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Gute fachliche Praxis in der Forstwirtschaft

Grundlagen des Waldbaus, Teil 1
Von Dr. Gerrit Bub, Landwirtschaftskammer SH
Wertvoller Eichenstamm aus Gut Rohlstorf Foto: Dr. Gerrit Bub

Der Klimawandel ist in den Wäldern Schleswig-Holsteins allgegenwärtig. Die Wirtschaftswälder verändern sich. Kommunale und private Waldbesitzende sind aktuell gehalten, ihre Wälder fit zu machen, sodass der Wald von morgen den Widrigkeiten der drohenden Extremwetterlagen zu trotzen vermag. Diese Serie soll an die Grundlagen des Waldbaues im Wirtschaftswald aufgrund der „guten fachlichen Praxis“ erinnern.

Es gilt gerade heute, das Waldvermögen sorgfältig zu bewahren und zu entwickeln, um den Enkeln einen stabilen zukunftsfähigen Wald zu übergeben. Der Forstwirt steht dabei vor einer weitreichenden Aufgabe, bei der die Grundsätze der guten fachlichen Praxis in der Forstwirtschaft einen Leitfaden bieten, zukünftige Ziele durch waldbauliche Maßnahmen erreichen zu können.

Die Abteilung Forstwirtschaft der Landwirtschaftskammer berät die Waldbesitzenden dahingehend gern und beantwortet fachkompetent und unbürokratisch alle Fragen rund um den zukunftsfähigen Waldbau.

Nachhaltig im Wald wirtschaften

Der Wald ist ein Multitalent und ein Wirtschaftsraum. Er bietet einerseits der Gesellschaft viele Leistungen, andererseits hat er einen Eigentümer, der das Waldeigentum wirtschaftlich nutzen möchte. Der fachgerechte Waldbau im Kommunal- und Privatwald schlägt daher eine Brücke zwischen den vielfältigen Ökosystemleistungen des Waldes und den unterschiedlichen Zielen des Waldeigentümers.

Das Bundeswaldgesetz umreißt in § 1 den gesetzlichen Auftrag des Waldbaus: „Der Wald soll wegen seiner Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktion erhalten, naturnah entwickelt, gemehrt und seine nachhaltige Bewirtschaftung gesichert werden.“ Dies gelingt den Waldeigentümern jedoch nur, wenn die Gesellschaft den kommunalen und privaten Forstbetrieben auch eine nachhaltige wirtschaftliche Erfolgsaussicht aufzeigen kann.

Der Waldbau nimmt daher eine zentrale Rolle ein. Waldbau ist das aktive Gestalten und Lenken von Wirtschaftswäldern durch planende, begründende, pflegende und nutzende Eingriffe in den Wald. Waldökologische Kenntnisse helfen, die Kräfte der Natur für das jeweilige Wirtschaftsziel umfassend und zielgerichtet zu nutzen, Erträge zu optimieren und Kosten für den Waldeigentümer zu vermindern.

Naturnahe Forstwirtschaft im Wirtschaftswald

Der Wald der Zukunft ist vielfältig. Waldökosysteme bieten Lebensräume für eine artenreiche heimische Tier- und Pflanzenwelt. Waldökosysteme in Schleswig-Holstein nutzen viele Bürger, um sich zu erholen. Wälder sind auch ein Wirtschaftsgut. Sie liefern Holz und wertvolle Naturgüter.

Der Gesetzgeber fordert einen hohen Bewirtschaftungsstandard (§ 5 LWaldG), der sich an der naturnahen Forstwirtschaft orientiert. Naturnahe, standortgerechte, gemischte Wälder weisen viele Baumarten und Altersstufen auf. Sie sind horizontal und vertikal reich strukturiert. Ertragreiche Wirtschaftswälder mehren die Biodiversität und vermindern die CO2-Emissionen.

Das Bundesnaturschutzgesetz ergänzt das Waldgesetz und verweist auf einen hinreichend hohen Anteil standortheimischer Forstpflanzen (BNatG § 5). Eine Baumart ist nämlich dann „standortheimisch“, wenn sie der potenziell natürlichen Waldgesellschaft (PNV) angehört. Naturnahe Forstwirtschaft strebt eine standortgerechte Baumartenwahl an. Sie verfolgt langfristige forstliche Ziele, nutzt natürlich angeflogene Jungbäume und bewahrt die genetische Vielfalt im Wald. Sie sichert die nachhaltige Holzproduktion.

Naturnahe Forstwirtschaft nutzt die Kräfte der „biologischen Automation“ im Wald. Über Licht und Schatten steuert der Waldbauer die Wuchsverhältnisse der Waldbäume durch pflegende Eingriffe. Der Waldbauer nutzt das Holz einzelstammweise nach seiner Zielstärke und prüft, wie sich der Wert des Stammes zukünftig entwickelt. Er steuert das Waldwachstum des verbleibenden Bestandes. Der Waldbauer schützt den Wald, indem er Holz nutzt.

Standortpotenzial im Wirtschaftswald erhalten

Der Waldboden ist ein wertvoller Biodiversitäts- und Wirtschaftsfaktor. Er setzt sich zusammen aus den geologischen Ausgangsgestein, den Waldböden mit dem vorhandenen Edaphon, der Topografie des Waldortes sowie den klimatischen Einflüssen, die sich im Wandel des Klimas verschieben dürften.

Waldstandorte sind sensibel. Sie bedürfen der sorgfältigen und nachhaltigen Pflege. Es gilt bei allen forstlichen Maßnahmen, die Ertragskraft und den Wasserhaushalt des Bodens zu erhalten und weiter auszubauen. Dazu gehört ein umfassendes Wissen über das Wassermanagement der einzelnen Bodentypen und der gesamten biotischen und abiotischen Umweltfaktoren des jeweiligen Waldortes.

Entscheidet sich der Forstwirt bestimmte Baumarten zu mischen, so sollte er dringend die Bodenlebenswelt und die nachhaltige Ertragskraft des Standortes umfassend im Auge behalten. Er vermeidet Kahlschläge und nutzt Sukzessionsphasen. Vorwälder aus Weichlaubhölzern mit hohen Laubholzanteilen, durchsetzt mit Nadelhölzern, sorgen bei stufigem Durchwurzeln des Waldbodens für einen ausgeglichenen Nährstoffumsatz.

Nährstoffe aus der Laubstreu verlagern sich durch eine umsichtige Waldwirtschaft in den mittleren und unteren Mineralboden. Der Wald ernährt sich folglich ausgewogener. Das Waldökosystem gewinnt an Stabilität und der Einzelbaum an Vitalität. Nicht umsonst ist der Waldboden 2024 zum Boden des Jahres gekürt worden.

Gemischte Wirtschaftswälder

Den Wald zu verjüngen bedeutet, den jugendlichen Waldbestand dauerhaft und zielgerichtet zu entwickeln. Waldbestände zu begründen, leitet sich aus dem Zielsystem des Forstbetriebes, der ökologischen Verantwortlichkeit und den sozioökonomischen Notwendigkeiten ab.

Der Waldbauer arbeitet mit den Kräften der Natur und nutzt die waldbaulichen Möglichkeiten auf der Fläche. Frisch auflaufende Setzlinge verschiedener Weichlaubhölzern nutzt er als wertvolle Vorwälder für die sensiblen Wirtschaftsbaumarten. Verschiedene Weiden- oder Birkenarten dienen nicht nur vielen Insektenarten als Lebensraum, sondern spenden forstempfindlichen Schatthölzern wie der Buche oder der Weißtanne Schatten und Schutz vor extremen Temperaturen.

Der Waldbauer übernimmt also möglichst die vorhandene Naturverjüngung des Waldortes, solange sie die Standorttriften des Klimawandels toleriert. Auf der Fläche aktiv zu sähen oder zu pflanzen ermöglicht es, die vorhandenen Wirtschaftswälder flexibel umzubauen und an den Klimawandel anzupassen.

Soweit es möglich ist, sollen die zukünftigen Baumarten aus einem hinreichenden Anteil standortheimischer Baumarten bestehen. Der Forstwirt verwendet dazu geeignetes Saat- und Pflanzgut. Er vermeidet genetisch verändertes Pflanzenmaterial. Er strebt klimastabile Wirtschaftsbaumarten an und integriert diese im Klimawandel in die natürliche Waldgesellschaft. Perspektivisch und mit Augenmaß mischt der Forstwirt neue bislang nicht heimische Baumarten in angemessener Anzahl den heimischen Baumarten bei.

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