Ab in die Zukunft!

Editorial zum Deutschen Bauerntag in Lübeck
Von Mechthilde Becker-Weigel
Joachim Rukwied (li.) überreichte Werner Schwarz zum Abschied die Schleswig-Holstein-Fahne mit Wappen, der Fahnenmast wird nachgeliefert. Foto: mbw

Die Delegierten und Gäste des Deutschen Bauerntages, der am Dienstag und Mittwoch diese Woche in Lübeck stattfand, haben bewegende Momente erlebt. Es war der erste Bauerntag mit offener Diskussion über den Bauern der Zukunft und wie er den Weg wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft gehen kann. Es war der erste Bauerntag für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) und der letzte Bauerntag für Werner Schwarz als Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Für Dr. Holger Hennies und für Susanne Schulze Bockeloh war es der erste Bauerntag als neugewählter Vizepräsident und als zukünftige Vizepräsidentin.

Agrarminister Özdemir präsentierte sich als Kämpfer für den Agrarsektor und als Bauernschutzbeauftragter und ließ gerne durchblicken, dass er sich intensiv in sein Amt als Bundeslandwirtschaftsminister eingearbeitet habe. Regelrecht brilliert haben die jungen Vertreter der Branche: die jungen Landwirte, die engagiert die Diskussion zum Zukunftsbauer prägten, dem Motto des Bauerntages. Das merkte auch der Landwirtschaftsminister.

Bei der Ehrung zum Ausbildungsbetrieb des Jahres kam der Betriebsleiter Friedrich Klose mit der Auszubildenden Lina Machnik auf die Bühne, um die höfliche Gratulation des Ministers abzuholen. Diese bedankte sich nicht nur bei Özdemir, sondern erklärte dem Minister dezidiert, wo den jungen Landwirten der Schuh drückt und dass das Thema Zukunft unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen gar nicht lustig sei. Der Grad ihrer Darstellung überstieg das Antwortvermögen des Politprofis – für die Probleme aus dem Alltag und der Praxis taugte der politische Sprechzettel offensichtlich nicht. Solch couragierte und gut aufgestellte junge Menschen in der Landwirtschaft machen Mut und Hoffnung, und genau sie braucht es, wenn der Verband sich zukunftsfest aufstellen will.

Bewegend war im wahrsten Sinne des Wortes der Beschluss der Satzungsänderung des DBV, der den Weg frei macht für die erste Frau im Präsidium. Susanne Schulze Bockeloh, Landwirtin eines Ackerbaubetriebs und Kreisverbandsvorsitzende in Münster beim Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband (WLV), wurde mit rauschendem Applaus begrüßt. Sie ließ in ihrer Ansprache keinen Zweifel an ihrem Einsatz- und Gestaltungswillen.

Werner Schwarz, der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Bauernverbandes, legte sein Amt als erster DBV-Vizepräsident nieder und verabschiedete sich mit knappen und präzisen Worten. So still ließen die Delegierten den Macher, Wegbereiter und Verhandlungsführer nach zehn Jahren im Amt nicht gehen und dankten ihm mit stehenden Ovationen. Zum neuen Vizepräsidenten wurde Dr. Holger Hennies, Präsident des Landvolks Niedersachsen, gewählt, der im Raum Hannover seinen Ackerbau und Veredelungsbetrieb in einer Betriebsgemeinschaft führt. Er sprach sich in seiner Antrittsrede dafür aus, mit dem Konzept des Zukunftsbauern mehr Glaubwürdigkeit und Wahrnehmung für den Verband erreichen zu wollen, wofür er sich mit „seinem ganzen Gewicht“ einsetzen werde.

Die so offen und mehrstimmig über alle Ebenen geführte Diskussion über das Bild des Zukunftsbauern stellt in der Tradition des Bauernverbands eine regelrechte Zeitenwende dar und zeugt vom Mut der Selbstreflektion. „Es braucht die Erkenntnis, dass sich Dinge ändern müssen, um die Zukunft zu gewinnen“, sagte Werner Schwarz.

Mechthilde Becker-Weigel Foto: Archiv
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