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Ohne gute Luft geht es nicht

Schweine aktuell: Zwei Tage Lüftungsseminar im Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp
Von Ina Stellwag, Hannah Straky , Landwirtschaftskammer SH
Durch den Einsatz der Nebelmaschine können Luftbewegungen sichtbar gemacht werden. Fotos: Juliane Ahlhorn

Das Thema Lüftung spielt in der Schweinehaltung eine entscheidende Rolle. Gerade die immer häufigeren Wetterextreme sowie die heißeren Sommer stellen eine große Herausforderung dar. Außerdem kommen durch die höheren Haltungsanforderungen weitere Einflussfaktoren im Lüftungsmanagement von frei belüfteten Ställen oder Ställen mit Auslauf hinzu. Im Lehr- und Versuchszentrum (LVZ) Futterkamp der Kammer fanden kürzlich zwei Seminare statt, die sich aus unterschiedlicher Sicht mit der Lüftung von Schweineställen und deren Kontrolle beschäftigten.

Das erste Seminar war eine Schulung zum Stallklimacheck der Initiative Tierwohl (ITW). An der ITW teilnehmende Betriebe müssen ihr Stallklima sowie das Tränkewasser einmal jährlich von externen, zugelassenen Stallklimaexperten prüfen lassen. Neun Teilnehmer besuchten das Seminar, um diese Zulassung zu erhalten. Der Referent Dr. Markus Böckelmann, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, führte durch den Tag.

Der Vormittag wurde für die theoretische Einführung genutzt. Neben den Grundlagen zur Lüftung, den verschiedenen Lüftungssystemen und ihren Besonderheiten ging es auch um die Kennzahlen rund um das Thema Lüftung. Anschließend wurde die Checkliste für den Stallklimacheck besprochen und auf mögliche Herausforderungen eingegangen. Der Stallklimacheck ist bis jetzt auf Warmställe mit Zwangslüftung ausgelegt. Der Anteil an frei belüfteten Außenklimaställen sowie Ställen mit Ausläufen nimmt aktuell jedoch stetig zu. Wie der Stallklimacheck hier zukünftig ablaufen soll, steht noch nicht fest, die ITW arbeitet aktuell daran.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen ging es in die Ställe des LVZ Futterkamp. Im Maststall teilte sich die Gruppe auf, um auch praktische Erfahrungen mit dem Stallklimacheck zu sammeln und diese umzusetzen. Eine Besonderheit stellten die vielen verschiedenen Abteile dar, wovon einige an die Abluftreinigung angeschlossen sind und unterschiedliche Lüftungscomputer haben.

Beide Gruppen führten den Stallklimacheck erfolgreich aus, auch wenn Einzelne für den Blick in den Zu- und Abluftkanal ihre Höhenangst überwinden mussten. Es wurden Temperaturen gemessen, Stellmotoren und Lüftungskurven überprüft und die Alarmanlagen zur Kontrolle ausgelöst.

Neben der technischen Überprüfung wurde darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, auf die Tiersignale zu achten und diese in die Einschätzung einfließen zu lassen.

Seminar des Netzwerks Fokus Tierwohl

„Wir müssen immer zuerst das Tier und seine Bedürfnisse betrachten und anschließend die weiteren Ebenen einbeziehen“, war eine der zentralen Aussagen von Dr. Markus Böckelmann. Mit 14 Teilnehmern aus ganz Deutschland und der Schweiz war das Seminar, das in Kooperation mit dem vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) geförderten Netzwerk Fokus Tierwohl veranstaltet wurde, ausgebucht.

Verantwortung ans Schwein zurückgeben

Das Seminar begann mit einem Theorieteil. Darin wurde auf die praktischen Aspekte der Stallkühlung sowie die verschiedenen Ebenen eines funktionierenden Lüftungssystems eingegangen. Hier sind nicht nur die Betrachtung der technischen Ausstattung und die Luftverteilung auf Abteilebene wichtig, sondern auch, dass man die Bedürfnisse des Einzeltiers sieht.

Ebenso wie bei uns Menschen hat jedes Schwein eine individuelle Wohlfühltemperatur. Durch eine durchdachte Strukturierung der Buchten mit mehreren Klimazonen wird es den Tieren ermöglicht, selbst zu entscheiden, in welchem Klima sie sich aufhalten möchten. Der Einsatz einer Wärmebildkamera im Stall erlaubt eine einfache Kontrolle der Oberflächentemperatur des Einzeltiers, wobei insbesondere eine verstärkte Durchblutung und damit verbunden eine Erwärmung der Ohren auf Hitzestress hindeutet.

Perspektivisch sieht Böckelmann eine Verschiebung der „Feuerwehrfunktion“ der Stallkühlung zur aktiven Tierwohlförderung. Neben vermehrt und verbessert eingesetzten Stallkühlungen sei auch die Wasserversorgung ein wichtiger Bestandteil der Stallklimaführung und damit ein Beitrag zum Tierwohl.

Schließlich fand der Vormittag mit einer Demonstration am Modell ein kurzweiliges Ende. Anhand eines eigens für das Seminar gebauten Miniaturabteils mit Lüftungssystem konnten am Modell verschiedenste Szenarien durchgespielt werden.

Mit der Wärmebildkamera kann der Hitzestatus der Tiere beurteilt werden.

Einfluss auf das Schwanzbeißen

Böckelmann begann den Nachmittag mit einer Betrachtung des multifaktoriellen Problems des Schwanzbeißens unter dem Gesichtspunkt Stallklima und berichtete aus einem Modellvorhaben. Das Stallklima wirke sich in allen Haltungsabschnitten unmittelbar auf Tierverhalten und Tierwohl aus. Durch eine Risikoanalyse konnten im Modellvorhaben Schwachstellen reduziert werden, und so fielen die Ergebnisse zum Kupierverzicht tendenziell positiv aus.

Schadgase haben neben ihrer Umweltwirkung auch eine große Auswirkung auf die Tiergesundheit. Aus diesem Grund spielt die Emissionsminderung im Stall und am Tier eine entscheidende Rolle. Die Entstehung von Ammoniak lässt sich durch viele Faktoren wie Fütterung, Gestaltung von Kotflächen und Temperatur im Abteil sowie Gülle minimieren.

Kohlendioxid entsteht in erster Linie bei der Atmung und muss zügig abtransportiert werden, damit der Gehalt in der Luft nicht zu groß wird und den Sauerstoffaustausch in der Lunge der Schweine behindert. Dies kann insbesondere an Orten, an die keine Zuluft gelangt, ein Problem darstellen. Daher lohnt es sich, bei Deckeln mit oder ohne Lamellen einen kleinen Schlitz im hinteren Teil einzufassen. Hierdurch wird eine minimale Luftführung ermöglicht, ohne dass Zugluft entsteht.

Luftparameter selbst messen

Ein wichtiger Bestandteil des Seminars war es, verschiedene Messtechniken und die dazugehörigen Geräte kennenzulernen. Hierfür hatte Böckelmann eine Vielzahl von Geräten wie zum Beispiel Schadstoffmessgeräte, Indikatorenpapier für Ammoniak, eine Nebelmaschine und verschiedene Anemometer mitgebracht.

Am Nachmittag ging es in die Ställe des LVZ. Dort wurden mit allen Teilnehmenden verschiedene Abteile und der Wartestall mit unterschiedlichen Lüftungssystemen besichtigt und die verschiedenen Luftparameter bestimmt und eingeordnet. Mithilfe der Nebelmaschine wurde die Luftführung sichtbar gemacht und verfolgt. Auch eine ­Wärmebildkamera kam zum Einsatz, um den Hitzestatus der Tiere zu beurteilen. Auch wurde die Stallhülle mit der Wärmebildkamera betrachtet, um zu sehen, ob es extreme Wärme- oder Kältestellen gibt.

Direkte versus kontinuierliche Messung

Die Vorteile einer kontinuierlichen Datenerfassung insbesondere von Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Schadgasen wurden ausführlich besprochen. Eine durchgehende Erfassung und Auswertung von Datenloggern ermöglicht es, die im Alltag vorherrschende Stallluftqualität zu überwachen und mögliche Probleme frühzeitig aufzudecken. Trotz allem sei eine regelmäßige Tierbeobachtung unerlässlich, betonte Böckelmann.

Durch Weiterentwicklung der Lüftungstechnik und Buchtenstrukturierung wird das Thema auch in Zukunft immer aktuell bleiben. Alle Fortbildungen finden sich unter lksh.de, fokus-tierwohl.de und auf Instagram.

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