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Braugerste – im Norden eine Nische?

Marktkommentar
Von Claus Hoeck, LK-Markt
Foto: Imago

Die Flensburger Brauerei wirbt damit, dass ihr Bier mit „Küstengerste gebraut wird, die im typisch norddeutschen Meeresklima in Schleswig-Holstein gedeiht“. In vermälzter Form spiele sie eine wichtige Rolle im Brauprozess und sei mitverantwortlich für „den einzigartigen Geschmack. Gleichzeitig werden durch den Anbau in Schleswig-Holstein die regionalen Landwirte unterstützt“. Allerdings schreiben die Flensburger auch, dass der Bedarf an Braugerste (nur) zu mindestens 20 % aus schleswig-holsteinischer Produktion gedeckt werde. Für hiesige Landwirte könnte dies eine ausbaufähige Produktionsalternative sein, erfreute sich Braugerste doch 2022 und 2023 sehr guter Preise.

Katastrophenjahr 2023

2022 fiel wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine diese als Futtergerstenlieferant aus, die Preise erreichten Rekordwerte. 2023 waren die Wachtstumsbedingungen für die Sommergerste in vielen Regionen Europas katastrophal. Zuerst ein nasses Frühjahr, anschließend Trockenheit und schließlich wieder Regen während der Ernte ruinierten die Qualitäten. Besonders schlecht fiel die Ernte in Deutschland und Skandinavien aus.

Schlechte Aussaatbedingungen im Herbst 2023 bis in den Winter 2023/2024 erhöhten das Potenzial für die Frühjahrsaussaat 2024 deutlich. Tatsächlich wurde mit rund 350.000 ha eine um rund 8,5 % größere Sommergerstenfläche in Deutschland gesät, 45.000 ha davon wurden schon 2023 im Herbst ausgebracht. Die zunächst befürchtete Saatgutknappheit konnte dank der für die Saatgutanerkennung herabgesetzten Keimenergie bei Sommergerste abgewendet werden. Der Anteil der Braugerste auf der Sommergerstenfläche ist noch offen, lag in den vergangenen Jahren bei 66 % bis 80 %. Aufgrund der schleppenden Aussaat von Anfang März bis Mitte April sind die Wachstumsstände sehr unterschiedlich. Frühe Bestände bestocken bereits, während späte Saaten gerade erst auflaufen. Die Wasserversorgung der Böden ist gut bis sehr gut.

In Schleswig-Holstein werden seit Jahren etwa 8.000 ha Braugerste angebaut, das sind zirka 2 % der deutschen Gesamtfläche, im benachbarten Niedersachsen sind es etwa 10 %. Die dortige Braugerstenproduktion ist fest auf den leichteren Böden um Celle, Gifhorn, Uelzen und Lüneburg etabliert.

Spezielle Qualitätsparameter

In den Anbauempfehlungen spielt natürlich der Ertrag die größte Rolle, dazu werden viele Qualitätsparameter einbezogen. Für die Landwirtschaft sind vor allem Proteingehalt, Hektolitergewicht und die Siebsortierung von Interesse, da diese den Preis direkt beeinflussen. Entscheidendes Kriterium bei der Braugerstenvermarktung sind die Eiweißgehalte, deren Werte eng eingegrenzt sind. Sie sollten in einem Bereich zwischen 9,5 % und 11,5 % liegen. Erhöhte Eiweißgehalte wirken sich qualitätsmindernd auf Malzlösung und Extraktgehalt aus. Gehalte unter 9 % können Vergärungsprobleme und eine schlechtere Schaumqualität bewirken.

Im Malz- und Brauprozess spielen weitere Eigenschaften eine Rolle. Diese werden von der Berliner Braugersten-Gemeinschaft e. V. geprüft. Sie vergibt für Sorten, die das Berliner Programm erfolgreich durchlaufen haben, die „Verarbeitungsempfehlung des Berliner Programms“.

Ausblick

Die Marktaussichten für Braugerste werden nach dem äußerst schwierigen und vielfach enttäuschenden Anbaujahr 2023 für die kommenden Jahre weiterhin sehr positiv gesehen. Dies spiegelt sich auch in den deutlichen Preisaufschlägen gegenüber der Futtergerste wider. Auch für den notgedrungenen Anbau von Sommerungen kommt die Braugerste aus ökonomischer Sicht sehr gut infrage. Mit den Sortenempfehlungen durch die Braugersten-Gemeinschaft stehen gut zu vermarktende Sorten zur Verfügung. Bei nach wie vor hoher Nachfrage nach Gerstenmalz wird Braugerste auch für die kommenden Jahre eine sinnvolle Anbaumöglichkeit sein. So kann hoffentlich die Flensburger Brauerei bald damit werben, dass ein größerer Anteil ihres Braugerstenbedarfs von zirka 12.000 t aus Schleswig-Holstein stammt.

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