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Erste Schätzungen zur neuen Ernte

IGC rechnet im Vergleich zu 2021/22 mit nahezu stabiler Getreideernte
Von Mechthilde Becker-Weigel
Mais für die Ethanolproduktion ist gefragt, wie hier in einer US-Ethanol­fabrik in Winnebago im Süden Minnesotas Foto: Imago

Der Internationale Getreiderat (IGC) gibt mit seinem aktuellen Bericht eine erste Prognose für die Getreide- und Ölsaatenbilanzen 2022/23. Die Londoner Analysten erwarten trotz hoher Energie- und sonstiger Betriebsmittelkosten nur einen Rückgang um 13 Mio. t für die weltweite Getreideernte. Der größte Produktionseinbruch erfolgt in der Ukraine. Für teilweisen Ausgleich könnten höhere Aufkommen in Brasilien und Argentinien sorgen. Der Getreideverbrauch werde trotz hoher Preise steigen, so die Voraussage. Der Weltgetreide­handel aber soll erneut geringer ausfallen.

Trotz der weltweit kräftigen Verteuerung von Energie und landwirtschaftlichen Betriebsmitteln wird die globale Getreideerzeugung im kommenden Wirtschaftsjahr voraussichtlich kaum kleiner ausfallen als 2021/22. Davon geht nach aktuellem Stand zumindest der Internationale Getreiderat (IGC) aus. Er beziffert die betreffende Menge in einer ersten Prognose für 2022/23 auf 2,275 Mrd. t Getreide; das wären nur 13 Mio. t oder 0,5 % weniger als die Ernteschätzung für die noch laufende Saison. Allerdings weisen die Londoner Fachleute darauf hin, dass die Voraussage wegen des Krieges in der Ukraine mit besonders großer Unsicherheit behaftet sei. Nach Einschätzung des Getreiderates dürfte im nächsten Vermarktungsjahr vor allem die Maisernte kleiner ausfallen. Hier wird mit einer Menge von 1,197 Mrd. t gerechnet; das wären 13 Mio. t weniger als das für 2021/22 veranschlagte Ergebnis. Gleichzeitig soll die Weizenproduktion um lediglich 1 Mio. t auf insgesamt rund 780 Mio. t abnehmen.

In der Ukraine fehlt Geld

Maßgeblich für den weltweiten Erzeugungsrückgang beim Mais ist der Einbruch der Produktion in der Ukraine, für die der IGC ein Aufkommen von nur 18,6 Mio. t erwartet. Die Ernte 2021 in der Ukraine lag noch bei 41,9 Mio. t Mais. Der Maisanbau in der Ukraine wird in diesem Jahr vermutlich um 40 % auf das Zwölfjahrestief von 3,3 Mio. ha zurückgehen, wegen massiver Infrastrukturschäden und der Risiken beim Zugang zu Feldern in wichtigen nördlichen Anbaugebieten. Wegen unverkaufter Bestände aus der Ernte 2021 fehlt den Landwirten Geld für Betriebsmittel.

US-Maisaussaat verzögert

Ein Teil des Produktionsausfalls in der Ukraine dürfte dem IGC zufolge durch deutlich größere Mais­ernten in Südamerika ausgeglichen werden. Für Brasilien und Argentinien rechnen die Analysten mit Ernten von gut 123 Mio. t und 63,7 Mio. t; das wären 7,5 % beziehungsweise sogar 11,7 % mehr als im Vorjahr. Für die USA wird mit einem Rückgang der Maiserzeugung um 1,9 % auf 376,6 Mio. t gerechnet. Die US-Farmer dürften den Anbau wegen der hohen Düngerpreise einschränken. Unter dem Strich werde die US-Erntefläche wohl um 4 % kleiner ausfallen als 2021, so der IGC. Die Maisaussaat lief nach Angaben des amerikanischen Landwirtschaftsministeriums (USDA) nur langsam an. Bislang waren demnach erst 4 % der geplanten Äcker mit Mais bestellt; damit wurde der Mittelwert der vergangenen fünf Jahre um zwei Prozentpunkte verfehlt.

Mais für Ethanolindustrie

Mit Blick auf den globalen Getreideverbrauch rechnen die Londoner Fachleute für 2022/23 trotz des sich an den Terminmärkten abzeichnenden anhaltend hohen Preisniveaus mit einem neuen Rekord von 2,302 Mrd. t; das wären 21 Mio. t oder 0,9 % mehr als im Vorjahr. Im Einzelnen wird der globale Maisverbrauch 2022/23 auf voraussichtlich 1,218 Mrd. t taxiert; das wären 1,4 % mehr als im aktuellen Vermarktungsjahr. Dabei soll der Maisbedarf für den Futtertrog wegen des anhaltenden Wachstums der Fleischnachfrage um 1,5 % auf 722 Mio. t steigen. Die jüngsten Ausbrüche der Vogelgrippe in Europa und den USA dürften sich nach aktuellem Stand kaum auswirken. Allerdings könnten Nachfragerückgänge in ­preissensiblen Ländern in Nahost, Nordafrika und Subsahara-Afrika die Expansion bremsen. Gestützt durch die hohen Energiepreise dürfte der Maisbedarf der Ethanolindustrie im kommenden Wirtschaftsjahr einen neuen Höchststand erreichen; der IGC geht von 314 Mio. t aus; das wären 1,6 % mehr als für 2021/22 geschätzt. Vor allem in den USA und Brasilien werde die Nachfrage nach Ethanolkraftstoff zunehmen.

Der Welthandel mit Getreide wird 2022/23 gemäß der IGC-Prognose das zweite Jahr in Folge zurückgehen: Erwartet wird eine Abnahme um 9 Mio. t oder 2 % auf 407 Mio. t. Dabei wird für Mais ein Rückgang im Vergleich zu 2021/22 um knapp 4 Mio. t oder gut 2 % auf etwa 171 Mio. t erwartet, während beim Weizen das Vorjahresniveau von 193 Mio. t wieder erreicht werden soll. Der Umfang der ukrainischen Maisverschiffungen wird auf voraussichtlich 16,6 Mio. t veranschlagt, nach schätzungsweise 22,6 Mio. t im laufenden Wirtschaftsjahr. Auch aus den USA soll weniger Mais kommen; wegen der dort wahrscheinlich kleineren Mais­ernte wird ein Ausfuhrrückgang um 5 Mio. t auf rund 60 Mio. t prognostiziert. Dagegen dürften sich Brasiliens Maisexporte deutlich erholen; die optimistische IGC-Ernteprognose sieht eine Ausweitung um 14,5 Mio. t auf 38 Mio. t.

Erntelogistik ist fraglich

Mit Blick auf die Weizenausfuhren der Ukraine rechnet der IGC für 2022/23 im Vorjahresvergleich mit einer Einschränkung um 8,3 Mio. t auf 11 Mio. t. Das wäre die kleinste Menge seit neun Jahren. Diese Prognose basiert jedoch auf der Annahme, dass in der kommenden Saison die Transporte auf dem Seeweg zumindest teilweise wieder aufgenommen werden. Derweil dürfte Russland seinen Weizenexport angesichts der sich dort abzeichnenden Rekordernte zwar um etwa 2 Mio. t auf 34,2 Mio. t ausweiten. Dennoch wäre dies im Mehrjahresvergleich eine unterdurchschnittliche Menge, weil internationale Finanzsanktionen den Handel und die Logistik weiterhin erschweren dürften. age

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