Die zentrale Herausforderung in der Qualitätsweizenerzeugung besteht darin, die vom Landhandel geforderten Rohproteingehalte im Erntegut zu erreichen. Der Rohproteingehalt wird durch bewirtschaftungsbedingte und natürliche Einflussfaktoren bestimmt – er unterliegt weit mehr Einflussgrößen als allein der Düngung. Der folgende Artikel beschreibt die Zusammenhänge.
Der Proteingehalt wird zu zirka 33 % durch die Sortenwahl und zu zirka 32 % durch die Düngung beeinflusst. Studien zeigen jedoch, dass 29 bis 50 % der jährlichen Schwankungen im Proteingehalt durch Witterungsfaktoren wie Temperatur, Niederschlag und Strahlung erklärt werden können (siehe Abbildung 2). Dabei weist die Temperatur den größten Einfluss auf.
Der Proteingehalt gibt den prozentualen Anteil des Proteins bezogen auf das Ernteprodukt an. Der Proteinertrag hingegen ergibt sich aus dem Produkt des Proteingehaltes und des Kornertrages und gibt die absolute Menge an Rohprotein an, die pro Hektar geerntet wird.
Temperatur
Die Temperatur hat innerhalb der Witterungsparameter einen erheblichen Einfluss auf die Bildung des Proteins im Weizen. Wachstumsfördernde Temperaturen im März und Mai (je nach Entwicklungsstadium 10 bis 25 °C) begünstigen die Ertragsentwicklung, senken jedoch aufgrund des Verdünnungseffektes tendenziell den Proteingehalt. Der wichtigste Zeitpunkt für die Proteinbildung ist die Kornfüllungsphase – hier werden 70 bis 80 % des Proteins gebildet. Hohe Temperaturen (bis 30 °C) in dieser Phase wirken tendenziell qualitätsfördernd. Sehr hohe Temperaturen (Lufttemperatur mindestens 30 °C) hingegen können in der hitzesensitiven Blüh- und Kornfüllungsphase potenziell ein vorzeitiges Ende der Kornfüllung bewirken. Dabei ist der Zeitpunkt, zu dem die Entwicklungsphase der Kornfüllung abgebrochen wird, entscheidend:
Wird die Kornfüllungsphase während der zuerst ablaufenden Eiweißeinlagerung unterbrochen, wirkt sich dies negativ auf den Proteingehalt des Weizens aus.
Sofern die Kornfüllung in der danach folgenden Stärkeeinlagerung beendet wird, steigt der Proteingehalt. Durch eine geringere Verdünnung verschiebt sich das Protein-Stärke-Verhältnis dann zugunsten des Proteingehaltes.
Niederschlag
Auch wenn die jährliche Niederschlagsmenge in Deutschland seit 1881 im Mittel um 64,7 mm gestiegen ist, erweist sich weniger die Jahresniederschlagsmenge als vielmehr deren saisonale Verteilung als entscheidend für den Proteingehalt des Getreides.
Übermäßige Niederschläge im Winter und zeitigen Frühjahr können zu einer erhöhten Stickstoffauswaschung und Sauerstoffmangel im Boden führen, wodurch die Ausbildung eines gesunden Wurzelsystems und eine effiziente Nährstoffaufnahme erschwert werden. Eine reduzierte Bestandesentwicklung mindert die spätere Proteinbildung.
Demgegenüber kann eine ausreichende Wasserverfügbarkeit zu Beginn der Kornfüllungsphase, insbesondere im Juni, proteingehaltssteigernd wirken. Sie ermöglicht durch Transpiration eine temperaturregulierende Wirkung im Bestand, wodurch einem vorzeitigen Ende der Kornfüllungsphase vorgebeugt werden kann.
Sonnenscheindauer
Insgesamt ist keine einheitliche Wirkrichtung der Sonnenscheindauer auf den Proteingehalt feststellbar, dennoch zeigen sich Tendenzen:
Im April, während der vegetativen Phase, verbessert eine erhöhte Strahlung tendenziell die Photosyntheseleistung sowie die Stickstoffaufnahme und -verwertung. Dies begünstigt die spätere Bildung des Proteins im Korn.
Im Juni hingegen, in der Phase der Kornfüllung, kann intensive Sonneneinstrahlung in Verbindung mit hohen Temperaturen und Wassermangel zu Trockenstress führen. Dies kann eine vorzeitige Abreife verursachen, wodurch sowohl die Tausendkornmasse als auch der Proteingehalt negativ beeinflusst werden.
Klimawandel
Wie beeinflussen die bereits zu beobachtenden klimatischen Veränderungen die Qualitätsweizenerzeugung?
Für das Frühjahr in Deutschland ist ein langfristiger Temperaturanstieg zu verzeichnen, der tendenziell ertragssteigernd, jedoch qualitätsmindernd wirkt. Im Juni – der entscheidenden Phase der Kornfüllung – ist die Durchschnittstemperatur um 1,5 Grad, bei einem langjährigen Mittelwert von 15,7 °C (1981 bis 2010), gestiegen, was grundsätzlich als qualitätsfördernd eingestuft werden kann. Gleichzeitig hat jedoch auch die Zahl heißer Tage (Tage mit Temperaturen von mindestens 30 °C) im Jahresverlauf um 8,8 Tage im Vergleich zum langjährigen Mittelwert von 6,6 Tagen zugenommen. Dies erhöht das Risiko eines vorzeitigen Abschlusses der Kornfüllungsphase während der kritischen Phase der Proteineinlagerung.
Der leichte Rückgang der mittleren Niederschläge im Frühjahr sowie ein leichter Anstieg der mittleren Niederschlagsmenge im Juni um 3,3 mm im Vergleich zum langjährigen Mittelwert von 77,7 mm deuten auf tendenziell qualitätsfördernde Bedingungen hin.
Kohlenstoffdioxid
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Einflussfaktor auf die Weizenqualität ist die steigende CO2-Konzentration in der Atmosphäre (aktuell 419 ppm, vorindustriell: 280 ppm). Ein höherer CO2-Gehalt stimuliert die Photosynthese, was die Produktion der Kohlenhydrate steigert. Durch den verstärkten Kohlenhydrataufbau werden insbesondere Kohlenhydrate wie Stärke in das Korn eingelagert und der Kornertrag erhöht. So sinkt der relative Anteil des Proteins im Korn, da die Stickstoffaufnahme aus dem Boden nicht proportional zunimmt.
Welche Reaktion ist nötig?
Im Gegensatz zu den Umweltfaktoren, die nicht beeinflussbar sind, zählen zu den beeinflussbaren Faktoren Düngung und Sortenwahl sowie die Stabilisierung des Produktionssystems insgesamt.
Resiliente Anbausysteme sind notwendig, um auch in Zukunft Herausforderungen wie veränderten Umweltbedingungen zu begegnen. Unerlässlich dafür ist die Steigerung der Bodenfruchtbarkeit, um die Folgen der Veränderungen abzupuffern. Sie lässt sich durch die Wahl einer weiten, diversen Fruchtfolge mit dem Anbau von Zwischenfrüchten, dem Verbleib und der Einarbeitung von Ernteresten und einem optimalen pH-Wert im Boden erzielen.
Die Düngung ist durch gesetzliche Vorgaben und Anforderungen an die Ressourcenschonung limitiert. Überzogene Sicherheitszuschläge verbieten sich – auch aus Sicht des Gewässerschutzes. Dagegen sollte die Effizienz der N-Düngung erhöht werden durch Maßnahmen wie eine angepasste Terminierung und Menge der Düngungsmaßnahmen, Verlustminimierung und eine optimale Schwefelversorgung. Wichtig hierfür ist zudem eine klare Ausrichtung der Produktion zwischen Ertrag und Qualität. Damit verbunden ist die Entscheidung zwischen einer ertrags- oder proteinbetonten Düngestrategie sowie der entsprechenden Sortenwahl. Der Rohproteingehalt wird zwar seit 2019 aufgrund des vergleichsweise hohen Umwelteinflusses in der Sortenklassifizierung nicht mehr als Qualitätsmerkmal herangezogen, dennoch ist und bleibt er neben dem Hektolitergewicht und der Fallzahl ein wesentlicher Vermarktungsfaktor.
Ein Anstoß für langfristige Anpassungen sind Alternativen in der Vermarktung, wie etwa die Initiative „Wasserschutzbrot“, die bereits im süddeutschen Raum etabliert ist. Hierbei werden gezielt Sorten angebaut, die auch mit niedrigerem Proteingehalt eine gute Backqualität erreichen. Trotz eingeschränkter Düngung kann so ein Backweizen-Preis erzielt werden.
Fazit
Umwelteinflüsse haben einen wesentlichen und unterschätzten Einfluss von 29 % bis 50 % auf den Proteingehalt des Weizens. Vor dem Hintergrund aktueller Umweltveränderungen ist mit tendenziell zunehmenden Herausforderungen für die Qualitätsweizenerzeugung zu rechnen. Diesen ist mit der Förderung resilienter Produktionssysteme durch eine hohe Bodenfruchtbarkeit zu begegnen. Die Effizienz der Stickstoffnutzung ist mithilfe einer konsequenten Definition der Produktionsausrichtung und der damit verbundenen Düngestrategie und Sortenwahl zu erhöhen.