Stephanie Wetekam wurde von den Deputierten der Hauptversammlung zur neuen Geschäftsführerin der Landwirtschaftskammer ab 2026 für die kommenden fünf Jahre bestellt. Erstmals hat dieses Hauptamt mit Verantwortung für über 380 Mitarbeitende für die Landwirtschaftskammer mit Hauptsitz in Rendsburg und vier weiteren großen Zentren (Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp, Gartenbauzentrum Schleswig-Holstein in Ellerhoop, Forstzentrum Bad Segeberg, Lehr- und Versuchszentrum für Milchwirtschaft in Bad Malente) sowie
mehr als ein Dutzend Beratungs- und Versuchsstandorte eine Frau inne. Daniela Rixen sprach für das Bauernblatt mit der künftigen Kammergeschäftsführerin.
Liebe Frau Wetekam, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Bestellung! Sie schreiben damit Kammergeschichte als erste Frau in der über 125-jährigen Geschichte der Kammer. Welche Akzente wollen Sie als neue Geschäftsführerin setzen?
Stephanie Wetekam: Zunächst einmal werde ich Augen und Ohren offen halten. Eine Landwirtschaftskammer hat keinen Selbstzweck, sondern ist Dienstleisterin für ihre Umlage zahlenden Betriebe. Deshalb ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, genau zu schauen, in welchen fachlichen Bereichen die landwirtschaftlichen, gartenbaulichen, forstwirtschaftlichen und fischereiwirtschaftlichen Betriebe Bedarfe haben. Ein wichtiger Bestandteil meiner Aufgaben wird daher der Austausch mit den Betrieben sein – sei es über den Vorstand, die Fachausschüsse oder ganz direkt im persönlichen Gespräch.
Ein zweiter, ebenso bedeutender Punkt ist der Austausch mit den Beschäftigten. Ich komme aus einem anderen Bundesland und muss die Strukturen in Schleswig-Holstein erst kennenlernen. Es ist mir wichtig, offen zu kommunizieren und von den erfahrenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kammer zu lernen, um dann fundierte Entscheidungen treffen zu können. Gerade in der Anfangszeit wird dies – neben dem Tagesgeschäft, das stets anfällt – einen wesentlichen Teil meiner Tätigkeit ausmachen. Ich freue mich auf einen guten Austausch, das gegenseitige Kennenlernen sowie die gemeinsame Weiterentwicklung, bei der ich sicher auch meine Erfahrungen aus anderen Bereichen einbringen kann.
Darüber hinaus ist der Dialog mit Politik und Gesellschaft ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit – er war es schon immer und wird es auch bleiben. Die Aufgaben der Kammer werden unter anderem durch hoheitliche Aufgaben bestimmt. Hier gilt es, diesen öffentlichen Auftrag zu erfüllen.
Insgesamt wünsche ich mir einen intensiven Austausch mit allen Beteiligten. Im besten Fall greifen alle Tätigkeitsbereiche der Kammer ineinander: Die Beratung bringt Praxisfragen ein, das Versuchswesen bearbeitet diese, und in der Aus- und Weiterbildung werden Erfahrungen und Wissen weitergegeben – sowohl innerhalb des internen Netzwerks der Kammer als auch gemeinsam mit externen Partnern aus Berufsstand, Wissenschaft, Gesellschaft und Politik. Es ist eine große Aufgabe, der ich mit Respekt, aber vor allem mit großer Freude entgegenblicke.
Warum die Kammer Schleswig-Holstein?
Der Tätigkeitsbereich in der Landwirtschaftskammer vereint aus meiner Sicht ideal alle beruflichen Erfahrungen und Kenntnisse, die ich in den letzten 20 Jahren sammeln konnte. Nach meinem Studium war ich acht Jahre in der hessischen Agrarverwaltung im Bereich Beratung tätig und durfte das hessische Beratungsteam für Nutztierhaltung und -fütterung sechs Jahre lang leiten. Anschließend zog es mich zum Bauernverband, wo ich zehn Jahre lang politische und gesellschaftliche Berufsstandsarbeit auf allen Ebenen kennenlernen durfte – ebenfalls verbunden mit Führungsverantwortung.
Anschließend übernahm ich die Leitung der Abteilung Bildung beim Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Dazu gehörten unter anderem die Fachschulen sowie die überbetriebliche Ausbildung. Im letzten Jahr übernahm ich kommissarisch die Leitung des gesamten Landesbetriebs.
Darüber hinaus war ich durch unseren familieneigenen Betrieb mit Ackerbau, Biogas, Nahwärmenetz und Pensionspferdehaltung in Nordhessen stets auch in der Praxis verwurzelt.
Als Geschäftsführerin der Landwirtschaftskammer ab dem 1. Januar für die nächsten fünf Jahre benötige ich all diese Erfahrungen – und kann sie hier sinnvoll zusammenführen.
Ich war ein Jahr lang auf einer Milchviehfarm in Neuseeland, direkt an der Küste. Das Leben in Meeresnähe finde ich sehr reizvoll – es wird nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie neue Lebenserfahrungen mit sich bringen. Ich habe bereits einige Menschen aus Schleswig-Holstein kennengelernt, die mir durchweg sehr aufgeschlossen und freundlich begegnet sind. Zudem haben hier die Sektoren Landwirtschaft, Gartenbau, Forstwirtschaft und Fischerei einen sehr hohen Stellenwert. Insgesamt freue ich mich sehr auf die Menschen, die Tätigkeit und das Land Schleswig-Holstein – mit all den neuen Begegnungen und Erfahrungen.
Was ist Ihnen wichtig innerhalb der ersten 100 Tage?
Die ersten 100 Tage dienen aus meiner Sicht der Orientierung. Ich werde möglichst viele Menschen innerhalb und außerhalb der Landwirtschaftskammer, möglichst viele Standorte und Themenfelder kennenlernen. Ich möchte mir ein umfassendes Bild verschaffen.
Bei uns sagt man: „Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance.“ Das nehme ich mit in alle Termine. Ich wünsche mir, dass erste Begegnungen zu vertieftem Austausch und weiteren Gesprächen führen. Für eine gute Zusammenarbeit ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, ein vertrauensvolles Miteinander zu schaffen. Diese gute Zusammenarbeit sollte dann der Weiterentwicklung der Themen und der gesamten Kammer dienen. Ich lade alle Interessierten herzlich ein, daran mitzuwirken.
Die Landwirtschaft steht vor großen Herausforderungen. Welches Signal möchten Sie an Landwirtinnen und Landwirte hinsichtlich der Kernaufgaben der Landwirtschaftskammer senden?
Die Landwirtschaft sowie die gesamte Grüne Branche haben sich stets weiterentwickelt, sich neuen Rahmenbedingungen angepasst und den Wandel aktiv mitgestaltet. Aus meiner Sicht haben die Themen Wertschöpfung, Produktion und Ernährungssicherung in den letzten Jahren – politisch betrachtet – eine zu geringe Rolle gespielt.
Landwirtschaftliche Betriebe können und müssen sehr viel leisten – auch im Kontext von Naturschutz, Tierwohl und Klimaschutz. Das gelingt jedoch nur, wenn die wirtschaftliche Grundlage gesichert ist. Dann macht es auch Freude, Neues zu erproben oder sich auf veränderte Bewirtschaftungsformen einzulassen. Viele, oft auch unsachliche Diskussionen haben in land- und forstwirtschaftlichen, gartenbaulichen und fischereiwirtschaftlichen Unternehmen zu Verunsicherung und Widerstand geführt. Ich habe den Eindruck, dass viele bereits aufhorchen oder sich abwenden, wenn das Wort „Transformation“ fällt – weil es zum einen oft wenig greifbar ist und zum anderen kaum mit den alltäglichen Herausforderungen der Betriebe zu tun hat.
Die Landwirtschaftskammer sollte hier eine zentrale Rolle einnehmen. Sie kann, im besten Fall, die Lücke zwischen Theorie und Praxis schließen. Im Versuchswesen wird unter anderem überprüft, wie Düngung, Pflanzenschutz oder Fütterung angepasst werden können, idealerweise bei gleichzeitiger Effizienzsteigerung – ohne dass einzelne Betriebe das wirtschaftliche Risiko allein tragen müssen. In der Beratung müssen sich neueste wissenschaftliche Erkenntnisse widerspiegeln oder der Erfahrungsaustausch zwischen Praktikern ermöglicht werden. Und das duale Ausbildungssystem – für mich das beste der Welt – schafft kompetente Betriebsleiterinnen und Betriebsleiter, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen sind, sowie auch gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Hinzu kommen die Herausforderungen der Digitalisierung, die zunächst häufig mit Mehraufwand und zusätzlichen Kosten verbunden ist.
Auch hier spielt die Kammer mit ihren verschiedenen Standorten und ihrer umfangreichen Erfahrung in Bereichen wie Pflanzenbau, Pflanzenschutz, Tierhaltung und vielen weiteren Themen eine wichtige Rolle und ist Ansprechpartner.
Ich möchte den Landwirtinnen und Landwirten signalisieren: Es ist Ihre Kammer. Sie können und sollen sie mitgestalten, fordern und fördern. Ich persönlich möchte allen die Hand reichen und das Gespräch anbieten, um die Kammer gemeinsam bestmöglich weiterzuentwickeln.
Beruflicher Werdegang
• Stephanie Wetekam hatte zuletzt die kommissarische Leitung des Landesbetriebs Landwirtschaft Hessen, Kassel.
• Davor war sie Leiterin der Abteilung Bildung des Landesbetriebs von Dezember 2023 bis Juli 2024 sowie von Januar 2010 bis Dezember 2023 Geschäftsführerin der Wetekam Energie GmbH und Co. KG, Diemelsee. Zudem war sie von April bis Dezember 2023 Agrarreferentin im Kreisbauernverband Kassel und davor von Januar 2020 bis Juni 2022 Referentin für Öffentlichkeitsarbeit und Verbandskommunikation beim Hessischen Bauernverband, Friedrichsdorf.
• Geschäftsführerin Kreisbauernverband Waldeck e. V., Korbach: Oktober 2013-Juli 2022
• Geschäftsführerin Hessischer Waldbesitzerverband, Kreisgruppe Waldeck-Frankenberg, Korbach: Oktober 2013-Juli 2022
• Geschäftsführerin Verband der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer Waldeck e. V. (VJE), Korbach: Oktober 2013-Juli 2022
• Leiterin des Fachgebiets Beratung Nutztierhaltung und -fütterung, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Kassel: 2008-2013
• Beraterin Nutztierhaltung und -fütterung, Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen, Gelnhausen, Friedberg, Kassel und Eschwege: 2005-2013
Ausbildung:
• Studium der Berufs- und Arbeitspädagogik, Justus-Liebig-Universität, Gießen, Abschluss 1. Staatsexamen: 2006-2007
• Studium der Agrarwissenschaften, Georg-August-Universität, Göttingen, Abschluss M.Sc. agr., Schwerpunkt Nutztierwissenschaften: 2001-2005
• Ausbildung zur Fachangestellten in steuer- und wirtschaftsberatenden Berufen, Steuerberatungsbüro Geist, Birstein: 1997-1999