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Ist Tiergesundheit eine Haltungsfrage?

Schweine aktuell: Bioland-Schweine-Tagung 2024
Von Christian Wucherpfennig, Landwirtschaftskammer NRW
Bei der Bodenfütterung werden die Ferkel durch die Sau angeregt, frühzeitig Futter aufzunehmen. Fotos: Christian Wucherpfennig

Über zwei Tage bot die Bioland-Schweine-Tagung am 20. und 21. Februar in Fulda ein bunt gefächertes Programm zu Fütterung, Stallbau und Vermarktung. Christian Wucherpfennig von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen fasst die wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

„Tiergesundheit – eine Frage der Haltung?“ lautete der Titel des Vortrages von Stefan Wesselmann, Tierarzt aus Hohenlohe (Baden-Württemberg). Als Tierhalter sollte man nicht nur die Gesetze befolgen, sondern den Tieren gegenüber auch Empathie zeigen. „Bei der Stallplanung ist die Tiergesundheit in den Vordergrund zu stellen, zum Beispiel wie Infektionsketten unterbrochen werden können und ob ausreichend Kranken- und Genesungsbuchten eingeplant sind“, hob Wesselmann hervor. Die Haltung sollte, abgeleitet aus dem Qualitätsmanagement, einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess unterliegen. Ställe müssen bei allen Temperaturen von –20 °C bis +35 °C funktionieren. Daher sollten Wind- wie Sonnenschutz von Beginn an Teil der Stallplanung sein.

Auslauf- und Freilandhaltung trotz ASP

Dr. Katja Schulz vom Friedrich-Loeff­ler-Institut erläuterte die neue Risikobewertung unter ASP-Bedingungen. „In der Auslauf- und Freilandhaltung ist das Risiko für einen Eintrag zwar höher, aber wenn die Biosicherheitsmaßnahmen konsequent erfüllt werden, ist es tolerierbar“, erklärte Schulz und ergänzte: „Vögel und Nagetiere sind als Vektoren nur ein theoretisches Risiko und daher ohne Evidenz.“ Übernetzungen und Überdachungen seien weder praktikabel noch verhältnismäßig vor dem Hintergrund des bestehenden Risikos. Solche Vorgaben kämen einer Aufgabe der Haltungsform gleich. Im Ergebnis ist also die Auslauf- und Freilandhaltung auch im ASP-Seuchenfall möglich. Betriebe und Behörden können sich künftig an den „Empfehlungen zur Fortführung dieser Haltungsform in ASP-Sperrzonen“ orientieren.

Auch wenn die rohproteinreichen Wicken einige antinutritive Substanzen enthalten, ist eine Verfütterung an das Schwein möglich, wenn man die richtige Wicken­art wählt. Davon ist Dr. Lisa Baldinger, Höhere Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft Raumberg-Gumpenstein (Österreich), überzeugt. „Unbehandelt sind acht Prozent Rationsanteil in der Vormastration unproblematisch“, berichtete sie. Die in den Versuchen vorgenommene Behandlung in Form von Keimung oder Silierung brachte kaum Verbesserungen, sodass dazu nicht geraten werden könne, auch wenn diese Wicken den Schweinen besser geschmeckt hätten.

Da Fütterung und Tiergesundheit großen Einfluss auf die Produktqualität haben, begleitet das Unternehmen Ökoland GmbH Nord intensiv seine Vertragsbetriebe. „Wir bewerten die Betriebe anhand eines Tiergesundheitsindex, in den auch Schlacht- und Befunddaten einfließen“, erläuterte Dr. Leonie Blume. Jeder Betrieb erhält zeitnahe Rückmeldungen und bei Abweichungen einen Betriebsbesuch durch Ökoland sowie den Schweinegesundheitsdienst und den Bestandstierarzt zur Ursachenforschung. „Gesunde Tiere sind wirtschaftlicher, und am Ende macht es auch allen mehr Spaß“, warb Blume für die Vorgehensweise.

Die aufgelöste Bauweise spart Baukosten und ermöglicht dennoch eine klare Trennung der Funktionsbereiche Liegen, Fressen sowie Aktivität und Koten.

Probleme mit unüberdachten Ausläufen

Dr. Werner Hagmüller ist mit seinem Unternehmen „Schweinekompetenz“ selbstständiger Berater für Tiergesundheit und Haltungsverfahren. Zu Beginn beklagte er die Regelung der EU-Bioverordnung, nach der erhebliche Teile der Ausläufe nicht überdacht sein dürfen. „Die fehlende Überdachung führt zu einem Auslauf, der kaum zu entwässern ist, was auch zu erhöhten Emissionen führt“, betonte er. Auch bei vollständiger Überdachung könnten die Schweine Licht und frische Luft genießen, wenn man den Auslauf von den Seiten her offen gestalte. „In der Folge werden viele Betriebe vermutlich bei Neubauten im unüberdachten Bereich des Auslaufs künftig Spalten einbauen und im übrigen Teil mit Stroh sparsam sein“, warnte Hagmüller.

Großen Wert legt er auf die verschiedenen Funktionsbereiche, die für das Schwein gut erkennbar sein müssten. „Bio bietet sehr gute Voraussetzungen, leidet aber zuweilen an der Starrheit der EU-Bioverordnung“, schloss Hagmüller seine Ausführungen.

Über die Möglichkeiten, Emissionen in der Bioschweinehaltung zu reduzieren, referierte Ewald Grimm vom Kuratorium für Bauen in der Landwirtschaft. „95 Prozent des Ammoniaks kommen aus der Landwirtschaft, die im Wesentlichen aus der Tierhaltung selbst sowie aus Wirtschaftsdüngerausbringung und Dunglagerung resultieren“, erklärte er. Auf die Schweine entfällt davon etwa ein Drittel.

Bei den Vorschriften unterscheidet man zwischen dem Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen, womit beispielsweise Mindestabstände begründet werden, und der Vorsorge, möglichst wenig Emissionen zu verursachen. „Nur bei der Vorsorge gibt es die Abwägung zwischen Tierschutz und Emissionsminderung“, betonte Grimm.

Zwar bedürfen Anlagen unterhalb der Bundesimmissionsschutzgesetz-Grenzen nur einer Baugenehmigung, aber in bestimmten Fällen könnten auch hierfür die Vorgaben und Grenzwerte der TA Luft herangezogen werden. Davon kann in Ökobetrieben abgewichen werden, wenn die Vorgaben, zum Beispiel bei der Fütterung, mit der EU-Bioverordnung nicht vereinbar sind. Zur Emissionsminderung bei der Haltung wird in Kürze eine Vollzugshilfe erwartet, die Mindestanforderungen an die Haltungsform definiert, wie Vorgaben zu einer Jaucherinne zur Entwässerung im Auslauf oder Verfahren zur Trennung flüssiger und fester Bestandteile. Auch eine häufige Reinigung der Ausläufe kann darüber festgesetzt werden.

Christian Auinger von der österreichischen Firma Schauer erläuterte bauliche Möglichkeiten zur Emissionsminderung. So lassen sich mittels einer Entstaubung von Stroh die Staubpartikel um 80 % senken, was auch dazu beitrage, dass mit der Luft weniger Emissionspartikel transportiert würden. Bei ökologischer Haltung kommt es aber vor allem auf den Auslauf an. „Der mit Abstand größte Hebel ist die Kot-Harn-Trennung in einem begrenzten Bereich mit Spalten“, betonte Auinger. Weiterhin empfahl er zur Entwässerung von planbefestigten Ausläufen eine Rinne als Blechabdeckung mit Schlitzanteilen.

Für 200 Biosauen neu gebaut

Dr. Matthias Petig bewirtschaftet in 17. Generation einen Bioland-Betrieb im westfälischen Dörentrup. 2022 erfolgte ein Neubau für knapp 200 Biosauen auf der grünen Wiese in der Nähe des Hofes. Die Sauen werden im Zweiwochenrhythmus in zweireihigen Abferkelställen gehalten, die sich wiederum in vier Neuner-Abteile gliedern. In den insgesamt 108 Abferkelbuchten bleiben auch die abgesetzten Ferkel die erste Hälfte der Aufzucht. Die tragenden Sauen werden in Liegehütten mit Fressständen unter Dach und einem dazwischenliegenden Auslauf (aufgelöste Bauweise) gehalten, der zur Hälfte unüberdacht ist. Um selbst Jungsauen vermehren und verkaufen und auch die Vermehrungsbörge halten zu können, wurden knapp 200 Plätze geschaffen.

Umstellung auf 900 Mastplätze

Da Dr. Arne von Ruschkowski kurzfristig verhindert war, stellten Martin Kötter-Jürß von der Bioland-Beratung und Ulrike Westenhorst von der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen dessen Betrieb vor. Von Ruschkowski hat den Hof 2021 von den Schwiegereltern übernommen und von 130 Sauen im geschlossenen System auf 900 Biomastplätze umgestellt. Die vorhandenen Gebäude wurden umgebaut und konnten somit weitergenutzt werden. Bedingt durch die großen Gebäude und die Einschränkung, dass nur in eine Richtung Ausläufe möglich waren, fiel die Wahl auf Großgruppenhaltung.

Da die Schweine den Innenbereich bei einer Entfernung zum Auslauf von bis zu 20 m häufig nicht sauber halten, wurde von der klassischen Gliederung „Liegen, Füttern, Auslauf“ abgewichen. Die Fütterung befindet sich nun im hinteren Bereich des Stalls auf Spalten. Von dort gelangen die Tiere in den großzügig eingestreuten Liegebereich, an den sich der Auslauf anschließt. Durch große Tore ist gewährleistet, dass der Liegebereich jederzeit problemlos gemistet werden kann. Der betonierte Liegebereich liegt tiefer, sodass kein Stroh in die Gülle gelangen kann. Trotz der Nutzung der Altgebäude entstanden Kosten je Platz von 1.200 € einschließlich Mist- und Futterlager. „Der Einstieg in die Bioschweinehaltung kostet viel Geld“, so die Schlussfolgerung von Westenhorst und Kötter-Jürß.

So steht‘s um das Futter

Alexander Krahn, langjähriger Mitarbeiter des Biolandhofes Engemann, stellte den Betrieb vor, der seit 1988 ökologisch bewirtschaftet wird. Mit dem Handel von Biogetreide wurde 2003 begonnen. Das Handelsvolumen liegt aktuell bei 80.000 t, wobei die Hälfte auf deutsche und hier wiederum vor allem auf Verbandsware entfällt. Angeboten werden alle Arten Getreide sowie Körnerleguminosen, Körnermais und Weizenkleie.

„Die schwierigen Erntebedingungen im vergangenen Jahr führten zu erheblichen Qualitätsproblemen, sodass große Teile der Ernte nicht mehr speisefähig waren und in den Futtersektor flossen“, berichtete Krahn. Zudem fiel die Leguminosenernte unterdurchschnittlich aus. In der Folge fiel der Futtergetreidepreis auf 27 bis 29 €/ dt, während Leguminosen mit 50 €/dt weiter hochpreisig sind. Die um 10 €/dt höheren Preise für Speisegetreide dokumentieren die Knappheit bei Speiseware.

Die Soja- und Maisernte fielen insgesamt gut aus. Im Januar kosteten Sojabohnen 78 €/dt und Mais lag bei 30 €/dt. „Die künftige Preisentwicklung ist nicht vorhersehbar, weil die Herbstbestellung vor allem in Norddeutschland teilweise nicht möglich war“, konnte Krahn diesbezüglich keine Voraussage machen.

Markt für Bioschweine entspannt

Einen Überblick über den Bioschweinemarkt gab Dr. Uwe Balliet, Geschäftsführer der Bio-Handel Nordwest GmbH. „Der Absatz ist in den vergangenen 14 Jahren mit gelegentlichen Schwankungen kontinuierlich gestiegen“, freute er sich. „Zum Wachstum in den vergangenen Jahren haben vor allem die Discounter beigetragen, die immer wieder neue Produkte aufschalten“, betonte Balliet. Da der Absatz der Erzeugergemeinschaft gut laufe und der Markt eine leichte Unterdeckung aufweise, könne man umstellungsinteressierten Betrieben mittlerweile wieder eine klare Perspektive geben.

„Ohne mehrjährige Verträge kann man jedoch keine Bioschweinehalter finden“, warnte Balliet, was der Handel aber mittlerweile verstanden habe. Er biete den Betrieben deswegen nun mindestens fünfjährige und teilweise auch zehnjährige Verträge an. „Der Bioschweinemarkt ist und bleibt aber ein kleiner Markt“, warnte Balliet vor einer zu großen Euphorie.

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