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Parallel zum Korridor laufen dunkle Verschiffungswege

Getreideschmuggel großen Stils im Schwarzen Meer durch Satellitenbeobachtung aufgedeckt
Von Mechthilde Becker-Weigel
Das Geschäftsmodell sieht vor, dass auf hoher See das gestohlene Getreide von kleineren Schiffen auf große Frachter umgeladen wird. Foto: Imago

Russland hat aus der Ukraine rund 5,8 Mio. t Getreide im Wert von etwa 950 Mio. US-$ gestohlen. Wie das „Wallstreet Journal“ (WSJ) Anfang Dezember berichtete, transportierten russisches Schiffe über ein ausgeklügeltes Fracht- und Umladesystem die Ware außer Landes. Die Schmuggelversuche Russlands wurden mithilfe von Satellitenüberwachung entdeckt.

Laut einem Bericht der US-Wirtschaftszeitung „Wall Street Journal“ wurden große Mengen Getreide durch Frachtschiffe, die mit Russlands größtem Getreidehändler in Verbindung stehen, über den Seeweg aus der Ukraine abtransportiert und an Käufer auf dem internationalen Markt veräußert. Aufgedeckt wurde der Schmuggel durch Satellitenbeobachtung des Unternehmens Spire mit Sitz in San Francisco. Mehr als 100 sogenannte Nano-Satelliten des Unternehmens befinden sich im All und erheben Daten. Das Unternehmen analysiert die Daten vorwiegend für Kunden aus der See- und Luftfahrt.

Für den Schmuggel wurde ein ausgeklügeltes System von Zubringerschiffen und Schwimmkränen genutzt. Dabei verwischen die Transporteure ihre Spuren, berichtet das „Wall Street Journal“. Denn eigentlich dürfen russische Exporteure kein Getreide aus der Ukraine verschiffen.

Satellitenaufnahmen belegen den Diebstahl

Das WSJ präsentierte Satellitenbilder, die das Vorgehen belegen sollen: Demnach fahren regelmäßig kleine Transportschiffe vom Hafen Sevastopol auf der besetzten Halbinsel Krim zu auf See wartenden Großfrachtern, um ukrainisches Getreide umzuladen. Dabei werde das Getreide unter russische Ware gemischt, um die Herkunft weiter zu verschleiern. Sinn der Operation: Ein Zwischenstopp der Frachter in ukrainischen Häfen wird so nicht verzeichnet. Das soll offenbar den Schmuggel verbergen. „Das ist Getreidewäsche“, zitiert das WSJ einen Istanbuler Experten. „Sie machen es schwer, die Herkunft zu verfolgen.“

Die Schiffe sollen mit Russlands größtem Getreidehändler in Verbindung stehen, der das Handelshaus RIF Trading House LLC betreibt. Das Handelshaus RIF LLC besitzt einen Hafen in Asow, Gebiet Rostow, mit ausgedehnten Lagermöglichkeiten und einem jährlichen Umschlag von 3,5 Mio. t. Die Organisation verfügt über Fracht- und Hochseeschiffe für den Getreidetransport.

Das WSJ hatte zuvor auch über den weitverbreiteten Diebstahl von Getreide in der von Russland besetzten Ukraine berichtet. Über Land wurde die Ware demnach per Lkw-Kolonnen aus den Silos auf die Krim gebracht.

Getreideausfuhr aus Sevastopol ist gestiegen

Eine offizielle Bestätigung gab es dafür nicht. Allerdings hat die Ausfuhr von Getreide aus dem Hafen Sevastopol deutlich zugenommen: Von April bis September lag die Ausfuhr bei 662.000 t, das war 18-mal so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres mit 36.000 t, wird das WSJ zitiert.

Für die Ausfuhr bringt eine Flotte kleinerer Schiffe das geschmuggelte Getreide in der Regel vom Krim-Hafen Sewastopol zu größeren Frachtschiffen, die auf See warten, wo sie ihre Ladung mithilfe von mit Kränen ausgestatteten Schiffen umladen, so die Untersuchung des WSJ. Diese größeren Schiffe steuern dann weiter entfernte Häfen an. Durch die Umladung können große Schiffe, die im Hafen oder auf Satellitenbildern leicht zu erkennen sind, das Anlaufen von Sewastopol vermeiden. bb/mbw

EU-Kommission will Getreidetransporte finanzieren

Die EU-Kommission will den Export von Getreide aus der Ukraine forcieren und wird dazu die Beladung von zwei Getreideschiffen unterstützen. Das hatte Kommissionspräsidentin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) bereits Ende November auf dem Grain from Ukraine Summit angekündigt. „Wir müssen der Welt signalisieren, dass wir unsere schwächsten Partner nicht im Stich lassen werden“, betonte von der Leyen. Brüssel übernehme die Transportkosten für 40.000 t Getreide.

Auf Bali hatten die Staatschefs der G20-Staaten weltweite Solidarität bei der Bekämpfung des Hungers als Folge des russischen Angriffskriegs eingefordert. Laut von der Leyen sind die von der EU-Kommission und den angrenzenden Mitgliedstaaten eingerichteten Solidaritätskorridore „ein großer Erfolg“. Seit Mai habe die Ukraine über diese Korridore mehr als 17 Mio. t Getreide und Lebensmittel exportiert.

Die EU-Kommission hat laut von der Leyen zusammen mit Finanzinstituten wie der Europäischen Investitionsbank (EIB), der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und der Weltbank zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Mrd. € für den Ausbau der Leistungsfähigkeit dieser Solidaritätskorridore mobilisiert.

Der EU-Dachverband der Getreidehändler (Coceral) äußerte Bedenken hinsichtlich der langfristigen Möglichkeit, ukrainisches Getreide und Ölsaaten auf dem Weltmarkt anzubieten. Die russischen Angriffe auf die Infrastruktur der Ukraine beeinträchtigten die Aufrechterhaltung der Getreideexporte und könnten zu erhöhten Engpässen und Lebensmittelpreisen führen, warnte der Verband. Darüber hinaus beobachtet Coceral zunehmende Verzögerungen bei den Inspektionen von Exportschiffen durch die Gemeinsame Koordinierungsstelle der Vereinten Nationen; hier seien Wartezeiten von bis zu 40 Tagen möglich. Die Kosten für diese Verzögerungen fielen auf die ukrainische Lieferkette zurück und zwängen die dortigen Landwirte, ihre Produkte zu reduzierten Preisen zu verkaufen. Der Dachverband hält daher mehr Transparenz bei den Inspektionen für notwendig.

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