Kürzlich fand die vierte Veranstaltung der Seminarreihe zur Magen-Darm-Gesundheit beim Schwein in Futterkamp statt. Die Seminarreihe, die im Rahmen der AG Schwein des Runden Tisches „Tierschutz in der Nutztierhaltung“ initiiert wurde, hatte zu ihrem vorletzten Termin für Berater den Schwerpunkt auf der Ferkelaufzucht. Sie wurde durch die Firma J. Stöfen gefördert.
Hendrik Bielfeldt, Landwirt aus Bünsdorf, stellte seinen Betrieb vor. Auf dem Betrieb von Katharina und Hendrik Bielfeldt werden 630 Sauen im Drei-Wochen-Rhythmus gehalten. Es gibt 4.450 Ferkelaufzuchtplätze mit eigener Jungsauenaufzucht und Mast für die Direktvermarktung „Glücksstück“ in Haltungsstufe 4. Der Betriebsleiter hat gute Erfahrung mit dem Langschwanz bei seinen Tieren gemacht. Er betont die hohe Zufriedenheit mit der eigenen Futterherstellung. Bei den Sauen werden gequetschter Hafer und Toxinbinder in der Futterration eingesetzt. Zur Beschäftigung und als Rohfaserquelle wird Haferstroh per Bodenfütterung den Tieren zur Verfügung gestellt.
Hendrik Bielfeldt stellte die These in den Raum: „Gesunder Sauendarm gleich gesunder Ferkeldarm?!“ Für ihn liegt auf der Hand, dass beides eng miteinander zusammenhängt. Das Absetzgewicht seiner Ferkel liegt bei zirka 7 bis 8 kg. Nach der Abferkelung wird darauf geachtet, dass jedes Ferkel eine Zitze an der Sau hat. In den ersten drei Tagen wird über die Nutrix von Weda Wasser angeboten. Ab dem dritten Tag wird Ferkelmilch mit einem Anteil von 10 % fermentierter Milch eingesetzt, das Ferment ist bis zum Absetzen Teil der Ration. Die Sauen verlassen zuerst den Abferkelstall, die Ferkel verbleiben noch bis zu zwei Tage dort. Im Anschluss werden sie sanft, ohne Stress in die Ferkelaufzucht umgetrieben. Der Landwirt betonte, dass die Stressvermeidung bei der Verladung ein wichtiger Punkt für die Magen- und Darmgesundheit sei.
In der Ferkelaufzucht werden den Ferkeln drei Wochen lang Wasser in Schalen, gequetschter Hafer sowie Wühltröge mit Stroh angeboten, um Rangkämpfe bei der Fütterung zu vermeiden und den Tieren eine Rohfaserquelle anzubieten, die sie nach Bedarf zu sich nehmen können. Außerdem können sie im Wühltrog dem natürlichen Wühlinstinkt nachgehen. Dadurch sind die Tiere deutlich ausgeglichener und entspannter. Der Landwirt betonte, dass ein gesunder Darm auch Langschwänze möglich mache.
Verdauungsphysiologische Aspekte
Tierärztin Dr. Maria Mester gab Einblicke in die Verdauungsphysiologie und Auswirkungen pathogener Veränderungen sowie die Auswirkung des Futters auf die Magen- und Darmgesundheit der Ferkel.
Wo entstehen pathogene Veränderungen? Um zu verstehen, wo die pathogenen Veränderungen beim Ferkel entstehen können, erörterte Dr. Mester die bakteriellen Infektionen des Magen-Darm-Trakts beim Schwein. Coli-Infektionen entstehen im vorderen Magen-Darm-Bereich, meist im Dünndarm, aber zum Teil auch schon im Magen. PIA (Lawsonien) tritt vor allem im hinteren Dünndarmabschnitt durch eine Veränderung und Schädigung der Darmschleimhaut auf. Dysenterie hingegen ist eine Erkrankung des Blinddarms sowie des Dickdarms und Clostridien sind eine Erkrankung aus dem Dickdarm heraus. Das Wissen darüber, wo der Ferkeldurchfall lokalisiert ist, ist entscheidend für Tierärzte und Berater, um dann mit geeigneten Maßnahmen gegenzusteuern. Mester betonte, dass nicht alle Durchfallprobleme damit behoben werden könnten, wenn mehr Rohfaser und ein gröberer Vermahlungsgrad des Futters angestrebt würden.
Ferkelaufzucht: Kritische Phasen
Bei der Magen- und Darm-Gesundheit spielt das optimale Futter eine zentrale Rolle. Die Futteraufnahme geht bei den abgesetzten Ferkeln in den ersten drei Tagen nach dem Absetzen oft deutlich zurück. Dadurch kommt es zu einer geringeren Enzymaktivität. Wenn die Futteraufnahme vom fünften bis siebten Tag nach dem Absetzen wieder zunimmt, kann dies zu Durchfall führen, weil die Enzyme dann erst wieder in Arbeit kommen müssen und deswegen die Nahrung zu dem Zeitpunkt nur teilweise verdaut wird. Gleichzeitig findet bei der plötzlich steigenden Futteraufnahme oft eine unzureichende Durchsäuerung des Nahrungsbreis statt. Dadurch sind die Nährstoffe für die Ferkel auch schlechter verdaulich. Je weniger durchsäuert die Nahrung für die Ferkel ist, desto höher ist die Gefahr von Schadkeimen, die ebenfalls zu Durchfallerkrankungen bei Ferkeln führen können. Allerdings nimmt die Magensäuerung der Ferkel erst mit dem Altern zu. Am Lebensanfang findet die Magensäuerung durch die aufgenommenen Milchsäurebakterien über die Sauenmilch statt. Durch die Milchsäurebakterien bleibt der pH-Wert niedrig und dadurch kommt es zu weniger aufsteigenden Schadkeimen und weniger Durchfallproblematik.
Ab dem fünften bis zwölften Tag nach Absetzen kann es zur Darmentzündung kommen, die meistens durch Coli-Bakterien verursacht wird. In dieser Phase haben die Ferkel eine niedrige Säurebindungskapazität (SBK). Das heißt, dass hochverdauliche Stoffe im Futter mit wenig SBK eingesetzt werden sollten, da die Ferkel schwer verdauliche Futtermittel durch zu wenig Magensäureproduktion nicht verwerten können.
Eine weitere kritische Phase für die Ferkel ist der zwölfte bis 17. Absetztag. In dieser Phase setzen sich die Ferkel mit vielen Infektionen auseinander. Dr. Mester beschrieb die Situation ähnlich der des Kindergartens, wo sich das Immunsystem erst aufbauen müsse. Deshalb benötigten die Ferkel Eiweiß im Futter. Eiweiß und insbesondere die Aminosäure Phenylalanin werden für die Abwehrfunktion des Immunsystems benötigt, vor allem wenn im Körper viele Entzündungsreaktionen ablaufen. Im Gegensatz dazu wird Lysin vorrangig für den Muskelaufbau – Fleischansatz – benötigt. Wenn der Rohfasergehalt nicht auf die Phase der Ferkel abgestimmt ist, kann es in der Praxis zum Auseinanderwachsen der Ferkel beziehungsweise zu Ferkeln mit spitzen Rücken kommen. Die Darmgesundheit der Ferkel ist durch die Rohfaser zwar oft besser, jedoch sind die Ferkel in kritischen Phasen mit der Infektabwehr beschäftigt und können das Futter für den Muskelaufbau nicht umsetzen.
Durchsäuerung des Magens
Im Magen herrscht durch den Salzsäuregehalt ein sehr niedriger pH-Wert. Damit der Magen sich aufgrund dessen nicht selbst verdaut, ist er mit einer schützenden Schleimhaut ausgestattet. Sie ist jedoch nicht überall gleich stark, so befindet sich am Mageneingang kaum schützende Magenschleimhaut. Dort sollte im Normalfall der pH-Wert über 5 liegen. Wenn das Futter zu fein vermahlen ist oder andere Ursachen einwirken und es zu keiner Magenschichtung kommt, kann der saure Magenbrei an den ungeschützten Mageneingang gelangen und dort zu Läsionen und im Fortlauf zu Magengeschwüren führen. Der pH-Wert im Futter sollte daher nicht unter 5 liegen. Eine Übersäuerung führt bei den Tieren außerdem zu Unwohlsein, Sodbrennen, Fundamentproblemen oder zur Metabolischen Azidose (Übersäuerung des Blutes).
Der Körper braucht einen stabilen pH-Wert, damit alle Körper- und Stoffwechselfunktionen optimal funktionieren. Zu Fundamentproblemen kann es bei Durchfall oder Übersäuerung kommen, weil der Körper versucht, den pH-Wert durch Kalzium aus den Knochen abzupuffern. Rohfasergaben führen zu einer erhöhten Speichelproduktion und damit zur Abgabe von Bicarbonat. Bicarbonat neutralisiert den pH-Wert.
Fazit
Hendrik Bielfeldt sieht in der Praxis, dass der Kupierverzicht durch einen gesunden Darm möglich wird. Dr. Maria Mester verwies auf viele verschiedene Ansatzpunkte für eine ausgewogene Magen- und Darm-Gesundheit. Bei einem guten Zusammenspiel von Management, Fütterung und Gesundheit hat der Langschwanz auch aus ihrer Sicht eine Chance in der Praxis.