene sind zudem die Farm-to-Fork-Strategie und das Naturschutzrecht große Herausforderungen, weil die politischen Anforderungen nicht wissenschaftlich fundiert sind, sondern einfach die Reduzierung von Pflanzenschutz, Düngung und Antibiotika fordern.

Haben Sie ein Motto für Ihre Präsidentschaft?

Ich sehe nach vorn und versuche, möglichst viele Menschen mitzunehmen. Ich hätte gerne zufriedene Bauern und Bäuerinnen in Schleswig-Holstein, die auch weiterhin Spaß an ihrem Beruf haben. Wenn ich dafür ein paar politische Zöpfe abschneiden kann, die uns zurzeit behindern, wie zum Beispiel im Vergaberecht, dann wären wir einen großen Schritt vorangekommen. Das ist mein Ziel. Aber was ich mir am meisten wünsche, ist endlich wieder Frieden in Europa!

Interview: mbw

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