Green Care – soziale Landwirtschaft verbindet landwirtschaftliche Produktion und sozialpädagogische Arbeit mit positiven Effekten für den landwirtschaftlichen Betrieb, den ländlichen Raum und den Nutzer. Diese innovative Einkommenskombination wird seit eineinhalb Jahren von der operationellen Gruppe (OG) „Green Care – Weiterentwicklung von landwirtschaftlichen Betrieben durch Integration sozialer Angebote“ bearbeitet und getestet. Die Projektgruppe kann bereits erste Ergebnisse auf den beteiligten Höfen vorstellen.
Zu Beginn des Projektes wurde durch die wissenschaftliche Projektbegleitung eine Umfrage durchgeführt, an der sich fast 100 Betriebe aus Schleswig-Holstein (SH) beteiligt haben. Die Ergebnisse der Umfrage belegen neben anderen interessanten Ergebnissen (siehe Ausgabe 25/2024) ein hohes Interesse an dem Thema Green Care vonseiten der Landwirtschaft. Das spiegelt Potenziale, Herausforderungen und den Beratungsbedarf der Höfe wider. Diese gilt es nun in der OG zu bearbeiten, Lösungsansätze zu finden und sie in der Praxis zu testen. Die Gruppe trifft sich viermal im Jahr als Gesamtgruppe und zusätzlich in zu den verschiedenen Angebotsmöglichleiten gebildeten Expertengruppen.
Foto: Torben Zimmermann
Vielfältige Möglichkeiten und vielfältige Höfe
Die Möglichkeiten, die Landwirte im Bereich Green Care anbieten können, sind so vielfältig wie die sich am EIP-Projekt beteiligenden Höfe. Es nehmen sowohl kleine als auch große Höfe teil, ökologisch als auch konventionell wirtschaftende Höfe. Es gibt niedrigschwellige Angebotsmöglichkeiten bis hin zu aufwendigen, mit hohen Investitionen verbundenen Angeboten.
Möchte ein Betrieb pflegebedürftige Menschen stundenweise auf dem Hof betreuen und die Kosten über die Pflegekassen abrechnen, so benötigt er eine Anerkennung nach der Alltagsförderungsverordnung vom Amt für Soziale Dienste. Zwei Projekthöfe sind diesen Weg bis zur Anerkennung ihres Angebots bereits gegangen und haben die nötigen Schritte für Nachahmer dokumentiert. Sie setzen dieses Angebot erfolgreich um.
Dies sind der Biolandbetrieb Mahrt-Thomsen aus Damendorf und der Hof Frowähr aus Wisch. Landwirtin Anke Zimmermann schwärmt: „Wir können uns vor Anfragen gar nicht retten und mussten bereits unser Personal aufstocken. Unsere Gäste sind zwischen sechs und achtzig Jahren alt und verbringen schöne Stunden auf dem Hof.“ Zwei weitere Projekthöfe befinden sich im Anerkennungsverfahren. Um diese Anerkennung zu erreichen, muss der Betrieb verschiedene Ressourcen nachweisen, unter anderem ein Konzept, eine Qualifizierung mit 120 Unterrichtseinheiten (UE) und eine beratende Fachkraft. Der Maschinenring Mittelholstein als Mitglied der OG hat eine eigens dafür anerkannte Servicestelle gegründet. So können Höfe, die keine eigene Fachkraft in der Mitarbeiterschaft haben, diese Expertise für 100 € im Jahr buchen.
Green-Care-Lehrgang hilft auf die Sprünge
Die 120 UE können durch Teilnahme am Green-Care-Lehrgang der Landwirtschaftskammer SH absolviert werden. Ein weiteres Ziel des Projektes ist die Optimierung dieses Lehrgangs. Die Teilnahme ist während der Projektlaufzeit gebührenfrei. Die Teilnehmenden verpflichten sich, aktiv an der Optimierung des Lehrgangs mitzuwirken. Gleichzeitig fließen die neuen Erkenntnisse der Expertengruppen in den Lehrgang ein. Auch hier wurde bereits vieles in die Praxis umgesetzt. Zum Beispiel fährt der aktuell laufende Lehrgang als Erster nicht mehr für die Praxiseinheit auf einen Hof nach Baden-Württemberg. Stattdessen wird die Praxis auf fünf Höfen in Schleswig-Holstein erlebt und erlernt. Drei dieser Höfe sind Teil des EIP-Projektes und waren selbst Teilnehmende vorheriger Lehrgänge. Das ist eine tolle Entwicklung für Schleswig-Holstein und ein Erfolg des Projektes.
Hof Mahrt-Thomsen hat zusätzlich einen jungen Mann in die theoriereduzierte Werkerausbildung genommen. Landwirt Jürgen Mahrt-Thomsen ist begeistert: „Unser Auszubildender ist vom Hof nicht mehr wegzudenken. Er ist eine große Hilfe im Betriebsablauf und erwirbt für sich wichtige Fähigkeiten, Fertigkeiten und einen Ausbildungsabschluss.“
Hof Frowähr hat als erster konventionell wirtschaftender Betrieb in Schleswig-Holstein in Kooperation mit der niedersächsischen Sozialgenossenschaft alma eG (www.netzwerk-alma.de) die Möglichkeit des „anderen Leistungsanbieters“ (ALA) umgesetzt. Durch ALA, beschrieben im Bundesteilhabegesetz § 60, kann jeder Betrieb Menschen, die eigentlich in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen (WfbM) gehen würden, einen Beschäftigungsplatz bieten. Anke Zimmermann stellt fest: „Es war ein komplizierter Weg bis zur Anerkennung als anderer Leistungsanbieter. Aber es funktioniert hervorragend. Durch unseren ersten Beschäftigten bekommen wir starke helfende Hände und gleichzeitig eine Refinanzierung unserer Assistenzleistungen von der Flensburger Agentur für Arbeit.“ Auch der Beschäftigte ist glücklich mit dieser Lösung: „Etwas Besseres hätte mir nicht passieren können. Ich bin vorher in keiner Werkstatt zurechtgekommen, aber hier kann ich endlich richtig arbeiten.“
Landwirtschaftliche Urproduktion
Auch Gerätschaften zur Förderung der landwirtschaftlichen Urproduktion werden im Projekt getestet. So hat der Lübecker Vorwiesenhof ein mit zwei Rollstühlen unterfahrbares und dadurch für Rollstuhlfahrer nutzbares Hochbeet angeschafft und testet seit einigen Wochen die Sinnhaftigkeit. Der Dithmarscher Meveshof hat eine elektrische Schubkarre angeschafft und testet, inwieweit diese von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen genutzt werden kann. Hof Frowähr testet eine handbetriebene Sämaschine, die es Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglicht, die Aussaat im Gewächshaus zu übernehmen.
Die Projektgruppe hat noch viel vor
Eines der nächsten Ziele des Projekts ist die Erarbeitung von Qualitätskriterien für eine spätere Zertifizierung der Höfe. Unterstützung bekommt das Projektteam von Guido Cremerius, der an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf in Kooperation mit der Technischen Universität München zu exakt diesem Thema promoviert. Die Zusammenarbeit macht bereits deutlich, dass eine Zertifizierung nur Sinn macht, wenn sie einen hohen beratenden Ansatz und wenig bürokratische Hürden beinhaltet. Dann kann sie für die Höfe, für die Kostenträger und für die Nutzer von großer Wichtigkeit sein. Mit diesem Thema wird sich die OG auch im Rahmen der Anfang Juli stattfindenden Exkursion in die Niederlande beschäftigen. Sowohl in den Niederlanden als auch in Österreich werden Green-Care-Höfe bereits zertifiziert.
In der zweiten Projekthälfte werden auch die großen Angebotsmöglichkeiten, die hohe Investitionen erfordern, wie Wohnangebote und Tagespflegeeinrichtungen, weiterhin beleuchtet.
Zwei Höfe planen Wohnangebote für Menschen mit Beeinträchtigungen und für Senioren. Für einen Hof liegt eine Baugenehmigung bereits vor. Für den zweiten Hof gestaltet sich das Genehmigungsverfahren schwieriger, da er sich im Außenbereich befindet. Hier ist eine große Wohnung für sieben junge Menschen mit Pflege- und Assistenzbedarf geplant, extrem sinnvoll, aber baurechtlich schwierig.
Am 22. September lädt die OG zum Fachtag Green Care – soziale Landwirtschaft ein. Auch soziale Träger, die mit Landwirtsbetrieben kooperieren möchten, sind herzlich willkommen.
Alle Ergebnisse werden zu Projektende in einem Leitfaden veröffentlicht, sodass andere Landwirte, die ähnliche Angebote planen, die im EIP-Projekt gemachten Erfahrungen nutzen können und die Wege zur Etablierung dieses innovativen Betriebszweigs weniger holprig werden.