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Schwergeburt einmal anders

Projekttag der Fachschule für Landwirtschaft Bredstedt im AgriSkills Lab
Von Lisa Wieckhorst, Landwirtschaftskammer SH
In der Lernstation Enthornung starteten die Landwirtschaftsschülerinnen und -schüler mit einer VR-Simulation. Fotos: Lisa Wieckhorst

Die Projekttage der Fachschule für Landwirtschaft Bredstedt standen für einen Teil der Schülerinnen und Schüler unter dem Motto „Tierwohl in der Milchviehhaltung“. Tag eins startete für elf Teilnehmer am 19. März im Lehr- und Versuchszentrum (LVZ) Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein (LKSH) im neuen AgriSkills Lab. Wie lange darf der Enthornungsstab maximal angesetzt werden? Wie korrigiere ich eine Karpalbeugehaltung in der Geburtshilfe? Und wo muss ich im Ernstfall das Bolzenschussgerät korrekt ansetzen? Diese und weitere Fragen wurden beleuchtet und konnten mit praktischen Übungen am Simulator trainiert werden.

Die Projektgruppe von Kathrin Carstensen fand sich morgens im AgriSkills Lab ein. Hannah Straky (Projekt „Netzwerk Fokus Tierwohl“) und Lisa Wieckhorst (Projekt „AgriSkills Lab“) begrüßten die Teilnehmenden und stellten zunächst ihre Projekte vor, die beide vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert werden.

Das „Netzwerk Fokus Tierwohl“ hat es sich zum Ziel gemacht, den Wissenstransfer in die Praxis zu verbessern und die Nutztierhaltung in Deutschland unter anderem im Bereich des Tierwohls zukunftsfähig zu machen. Dafür werden beispielsweise verschiedene Medien zur Verfügung gestellt und kostenlose Fortbildungen angeboten.

Eines der Ziele des Projekts „AgriSkills Lab“ ist die Einrichtung einer Lernwerkstatt, die zur Steigerung des Tierwohls durch das Trainieren von richtigen Handgriffen beitragen soll. Dafür stehen unterschiedliche Simulationen und Dummys zur Verfügung, um realitätsnah, aber ohne lebendige Tiere üben zu können.

Für die Projektwoche bot sich eine Kombination beider Projekte an, um den Teilnehmern und Teilnehmerinnen ein breites Angebot bieten zu können.

Raum voller Möglichkeiten

Die Ziele bei der Gestaltung des Projekttages waren, das vorhandene Vorwissen der Teilnehmer kurz aufzufrischen, aber vor allem die praktischen Handgriffe tiergerecht zu üben und zu festigen. Dafür ist das deutschlandweit einzige AgriSkills Lab bestens geeignet. In Anlehnung an Clinical Skills Labs aus dem Bereich der Tiermedizin befindet sich der zirka 100 m² große Raum des AgriSkills Lab in Futterkamp seit Oktober 2022 in der Entwicklung. Aktuell sind die meisten Stationen vollständig bestückt und die dazugehörigen Lerneinheiten befinden sich in der Entwicklung. Auch ohne die fertigen Lerneinheiten ist eine Nutzung mit der Betreuung durch die LKSH bereits grundsätzlich möglich.

Die Projektgruppe beschäftigte sich lediglich mit einem Teil der Lernstationen aus dem Rinderbereich. Es stehen auch verschiedene Möglichkeiten im Schweinebereich zur Verfügung. Dazu gehören die Ferkelkastration, das Nottöten, die Besamung und die Vermittlung von anatomischen Kenntnissen.

Simulator zur Trächtigkeit

Die Projektgruppe konnte mithilfe von Simulation auf einer VR-Brille theoretische Kenntnisse zur Enthornung trainieren und dabei das eigene Wissen in kleinen Quizfragen testen. Im Anschluss kamen alle Gruppenmitglieder zusammen, um sich über das Gelernte und über eigene Erfahrungen auszutauschen.

Im AgriSkills Lab geht es aber nicht nur um die Vermittlung von theoretischem Wissen, sondern vor allem um die praktische Übung. Dafür steht ein sogenannter Demonstratorstab zur Verfügung, mit dem alle einmal die Enthornung an einem Kälberdummy durchführen konnten. Eine App, aber auch die kritischen Blicke der Teilnehmer gaben dann ein direktes Feedback zur Handhabung und zu dem Enthornen.

Am Trächtigkeitssimulator wird die Haptik geschult.

Parallel zur Enthornung legte der zweite Teil der Gruppe bereits Hand am Trächtigkeitssimulator an. In dem Rinderdummy können unterschiedliche Gebärmuttereinsätze verbaut werden, die den Teilnehmenden zum Beginn der Station gezeigt wurden. Das Betrachten der Gebärmutter ist in der Realität natürlich nicht möglich, aber für die Vorstellung des Erfühlten eine wahre Bereicherung. Nach der optischen Begutachtung wurde dann jeweils eine Gebärmutter so in den Rinderdummy eingehängt, dass sie für die Fachschülerinnen und -schüler nicht sichtbar war. Im Anschluss an die optische Beurteilung wurde die Haptik, also die Wahrnehmung durch den Tastsinn, trainiert. Dafür konnten alle auf die Kuh fassen und für sich eine Vermutung über den Status und die Dauer der Trächtigkeit sowie über die Anzahl der Follikel und Gelbkörper aufstellen. Am Ende gab es natürlich die richtige Antwort und einen abschließenden Blick „hinter die Kulissen“ auf die Gebärmutter.

An der letzten Station fand eine kurze Präsentation statt, um theoretisches Wissen zur Nottötung beim Rind zu erhalten oder aufzufrischen. Dabei wurden zunächst die Begriffe „Transportfähigkeit“, „Schlachtfähigkeit“ und die Nottötung selbst thematisiert. Dann waren die geschulten Augen der TeilnehmerInnen gefragt: Mithilfe von Bildern sollte die Gruppe ihre Einschätzung zum Gesundheitszustand und zu dem weiteren Vorgehen mit dem Tier abgeben. Die Tierbeobachtung ist im Zusammenhang mit der Nottötung eine wichtige Grundlage, um Probleme rechtzeitig zu erkennen und reagieren zu können.

Im anschließenden theoretischen Input wurde besprochen, wie im Ernstfall eine Nottötung korrekt durchzuführen ist. Um sich mit dieser Handhabung vertraut zu machen, konnten alle Projektteilnehmenden mit dem Bolzenschussgerät den korrekten Ansatzpunkt lokalisieren und das Gerät betätigen.

Die Neuheiten im Milchviehstall in Futterkamp präsentierte Josephine Hahn. Sie arbeitet im Fachbereich Rinderhaltung und gab Einblicke in aktuelle Versuche.

Wichtige Geburtshilfe

An der letzten Station des Tages drehte sich alles um die Geburtshilfe. Im theoretischen Teil wurden allgemeine Informationen wie die Phasen der Geburt wiederholt und thematisiert, was als Schwergeburt gilt und ab welchem Anteil an Schwergeburten die Alarmglocken läuten sollten. Mit der Kenntnis über den Normalverlauf einer Geburt lassen sich Abweichungen bei entsprechender Kontrolle gut erkennen. Aber wie kann ich die Kuh im Fall der Fälle richtig unterstützen und wann sollte der Tierarzt hinzugezogen werden? Die praktischen Übungen fanden an zwei Geburtshilfesimulatoren statt, dort platzierten Hannah Straky und Lisa Wieckhorst Kälberdummys mit Abweichungen von der Optimallage in der Gebärmutter, ohne dass die Teilnehmenden davon etwas sehen konnten. Das nacheinander stattfindende Ertasten trainierte dabei erneut die Sensibilität der Fachschülerinnen und -schüler. Erst nachdem jeder eine Vermutung hatte, durften alle einen Blick auf das Kalb im Geburtshilfesimulator werfen. Reihum war dann die Aufgabe, nach allen Regeln der Kunst die Fehlstellung zu korrigieren und das Kalb auszuziehen.

Im Geburtshilfesimulator wurden Fehlstellungen des Kalbes ertastet und korrigiert.

Interesse geweckt?

Am Ende kamen alle zu einer Feedback-Runde zusammen. Die Betreuerinnen des Projekttages freuten sich insgesamt über die gute Beteiligung der Teilnehmenden mit fundierten Vorkenntnissen. Die Freude schien ganz offensichtlich auf Gegenseitigkeit zu beruhen, da auch die Rückmeldungen der Gruppe durchweg positiv ausfielen.

Informationen zu den Weiterbildungsmöglichkeiten über das „Netzwerk Fokus Tierwohl“ gibt es online (www.fokus-tierwohl.de). Hier gibt es verschiedene Medien wie Podcasts, Fachartikel, Videoreihen und kostenfreie Veranstaltungsangebote zum Rind wie zu anderen Tierarten. Weitere Informationen bei: Hannah Straky, ­hstraky@lksh.de, Tel.: 0 43 81-90 09 47.

Für weitere Informationen oder Buchungsanfragen wenden sich Interessierte an Lisa Wieckhorst, lwieckhorst@lksh.de, Tel.: 0 43 81-90 09 46.

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