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Nachhaltigkeit im Ackerbau messen und verbessern

Beratung rund um das Geld: Landwirtschaft zwischen Ökologisierung, Klimaschutz und Ernährungssicherheit
Von Enno Karstens, Landwirtschaftskammer SH
Wenn Unwetter drohen, sollte man nicht in Panik geraten, sondern besonnen Schutz suchen. Im unübersichtlichen Gewirr von Regelungen der Nachhaltigkeit gilt es, gangbare Wege zu suchen, auch im Ackerbau. Foto: Ingken Wehrmeyer

Zum Thema „Einfluss der Anforderungen für Nachhaltigkeit auf die Betriebsentwicklung im Ackerbau“ referierte Erik Guttulsröd, DLG Frankfurt, Bereichsleiter für Betriebsführung und Nachhaltigkeit, kürzlich beim Ökonomieseminar der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein. Der Artikel beschreibt, was aktuell die Praxis bewegt.

Ein Bild vorweg: Man befindet sich in unwegsamem Gelände. Die Zeit drängt, das Ziel muss bald erreicht werden. Ein heftiges Unwetter droht, erste Gewitterschauer haben bereits heftige Spuren hinterlassen. Es gilt, sich schnell zu orientieren und voranzukommen.

Übertragen auf die aktuelle Situation: Das Thema Nachhaltigkeit im Ackerbau ist komplex, von Zeitdruck getrieben und von Zielkonflikten geprägt. Der Klimawandel hält unsere Gesellschaft, auch die Landwirtschaft, in Atem. Wie das Spannungsfeld zwischen Ökologisierung, Klimaschutz und Ernährungssicherheit zu lösen ist, ist eine der zentralen Fragen.

Maßnahmen zeigen Wirkung

Die in die Wege geleiteten Anpassungsmechanismen zeigen bereits Wirkungen. Die politischen Vorgaben im Rahmen der GAP 2023, das Sustainable Finance System (nachhaltiges Finanzsystem) oder das Lieferkettensorgfalts­pflichtengesetz, sind dafür prägnante Beispiele. In der Produktion wird intensiv über Fruchtfolgeerweiterungen nachgedacht. Wie können die Biodiversität gesteigert, das Resistenzmanagement gefördert und die Nutzung phyto-sanitärer Effekte vorangetrieben werden? In der Wertschöpfungskette sind die Label in der Lebensmittelproduktion gesetzt. Der Umbau ist in vollem Gange.

Doch wie soll Nachhaltigkeit im Ackerbau und nicht nur dort messbar gemacht werden? Die Frage ist mittlerweile sehr dringlich geworden. So hat die Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in den östlichen Bundesländern in diesen Tagen optional die Vergabe von Pachtflächen von der Vorlage eines solchen Nachweises abhängig gemacht. Seit geraumer Zeit beschäftigten sich verschiedene Expertengruppen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) mit diesem Themenkomplex.

Doch nicht nur in der DLG ist man mit Hochdruck dabei, eine standardisierte Fassung für die Bereiche Ackerbau, Schweinehaltung und Milchproduktion fertigzustellen. Auch die Regionalwert AG Deutschland, das Deutsche Institut für Agrarkultur (Dinak) und das Forschungsinstitut für biologischen Landbau in der Schweiz und andere namhafte Institute arbeiten an einem bundeseinheitlichen Standard.

Indikatoren zur Bewertung gefunden

Im DLG-Programm für den Ackerbau kann anhand von 23 Indikatoren aus den vier Bereichen Ökologie, Soziales, Ökonomie und Management für jeden Betrieb ein Nachhaltigkeitsprofil erstellt werden. Die Noten 5 und 6 gelten wie bei den Schulnoten als nicht ausreichend.

Auf die Frage nach den Eckpunkten für die Auditierung auf landwirtschaftlichen Betrieben benennt Erik Guttulsröd von der DLG drei Ziele:

Ziel 1 ist die Vermeidung von Bürokratie und Doppeleingaben, um ein effizientes Audit zu ermöglichen. Als Zielwert nennt er bei guter Vorbereitung einen Zeitaufwand von drei bis vier Stunden pro Betrieb.

Ziel 2 ist die Nutzung des Audits für alle Betriebsformen (Haupt- und Nebenerwerb, konventionell und ökologisch, Einzelunternehmen bis hin zu Agrargenossenschaften).

Ziel 3 beschreibt zum Start des Checklisten-Audits die Nutzung vorliegender Daten auf dem Betrieb (Dünge- und Stoffstrombilanzen, Ackerschlagkartei, Agrarantrag, BMEL-Abschluss et cetera). In den Folgejahren soll dann sukzessive die Digitalisierung der Prozesse erfolgen.

Um einen Eindruck von der Methodik zu erhalten, seien im Folgenden einige Indikatoren und deren Bewertungsverfahren kurz dargestellt:

Ökologie

Es gibt vonseiten der DLG insgesamt acht Indikatoren. Zwei Beispiele dafür:

Ziffer 1: Die Stickstoff-Nutzungseffizienz (NUE) bildet das Verhältnis zwischen N-Zufuhr und N-Abfuhr ab. Als Output wird die gesamte N-Menge, die den Betrieb verlässt, als Input wird die gesamte N-Menge, die in den Betrieb kommt, erfasst. Es ergibt sich folgende Klassifizierung:

Note 1 = 80 bis 85 %

Note 2 = 75 bis 79 %

Note 3 = 74 %

Note 4 = 70 bis 73 %

Note 5 = 60 bis 69 % Note 6 = < 60 %

Ziffer 5: Beim Pflanzenschutz werden fünf Teilindikatoren im Detail bewertet:

– vorbeugende Maßnahmen (Anbauphase, Fruchtfolge)

– Förderung und Nutzung natürlicher Regelmechanismen

– Anwendung nichtchemischer Pflanzenschutz-Maßnahmen

– Anwendung chemischer und naturstofflicher Pflanzenschutzmittel

– Erfolgskontrolle und Dokumentation

Es können bis zu 52 Punkte (plus vier Zusatzpunkte) vergeben werden. Der Landwirt entscheidet, wo er die Punkte holen möchte, und bringt den Nachweis dafür. Die Klassifizierung sieht folgendermaßen aus:

Note 1 = 47 bis 52 Punkte

Note 2 = 41 bis 46 Punkte

Note 3 = 34 bis 40 Punkte

Note 4 = 27 bis 33 Punkte

Note 5 = 20 bis 26 Punkte Note 6 = < 20 Punkte

Soziales

Hier sind ebenfalls acht Indikatoren in der Auditierung des DLG zu finden. Auch dafür ein Beispiel:

• Ziffer 10: Bei der Arbeitszeit wird die durchschnittliche wöchentliche Realarbeitszeit des Arbeitnehmers erfasst. Dazu wird für jeden abhängig Beschäftigten die real geleistete Jahresarbeitszeit inklusive Überstunden und bezahltem Urlaub angegeben. Teilt man diesen Wert durch 52,2 Wochen, ergibt sich die zu bewertende Größe.

Note 1 = ≤ 40 Akh

Note 2 = 41 Akh

Note 3 = 42 Akh

Note 4 = 43 bis 44 Akh

Note 5 = 45 bis 48 Akh

Note 6 = > 48 Akh

Ökonomie

In diesem Segment wurden von der DLG fünf Indikatoren ausgewählt. Ein Beispiel unter diesen ist:

Ziffer 17: Das ordentliche kalkulatorische Ergebnis wird aus dem BMEL-Jahresabschluss entnommen. Ein positiver Wert gibt an, dass neben der Kostendeckung inklusive der Entlohnung der eingesetzten Faktoren auch eine Entlohnung der unternehmerischen Tätigkeit an sich erzielt wird.

Note 1 = ≥ 300 €/ha

Note 2 = 150 bis 299 €/ha

Note 3 = 75 bis 149 €/ha

Note 4 = 0 bis 74 €/ha

Note 5 = < 0 €/ha

Note 6 = nicht definiert

Möglicher Nutzen für Betriebe

Um in Zukunft bei der Finanzierung weiterhin an den Topkonditionen partizipieren zu können (Sustainable Finance) müssen die Betriebe sich mit der eigenen Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben. Im Bereich Agribusiness könnten sich positive Auswirkungen in der Wertschöpfungskette (Landtechnik, Landhandel et cetera) ergeben.

Vermutlich werden Nachhaltigkeitszertifikate auch bei Lieferbedingungen im Einzelhandel an Bedeutung gewinnen. Auch auf dem Flächenmarkt könnten sich bei Ausschreibungen Vorteile für die Vergabe ergeben, so wie es aktuell die BVVG praktiziert. Ebenso sind Effekte in der Öffentlichkeitsarbeit denkbar, zum Beispiel bei der Direktvermarktung. Schließlich könnten die Zahlen sich auch bei der Optimierung auf betrieblicher Ebene auswirken.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, welche Ansätze sich bei der Messung von Nachhaltigkeit und deren Standardisierung durchsetzen werden und welche wo zum Einsatz kommen. Die DLG jedenfalls bietet mit der vorgestellten Lösung für den Ackerbau eine gute Orientierung in dieser komplexen Thematik. Die Ansätze für die Milchproduktion und die Schweinehaltung sollen in Kürze folgen.

Insgesamt wird es eine Herausforderung bleiben, in „unübersichtlichem Gelände“ Mess- und Bewertungssysteme für Nachhaltigkeit zu schaffen und weiterzuentwickeln. Diese müssen auf der einen Seite dem wissenschaftlichen Anspruch genügen und auf der anderen Seite trotzdem einfach zu verstehen sein. Auch hier wird die Digitalisierung eine Schlüsselrolle einnehmen, damit sich der Zeitaufwand und die Kosten für die notwendige Auditierung zukünftig in einem angemessenen Rahmen bewegen.

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