Die Menschen im ländlichen Raum Schleswig-Holsteins wählen konservativ. Mit Ausnahme der Städte und einiger städtischer Regionen lag die CDU bei den vergangenen Landtagswahlen in der Wählergunst immer vorn. Dennoch bestimmten Grünen-Minister seit 2012 maßgeblich die Landwirtschaftspolitik in Kiel. Zunächst war Dr. Robert Habeck (Grüne) für Landwirtschaft und ländliche Räume zuständig. 2018 trat sein Parteikollege Jan Philipp Albrecht die Nachfolge auf dem Ministerposten an. Erst in seiner zweiten Amtsperiode als Ministerpräsident entschied Daniel Günther (CDU) nach der Landtagswahl 2022, ein eigenständiges Agrarressort zu etablieren, und setzte den damaligen Präsidenten des Landesbauernverbandes, Werner Schwarz (CDU), als Ressortchef ein. Zehn Jahre grüne Politik „wider Willen“ sind aber nicht spurlos am ländlichen Raum vorbeigegangen.
Auch nach 2022 steckte Schwarz gezwungenermaßen viele Ressourcen zunächst in den Aufbau des Ministeriums. Mit dem Vorsitz Schleswig-Holsteins bei der Agrarministerkonferenz im Jahr 2023 musste er zudem eine eher moderierende Rolle ausfüllen und die beiden Konferenzen in Büsum und Kiel ausrichten. Das kostete ebenfalls Zeit und Kapazitäten. Und obwohl Schwarz den Neun-Punkte-Plan des Ministerpräsidenten erfolgreich umsetzte, wirken die damit verbundenen Erleichterungen für viele wie ein Pflaster auf einer Fleischwunde.
Die großen Herausforderungen bei der Konkurrenz um Fläche, Dokumentations- und Berichtspflichten, Restriktionen beim Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln und praxisfernen Detailregelungen – zum Beispiel in der Knickpflege – produzieren Unzufriedenheit. Bei der Gänsefraßproblematik findet kaum Ursachenbehebung statt – es geht lediglich um Entschädigung. Trotzdem arbeiten Landwirtinnen und Landwirte täglich daran, nachhaltiger zu werden. Jüngstes Beispiel sind die Ostseebeiräte im Rahmen der Zielvereinbarung zum Ostseeschutz, in denen großes ehrenamtliches Engagement an den Tag gelegt wird. Die Ansage von Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne), mehr als 1.000 ha neuer Naturschutzgebiete auszuweisen, ist vor dem Versprechen im Sinne des Dialogprozesses, kooperative Lösungen zu finden, ein widersprüchliches Signal. In der Agrarbranche brodelt es.
Die neue Generalsekretärin des Deutschen Bauernverbandes, Stefanie Sabet, unterstrich bei ihrem Schleswig-Holstein-Besuch diese Einschätzung. Nach ihren Angaben hätten es Teile der Politik immer noch nicht verstanden, dass die Streichung der Agrardiesel-Rückvergütung nur der Tropfen gewesen sei, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe.
Nun stellt sich die Frage, ob die neue Landwirtschaftsministerin Cornelia Schmachtenberg (CDU) in der Zeit bis zur Landtagswahl 2027 pragmatische Lösungen für die Branche auf den Weg bringen kann. Im Auftaktinterview mit dem Bauernblatt zeigt sie sich optimistisch. Sie ist innerhalb wie außerhalb ihrer Partei gut vernetzt und bringt trotz ihres Alters (34) schon jede Menge politische Erfahrung mit. Mit einem CDU-Wahlergebnis von 43,4 % gegenüber 18,3 % bei den Grünen hat sie zudem ein starkes Argument in den kommenden Verhandlungen mit dem Umweltminister, das sie nutzen muss.




