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„Reerdigung“ als letzte Ruhe

Eine Alternative zur Urnenbestattung?
Von Tanja Scheel, Landwirtschaftskammer SH
Die Entscheidung für die letzte Ruhestätte im Bestattungswald entspringt der Sehnsucht vieler Menschen nach Natur. Mit der Reerdigung gibt es dafür eine neue mögliche Form. Foto: Landwirtschaftskammer SH

Der Abschied ist kein Ende, sondern bringt neues Leben hervor. Ausgehend von diesem schönen Gedanken wird jetzt auch in Schleswig-Holstein eine neue Bestattungsform diskutiert, die „Reerdigung“.

Ziel der Reerdigung ist es, den verstorbenen Körper in kurzer Zeit in Humus umzuwandeln. Hierfür wird der Leichnam zunächst auf ein Bett aus Stroh, Blumen und Grünschnitt in einen sogenannten Kokon gelegt. Dies ist ein speziell ausgestatteter, sargähnlicher Behälter. Nach der Einbettung des Verstorbenen wird der Kokon in eine holzgetäfelte Wabe eingebracht. Die Wabe wird mit allen notwendigen Anschlüssen (Wasser und Luft) verbunden.

Transformation des Körpers in 40 Tagen

Der Zersetzungsprozess wird durch die Zugabe pflanzlicher Materialien eingeleitet. Innerhalb des Kokons werden an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von mehr als 70 °C erreicht. Ab dem achten Tag wird der Kokon in der Wabe regelmäßig und automatisiert ganz langsam von Seite zu Seite gewiegt, um eine gleichmäßige Feuchtigkeitsverteilung zu gewährleisten. Angehörige können während der Transformation anwesend sein. Der Leichnam ist hierbei für die Angehörigen nicht sichtbar. Durch Wasser- und Luftanschlüsse kann der Prozess innerhalb des Kokons gesteuert werden. Die Transformation wird per Sensoren überwacht. Sowohl im Körper als auch in den pflanzlichen Materialien sind natürliche Mikroorganismen enthalten. Diese transformieren den Körper innerhalb von 40 Tagen in Erde. Dieser Prozess würde bei einer Sargbestattung je nach Bodenzusammensetzung 20 bis 50 Jahre dauern.

Die sodann entstehende Erde wird aus dem Kokon entnommen. Aus einem 80 kg schweren Menschen entstehen zirka 110 kg Erde. Da für den biologischen Abbauprozess des Menschen pflanzliches Substrat sowie Naturfasertücher beigelegt werden, erhöht sich das Gesamtgewicht der Humuserde am Ende des Prozesses. Nicht vollständig zersetzte Knochen und Knochenfragmente werden aus der Erde entnommen, zermahlen und dem fruchtbaren Humus wieder beigegeben. Da der Kohlenstoff und alle weiteren Nährstoffe in der Erde gebunden bleiben, wird diese zum Nährboden für neues Pflanzenleben. Bäume, Sträucher oder Blumen können auf dieser Erde gepflanzt werden.

Die Circulum Vitae schafft mit ihrer Marke „Meine Erde“ derzeit die Möglichkeit, sich in Schleswig-Holstein reerdigen zu lassen. Das Pilotprojekt in Mölln wurde abgeschlossen. Ab dem 1. August 2023 werden im Alvarium (lateinisch für Bienenstock) auf dem Parkfriedhof in Kiel Reerdigungen mit anschließender Ausbringung der Erde auf dem Friedhof durchgeführt.

Reerdigung auch im Bestattungswald möglich?

Die Bestattungswälder in Schleswig-Holstein bieten letzte Ruhestätten in ausgewählten Waldgebieten, die sich durch eine naturnahe Baumartenzusammensetzung auszeichnen. Wer sich schon zu Lebzeiten für eine Bestattung im Wald entscheidet, hat zumeist eine besonders große Verbindung zur Natur- und Tierwelt. Die Entscheidung für einen Bestattungswald entspringt der Sehnsucht vieler Menschen nach mehr Natur. Sie möchten wieder in den Kreislauf der Natur eingehen, ohne hierdurch deren Entwicklung zu beeinträchtigen.

Auch bei dem Team für Waldbestattungen in der Forstabteilung in Bad Segeberg steigt die Nachfrage nach dieser Form der Bestattung. Von den Interessenten wird die Reerdigung als weniger energieintensiv und damit umweltfreundlicher als die Einäscherung in einem Krematorium angesehen. Bei ihnen steht der ökologische Faktor im Mittelpunkt. Die Kombination aus Naturverbundenheit einerseits und dem Wunsch, auch nach dem eigenen Ableben das Klima nicht negativ zu beeinflussen, andererseits entspricht häufig dem aktuellen Zeitgeist.

Derzeit wird in Schleswig-Holstein die Asche der Verstorbenen in einer vergänglichen Urne im Bestattungswald beigesetzt. Durch eine Novellierung des Bestattungsgesetzes Schleswig-Holstein könnte es zukünftig auch möglich sein, die Beisetzung nach Reerdigungen im Bestattungswald vorzunehmen.

Fazit

Aktuell ist die Ausbringung der Erde nach einer Reerdigung in einem Bestattungswald rechtlich nicht möglich. Sollte die Möglichkeit jedoch geschaffen werden, könnten Waldbesitzende in Schleswig-Holstein zusammen mit dem jeweiligen Träger des Friedhofs ihren Bestattungswald für diese Form der Beisetzung öffnen. Die Forstabteilung der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein begleitet den Prozess und wird weiter berichten.

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