StartNachrichtenAgrarpolitikEin Jahr Krieg: Wegsehen geht schon lange nicht mehr

Ein Jahr Krieg: Wegsehen geht schon lange nicht mehr

Editorial zum Ukraine-Krieg
Von Mechthilde Becker-Weigel
Rapsfeld und blauer Himmel symbolisieren die Farben der Ukraine. Foto: Agrar-Press

Am 24. Februar jährt sich der Überfall Russlands auf die Ukraine. Seit zwölf Monaten wissen wir, dass es auch in Europa keine gesicherte Friedensordnung gibt. Die ukrainische Armee und die Zivilgesellschaft haben bislang mit ihrem tapferen Widerstand die Zerschlagung der Ukraine verhindert. Der Westen ist in einen Wirtschaftskrieg eingetreten, Sanktionen sollen der russischen Wirtschaft auf längere Sicht schaden und Russland im besten Falle zum Einlenken bewegen, so der Plan der Politiker. Die Sanktionen haben einen Preis, und den bezahlt jeder im Westen mit. Denn die Lieferungen von Öl und Gas laufen selbstverständlich nicht mehr wie vor 2022. Von dieser Seite gesehen, hat sich der Krieg für Russland gelohnt. Die Preise sind so stark gestiegen, dass Geld verdient wird.

Die Folgen des Krieges sind vor allem auch in den Bereichen Ernährung und Landwirtschaft zu spüren. Russland und die Ukraine sind global relevante Produzenten und Exporteure von Getreide. Sie standen vor dem Krieg zusammen für nahezu ein Drittel der Weizenexporte, die zu einem großen Teil für Programme der Welternährungsorganisation gekauft wurden. Der Krieg führt zu Ernteausfällen, Handelsbeschränkungen, Logistikproblemen und so massiven Preissteigerungen, dass Allzeithochs für nahezu sämtliche Agrarrohstoffe erreicht wurden. Zu Kriegsbeginn wurden hierzulande kurzfristig die Preisnotierungen für Getreide, Raps und Düngemittel ausgesetzt, um das Risiko einzuschränken und die Entwicklung abzuwarten. Die weltweite Versorgungslage hat sich durch Russlands Angriffskrieg dramatisch verschlechtert, die Hungerkrisen verschärften sich. Im Laufe dieses Kriegsjahres wurde offensichtlich, wie Russland Getreide und Düngemittel als geopolitisches Machtinstrument einsetzt.

Deutschland sei wirtschaftlich stärker von der Krise betroffen, sagte der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, „weil es eine höhere Abhängigkeit von russischer Energie hatte, einen hohen Anteil an energieintensiver Industrie hat und extrem abhängig von Exporten und globalen Lieferketten ist“. So würden höhere Energiepreise in den kommenden zehn Jahren ein deutlicher Wettbewerbsnachteil bleiben, dass Politik und Unternehmen dies durch höhere Innovation und Produktivität kompensieren müssten. Gleichzeitig verbinden sich Erwartungen mit dieser Situation. Viele hoffen, dass die drohende Energiekrise die Gelegenheit bietet, die grüne Transformation und den Abschied von fossilen Energieträgern zu beschleunigen.

„Da der Krieg für die Ukrainer nicht in Tagen gemessen wird, sondern in durch den Krieg zerstörten Leben, ist es für die Ukrainer schwer zu hören, wie europäische Politiker den Krieg in Euro, Prozentsätzen, dem Bruttoinlandsprodukt, Barrel Öl und Kubikmetern Gas messen“, formulierte der ukrainische Historiker Petro Brukovskyi in einem Kommentar. Die Ukrainer verteidigen gerade die Freiheit Europas und kämpfen für ihre und unsere Demokratie.

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