Michael Müller-Ruchholtz übernahm zum 1. Mai die Position des Generalsekretärs des Bauernverbandes Schleswig-Holstein von Stephan Gersteuer, der in den Ruhestand geht. Über seine bisherigen Tätigkeiten im Verband und die zukünftigen Herausforderungen für die Landwirtschaft im Norden sprach der 56-jährige frisch ernannte Generalsekretär mit dem Bauernblatt.
Wann sind Sie zum Bauernverband gekommen?
Ich habe am 1. Mai 2000 beim Bauernverband angefangen. Zuvor habe ich mein Studium und mein Referendariat in Hamburg absolviert. Mit meiner Frau bin ich damals nach der Geburt unserer ersten Tochter schnell übereingekommen, dass wir gern zurück nach Schleswig-Holstein wollten, weil wir gebürtige Kieler sind. Ich bin im Kieler Umland aufgewachsen. Daher stammen auch meine Bezugspunkte zur Landwirtschaft. Obwohl ich nicht direkt vom Hof komme, haben wir natürlich als Kinder auf den umliegenden Höfen gespielt, die Milch geholt und so weiter. Auf die Stellenanzeige des Verbandes bin ich dann etwas zufällig gestoßen.
Was für eine Stelle war ausgeschrieben?
Es wurde ein Jurist in der Rechtsabteilung gesucht und es war natürlich ein großer Zufall, zur rechten Zeit am rechten Platz zu sein, danach ist zehn Jahre lang kein Jurist mehr eingestellt worden.
Warum haben Sie sich für den Bauernverband entschieden?
Für mich ist das Spannende und bis heute Attraktive, dass es zum einen Juristerei ist und zum anderen die Verquickung mit der Politik. Dieser unmittelbare Einfluss oder zumindest der Versuch, auf Gesetzgebung und dann die Anwendung der Gesetze Einfluss zu nehmen, macht diese Tätigkeit für mich unheimlich reizvoll. Und innerhalb der Rechtsberatung befassen wir uns mit einer großen Bandbreite an Themen. Wir sind Generalisten. Mein Lieblingsbeispiel ist die Gründung einer GbR, also einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dabei muss man viele unterschiedliche Rechtsbereiche mitdenken, zum Beispiel Gesellschaftsrecht, Sozialversicherungsrecht, Erbrecht, Steuerrecht, Prämienrecht und das Landpachtrecht. Wenn ich in nur einem dieser Rechtsbereiche etwas übersehe oder einen Fehler mache, kann das ganze Konstrukt zusammenbrechen. Dann die Übersicht zu behalten, ist eine schöne Herausforderung.
Welche Verantwortlichkeiten haben Sie übernommen, als Stephan Gersteuer 2010 zum Generalsekretär berufen wurde?
Ich bin stellvertretender Generalsekretär, Leiter der Rechtsabteilung und Leiter der Umweltabteilung geworden. 2016 wurde ich zusätzlich Co-Geschäftsführer der Bauernverband Dienste GmbH und der Bauernblatt GmbH. Die Leitung der Umweltabteilung habe ich im Jahr 2020 an Dr. Lennart Schmitt abgegeben, der mich jetzt neben Lisa Hansen-Flüh als weiterer Stellvertreter unterstützt.
Mit 25 Jahren Betriebszugehörigkeit, davon 15 Jahre als stellvertretender Generalsekretär, blicken Sie auf eine lange Zeit im Verband zurück. Was macht es für Sie nach wie vor spannend, für die Bauern aktiv zu sein?
Wir haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit langen Betriebszugehörigkeiten und das ist auch ein wesentliches Kapital bei uns. Denn in dem Geschäft, das wir betreiben, ist es sehr hilfreich, politische und auch rechtliche Entwicklungen über lange Zeiträume begleitet und beobachtet zu haben. Erfahrung ist in unserem Business ein echtes Pfund. Das Schöne an der Arbeit für die Landwirte ist deren Heterogenität. Es gibt eben nicht den einen Landwirt oder die eine Landwirtin. Die Betriebe im Land haben unterschiedliche Betriebsausrichtungen, Schwerpunkte und Herangehensweisen. Das ist die Herausforderung und die Freude der täglichen Arbeit.
Wo gibt es Gemeinsamkeiten?
Das, was alle Landwirtinnen und Landwirte eint, egal ob großer Betrieb, kleiner Betrieb, Haupterwerb oder Nebenerwerb, sind zentrale Fragen zum Eigentum im Sinne von Artikel 14 Grundgesetz. Das Besondere an der Landwirtschaft sind die Standortgebundenheit und die Unbeeinflussbarkeit der Natur. Landwirte können keine Fabrikhalle abreißen und dann ins Ausland gehen, sondern sie sind hier vor Ort gebunden. Bei allem, was wir tun, steht der Schutz des Eigentums im Mittelpunkt, um die Produktionsgrundlage unserer Betriebe zu schützen.
Wie ist die aktuelle Situation in Sachen Flächenkonkurrenz in Schleswig-Holstein?
Der Druck auf die Fläche nimmt immer weiter zu. Neben Infrastrukturvorhaben wie Höchst- und Hochspannungsleitungen, Straßen- und Schienenbau, Gewerbe- und Wohngebieten, Windkraftanlagen ist jetzt das Thema der Freiflächen-Photovoltaikanlagen und zunehmend auch der Batteriespeicher hinzugekommen. Dazu muss man sagen, dass unsere Betriebe in Schleswig-Holstein inzwischen überwiegend Pachtflächen nutzen, während die Eigentümer zunehmend landwirtschaftsfremd sind. Die Nähe zur Landwirtschaft hat aufseiten der Verpächter abgenommen, was dazu führt, dass häufig nur noch eine Optimierung der landwirtschaftlichen Fläche mit Fokus auf maximalen Ertrag passiert. Die Notwendigkeiten der Landwirtschaft mit ihrer Funktion der Ernährungssicherstellung geraten zunehmend in den Hintergrund.
Die gesamte Branche klagt über hohe Bürokratielasten. Wie macht sich das in der Verbandsarbeit bemerkbar?
Die Beratungsintensität steigt, sowohl was die Zahl der Anfragen als auch was den damit zu betreibenden Aufwand betrifft. Das liegt fast immer an den steigenden gesetzlichen Vorgaben, die auch den Spielraum unserer Betriebsleiterrinnen und Betriebsleiter in der Unternehmensführung einengen. In den vergangenen Jahren sind dadurch mehr Beratungsfelder entstanden. Wir helfen immer intensiver bei den Sammelanträgen und seit drei Jahren haben wir zusätzlich das Thema Düngedokumentation auf der Agenda, um nur zwei Bereiche zu nennen, die eine unheimliche Arbeitsbelastung auf den Betrieben darstellen.
Was macht Ihnen Hoffnung, dass hier Erleichterungen eintreten?
Bürokratieabbau ist das zentrale Thema, für das wir weiterkämpfen. Erste kleine Erfolge haben wir schon erzielt, aber wir sollten uns nichts vormachen. Es wird nicht gelingen, massiv Vorschriften abzubauen. Meine Hoffnung liegt im Bereich Digitalisierung, vielleicht auch Künstliche Intelligenz. Auf dem Schlepper sind wir hier schon weiter als im Büro. Wir wollen unbedingt die einheitliche Datensäule haben, um mehrfache Meldungen zu verhindern beziehungsweise einzusparen. Vor allem eine Digitalisierung aufseiten der Verwaltung kann also Erleichterungen bringen. Dort ist im Moment der größte Hemmschuh.
Welche Strukturen im Verband wollen Sie stärken und was muss sich entwickeln?
Ich will dafür arbeiten, dass die hervorragende Zusammenarbeit zwischen Ehren- und Hauptamt im Bauernverband weiterbesteht, und die erfolgreiche Arbeit von Stephan Gersteuer fortsetzen. Natürlich gibt das Ehrenamt die Linie vor und das Hauptamt führt aus. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern. Oft ist es aber auch ein Hand-in-Hand.
Welche Bedeutung hat der hohe Organisationsgrad im Verband?
Das spielt eine erhebliche Rolle, und zwar in zweierlei Hinsicht. Zum einen können wir in der Diskussion mit der Politik sagen, dass wir den ganz überwiegenden Teil der Landwirtinnen und Landwirte und deren Meinung vertreten. Zum Zweiten ist das ebenfalls hilfreich gegenüber der Verwaltung. Wir hatten eben schon das Stichwort Bürokratie und Verwaltungsverfahren und können anbieten, als Multiplikatoren zu agieren und im Rahmen unserer Beratung vielleicht auch der Verwaltung manchmal das Leben etwas einfacher zu machen.
Erwarten Sie neue Arbeitsfelder und wie wollen Sie den Verband für die Zukunft aufstellen?
Zum jetzigen Zeitpunkt sind wir sehr gut aufgestellt, aber wir werden immer auf veränderte Herausforderungen und Rahmenbedingungen reagieren müssen. Zum Beispiel dadurch, dass viele Betriebe wachsen, kommen mehr Landwirte in die Arbeitgeberrolle. Hier haben wir mit der Einstellung einer Kollegin reagiert, die sich diesem Beratungsschwerpunkt widmet. Gerade auf großen Betrieben sind die Betriebsleiter überwiegend im Büro tätig und weniger in der Außenwirtschaft. Diese fragen oft mehr Beratungsleistungen ab. Aber es gibt auch Leiter kleiner Betriebe, die nicht so viel im Büro sein wollen und Beratungsleistungen einkaufen. Das Allerwichtigste ist, dass die Qualität unserer Beratungsleistung stimmt und sich unsere Mitglieder auf uns verlassen können.
Warum ist Ihnen um die Landwirtschaft in Schleswig-Holstein nicht bange?
Da ist mir überhaupt nicht bange, weil wir Lebensmittel brauchen. Ernährungssicherung ist in den vergangenen Jahren – Gott sei Dank – endlich bei Politik und Gesellschaft wieder in den Fokus gerückt. Seit vielen Jahren fordern wir, dass dies auch ausdrücklich im Grundgesetz abgebildet wird. Die positive Aufmerksamkeit für die Landwirtschaft ist gestiegen und Schleswig-Holstein bleibt weiterhin ein Gunststandort, auch und besonders in Zeiten des Klimawandels.
Dr. Lennart Schmitt und Lisa Hansen-Flüh unterstützen Michael Müller-Ruchholtz
Mit der Ernennung von Michael Müller-Ruchholtz zum Generalsekretär des Bauernverbandes Schleswig-Holstein (BVSH) übernimmt Dr. Lennart Schmitt die vakante Position als Justiziar im Verband. Schmitt leitet ab sofort neben der BVSH-Umweltabteilung, die er 2020 übernommen hat, auch die BVSH-Rechtsabteilung und unterstützt Müller-Ruchholtz als stellvertretender Generalsekretär. Der 39-jährige promovierte Jurist ist seit 2016 beim Bauernverband als Syndikusrechtsanwalt in der Rechtsabteilung tätig. Seit März 2025 gibt Schmitt sein Fachwissen zudem als Dozent für Agrarrecht II an der Fachhochschule Kiel, Fachbereich Agrarwirtschaft weiter. Schmitt stammt aus Bad Segeberg, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Weiterhin als stellvertretende Generalsekretärin bleibt Lisa Hansen-Flüh für den Bauernverband tätig. Sie gehört seit September 2023 der Hauptgeschäftsführung an. Die 37-jährige Agrarwissenschaftlerin ist seit 2017 beim Bauernverband als Leiterin der Abteilung für Pflanzliche Erzeugung tätig und übernimmt ab sofort auch die Abteilung für Gemeinsame EU-Agrarpolitik und Agrarstruktur. Vor ihrer Verbandstätigkeit hat sie drei Jahre Berufserfahrung als Züchtungsassistentin bei der Norddeutschen Pflanzenzucht gesammelt. Hansen-Flüh stammt aus Brodersby-Goltoft und lebt in Kiel.
Lisa Hansen-Flüh und Dr. Lennart Schmitt bilden zudem gemeinsam mit Michael Müller-Ruchholtz die Geschäftsführung der Bauernblatt GmbH.